(zas, 22.3.25)
Am 19. März tweetete
Nayib Bukele «The U.S. is facing a judicial coup” (original
Englisch). Elon Musk antwortete:
“1000%”. Bukele sekundierte damit Trumps
Forderung nach einem Impeachment des US-Bundesrichters Boasberg. Am 14. März
hatte Trump befohlen, illegal eingewanderte VenezolanerInnen ab 14 Jahren, die
Mitglieder der kriminellen Organisation Tren de Aragua (Venezuela) seien, zu
verhaften und «abzuschieben». Dem folgte
zwei Tage später die Deportation von über 200 angeblichen Mitgliedern des Tren
de Aragua nach El Salvador. Zuvor hatte Trump schon das Alien Enemies-Gesetz
(von 1798), das erlaubt, BürgerInnen von Ländern im Krieg mit den USA zu
internieren, reaktiviert. Doch Richter Boasberg untersagte die Deportation von
fünf appellierenden VenezolanerInnen, worauf Justizministerin Pam Bondi sagte, «das Justizministerium hält (…) unbeirrt daran fest, diese Invasion zu
stoppen and Make America Save Again». Ihr Ministerium rekurrierte gegen die
Entscheidung, worauf Boasberg seinerseits befahl, wegen Verdachts auf Verfassungswidrigkeit
vorerst sämtliche Deportation unter der Alien Enemy Act auszusetzen und
allenfalls schon gestartete Flüge zurückzurufen.
Der für einen
Rückruf höchstwahrscheinlich erreichbarer Flug nach San Salvador - die
Regierung verweigert bis heute dem Richter Auskunft über die Flugzeit - wurde
nicht gestoppt, und Bukele «empfing» die Deportierten auf seine gewohnten
Weise. Er verbreitete Videos, wie sie aus dem Flugzeug brutal in
Transportfahrzeuge verfrachtet und im Riesengefängnis CECOT gedemütigt wurden.
Die US-Medien bombardierten die Bevölkerung damit. Das Weisse Haus unterstützte
das «Anliegen» mit einem eigenen Video mit einem spöttischen Abschiedslied für
einen zu deportierenden Migranten. Die Sprecherin des Weissen Hauses, Karoline
Leavitt, meinte dazu, das sollte «illegale Immigranten zu aktiver
Selbst-Deportation» ermutigen, «um
sich so vielleicht davor zu retten, sich selber in so einem Spassvideo zu
befinden.» Grausamkeit als Programm.
Vieles spielt in diese Vorgänge rein. Etwa die schreiende
Rechtlosigkeit in Washington und San Salvador. Oder die vom Weissen Haus
geschürte Paranoia unter Millionen von MigrantInnen (Bukele verfasste praktisch
alle seine Tweets zum Thema auf Englisch – er kennt seine Aufgabe). Oder die Fassungslosigkeit
in Venezuela. Parlamentspräsident Jorge Rodríguez nannte Bukele einen negrero, einen Händler mit schwarzen
Versklavten. Nebst Erlösen aus Zwangsarbeit erhält das Bukele-Regime, wie letzten
Februar mit Marco Rubio vereinbart, für seine Dienstbarkeit den zehnfachen
Betrag pro Gefangener, den es sonst ausgibt.) Doch hier nur ein paar Infos
zur salvadorianischen Dynamik.
Tren de Aragua
Bukele sprach am 16.
März von «angelieferten» «238 Mitgliedern
der venezolanischen kriminellen Organisation Tren de Aragua» und 23
salvadorianischen Mitgliedern der Mara 13. Aber die US-Behörden gaben bekannt,
dass 101 der 238 Deportierten wegen illegaler Einwanderung festgenommen wurden,
nix Tren de Aragua. Ob und wenn ja wie viele Mitglieder des Trens sich unter
den 238 befinden, ist ungewiss – Washington schweigt sich zu seinen
«Ermittlungen» dazu aus. Was stimmt, ist das der Tren de Aragua eine
venezolanische Gangsterbande ist. Seit geraumer Zeit wird er von Medien im
Umkreis des US-Sicherheitsapparats wie Insight Crime als von Maduro dirigiertes
extrem mächtiges Kartell beschrieben. Nun, der Tren existiert tatsächlich. Nach
Angaben venezolanischer Behörden konnten sie ihn allerdings massiv schwächen. Und
klar ist, trotz westlich-medialer Vertuschung, dass der Tren de Aragua bei den
Präsidentschaftswahlen von letztem Sommer im antichavistischen Lager operierte.[i]
Die Protektion
Und die 23 angeblichen Mara-Mitglieder, die Trump gleich
«mitgeliefert» hat? Im oben verlinkten Tweet sprach Bukele von zwei Mara-Anführern
unter den 23. Einer ist als César López Larios alias Greñas - ein Topchef der
Mara Salvatrucha (MS-13) - identifiziert. Der Mann war nach 15 Jahre Knast in
El Salvador in die USA gezogen, wurde dort verhaftet und nach El Salvador
ausgeliefert, wo er nach Absitzen der maximalen Dauer von 3 Jahren
Untersuchungshaft 2020 freigelassen wurde. Im gleichen Jahr integrierte ihn die
Staatsanwaltschaft des Eastern District of New York in ein Verfahren gegen
weitere Mitglieder der MS-13-Führung des Terrorismus, Drogenhandels u. ä. 2024
fassten ihn mexikanische Dienste und lieferten ihn an die USA aus.
