ReArm Europe und «emanzipatorische» Verkleidung

Freitag, 4. April 2025

 

Der Ökonom Alejandro Marcó del Pont ging kürzlich auf das € 800-Mrd.-Aufrüstungsvorhaben der EU ein. Er sprach von der «Rentabilität der Angst», der zwar absurden, aber pausenlos geschürten Angst, dass die Hunnen (Putin) das demokratische Europa besetzen wollen. Eine gewinnbringende Angst. 

Del Pont schreibt, die «Verschiebung der Prioritäten spiegelt sich auch auf den Finanzmärkten wider. Europa hat aufgehört, in die so genannten ‘Magnificent Seven’ (Apple, Amazon, Alphabet, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla) zu investieren, die 2025 einen Rückgang von 8 % hinnehmen mussten. Stattdessen haben die europäischen Rüstungsaktien einen Boom erlebt. Rheinmetall beispielsweise hat im Jahr 2025 um 80% und in den letzten drei Jahren um fast 1’350% an Wert gewonnen. Dasselbe gilt für andere grosse Unternehmen des Sektors.»

«Was der Öffentlichkeit jedoch eher verborgen bleibt, ist dass das Narrativ der europäischen Rüstungsausgaben letztlich den Vereinigten Staaten zugutekommt. Nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI) haben die europäischen NATO-Staaten - darunter Deutschland, Frankreich, Italien, Polen und 26 weitere - ihre Waffeneinfuhren seit 2020 verdoppelt. Die USA sind der Hauptlieferant: 64 Prozent der von diesen Ländern beschafften Waffen stammen von US-Unternehmen. Und mit den anstehenden Verkäufen wird diese Abhängigkeit weiter zunehmen. Von den 326 Milliarden Euro an Militärausgaben fliessen rund 250 Milliarden in den militärisch-industriellen Komplex der USA. Ein rundes Geschäft.»

«Geschäft ist Geschäft. Auch wenn es blutig ist. Das geht so weit, dass eines der zentralen Dogmen der neoliberalen Orthodoxie - das Haushaltsgleichgewicht - gelockert wird, wenn es um Militärausgaben geht. (…) Am selben Tag, an dem der ReArm Europe-Plan angekündigt wurde, stimmte der Deutsche Bundestag einer Verfassungsänderung zu, mit der die 2009 eingeführte Schuldenbremse ausgesetzt wird. Das neue 500-Milliarden-Euro-Paket soll für Infrastruktur, Klimainitiativen und natürlich für die Verteidigung ausgegeben werden.»

«Kurzum, es scheint, dass bestimmte wirtschaftliche Grundsätze - wie das Haushaltsdefizit - relativiert werden können, wenn das Geschäft mörderisch ist. Was wirst du denken, wenn dir gesagt wird, dass die Ausgaben für Gesundheit oder Bildungdie öffentlichen Finanzen belasten? Oder deine Rente für das Haushaltsdefizit verantwortlich gemacht wird?»

Auf die von Trump weiter angeheizte EU-Angstmache in Sachen «Putin ante portas» geht auch der britische Ökonom Michael Roberts auf seinem Blog ein (From welfare to warfare: military Keyensianism) Der «UK-Premier Keir Starmer und ein früherer Chef des MI 5 behaupten beide», nach einem russischen Sieg in der Ukraine gehe es nicht lang, bis russische Truppen «auf britischen Strassen» seien.  «Bronwen Maddox, die Leiterin von «Chatham House, dem aussenpolitischen ‘Think Tank’, der hauptsächlich die Standpunkte der britischen Militärstaates vertritt, startete die Sache mit der Behauptung, dass Verteidigungsausgaben ‘den grössten Nutzen’ im Kampf Demokratie versus Autoritarismus bringen.» Das koste allerdings etwas, sagte die Denkerin: «Im nächsten Jahr und darüber hinaus müssen sich die Politiker darauf einstellen, das Geld mit Kürzungen von Krankengeld, Renten und Gesundheitswesen» hereinzuholen.

