Griechenland/EU: Der Bericht der Wahrheitskommission

Sonntag, 28. Juni 2015



Die Gleichschaltung der Medien in Sachen Griechenland nimmt immer stärker halluzinierende Züge an. Der Entscheid der Syriza-Regierung, das Diktat der Troika der griechischen Bevölkerung in einem Referendum zu unterbreiten, hat eine journalistische Scharmacherin heute in der Nachrichtensendung „Echo der Zeit“ des Deutschschweizerradios als „absurd“ bezeichnet. Das letzte Mal übrigens, als ein griechischer Staatspräsident (G. Papandreou) das Wort „Referendum“ im Zusammenhang mit dem Schuldenmanagement der Troika in den Mund genommen hat, war er seinen Job blitzrasch los.
Die Linke in Europa war/ist leider nicht in der Lage, die griechische Regierung in der Frage der „Schulden“ ernsthaft zu unterstützen, die Troika zu behindern. Wir kommentieren Dynamiken, sind aber kaum in der Lage, den Arsch hoch zu kriegen.
Nur noch schlimmer wäre es, die „offiziellen“ Versionen zu Griechenland unwidersprochen zu lassen. Deshalb hier der Hinweis auf den „Preliminary Report“ der letzten April vom griechischen Parlament mit dem Audit, also der Überprüfung der Schulden, beauftragten internationalen Kommission, die von Sofia Sakorafa, griechische Parlamentarierin, und im wissenschaftlichen Teil vom Entschuldungsexperten Eric Toussaint geleitet wird. Der vorläufige, 62 Seiten lange Bericht widerlegt nicht nur die gängigen „Mythen“ zu den griechischen Schulden, sondern zeigt auf, wie von der EU, griechischen AkteurInnen und dem IMF systematisch und unter Dauerbruch von greichischen und europäischen gesetzen der hellenischen Verfassung die griechische „Krise“ erst manipulativ überhöht und anschliessend als Waffe gegen die normale Bevölkerung eingesetzt wurde. Im Kern kommt die Kommission zum Schluss, dass EZB, EU-Kommission und IMF gezielt ein potemkinsches Dorf der „Rettung von Hellas“ fabriziert haben, um insbesondere französische und deutsche Banken von toxischen „Aktiven“ zu befreien und diese in staatliche Verantwortung überzuführen. Eine Operation, die systematisch die Menschenrechte der griechischen Bevölkerung verletzt, aber auch die Bevölkerungen der EU bedroht.
Der Kommissionsbericht stellt eine scharfe, in trockenen Worten formulierte Analyse der systematischen Kriminalität der Elitenpolitik dar. Der Bericht beinhaltet auch alternative Vorschläge für die Lösung der jetzt herbei forcierten Wirtschaftskrise, wobei denen die transnationalen Machtverhältnisse im Weg stehen.
Auf der Homepage der Komission http://greekdebttruthcommission.org ist ein Executive Summary des Berichts zu lesen, der Bericht selber, „Truth Committee on Public Debt – Preliminary Report“, kann auf der gleichen Homepage gelesen und kopiert oder als PDF bei CADTM herunter geladen werden.  
Eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Punkte sind im Artikel The banks’ secret behind the Greek tragedy von Maria Lucia Fattorelli, brasilianische Schuldenspezialistin und Mitglied des Truth Committee on Public Debt, enthalten
Auf Spanisch, Französisch und Englisch sind auf cadtm.org diverse Artikel zum Kommissionsbericht zu finden.

