Honduras: Madrid weibelt für Freihandel

Donnerstag, 18. Februar 2010

ein Artikel aus der Tageszeitung Junge Welt, 17.2.

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Madrid erkennt Putschisten in Honduras an

Freihandelsgespräche zwischen EU und Zentralamerika nehmen mit Spaniens
Ankündigung wichtige Hürde

Von Johannes Schulten

Die Verhandlungen über einen Freihandelsvertrag zwischen der Europäischen
Union und Zentralamerika kommen wieder in Fahrt. Seit dem Putsch in Honduras
im Juni vergangenen Jahres lagen die Gespräche über ein für dieses Jahr
anvisiertes Abkommen zwischen beiden Regionen auf Eis. Da das Putschregime
um Roberto Micheletti international nicht anerkannt sei, könne es auch
nicht an den Verhandlungen teilnehmen, so die Begründung. Zumindest für
Spanien, das momentan die EU-Ratspräsidentschaft innehat, gilt diese
Position nicht mehr. Am Montag gab Außenminister Miguel Ángel Moratinos
in Madrid nicht nur die Anerkennung der Regierung in Honduras durch sein
Land bekannt, sondern bestätigte auch die Teilnahme des seit dem 27.
Januar amtierenden honduranischen Präsidenten Porfirio Lobo am
EU-Lateinamerikagipfel Mitte Mai in Madrid. Dieser bildet die letzte Chance
für Spanien, das
Freihandelsabkommen mit Zentralamerika vor Übergabe der EU-Präsidentschaft
an Belgien in trockene Tücher zu bringen. Mit der Ankündigung Moratinos'
verdichten sich die Hinweise, daß die EU die Regierungsübernahme durch
Lobo als willkommenen Anlaß nutzt, die lästige Unterbrechung der
Verhandlungen zu beenden und zu »normalen« Beziehungen zurückzukehren.
Daß Lobos Wahl jeglichen, auch von der EU proklamierten demokratischen
Standards widersprach, spielt dabei keine Rolle mehr. Bereits am 8.
Dezember hatte EU-Handelskommissarin Benita Ferrero-Waldner appelliert,
trotz der »augenblicklichen politischen Schwierigkeiten« in Honduras die
Verhandlungen zu Ende zu bringen.

Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und Zentralamerika ist Teil
der im Oktober 2006 vom Europäischen Handelskommissar Peter Mendelson
proklamierten »Global Europe Strategie«, mit der sich die EU zum Ziel
gesetzt hat, zur »wettbewerbsfähigsten, wissensgestützten Wirtschaft
weltweit« zu werden. Die ökonomische Bedeutung der Länder Zentralamerikas
für Brüssel ist zwar gering, nur 0,43 Prozent der gesamten EU-Warenexporte
gingen im Jahr 2007 in diese Region. Entscheidend ist jedoch, daß beim
Zugriff auf die reichhaltigen natürlichen Ressourcen und der Schaffung von
Absatzmärkten europäische Konzerne nicht ins Hintertreffen zu den USA
geraten. Diese haben bereits vor vier Jahren mit dem sogenannten
DR-CAFTA-Freihandelsabkommen ihre Präsenz auf den Märkten Zentralamerikas
besiegelt.

An diesem läßt sich schon jetzt studieren, welche Folgen ein Abschluß mit
Brüssel für Zentralamerika hätte. Seit dessen Inkrafttreten hat sich
nicht nur die Handelsbilanz gegenüber den USA verschlechtert. Im Bereich
der Agrargüter wird inzwischen sogar mehr importiert als exportiert, was
die Lebensmittelsouveränität der eigentlich stark landwirtschaftlich
geprägten Region bedrohlich eingeschränkt. Die im Abkommen vorgesehenen
Bestimmungen zum Schutz des geistigen Eigentums hätten etwa eine
Einschränkung der Nutzung von preisgünstigen Generika gegenüber teuren
patentierten Medikamenten zur Folge.

Anfang Februar warnte Nicaraguas linker Präsident Daniel Ortega seine
Nachbarstaaten gar vor einer »Liquidierung der zentralamerikanischen
Produktionsgrundlagen«. Das Abkommen mit der EU würde die Region zu einem
Konsumenten europäischer Produkte degradieren.