Roberts zitiert den Kolumnisten der Financial Times, Janan Ganesh so: «Europa muss den Welfare-Staat kürzen, um den Warfare-Staat aufzubauen (…) Wie, wenn nicht mit einem kleineren Wohlfahrtsstaat soll ein besser gerüsteter Kontinent finanziert werden?» Und: «Wer immer unter 80 ist und das Leben in Europa verbracht hat, kann dafür entschuldigt werden, einen gigantischen Wohlfahrtsstaat als natürliche Sache anzusehen. Tatsächlich war er das Produkt eigenartiger historischer Umstände, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorgeherrscht haben und das nicht mehr tun.» Roberts Kommentar: «Ja, genau, die Errungenschaften für arbeitende Menschen im goldenen Zeitalter waren die Ausnahme von der kapitalistischen Norm (‘eigenartige Umstände’).»

Die EU-Aussenkommissarin Kaja Kallas hat das Globale im Blick: «Wenn wir gemeinsam nicht fähig sind, Druck auf Moskau auszuüben, wie sollen wir dann behaupten, China besiegen zu können?» Auch der ehemalige EU-Chef und heutige polnische Ministerpräsident Donald Tusk ist auf der Höhe der Zeit: Polen «muss die modernsten Möglichkeiten wahrnehmen, auch bezogen auf Atomwaffen und andere nicht-konventionelle Waffen.»

 

Mitmarschieren, aber fest alternativ

Soweit Roberts. Diese EU- Propagandaszenarien werden medial unablässig wiedergekäut: Reicht der französisch-britische Atomschild oder braucht Deutschland eigene Atombomben, wer sonst noch? Vorbei die Frage, wie ein Atomkrieg oder ein anderer ABC-Krieg (s. Tusks «nicht-konventionelle Waffen») zu vermeiden sei, dafür erkennbar das Grübeln, wie ihn gewinnen?

Und die «Linke»? Ähm, ja, man diskutiert mit. Zum Beispiel Cédric Wermuth, Co-Präsident der SP. Auch er weiss genau: «In der Ukraine wird um die Sicherheit Europas gekämpft.» Also muss die Schweiz mitmachen dabei, mit Geld. Woher das nehmen? Von den eingefrorenen Geldern der russischen Zentralbank. Das war vor zwei Jahren noch tabu, aber hey, gehen wir mit der Zeit! (Einzig unklar, warum nicht Gelder von US- oder EU-Oligarchen wegen Krieg und Völkermord enteignet werden.) Aber zurück zum Thema: «Die Ukraine muss auch militärisch mit allem unterstützt werden, was sie braucht.» Die NZZ sagt Wermut, ein Parteikollege habe gesagt, «die Schweiz müsse sich verteidigen können, wenn sie angegriffen werde.» Die klare Antwort des SP-Co-Chefs: «Wer sieht das nicht so?» 

Ok, Cédric will nicht planlos aufrüsten: «Zuerst muss klar sein, welchen Teil wir zur europäischen Sicherheitsarchitektur beitragen und was es überhaupt braucht (…) Aber ohne zusätzliches Geld für die Armee werden wir nicht sicherer.» Es geht nicht nur um Geld. «Vielleicht können wir uns dereinst an Friedenstruppen wie in Kosovo beteiligen.» Jetzt nämlich, mit Putin dem Drohenden, «müssen wir endlich unseren Beitrag leisten zur Verteidigung des demokratischen, sozialstaatlichen Europas.»

Oh je!!! Sozialstaat verteidigen? Getrieben von den «Zwängen» des Mitmachens in der Gesellschaftsverwaltung bleibt Menschen wie Cédric Wermuth, denen linke Anliegen nicht fremd sind, jetzt, wo sich die politische Lage dramatisch zuspitzt, nur noch Phantasieren. Vaterländische Heimatverteidigung? Scheisse! Aber «im europäischen Rahmen nachvollziehbar, wenn die Aufrüstung klar auf Verteidigung ausgerichtet ist.» Vaterland ist pfui, Vaterkontinent ist hurra. 1914 ist passé.