Festnahmen von Migranten in Mexiko nehmen schnell zu

Donnerstag, 25. Juni 2015

25.06.2015 

Mehr Zentralamerikaner werden in Mexiko als in den USA festgenommen. Einwanderer sind erneut Opfer von bewaffneten Gruppen geworden
Zehntausende Mittelamerikaner durchqueren Mexiko jedes Jahr auf ihrem Weg in die USA. Viele fahren als blinde Passagiere auf Güterzügen von Süden nach Norden.
Zehntausende Mittelamerikaner durchqueren Mexiko jedes Jahr auf ihrem Weg in die USA. Viele fahren als blinde Passagiere auf Güterzügen von Süden nach Norden.
Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0
Mexiko-Stadt. Seit Oktober haben in Mexiko die Festnahmen von zentralamerikanischen Migranten schnell zugenommen und sogar die Zahlen aus den USA übertrofffen. In den letzten sieben Monaten haben mexikanische Behörden circa 93.000 Migranten aus Honduras, Guatemala und El Salvador festgenommen. In diesem Zeitraum sind in den USA ungefähr 70.000 Einwanderer aus den gleichen Herkunftsländern in Haft genommen worden.
Grund der Veränderung ist das umstrittene Regierungsprogramm „Südgrenze“. Diese staatliche Initiative ist wegen der steigenden Anzahl erwachsener, vor allem aber minderjähriger Migranten ins Leben gerufen worden, die ohne Begleitung ihrer Eltern durch Mexiko Richtung USA fahren. Vor der Umsetzung des Programms nahmen die USA zwischen Oktober 2013 und April 2014 fast 160.000 nichtmexikanische Migranten fest, Mexiko dagegen nur circa 50.000.
Der mexikanische Präsident Peña Nieto verkündete beim EU-Celac-Gipfel in Brüssel im Juni, dass seit der Einführung von „Südgrenze“ im Juli 2014 Mexiko praktisch „eine Migrationsrate von null“ hätte.
Das Programm beinhaltet allerdings härtere Kontrollmaßnahmen. So wurden Checkpoints in Mexiko eingerichtet, um Migranten ausfindig zu machen. Herbergen werden zudem ständig von der lokalen Polizei überwacht. Der Güterzug, der Mexiko durchquert, bekannt als „La Bestia“ (die Bestie), hat seine Fahrgeschwindigkeit erhöht, damit die Migranten nicht mehr darauf aufspringen können. Zehntausende Einwanderer aus Mittelamerika nutzten diesen Zug, um in die USA zu kommen.
Die neue Art der Festnahmen sei gewaltsamer und schneller geworden, so Rubén Figueroa, Sprecher einer Organisation von mittelamerikanischen Migranten. Die Einwanderer hätten keine Gelegenheit mehr, bei ihrer Festnahme einen Asylantrag zu stellen. Denn sobald ihre Nationalität festgestellt werde, würden sie umgehend zurückgewiesen. Sie dürften ihre Verwandten nicht anrufen, und juristische Unterstützung bekämen sie auch nicht.
Auch aus den USA kommt Kritik an dem Programm. Für Maureen Meyer, innerhalb der NGO Washington Office on Latin America (Wola) für Mexiko und die Rechte der Migranten zuständig, ist klar, dass „die Migranten nun gefährlichere und längere Wege in Richtung USA nehmen. Der Migrationsfluss wird aber nicht weniger.“
Hinzu kommt, dass die häufig gewaltsamen Angriffe der organisierten Kriminalität gegen die Migranten oft in Kooperation mit den nationalen Sicherheitskräften und Mitarbeitern des mexikanischen Ministeriums für Migration (INM) geschehen. Zum Beispiel entführt die organisierte Kriminalität Migranten mit Unterstützung der Behörden und verlangt von Familienangehörigen in den USA Lösegeld (amerika21 berichtete).
Die Angriffe der letzten zwei Wochen bestätigen das. Im Bundesstaat Sonora eröffneten Männer in Militäruniform das Feuer auf eine Gruppe von etwa 120 Einwanderern aus Mittelamerika. Mindestens 13 von ihnen konnten entkommen und brachten sich nach einem beschwerlichen Weg durch die Wüste in Sicherheit.
Ähnliche Attacken ereigneten sich im Bundesstaat Veracruz im Osten des Landes. Dort haben mit Pistolen, abgesägten Schrotflinten und Macheten bewaffnete Männer rund 100 Migranten angegriffen, die als blinde Passagiere auf dem Güterzug Richtung USA unterwegs waren, und von ihnen Geld gefordert.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte nun durch ihre Regionalchefin in Mexiko, Erika Guevara-Rosas, dass die mexikanischen Behörden die Migranten schützen sollten. „Mexiko ist zu einer Todesfalle für Migranten geworden, mit brutalen Gangs, die nur darauf warten, um sie für ein paar Dollar anzugreifen“, kritisierte Guevara-Rosas.