Eine schon unter der letzten FMLN-Regierung installierte,
US-geleitete Sondereinheit in Staatsanwaltschaft und Polizei von El Salvador
hatte viele Erkenntnisse über geheime Absprachen von Bukele-Vertrauten und
Maras an die US-Behörden weitergeleitet, die diese manchmal leakten. So etwa über
eine Geheimoperation, in der hohe Bukele-Funktionäre den wichtigen Mara-Boss Crook
2021 aus dem Gefängnis holen, ihn in einer Luxusloge unterbringen und danach sicher
nach Guatemala begleiteten. Crook wurde wie auch andere MS-Grössen, waren offiziell
im salvadorianischen Knast, wurden aber in Mexiko verhaftet und an die USA
ausgeliefert. Dort wird ihnen ein Prozess wegen Verbrechen in den USA, aber
auch zu ihren Absprachen mit Bukele gemacht. Die Biden-Administration hatte
trotz allgemeinem Entgegenkommen zu Bukele dessen Dauerbitten, die Mara-Bosse
in El Salvador verurteilen zu können, nicht erfüllt. Würde der US-Prozess zu
Ende geführt, drohte Bukele ein Schaden.
Trumps weiss das und protegiert seinen Peón. Das zum bisherigen
regionalen Soft-Power-Apparat der USA gehörende salvadorianische Medium El Faro
erhielt dazu ein Dokument der
Eastern District-Staatsanwaltschaft vom 11. März zugespielt, das diese
eigentlich versiegelt hatte. Wenige Tage vor der Auslieferung Greñas’ schrieb
Staatsanwalt John Durham an die zuständige Richterin: «(…) Wie unten dargelegt, hat die USA entschieden, dass sensitive und
wichtige aussenpolitische Überlegungen unter Einbezug aller Umstände das
Interesse der Regierung an einem weiteren Verfahren gegen den Angeklagten
überwiegen, und beantragt deshalb die Einstellung des Falls.» Wenige Tage
danach erhielt das kolumbianische Medium 2lasorillas.co, politisch ähnlich
beheimatet wie El Faro, ein weiteres Schreiben
des Staatsanwaltes Durham vom 16. März. Darin beschwert er sich über das Leaken
versiegelter Unterlagen, womit der Schutz der Operation (Überstellung von
Greñnas) und der beteiligten Agenten gefährdet worden sei.
Bukele ist zu einem Kerkermeister von US-Gnaden avanciert
und hilft in den USA mit, die Stimmung für die Trump-Hetze gegen MigrantInnen
aufzuheizen. Auch dafür wird er juristisch-politisch protegiert.
Parallelen
Kein Zufall, spricht Bukele von einem Justizputsch gegen
Trump. Bevor er dank Parlamentsmehrheit auch den Justizsektor fundamental
«säuberte», griff er dessen ihm nicht genehmen Sektoren an als Volksfeinde an.
In den USA betreibt oder propagiert das Trump-Lager derzeit
Impeachment-Verfahren gegen RichterInnen, die sich einzelnen
Durchmarschbefehlen der Rechtsradikalen widersetzen. Die Bukele-Clique nimmt
bei massiven trumpistischen Einschüchterungen von Medien, Oppositionellen,
eigenen ParlamentarierInnen, Unternehmen oder anderen Regierungen vertrauten
Stallgeruch wahr. Insbesondere die migrantischen Teile der Unterklassen in den
USA sollen in Angst und Schrecken leben. Bukele betreibt Ähnliches als Kriminalitätsbekämpfung
in den Armutszonen. Vor und nach seinem Wahlsieg 2019 war seine Unterstützung
durch die US-Botschaft offensichtlich. Oft kam seither der Eindruck eines Freiland-Experiments
in El Salvador hoch. Angstmache, Repression hüben und drüben. Gestern schrieb
die New York Times, Trump sinniere in einem Social Media-Post über die
Deportation nach El Salvador von Leuten - «einschliesslich
US-Bürger» -, die Tesla-Wagen zerstören. Das Blatt zitiert ihn so: «Ich freu mich darauf, zu sehen wie diese
terroristischen Verbrecher ein Urteil von 20 Jahren Knast bekommen für das, was
sie Elon Musk und Tesla antun (…) Vielleicht könnten sie die Zeit in
salvadorianischen Gefängnissen absitzen, die kürzlich für ihre so reizenden
Bedingungen bekannt wurden.»
Natürlich
wissen Trump & Co., dass sie keine 10-12 Millionen MigrantInnen abschieben
können. Sie gehen anders vor. Das Zerreissen von Familien, die Festnahme von
Eltern, die ihre Kinder in der Schule abholen, die mediale Inszenierung von
Razzien, von Deportationen (die unter Trump bisher faktisch unter der Zahl der Vorjahresperiode
liegen), zielen auf Verängstigung, auf Lähmung, Fertigmachen (Prekarisierung).
Um Ähnliches dürfte es beim Tesla-Gegeifer gehen.
[i]
Vorgestern berichtete
die New York Times über ein Papier der US-Geheimdienste, wonach sie alle ausser
teilweise dem FBI, das sich auf «Informationen
stützt, die die anderen Dienste als unglaubwürdig» einstufen, den Tren und
die Regierung Maduro als «verfeindet»
ansehen. Zudem sei der Tren zu desorganisiert und zu arm an Ressourcen, um im
Regierungsauftrag zu handeln. In einem Statement antwortet das Weisse Haus so: «Es werden zahlreiche
Geheimdiensteinschätzungen aus einer Vielzahl von Gründen zu Themen gemacht.
Der Präsident handelte klar im Rahmen seiner gesetzlichen und
verfassungsmässigen Autorität, als er sich auf die Alien Enemies Act berief, um
illegale ausländische Terroristen aus unserem Land zu treiben.» Um dieses
Gesetz benutzen zu können, bezeichnete Trump, so die Times, den Tren als Instrument
der Regierung Maduro, um die USA via Migration zu destabilisieren.