 

Das «Immerhin» der WoZ

Er ist nicht allein. Nennen wir für andere Aufrechte die WoZ. Auch hier brach wie im Mainstream nach dem Kolonialauftritt von Trump und Vance gegen Selenski das grosse Jammern über Trumps «Verrat an der Ukraine» aus. Und schlimm: «Während man in Warschau, Berlin und Brüssel die Zäsur der Ereignisse rasch begriffen hatte, blieb es in Bern auffallend still», schrieben Anna Jihkareva und Jan Jirát in der Woz vom 7. März. In der Schweiz, kritisieren sie, hat man die letzten Jahre mit neutralitätspolitischer Blödelei verbracht. «Immerhin» aber habe es zwei situationelle Updateversuche gegeben. Bundesrat Cassis habe die Idee einer «kooperativen Neutralität» (gemeint Anbindung an die NATO) aufgebracht, aber so ungeschickt, dass nichts draus wurde. Profilierungszoff zwischen Viola Amherd und Karin Keller-Sutter habe den nächsten Anlauf zum Rohrkrepierer gemacht. Nämlich Amherds Studienkommission zur «’Verteidigungskooperation’ mit NATO und EU» (Zitat des eidgenössisch zertifizierten Friedensexperten Laurent Götschel, Mitglied der Kommission. Aber «immerhin, etwas Klarheit kommt derzeit aus dem Parlament. Dessen Sicherheitskommission forderte vom Bundesrat intensivere Bemühungen zur Sicherung der Stabilität Europas.» Tolle Sache, lanciert von SP-Fabio Molina. SP-Nationalrat Jon Pult hatte auch spitzgekriegt, dass mit Trump «für Europa erstmals die Möglichkeit besteht, sich von den USA unabhängig zu machen und als eigenständiger Akteur zu behaupten.» Wonach, wenn nicht danach dürstet es die Welt? 

WoZ-Redakteur Kaspar Surber: «Die vielgerühmte ‘transatlantische Partnerschaft’ diente den reichen Staaten stets auch zur Durchsetzung ihrer Interessen im Globalen Süden», aber auch «als Fixpunkt der Ordnung seit 1945, dass der Schwächere vor dem Stärkeren geschützt werden soll». Wie könnte die globale Wahrnehmung des transatlantischen Wütens dialektisch besser gefasst werden? Dafür kein Begriff, dass diese «Partnerschaft» heute einer neuen Art der Durchsetzung besagter «Interessen» (nicht «nur» im globalen Süden) weichen soll. Aber Europa lockt mit der in Aussicht gestellten «Zusammenarbeit von demokratischen Staaten».

Eine Woche später etwas Erleichterung in der WoZ. USA und Ukraine beschliessen die Wiederaufnahme der von Trump kurz sistierten Waffenlieferung. Die Schreiberin weiss: «Immerhin ein Hoffnungsschimmer für die Menschen im kriegsversehrten Land.» Das gegenseitige Abschlachten vor allem junger Männer – jeweils für die Freiheit – geht weiter. In der gleichen Nummer feiert auch Hanna Perekhoda, Mitglied in Sozialniy Ruck, dem ukrainischen Ableger der sog. 4. Internationalen, Europa. Auch sie bekennt sich zu linken Forderungen: gegen die «Kürzung von Sozialausgaben», für «Gerechtigkeit und Sicherheit». Ihr Vorschlag: «Statt dass jede Nation ihr eigenes Militärbudget aufstockt, könnte Europa auch seine kollektiven Sicherheitsmechanismen stärken. Zwingend muss dabei die Energiesicherheit als Teil der Militärstrategie betrachtet werden: Indem wir die Abhängigkeit von russischen fossilen Brennstoffen verringern, verhindern wir auch künftige wirtschaftliche Erpressungen durch Russland.» Freier Markt statt Erpressung.

Damit die Europa-Lektion sitzt, interviewen Anna Jikhareva und Jan Jirát eine EU-Parlamentarierin der finnischen Linksallianz (WoZ 12, 20.3.25). Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine sei die Anti-NATO-Stimmung im Land und auch in ihrer Partei gekippt. Aber sie sei immer noch für ein Atomwaffenverbot, beim NATO-Eintritt habe niemand deren Atomkriegsdoktrin ernst genommen. Die Wehrpflicht würden jetzt auch die Jüngeren akzeptieren, die murren aus Gleichstellungsgründen, dass sie nur für Männer gelte. Trumps Kumpanei mit Putin sieht sie als «historische Chance, um die Abhängigkeiten von den USA zu verringern.» Europa sei auf gutem Weg; was früher als linksradikal gegolten hätte, werde jetzt oft gesagt. Beispiel: das EU-Parlament fordere die Möglichkeit für Europa, «innerhalb der NATO ohne die USA autonom zu handeln.» Die radikale Linke setzt sich durch! «Für uns als Linke ist wichtig, dass sich die NATO auf ihre Ursprungsmission fokussiert: die Verteidigung.» Good old NATO.