Brasilien/MST: „Das Strukturanpassungsprogram von Dilma ist ein Program der Rechten“

Montag, 15. Juni 2015



Gerardo Szalkowicz und Agustín Bontempo*
Das im Parlament behandelte Gesetz über Arbeitsoutsourcing und die von Präsidentin Dilma Rousseff vorangetriebenen Budgetkürzung ergebn für die Volkssektoren in Brasilien ein komplexes Panorama. Über diese Massnahmen, die die sozialen Bewegungen in Kampfbereitschaft versetzt haben, und die komplexe Beziehung mit der Regierung sprachen wir im Programm „Al sur del Río Bravo“ in Radionauta FM mit Joaquín Piñero. Er ist Mitglied der Nationalen Koordination des brasilianischen Movimento dos Trabalhadores Rurais sem Terra (MST, Landlosenbewegung).

(GS/AB) Worum geht es beim Arbeitsoutsourcinggesetz, das der Kongress diskutiert? Was wären im Fall seiner  Absegnung die Folgen für das brasilianische Volk?
(JP) Das als Outsourcinggesetz bekannte Gesetzesprojekt 4330/04 wurde 2004 von einem Unternehmer im Kongress eingebracht, womit klar ist, welchen Interessen es dient. Seither verfügte die Regierung stets über eine parlamentarische Mehrheit und konnte so die Verabschiedung des Gesetzes verhindern. Der neue Kongress – für uns der am weitesten rechts stehende Kongress seit der Militärdiktatur – stimmte darüber ab und nahm es in der Abgeordnetenkammer an. Jetzt ist es im Senat und schliesslich wird Präsidentin Dilma das letzte Wort haben.
Es ist miserabel für die ArbeiterInnen und steht generell für die neoliberale Agenda und die Arbeitsprekarisierung. Heute sind 14 Millionen ArbeiterInnen bei Leiharbeitsunternehmen angestellt, 30 Prozent der Erwerbsbevölkerung im Land, zu tiefen Löhnen unter Bedingungen, die der Sklaverei angeklagt sind. Die meisten Arbeitsunfälle ereignen sich in diesen Unternehmen. Die sozialen Bewegungen und die Gewerkschaftsverbände sind vereint, um dieses Gesetz zu verhindern. Es gibt Strassenmobilisierungen und einen Mobilisierungsplan, um den Senat unter Druck zu setzen. Und falls das Gesetz durchkommt, gibt es eine klare Haltung der ArbeiterInnen dafür, einen Generalstreik auszurufen und bei der Präsidentin auf ein Veto zu drücken.

Die andere Kampffront ist durch die Budgetkürzung der Regierung gegeben. Wie schätzt das MST diese Wirtschaftsmassnahmen ein?
Dies ist der andere Streitpunkt, weshalb die Bewegungen und Gewerkschaften mit der Regierung auf Kriegsfuss stehen. Sache ist, dass die Krise des kapitalistischen Systems mit grosser Wucht in Brasilien angekommen ist. Sie hat die Investitionskapazitäten eingeschränkt,  die Unternehmen vergrössern die Arbeitslosigkeit, der Konsum der Bevölkerung sinkt. Und im Budget für dieses Jahr sieht die Regierung eine Einsparung von 70 Mrd. Reais vor, ungefähr $ 23 Mrd. Dies Kürzungen treffen das Gesundheitswesen, das Erziehungswesen, die Agrarreform, die sozialen Programme. Das stellt für alle sozialen Sektoren ein sehr ernstes Problem dar.

Bei den Wahlen letzten Oktober haben die brasilianischen Volksbewegungen sich stark für die Wiederwahl von Dilma eingesetzt. Danach ernannte die Präsidentin mehrere Minister mit konservativem Profil und betrieb diese Politik der Strukturanpassung. Hat dies eure kritische Unterstützung für die Regierungen des PT verändert?
Wir kämpfen weiter gegen diese Strukturanpassung. Wir sind uns bewusst, dass es eine Wirtschafts- und Finanzkrise gibt und dass die Regierung handeln muss, um sie zu lösen. Aber wir sind uns auch bewusst, dass die Regierung nicht einen Schritt getan hat, um die Reichen zu belasten, ihnen die Kosten für die Anpassung aufzubürden. Jetzt, wo sie Druck von unten spüren, erwägen sie, die Banksteuern zu erhöhen … Man könnte mit der Besteuerung der reichsten Klasse, etwa mit einer Erbschaftssteuer, Einnahmen erzielen. Es gibt mehrere andere Optionen, die die Regierung für die Anpassung nutzen könnte. Wir sind entschieden gegen diese Politik und so haben wir verschiedene Proteste durchgeführt wie etwa die Besetzung des Finanzministeriums. 
MST-Besetzung des Finanzministeriums in Belo Horizonte am 26.5.15. Quelle: MST