Außer von Ortega ist jedoch wenig Widerstand von zentralamerikanischer
Seite zu erwarten. Sogar der seit Juni 2009 in El Salvador amtierende linke
Präsident Mauricio Funes hält sich in puncto EU-Freihandelsabkommen
bedeckt.

junge Welt, 17.Februar 2010

Honduras/BRD: Protest gegen FDP-"Kollaboration" mit Putschisten

Freitag, 12. Februar 2010

07/02/2010

Kundgebung während eines Seminars der parteinahen Friedrich-Naumann-Stiftung in Marburg. Organisatoren zeigen sich zufrieden

Marburg. Der Protest gegen die Unterstützung der Putschisten in Honduras durch die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS) reißt nicht ab. Während sich entwicklungspolitische Gruppen, humanitäre Organisationen und weitere Verbänden weiterhin kritisch zur deutschen Honduras-Politik äußern, haben mehrere Dutzend Aktivisten am Samstag gegen ein Seminar der FNS in Marburg protestiert. Ziel der Aktion war es nach Angaben der Veranstalter, über die "Kollaboration" der steuerfinanzierten Parteistiftung mit den Militärputschisten aufzuklären.

Im Marburger "Welcome Hotel" hatte die Stiftung zu einem Tagesseminar über "Studierende und Entwicklungszusammenarbeit" eingeladen. Auf der Agenda stand auch das Thema "Politikberatung in der Entwicklungszusammenarbeit am Beispiel lateinamerikanischer Länder".

"Wie diese Politikberatung und Entwicklungszusammenarbeit der FNS aussieht, hat sich bei der Unterstützung des Putsches in Honduras vom 28. Juni 2009, der Putschregierung, undemokratischer "Wahlen" sowie der anhaltenden Repression gegen soziale Bewegungen in Honduras gezeigt", hieß es in dem Aufruf zur Protestkundgebung, die von mehreren lokalen Gruppen unterstützt wurde. "Das Wort Freiheit im Titel der Stiftung meint nur die Freiheit des Marktes", konstatierten die Demonstranten.

Nach Angaben der Polizei verhinderten die Einsatzkräfte den Aktivisten den Zugang zu dem Stiftungsseminar. Bei der Räumungsaktion erlitten "weder Demonstranten noch Polizeibeamte Verletzungen", heißt es in einer Pressemeldung, während ein Mitglied der "Lateinamerika Gruppe Marburg" gegenüber amerika21.de von einer "gewaltsamen Räumung" sprach.

Nach Angaben des Aktivisten wurden bereits zu Beginn des Seminars um 9.30 Uhr Flugblätter an die Teilnehmer verteilt. Der Inhalt sei von einigen Gästen im Seminar angesprochen worden. Der Vortrag des hessischen FDP-Politikers Gerold Dieke zu Regierungsberatung in Lateinamerika musste daraufhin verschoben werden. "Das allein ist ein kleiner Erfolg. Der Protest hat die Leuten erreicht", sagte der Aktivist im Gespräch mit amerika21.de.

Kolumbien: Grösstes Massengrab in Lateinamerika entdeckt

Montag, 1. Februar 2010

31.01.2010
Kolumbien: Bis zu 2000 Leichen in Massengrab
Menschenrechtsorganisationen und Anwohner befürchten zahlreiche Zivilisten unter den Opfern. Armee hatte Tote verscharrt

 
Von Harald Neuber
amerika21.de
Soldaten und Leichen: Die Mordrate an Zivilisten hat in Kolumbien massiv zugenommen
Bogotá. In Kolumbien ist mutmaßlich das größte Massengrab in der Geschichte Lateinamerikas entdeckt worden. Bis zu 2000 Leichen sollen in den vergangenen fünf Jahren in dem Gebiet La Macarena, rund 200 Kilometer südlich der Hauptstadt Bogotá, von Militärs verscharrt worden sein. Anwohner und Menschenrechtsorganisationen befürchten nun, dass es sich bei zahlreichen Opfern um unschuldige Zivilisten handelt. Die kolumbianische Armee kämpft in dem Gebiet mit gut 21.000 Soldaten gegen die linksgerichtete Guerillaorganisation FARC. In La Macarena sind nach Berichten lateinamerikanischer Medien seither immer wieder Jugendliche und Aktivisten sozialer Organisationen verschwunden.

Nach Angaben der Armee finden sich in dem Massengrab lediglich Leichen von Guerilla-Kämpfer, die im Kampf gefallen sind. Doch an dieser Darstellung gibt es erhebliche Zweifel: "Die Anwohner sagten uns, dass immer wieder Landarbeiter, Gewerkschafter und Mitglieder sozialer Organisationen verschwunden sind", so der Jurist Jairo Ramírez in Presseinterviews. Ramírez hatte das Massengrab im Dezember entdeckt, als er das Gebiet mit einer Gruppe britischer Parlamentarier besuchte. Vertreter der Armee hätten der Delegation gegenüber Kenntnisse über verschwundene Zivilisten geleugnet.