Dass die WoZ solche Absurditäten weiter verbreitet, spricht Bände von einer rasanten Abwärtsfahrt. Es geht um eine Art eigene Gehirnwäsche bei nicht wenigen Progressiven. Sie funktioniert prinzipiell so: Verniedliche Machtverhältnisse, bis sie vergessen werden. Europa ist nämlich nicht der Ort, an dem staatliche Sozialleistungen reduziert und abgeschafft werden; nicht eine weiter funktionierende Kolonialzentrale. Du füllst die Leerstelle mit Phantasien und Versprechen auf Schönes und Menschenwürdiges. Später kommt die Anpassung an nicht beeinflussbare «Fakten», du lässt dich dann mit einem Butterbrot kaufen.

Die Unfähigkeit zu begreifen, dass «Stellvertreter»-Kriege wie in der Ukraine allen Vertretenen angelastet werden müssen, ist verheerend. Sicher, einmarschiert sind russischen Soldaten. Keine Entschuldigung dafür. Nur ist auch gut dokumentiert, dass führende Kräfte des Westens den kommenden Krieg diskutiert hatten. Das alles zu ignorieren und ihre Aussagen als Geschwätz abzutun, verrät Duckmäusertum vor den Kriegstreibern im «eigenen» Lager. Sag NATO-Osterweiterung, und die BellizistInnen antworten, im Wissen um die stockreaktionären Mechanismen im Kreml: Krieg? Also los! Doch WoZ und ähnliche Kreise haben es nie geschafft, auch nur für flüchtende Kriegsverweigerer beider Seiten einzustehen.

Die russische Kriegsführung in der Ukraine zeugt von Barbarei. Kein Wunder, versuchen viele Menschen in der Ukraine, sich dagegen zu wehren. Andere, nicht nur im Donbas, wollen ein Ende des Selensky-Regimes. In der Ukraine will kaum wer einen Endloskrieg. Doch wovon zeugen die Daueraufrufe zur Fortsetzung des Kriegs bis zum Sieg? Von weniger Barbarei?

Es stimmt, wir scheinen machtlos gegenüber dem Treiben der Herrschenden in der Ukraine. Aber mitmachen ist das Gegenteil einer Option. Was jetzt «eingeübt» wird, soll gigantisch werden. Die Richtung ist klar. In Palästina wollen USA/Israel offen die Gesellschaft vernichten, im Kongo geht das Massenmorden für den Rohstoffhandel über Genf oder die Emirate weiter. Dagegen hilft kein «Europa», im Gegenteil, dagegen kann nur eine Tendenz zur globalen Gemeinsamkeit eine Perspektive bieten. Etwas anderes als «Europa» hochhalten.

Deshalb nach wie vor:

Brick by brick, wall by wall

Make the Fortress Europe fall.

Von El Salvador in die Brave New World

Sonntag, 30. März 2025

 

Nachtrag zu El Salvador/USA: His master’s voice:

(zas, 30.3.25) Trumps Homeland-Security-Ministerin, Kristi Noem, besuchte am 27. März El Salvador, erste Station auf dem Trip auch nach Kolumbien und Mexiko. Sie besuchte dabei das Riesengefängnis CECOT, in dem auch die ein paar Tage zuvor aus den USA deportierten 238 Venezolaner sitzen. Tolles Erlebnis, Anlass zu einem Noem-Videoauftritt bei X. Sie redet, zur Kamera gewandt, im Hintergrund kahlgeschorene, tätowierte Böse hinter Gitter, aufgereiht und ihrer Botschaft an MigrantInnen in den USA praktisch bewegungslos lauschend: “Wenn du illegal in unser Land kommst, ist dies[es Gefängnis] eine der Konsequenzen, die du riskiert. Vorweg, komm nicht illegal in unser Land, oder du wirst abgeschoben und belangt werden (…) Dieses Gefängnis ist ein Werkzeug in unserer Werkzeugkiste, das wir benutzen werden.»

Zum Treffen mit Bukele kommentierte die Frau vor ihrem Weiterflug nach Kolumbien: Der Präsident «ist offen dafür, weitere TdA- und MS 13[i]-Mitglieder zu empfangen. Wir haben immer noch tausende solcher Mitglieder von terroristischen Organisationen in unserem Land.» Das Regime in El Salvador sei “ein Modell für andere Länder, wie sie mit Amerika arbeiten können.»