Für die Gegenseite, die Opposition, ist klar, dass das Anpassungsprogramm von Dilma ihr Projekt ist, ein Projekt der Rechten.  Deshalb widersetzt sich die Rechte diesen Massnahmen nicht, der Widerstand kommt einzig von den Bewegungen und Gewerkschaften. Aber es ist eine sehr delikate Situation und wir kritisieren die Regierung dafür. Nun, das Kräfteverhältnis ist ungünstig für unsere Seite. Deshalb bleibt uns nur die Strasse, und deswegen haben wir die Mobilisierungen und Pläne für die nächsten Perioden. Denn wir können nicht zulassen, dass es zu einem Rückschritt bei den sozialen Verbesserungen kommt, die die Regierung selber im Land verwirklichen konnte.

·         Quelle: MST de Brasil: “El programa de ajuste de Dilma es el programa de la derecha”, Resumen Latinoamericano, 10.6.15

Südmexiko-Newsletter Mai/Juni 2015

Sonntag, 14. Juni 2015


--- Direkte Solidarität mit Chiapas ---
13. Juni 2015
OAXACA

Fünf Jahre Straflosigkeit im Fall Jyri Jaakola und Bety Cariño -
Witwer von Bety erhält Morddrohungen

Fünf Jahre sind verstrichen seit dem Überfall auf die Menschenrechtskarawane, die in das von Paramilitärs belagerte San Juan Copala fahren wollte, um Nahrung und Medizin zu bringen sowie um die Geschehnisse zu dokumentieren. Auf dem Weg dahin wurden die MenschenrechtsaktivistInnen Bety Cariño aus Oaxaca und Jyri Jaakola aus Finnland von Paramilitärs der Gruppe UBISORT erschossen.

Omar Esparza, der Witwer von Bety, kämpft seither für Gerechtigkeit. Obwohl der Fall von der Nationalen Assoziation der Demokratischen Anwälte gut dokumentiert wurde und die Täter identifiziert sind, befinden sich erst drei von ihnen in Haft. 10 Strafbefehle sind noch ausstehend.

Seit kurzem haben sich die Bedrohungen gegen Omar Esparza massiv verstärkt. Nach einer Serie von Einschüchterungsversuchen hat er Informationen über seine geplante Exekution erhalten. Darum hat er Amnesty International um Hilfe gebeten.
Weiterlesen auf unserer Homepage: http://www.chiapas.ch/

Urgent Action für die Sicherheit von Omar - hier unterschreiben (auf Spanisch):
http://redtdt.org.mx/?p=3130

Urgent Action von Amnesty International (Englisch):
http://ua.amnesty.ch/urgent-actions/2015/06/124-15


WAHLEN IN SÜDMEXIKO UNTER MILITÄRSTIEFELN

Trotz einem riesigen Sicherheitsdispositiv mit tausenden von Soldaten und Bundespolizisten ist es am Wahltag, 7. Juni, zu heftigen Protesten gekommen, sowohl in Guerrero wie auch in Oaxaca und Chiapas. Insbesondere die Angehörigen von Ayotzinapa wie auch die Lehreropposition (CNTE) demonstrierten mit aktivem Wahlboykott gegen die „demokratische Normalität des Wahlgangs, mit dem das mexikanische Parlament und einige Lokalregierungen erneuert wurden. In über 600 Wahllokalen (von insgesamt 150'000) wurden Unregelmässigkeiten gemeldet, insbesondere in Oaxaca konnten viele nicht eingerichtet werden oder die Urnen wurden verbrannt. In Tlapa, Guerrero, wurde ein junger Lehrer bei einer Polizeiaktion am Abend des Wahltags erschossen. Ein Interview, ein Video und zwei Artikel dokumentieren die Lage:

Interview mit Philipp Gerber: Mexiko vor den Wahlen (9 min)
http://www.npla.de/onda/content/1393