In Kolumbien gibt es nach Ramírez Angaben schätzungsweise 3500 Massengräber, 52.000 Menschen seien verschwunden. Der Fund in La Macarena sei dennoch einzigartig: In der Regel würden 15 bis 20 Leichen gefunden, nicht aber tausende. In dem Gebiet zwischen einer Militärbasis und einem Flughafen wurden so viele Tote verscharrt, dass nach Angaben des Bürgermeisters Elicier Vargas das Grundwasser verseucht ist.

Der US-Senator Sherrod Brown hatte bereits Mitte 2008 darauf verwiesen, dass nach einem Bericht von Menschenrechtsorganisationen zwischen den Jahren 2002 und 2007 knapp 1000 ermordete Zivilisten als Guerilleros in die Statistiken eingegangen sind. Menschenrechtsorganisationen führen dafür zwei Gründe an. Zum einen verlangten die USA Resultate im Kampf gegen die linksgerichtete FARC. Zum anderen bekommen Soldaten in Kolumbien von der Regierung Kopfgelder für getötete Rebellen. Die Zahl der von der Armee ermordeten Zivilisten habe deswegen enorm zugenommen. Nach Ramírez Angaben stammen viele Leichen in dem jüngst entdeckten Grab aus dem vergangenen Jahr.

Honduras: Der Putsch geht weiter

(1.2.10) Es ist so banal wie vorausgesehen. Die aus den Putschwahlen vom 29. November hervorgegangene Regierung unter Pepe Lobo sammelt mediale Pluspunkte ein; allgemeiner Tenor: Gebt ihr eine Chance. Der US-Botschafter in Tegucigalpa, Hugo Llorens, einer der Strippenzieher beim Putsch, kündigt die baldige Wiederaufnahme der Wirtschafthilfe an (die ohnehin nur teilweise „suspendiert“ war); die EU drängt darauf, ihr horrendes Freihandelsabkommen mit den zentralamerikanischen Nationen möglichst sofort und möglichst unter Einschluss von Honduras unter Dach und Fach zu bringen (Widerstand droht allenfalls von Seiten Nicaraguas). Der gestürzte Präsident Mel Zelaya durfte noch am Tag des Amtsantritts des neuen liberalen Sachwalters im Land, am letzten Mittwoch, dem 27. Januar, in Begleitung des dominikanischen Präsidenten Leonel Fernández das Land, konkreter seine Gefangenschaft in der brasilianischen Botschaft, verlassen. Insbesondere dies wird Lobo von der internationalen Raubgemeinschaft als hohe demokratische Geste zu gut gehalten – dabei ist die „Entfernung“ Zelayas unabdingbar für die Normalisierungspropaganda.

So gut wie unerwähnt blieb dafür die Grossdemo der Nationalen Widerstandsfront vom 27. Januar gegen die verschönerte Ausgabe des Putschregimes. Einigen Quellen zufolge sollen Hunderttausende demonstriert haben, Zehntausende waren es laut mehreren Mainstreammedien. Es war klar, dass an diesem Tag das Regime, gerade darum bemüht, einen demokratischen Anschein zu etablieren, nicht brutal vorgehen würde. Und schon kommen die Leute, um ihre Ablehnung der Putschfortführung zu manifestieren. Eine gute Basis für die Weiterführung des Kampfes. Der wird andere Modalitäten als in den Monaten nach dem Putsch vom 28. Juni annehmen, Organisierung und Schulung bis tief ins Barrio und das Dorf hinein werden eine langfristige Perspektive garantieren, die sozialen Kämpfe werden sich auch gegen die Rückgängigmachung der unter der Regierung Zelaya durchgebrachten sozialen Reformen wenden, der Widerstand wird sich vermutlich nach und nach als politische Partei/Bewegung konstituieren und – er wird mit weiterer Repression konfrontiert werden.

         
                                     Tegucigalpa, Flughafen: Die Leute verabschieden Mel Zelaya.