Auch die Style-Sektion der New York Times nahm sich des Knastbesuchs an. Wir lesen:

«Was trägt man bei einem Besuch in einem der weltweit notorischsten Gefängnisse? Wenn du Kristi Noem bist, lautete die Antwort ein langärmliges weisses Oberteil, graue Hosen und eine Baseballkappe mit dem Logo der Immigration and Custom Enforcement. Oh, und eine goldene Rolex Cosmograph Daytone, die ungefähr $ 50'000 kostet.»

Zum Punkt Uhr scheint es reichlich Medienberichte gegeben haben, da offenbar viele «Spürhunde» ihre Zeit damit verbringen, die Uhren von Berühmtheiten zu identifizieren. Immerhin, für dieses eine Mal macht dies den Kontrast zwischen Herrschenden und Beherrschten deutlich. Wichtiger jedoch die Nachricht vom 27. März, dass das US-Justizministerium nicht mehr das Impeachment des Bundesrichters Boasberg anstrebt. Der Mann ist «schuld» daran, dass die Regierung gerade keine Menschen unter dem Alien Enemies-Gesetz wie im Fall der nach El Salvador «entsorgten» angeblichen TdA-Mitglieder vollziehen darf. Das Impeachment-Geschrei gegen Boasberg und andere nicht-gefügige RichterInnen hat momentan etwas abgenommen. Supreme Court-Chef John Roberts hatte am 18. März ein Impeachmentverfahren als “keine angemessene Antwort auf eine Meinungsverschiedenheit» bezeichnet. Zu deren Klärung gebe es den Weg von gerichtlichen Rekursen. Diese «markige» Stellungnahme löste in der «liberalen» Ecke des westlichen Herrschaftsapparats viel Erleichterung aus.

Nun, die Administration Trump geht jetzt für ihre Benutzung des Ausländische-Feinde-Gesetzes vor den Supreme Court. Keine Überraschung. Seit längerem gilt als ausgemacht, dass Trump & Co. zum Thema Abschaffung der Gewaltenteilung diesen Weg einschlagen wollen. Denn hier besteht die realistische Chance, damit in vielleicht nicht allen, aber vielen Punkten durchzukommen. Man kann Roberts Statement durchaus in diesem Zusammenhang begreifen. Immerhin war er eine zentrale Figur im Entscheid des Supreme Court von letztem Juli, dem damaligen Ex-Präsidenten Trump weitgehende Immunität für seinen Putschismus gegen seine Wahlniederlage 2020 zuzusprechen. Die New York Times veröffentlichte am 10. März einen Artikel unter dem bezeichnenden Titel in Aftershocks of Supreme Court’s Immunity Ruling Echo in New Trump Cases. Sie zitiert Jack L. Goldsmith, Jura-Professor in Harvard und unter George W. Bush Funktionär im Justizministerium, mit den Worten, der Juli-Entscheid des Supreme Court «stellt vielleicht die folgenreichste Abhandlung überhaupt zur Frage des Rechts der Präsidentschaft dar.» Denn, so die Times, Roberts, der den Standpunkt der Mehrheit des Gerichts vertrat, «plädierte für einen kraftvollen und energischen Präsidenten, dessen zentrale Vollmachten von Kongress und Gerichten nicht eingeschränkt werden können». Es ging damals also um mehr als "bloss" Trumps Straffreiheit, es ging um die juristische Absicherung der vom letztlich faschistischen US-Lager vertretenen Theorie der unitary executive, der weitgehenden Abschaffung von Gewaltenteilung.

Brave New World!



[i] Tren de Aragua, eine kriminelle Organisation in Venezuela.MS 13, die früher grösste Marastruktur von Zentralamerika bis USA.

Massaker in Gaza ignorieren, für Demokratie in Tel Aviv protestieren

Dienstag, 25. März 2025

 

Hanin Majadli*

Israel verübte kürzlich das grösste Massaker an Kindern seiner Geschichte. An einem Tag wurden 200 Kinder und 100 Frauen getötet. Insgesamt wurden rund 400 Zivilpersonen getötet. Diese Zahlen werden in den israelischen Medien nicht genannt – und wenn doch, auf haarsträubende Weise.