Lehrer drängen Militärs in Huajuapan (Oaxaca) zurück (1 min.)
https://www.youtube.com/watch?v=qp8Vt_sHYO8

Militäraufgebot und Unruhen bei Wahlen in Mexiko, PRI siegt
https://amerika21.de/2015/06/123513/unruhen-bei-wahlen-mexiko

Lage in Mexiko eskaliert unmittelbar vor Wahlen
https://amerika21.de/2015/06/123485/mex-eskalation-wahlen2015


CHIAPAS

Tagung: Kritisches Denken im Angesicht der kapitalistischen Hydra (3.-9.Mai)
An der von der EZLN organisierten Tagung, an der mehr als 1500 Personen teilnahmen, diskutierten AktivistInnen, linke Intellektuelle, die Zivilbevölkerung und Zapatisten über die Auswirkungen des kapitalistischen Systems und darüber, wie dieses überwunden werden kann. Unter den ReferentInnen waren nebst Mitgliedern der zapatistischen autonomen Gebiete auch Eltern der verschwundenen Lehramtsstudenten aus Ayotzinapa und bekannte Intellektuelle wie John Halloway, Adolfo Gilly, Raul Zibechi, Luis Villoro, Silvia Federici und Sylvia Marcos und viele andere.
Die Reden von Seiten der EZLN sind auf enlacezapatista zu lesen, diese werden laufend in andere Sprachen übersetzt: http://enlacezapatista.ezln.org.mx/
Hervorheben möchten wir an dieser Stelle die Rede von Comandanta Miriam und anderen Zapatistas: Der Kampf der Frauen, die wir sind, auf Deutsch: www.chiapas.eu/news.php?id=8309 und von Subcomandante Moises: Politische Ökonomie aus Sicht der Comunidades  Teil I; Auf Deutsch: www.chiapas.eu/news.php?id=8305 und Teil II (vorerst auf Spanisch): http://enlacezapatista.ezln.org.mx/2015/05/05/economia-politica-desde-las-comunidades-ii-subcomandante-insurgente-moises-5-de-mayo/
Bericht auf Deutsch zur Tagung: https://amerika21.de/2015/05/122080/zapatistische-tagung-chiapas


La Garrucha
Das Caracol La Garrucha beschreibt in seiner Anzeige, wie die zapatistische Basis in Rosario von bewaffneten Paramilitärs aus der Region ständig bedroht und schikaniert werden. Ihr Hauptziel: die zapatistische Basis zu vertreiben. Die konkreten Ereignisse, die in dieser Anzeige beispielhaft geschildert werden, fanden am 10./11. Mai statt.
http://www.chiapas.eu/news.php?id=8302
Auf Spanisch: http://enlacezapatista.ezln.org.mx/2015/05/11/denuncia-de-la-jbg-el-camino-del-futuro-caracol-iii-la-garrucha/


GUERRERO

Kommandantin der Gemeindepolizei Guerreros im Hungerstreik
Nestora Salgado, Koordinatorin der Gemeindepolizei Olinalá, verweigerte nach 21 Tagen Hungerstreik auch die Flüssigkeit. Sie befand sich in einem Hochsicherheitsgefängnis in Nayarit, zwei Tagesreisen von ihrem Zuhause entfernt. Den Durststreik brach sie nach fünf Tagen wieder ab. Am 30. Mai wurde sie endlich in den Spitaltrakt eines Gefängnisses in Mexiko Stadt verlegt, wo sie auch mehr Besuche der Familie und der Verteidigung erhält. Auf Wunsch ihrer Familie beendete sie den Hungerstreik nach 31 Tagen. Nestora und 13 andere befinden sich seit August 2013 unschuldig in Haft. Sie kämpften mit ihrer autonomen Gemeinde-Polizei gegen das organisierte Verbrechen.

