Südamerika: Reaktionen gegen die Krise

Sonntag, 14. August 2011


Ein Beitrag von Eva Haule aus amerika21.de zum Krisengipfel der Unasur und angehängt einige Ergänzungen, die sich auf einem Artikel von Julio C. Gambina aus alai.net stützen.


Unasur wappnet sich gegen die globale Krise

Bei mehreren Treffen wurden Maßnahmen im Finanzbereich und Handel besprochen, um den globalen Problemen zu begegnen

Lima. Die Mitgliedsstaaten des südamerikanischen Bündnisses Unasur wollen gemeinsame Schritte gegen mögliche Auswirkungen der Wirtschaftskrise in den USA und Europa auf ihre Region ergreifen. Bei dem inzwischen dritten Treffen in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires haben Regierungsvertreter im Rahmen des Südamerikanischen Wirtschaftsrates am Freitag entsprechende Maßnahmen diskutiert. Zentrales Thema der Sitzung waren die Vorschläge einer Arbeitsgruppe zur Integration der Finanzsysteme. Bereits Ende vergangener Woche waren die Wirtschafts- und Außenminister in der peruanischen Hauptstadt Lima zu einer Sondersitzung zusammengekommen.
Nach dem Treffen in Lima hatte der venezolanische Außenminister Nicolás Maduro es als einen "historischen Schritt" bezeichnet, dass die Unasur-Staaten sich über ein gemeinsames Vorgehen gegenüber der globalen Krise einig sind. Dies demonstriere, dass der Kontinent "reagiert und antwortet, um unsere ökonomische Stärke aufzubauen", sagte Maduro. Es sei auch über die Notwendigkeit gesprochen worden, im regionalen Handel eine gemeinsame Währung einzuführen. Maduro wertete dies als Ausdruck eines neuen Denkens in der Region. Es würden Ansätze für eine neue ökonomische Entwicklung gesucht und Alternativen zur Politik von Internationalem Währungsfonds und Weltbank geschaffen. Die Delegierten der teilnehmenden Länder hatten zudem Initiativen des linksgerichteten Staatenbündnisses ALBA diskutiert, so etwa die Regionalwährung Sucre und die Bank des Südens, so Maduro weiter.
Anlässlich des Krisentreffens in Lima vor einer Woche zeigte sich der ehemalige Präsident der Zentralbank Boliviens, Gabriel Loza, in einem Interview mit dem lateinamerikanischen Fernsehsender Telesur davon überzeugt, dass die verstärkte Zusammenarbeit der Unasur-Staaten sich nicht nur auf der Ebene des Handels und multilateraler Verträge beschränken dürfe, sondern auch eine monetäre Stärkung entwickeln müsse. Zugleich solle der Gebrauch des US-Dollars verringert werden. "In Lateinamerika haben wir 60 Prozent unserer Reserven in US-Dollar angelegt. Wir müssen diese Anlagen innerhalb Lateinamerikas diversifizieren, auch mit anderen Währungen, einschließlich dem chinesischen Yuan", so Lazo. Der Experte betonte weiter, dass "konkrete Aktionen" notwendig seien und die Zusammenarbeit über akute Krisenzeiten hinaus vertieft werden müsse.
Die Vorschläge, die in den einzelnen Mitgliedsstaaten weiter ausgearbeitet werden, betreffen die Begrenzung von Finanzspekulation sowie den Ausbau des regionalen Handels. Der argentinische Wirtschaftsminister Amado Boudou erklärte, dass es "bei den Maßnahmen im Finanzbereich um die Koordinierung der Währungsreserven und um die Verhinderung spekulativer Angriffe auf unsere Währungen" gehe. In dem Fall eines Angriffes von Spekulanten würden sich die Zentralbanken der Region fortan gegenseitig stützen.
Bei dem UNASUR-Treffen bekräftigten die Mitgliedsstaaten erneut auch ihre Verpflichtung, sich für die soziale Einbeziehung und die Bekämpfung der Armut in der Region einzusetzen.
Bereits am 28. Juli hatte in Lima ein Dringlichkeitstreffen der Unasur stattgefunden, um die Folgen einer möglichen Zahlungsunfähigkeit der USA zu analysieren. Zu der 2008 gegründeten Staatengemeinschaft gehören Argentinien, Brasilien, Bolivien, Chile, Ecuador, Guyana, Kolumbien, Paraguay, Peru, Surinam, Uruguay und Venezuela.


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Über das Defensive hinaus
(zas) Der argentinische Ökonom Julio C. Gambina geht in seinem Artikel „Consejo Suramericano de Economía y Finanzas“ noch etwas mehr auf den Versuch der Unasur ein, den innerregionalen Handel vom Dollar abzukoppeln. Unasur nimmt dabei Bezug auf die  Verrechnungseinheit der ALBA-Länder (S.U.C.R.E.) und die seit 2008 zwischen Brasilien und Argentinien eingesetzte Möglichkeit, Importe/Exporte untereinander in der jeweiligen Landeswährung abzuwickeln. Gambina stellt allerdings bei beiden Systemen eine bisher relativ geringe Anwendung fest.
Interessant auch sein Hinweis, dass die Unasur beschlossen habe, eine Art gemeinsamen Reservefonds auf die Beine zu stellen, der für in eine Krise geratene Mitgliedsländer eigene Schuldentitel emittieren soll, sowie die geplante Verstärkung der Bank des Südens. Und möglicherweise wichtig auch das Vorhaben, die beiden regionalen Finanzinstitute Interamerikanische Entwicklungsbank  und CAF (Corporación Andina de Fomento) unter die Lupe zu nehmen.
Allerdings warnt Gambina auch vor zu hoch fliegenden Hoffnungen. Er schreibt: „Die Ankündigungen machen das Fehlen einer Diskussion produktiver Artikulationen deutlich, die zwecks Ernährungs- und energetischer Souveränität, eines Entwicklungsmodells zur Verteidigung der Commons, des Schutzes der Natur und der Förderung des „gut leben“ für die ganze Bevölkerung eine gemeinsame Entwicklung Wirklichkeit lassen würden.“
Gambina informiert denn auch, dass der Versuch von über hundert lateinamerikanischen Organisationen und Persönlichkeiten wie dem Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel, mit den Unasur-Regierungsmitgliedern über die Antworten auf die globale Wirtschaftskrise zu diskutieren und so den „Charakter einer Veranstaltung hinter verschlossenen Türen“ zu sprengen,  fehlgeschlagen sei. „Das Verlangen“, schreibt Gambina, „zielt darauf ab, die Meinung der Völker einzubeziehen, über die Diskussion unter den RegierungsvertreterInnen hinaus. Es geht darum, nicht nur defensive Instrumente für die Eindämmung der Krisenauswirkungen zu kreieren, sondern die Gesellschaft in die Entscheidungen über die öffentlichen Ressourcen, ob Fonds für Währungsreserven oder Entwicklungsbank, einzubeziehen.“
Aber kein Grund dafür, den Kopf hängen zu lassen, meint Gambina. „Die Konstitutuierung eines wirtschaftlichen Diskussionsrahmens in der südamerikanischen Region ist verheissungsvoll, und natürlich muss man die Diversität und den Antagonismus der Prozesse in den verschiedenen Ländern anerkennen. Die Stimme und das Interesse der Völker müssen in der neuen Institutionalität gehört werden, um ein Kriterium aufzustellen, dass über einen Verteidigungsschirm gegen die äussere Bedrohung hinausgeht und auf eine andere und nötige Welt verpflichtet ist.“