International ist das neue Statthalterregime von Washingtons Gnaden noch nicht fest im Sattel. An der Lobo-Inauguration war nur wenig internationale Prominenz anwesend: die Präsidenten von Taiwan, Panama und der Dominikanischen Republik, der Vizepräsident von Kolumbien, der Lateinamerikachef des US-State Departments. Allgemein heisst es, die Regierung Lobo müsse vor einer völligen Normalisierung der Beziehungen einen demokratischen Tatbeweis vorweisen. Natürlich wird auch diese Vorgabe von den meisten Regierungen radikal aufgeweicht werden – ein paar rührselige Demokratiebeschwörungen Lobos werden es tun, während er versuchen wird, das neoliberale Diktat im Land wieder einzuführen. Zu tief sollte man jedenfalls nicht bohren, sonst wird die „Demokratiesuppe“ gehörig versalzen. In seiner Antrittsrede lobte Lobo die Politik der „demokratischen Sicherheit“ des kolumbianischen Präsidenten Uribe und freute sich über die bevorstehende Sicherheitskooperation mit dem Massenmörder. Ganz im Sinne seines Sicherheitsministers Óscar Álvarez, eines Neffen von Gustavo Álvarez, dem früheren Armeechef, der in den 80er Jahren das Land im Auftrag des damaligen US-Botschafters John Negroponte mit Terror überzog. Der jetzige Minister war 1985, damals Lieutenant, in einen privaten Waffen-/Drogendeal mit Mitgliedern von in Honduras stationierten US-Eliteeinheiten verwickelt. Dieser Deal lief eventuell abseits der direkten Geschäftsbeziehungen des Weissen Hauses von Reagan mit Pablo Escobar zwecks Aufrüstung der antisandinistischen Contra (vgl. El Heraldo, 8.5.1985, in voselsoberano.com, 30.1.10: Antecedentes del ministro de seguridad, involucrado en tráfico de armas y cocaína).

Tat der Karriere des Neffen keinen Abbruch. Von 2002-2006 fungierte er als Innenminister, danach profilierte er sich in der verlorenen Präsidentschaftskampagne von Lobo gegen Zelaya 2005 als Superhardliner gegen „Kriminelle“. Jetzt darf er wieder amten. Und tut es schon am ersten Tag nach dem Regierungsantritt in gewohnter Manier. Im Quartier El Pedregal von Tegucigalpa, einem Zentrum des antifaschistischen Widerstandes, organisierte er einen Medienauftritt mit der Behauptung, eine (noch nicht einmal präsentierte) RPG-7-Rakete sei eben beschlagnahmt worden. Als ein Vertreter des oppositionellen Radios Globo Details zur Beschlagnahmung wissen wollte (wo, bei wem?), kanzelte er den betreffenden Fragesteller als Schreihals ab und führte an, über „terroristische Zellen“ keine Angaben zu machen. Dafür meinte er, die RPG-7 sei eine typische Waffe des FMLN (El Salvador) und des FSLN (Nicaragua).

Klar, woher der demokratische Wind wehen wird?

Während etwa Brasilien eine allfällige Normalisierung mit der Regierung Lobo von deren konkreten Handlungen abhängig machen will (tja…),  sind die ALBA-Regierungen demokratischer und lehnen das aus Putschwahlen hervorgegangene Regime Lobo ab. Am 29. Januar etwa meinte der nicaraguanische Präsident Daniel Ortega laut von Radio La Primerísima zusammengefassten Agenturmeldungen: „Zentralamerika erlebt ‚eine schwierige Situation’, da ‚die Auswirkungen des Staatsstreiches die Region vergiften’.  Er versicherte, Lobo […] verfüge nicht über die Macht, Entscheidungen jenseits der Interessen der Putschisten zu treffen. ‚Wir haben eine Bedrohung in Honduras, diese Putschisten verspüren alle Unterstützung, um in Honduras und in der zentralamerikanischen Region weitere Putsche zu betreiben. Wir sind bedroht. Wir können infolgedessen die Regierung von Honduras nicht anerkennen. Diesen Kampf gilt es in internationalen Foren zu führen, da wir uns Militärputschen nicht ergeben dürfen’, sagte Ortega“ (RLP, 30.1.10: Nicaragua no renocerá al régimen golpista de Honduras).

Wie um Ortegas Demontierung der „Charaktermaske“ Lobo zu bebildern, wurde am gleichen Tag die gerade angereiste brasilianische Konsulin am Flughafen festgehalten und danach abgeschoben. Nicht gerade die Art von Normalisierungspublicity, die Lobo brauchen kann. Um 9h am folgenden Tag zitierte El Tiempo (online) Lobos Innenminister Africo Madrid , der die Aktion leitende Migrationsdirektor, der General a.D. Nelson Willy Mejía sei abgesetzt. Vier Stunden später  berichtete voselsoberano.com, Willy Mejía sei wieder im Amt. Schliesslich hat der Militär seine Verdienste: als Putschist letztes Jahr und als Mitglied der unter Negropontes Prokonsulat in den 80er Jahren geschaffenen Todesschwadron von Gustavo Álvarez, dem Bataillon 3-16 .

Wer hat wohl die Macht?

»Der Widerstand in Honduras muss seine Einheit bewahren«

Interview von Harald Neuber mit Berta Oliva, der Präsidentin des Angehörigenkomitees COFADEH, im Neuen Deutschland. Kurze Aussagen zur neuen Regierung Lobo, zu den Herausforderungen für den Widerstand und zur Repressionspolititk.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/163974.der-widerstand-in-honduras-muss-seine-einheit-bewahren.html