Weiterlesen auf Deutsch:
https://amerika21.de/2015/05/122255/salgado-huelga-de-hambre
http://medicointernational.ch/466
Auf Spanisch:
http://www.jornada.unam.mx/2015/05/26/opinion/017a2pol


Euro-Tour 43 zu den verschwundenen Studenten aus Ayotzinapa
Ein überlebender Student, der Vater eines verschwundenen Studenten und ein Mitarbeiter des Menschenrechtszentrums Tlachinollan in Guerrero bereisten von Mitte April bis Mitte Mai Europa. Sie besuchten dreizehn europäische Städte, um über die 43 verschwundenen Studenten und die Manipulationsversuche des mexikanischen Staates zu berichten, der statt den Fall aufzuklären ihn für abgeschlossen erklärt. Sie rufen die EuropäerInnen dazu auf, die internationale Aufmerksamkeit aufrecht zu halten und informiert zu bleiben. Vor allem die Repression des mexikanischen Staates gegen die Bewegung um die Lehramtstudenten soll weiter beobachtet werden.
Am 1. Mai machten sie in Zürich Halt, wo sie sich am Demonstrationszug anschlossen und abends aus erster Hand die „Nicht-Regierungsversion“ der Ereignisse in Ayotzinapa erzählten.

Das Communiqué der Euro-Tour 43: www.chiapas.eu/news.php?id=8235
Medienbericht in der Aargauer Zeitung:
http://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/in-meinem-land-verschwinden-taeglich-14-personen-129097923
Dossier auf Spanisch: http://www.cgtchiapas.org/noticias/cgt-publicacion-especial-ayotzinapa-vive-mayo-2015
Video-Interview auf Spanisch:
http://www.cgtchiapas.org/noticias/ayotzinapa-por-garantias-reales-no-repeticion
Ayotzinapa/Mexiko: Dokumentation und Analyse eines Menschenverbrechens
http://www.chiapas.eu/news.php?id=8208


MEXIKO

Im Kampf um Ernährungssouveränität: Die Kollektivklage der Maismenschen
http://www.npla.de/de/poonal/5099-die-kollektivklage-der-maismenschen-


HINWEISE

medico international schweiz: PraktikantIn Öffentlichkeitsarbeit gesucht
Genaueres: http://www.kampajobs.ch//jobs/2015-06-01-praktikantin-fuer-unsere-oeffentlichkeitsarbeit-30-50-im-ehrenamt

Sa, 27. Juni 2015; Demo „Grenzenlose Solidarität – jetzt!“
Zürich, 18 Uhr Helvetiaplatz

Di-Sa, 9.-12. Juli 2015 Feministisches Politikwochenende
Infos und Anmeldung: www.femwo.ch

Sa, 12. Sept. 2015 Solilauf Bern, Münsterplatz
Organisiert vom Verein Berner Beratungsstelle für Sans-Papiers.
Infos und Anmeldung: www.solidaritaetslauf.ch

Mexiko: Krise des repräsentativen Systems

Samstag, 13. Juni 2015



Prägnante Analyse der mexikanischen Wahlen vom Sonntag, dem 7. Juni 2015, aus der Feder des bekannten Kommentators der mexikanischen Tageszeitung „La Jornada“ (7 de junio: crisis de representación, veröffentlicht am 9. Juni 2015).

Luis Hernández Navarro

Den jungen Antonio Vivar Díaz brachte letzten Sonntag die Policía Federal um. Er war nicht der einzige, der in Tlapa von den Sicherheitskräften angegriffen wurde. Mindestens vier weitere Personen wurden schwer verletzt. Antonio war Vater eines acht Monate alten Kindes. Er studierte im letzten Jahr integrale kommunitäre Entwicklung an der Nationalen Pädagogikuniversität.
Alles begann um halb 3 nachmittags, als die Besatzung zweier Wagen der Policía Federal gewaltsam in die Räumlichkeiten der Coordinadora Estatal de Trabajadores de la Educación de Guerrero (Ceteg, LehrerInnengewerkschaft von Guerrero) eindrang. Ohne Haftbefehl nahm sie 6 Lehrer fest. Später kehrten Mitglieder dieser Polizeikraft zurück und behändigten zwei Kleinlaster der Lehrkräfte.
Die Agenten gingen auch zum Lehrer Juan Sánchez Gáspar nachhause und nahmen ihn unter Gewaltanwendung mit. Sein Sohn ist der Lehrer Juan Leuguín Sánchez, der am 5. Juni von der Polizei des Gliedstaates und Schlägern der Parteien brutal angegriffen worden war.
Empört über die Festnahmen, warfen die Nachbarn des Quartiers Tepeyac den Uniformierten ihr Verhalten vor, hielten sie fest und warnten sie, sie könnten erst gehen, wenn auch die Lehrer frei kämen. Die Policía Federal antwortete mit einem Grossaufgebot, das die Bevölkerung belagerte. Schliesslich wurde unter Vermittlung der Menschenrechtsorganisation Tlachinollan der Austausch der Gefangenen beider Seiten beschlossen.
Um 20 h drang die Policía Federal in Verletzung der Absprachen in das Quartier ein und schoss dabei scharf und mit Tränengas. ZeugInnen zufolge waren dabei auch Soldaten des 27. Infanteriebataillons beteiligt. Im Verlauf dieser Operation ermordeten die Sicherheitskräfte Antonio Vivar Díaz.
Beerdigung von Antonio Vivar Díaz am 9. Juni 2015. Bild: La Jornada.