So berichtete Chanell 12 News, der israelische Mainstreamsender, die 400 Tote seien «operatives», «Agenten», gewesen. Wie kann man behaupten, alle seinen «operatives» gewesen, wenn vollkommen klar ist, dass die ganze Welt die entsetzlichen Bilder von zu Tode gebombten Babys und Kindern sieht? (…)

Die Mehrheit der israelischen Öffentlichkeit, die gegen den Krieg ist, ist der Meinung, dass der Krieg das Leben der Geiseln gefährdet und dass die Kämpfe aus politischen Gründen wieder aufgenommen wurden. Ich konnte die israelische Reaktion zu Beginn des Krieges, nach dem 7. Oktober 2023, irgendwie verstehen, auch wenn sie sich nicht direkt auf die palästinensischen Opfer bezog. Damals sollte die Reaktion davor schützen, als „Verräter“ abgestempelt zu werden. Aber nach 18 Monaten des Massenmords, der als ewige Schande in die Geschichtsbücher eingehen wird, kann dieser Mechanismus nicht mehr funktionieren.

Die Wiederaufnahme des Krieges wird zwar die Geiseln töten, aber vor allem Massen von palästinensischen Männern, Frauen, Kindern und älteren Menschen. Wann werden die israelischen Kriegsgegner laut aussprechen, was gesagt werden sollte, und aufhören, euphemistisch zu sein? Wie ich höre, haben sich einige damit abgefunden, als „Kindermörder“ abgestempelt zu werden. Ist es möglich, einen tieferen moralischen Tiefpunkt zu erreichen? Erschreckt es sie nicht, als solche bezeichnet zu werden?

In Israel ist es bereits unmöglich, zwischen den Dingen zu unterscheiden. Es ist unmöglich, zwischen den Medien und der Öffentlichkeit zu unterscheiden. Denn selbst diejenigen, die den Krieg ablehnen, haben Angst zu sagen, dass auch die Menschen im Gazastreifen Menschen sind. Denn es ist unmöglich, den Piloten von der Bombe zu trennen. Man sagt ihm, er soll den Knopf drücken, und er drückt ihn. Die Mehrheit der Bevölkerung duldet nicht nur die Massenabschlachtung, sondern fordert sie sogar, entweder ausdrücklich oder stillschweigend.

Das ist nicht ein Problem, das von den Medien vertuscht oder manipuliert wird. Es ist die Frucht einer militaristischen rassistischen Indoktrination, die im Kindergarten beginnt und bis zum Tod andauert. Eine Indoktrination, die zerstört werden muss, um die Existenz des Zionismus zu rechtfertigen.

Das Narrativ, das derzeit von der liberalen jüdischen Öffentlichkeit in Israel als Kampf zur Rettung der israelischen Demokratie dargestellt wird, hat etwas Verdrehtes an sich. Dieser Kampf besteht darin, dass die tödlichen Folgen des Krieges für den Gazastreifen und die Menschen im Gazastreifen fast überhaupt nicht erwähnt werden.

Wie ist es möglich, die Verteidigung demokratischer Werte mit einer Situation in Einklang zu bringen, in der auf der anderen Seite Zehntausende von Menschenleben mit einem einzigen Schlag ausgelöscht werden? Es klingt unglaublich.

·       Haaretz, 21.3.25: Ignoring Massacres in Gaza City While Protesting for Democracy in Tel Aviv

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(zas) Soweit der Schrei der Autorin. Was sie für Israel beschreibt, reflektiert sich hier im Grossteil der medialen «Vermittlung». Kritik an Israel? Ähm, respektiert Netanyahu die israelische Demokratie? Wenn es um drohenden Tod geht, dann meistens und fast «automatisch» um jenen israelischer Geiseln und solcher aus anderen Ländern in den Händen der Hamas. Ja, es gibt Ausnahmen der Ehrlichkeit. Aber sie sind das: Ausnahmen. Das ist nicht so, weil den Israelis einfach nachgeschwatzt würde. Sondern weil die Medien nicht anders können, als die eigenen, westlichen Kriege zu unterstützen. Und für linke Sensibilitäten gibt es einen Mechanismus, um nichts gegen den Genozid zu machen: «Kampf gegen Antisemitismus». Dieser «Kampf» neutralisiert – wer wüsste das nicht? – den Völkermord. Denn wie ginge das zusammen, den Völkermord in Palästina zu verurteilen, ohne antisemitisch zu sein?