Tlapa ist kein Einzelfall. In Oaxaca, Chiapas, Guerrero und Michoacán schützten Einheiten der Policía Federal, des Heeres und der Marine die Wahlen, die in diesen Gliedstaaten in einem Klima der Militarisierung stattfanden. Ziel war, den Aufruf zum Wahlboykott des Movimiento Popular Guerrerense und der CETEG zu neutralisieren. Der Aufruf sollte den Katalog von 11 beim Erziehungsministerium vorgebrachten Forderungen unterstützen, unter anderem nach dem Wiederauftauchen der 43 Studenten von Ayotzinapa und anderer Verschwundener am Leben; der Abschaffung aller Strukturreformen, insbesondere der Erziehungsreform, und einem neuen Erziehungsmodell für das Land.
In Chiapas führten die LehrerInnen mehrere Protestaktionen durch. In Oaxaca besetzte ihre Gewerkschaft Bezirksniederlassungen der Nationalen Wahlbehörde INE und Tankstellen, eine Raffinerie und ein Depot des staatlichen Ölkonzerns Pemex. Nach einem Treffen der Verhandlungsdelegation und des Innenministeriums am 5. Juni in der Militärkaserne Nr. 1, an der ein Funktionär der Bewegung ein Ultimatum stellte, erteilte ein Gewerkschaftsführer von Oaxaca die Anweisung, die besetzten Einrichtungen zu räumen und sich in öffentlichen Parks zu versammeln. Dennoch prallten in Städten wie Tuxtepec Lehrerinnen und Bewohner mit Armeeangehörigen zusammen. Dutzende von LehrerInnen wurden verhaftet.
Angaben der Wahlbehörde zufolge verhinderte der Boykott die Aufstellung von 603 Wahlurnen – die höchste Zahl seit vielen Jahren – mehrheitlich in Oaxaca, Guerrero, Chiapas und einigen indigenen Comunidades in Michoacán. Dem ist die grosse Zahl annullierter Stimmen jener hinzuzufügen, die so zum Protest aufriefen und ihren Entscheid über sie sozialen Netze bekannt gaben.
Aber die Ereignisse im südlichen und zentralen Pazifikgebiet haben sich nicht im ganzen Land wiederholt. An diesem 7. Juni drückte sich der Unmut der BürgerInnen über das Parteiensystem und die Machtaufteilung in der Folge der Abkommen von Barcelona von 1996 regional unterschiedlich aus.  Schliesslich ist Mexiko viele Mexikos. Wenn sich in einem Fall der Boykottaufruf materialisierte, drückte er sich in einem anderen als Aufkommen unabhängiger Kandidaturen oder neuer Parteien aus und in wieder einem anderen Fall als Stimmenannullierung (5 Prozent aller abgegebenen Stimmen).
So gewann in Nuevo León Jaime Rodríguez, bis vor kurzem ein Kader des PRI, die Gouverneurswahlen als Unabhängiger. Dieser Sieg von El Bronco (Der Rüppel) drückt sowohl den Überdruss der WählerInnen bezüglich der Parteienherrschaft wie auch den Entscheid der Bourgeoisie von Nuevo León aus, auf einen direkten politischen Repräsentanten zu zählen, der nicht beim PRI oder beim PAN sei. Wir haben es mit einem ähnlichen Phänomen wie damals zu tun, als Manuel Clouthier und eine Reihe Unternehmer im PAN landeten, was mit dem Sieg von Vicente Fox in den Präsidentschaftswahlen seinen herausragendsten Ausdruck fand. Nur dass sie jetzt, dank der Figur des unabhängigen Kandidaten, nicht mehr mit den Parteispitzen verhandeln müssen.
Ähnlich lässt sich der Sieg des Fussballers Cuauhtémoc Blanco in den Bürgermeisterwahlen von Cuernavaca interpretieren, der formal für eine lokale Partei antrat, die während Jahren darum kämpfte, nicht zu verschwinden. Ohne irgendwelche Meriten in der Politik vorweisen zu können, unterstützt von seinen Sportsfreunden und anderen mit der Unterhaltungsindustrie verbundenen Milieus, schaffte es Blanco, den PRI zu beschämen.
Ausdruck dieser Tendenz, das existierende institutionelle Geflecht in Frage zu stellen, ist auch das landesweite Debakel des PRD, das in seiner Hochburg, Mexiko-Stadt, eine besondere Dimension annahm. Dass Morena [linke Gruppierung um Manuel López Obrador] in der Landeshauptstadt als zweitstärkste Kraft auftritt, zeigt sowohl den lokalen Unmut über eine verfaulte und korrupte politische Kraft wie auch über eine formal oppositionelle Stadtregierung, die sich der Logik und den Interessen der Bundesregierung unterwirft.
Unter diesen Umständen von den Wahlen als Erfolg oder von einem demokratischen Fortschritt im Land zu reden, ist Unsinn. Es stimmt, es war eine historische Wahl, aber nicht aus den Gründen, die ihre ApologetInnen anführen, im Gegenteil. Unter dem Strich ergibt sich ein gravierendes Problem der politischen Repräsentation und des Unmuts über das existierende Parteiensystem. Eine ernste Repräsentationskrise.

Kolumbien: Pablo Catatumbo: „Ohne Wahrheit gibt es keine Gerechtigkeit“



(zas, 13.6.15) Nachtrag zum Kolumbien-Post von gestern. Die kolumbianische Zeitung „El Espectador“ veröffentlichte am 7. Juni 2015 ein Interview mit dem FARC-Comandante Pablo Catatumbo, einem Mitglied der FARC-Delegation in den Friedensverhandlungen in Kuba. In der hier zitierten Passage erwähnt Catatumbo die „Historische Kommission des Konflikts und seiner Opfer“, einem von den beiden Konfliktparteien im August 2014 ernannten 12er Gremium von HistorikerInnen, das seine Berichte letzten Februar vorgelegt hat.
 
Pablo Catatumbo



Einen Fortschritt stellt die Analyse in den von der Historischen Kommission des Konflikts und seiner Opfer präsentierten Berichten dar, doch hat man ihr in Kolumbien nicht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt. Sie beinhaltet einen sehr wichtigen Beitrag über den Ursprung und die Dynamik des bewaffneten Konflikts und die Gründe für seine Verlängerung. Manche Sektoren in Kolumbien wollen der FARC die alleinige Verantwortung zuschreiben. Doch dem ist nicht so. Warum erklären wir dem Land nicht, wer in Kolumbien mehr als 29‘000 Menschen verschwinden liess? Warum war das möglich? Warum wurden so viele Leute gefoltert? Wer sind die Verantwortlichen für das Verschwinden und die Ermordung von Tausenden von Kadern der Gewerkschaften, Bauern- und Volksorganisationen, der Vertreibung von mehr als 6 Millionen Bäuerinnen und Bauern? Warum bringen wir nicht die Wahrheit an den Tag über jene, die mehr als 7 Millionen Hektaren bäuerliches Land erst gewaltsam an sich rissen und danach legalisierten? Wie erklären, dass all dies in Sichtweite der zivilen und militärischen Behörden geschah, fast immer mit ihrer Komplizenschaft oder direkten Beteiligung? Was ermöglichte es, dass die Paramilitärs während 30 Jahren in unmittelbarer Nähe von Armeebataillonen in städtischen Zentren und Gemeindehauptorten operierten, und es nie auch nur einen Kampf zwischen ihnen gegeben hat? Dies sind Fragen, die eine Kommission für die Wahrheitsfindung angehen muss. Um Frieden zu erlangen, ist es nötig, die Wahrheit zu kennen.