Víctor Regalado
Der Ansturm der Rechten im Kontinent verschärft sich. Es
wäre naiv anzunehmen, dass die lokalen oligarchischen Gruppen jetzt, wo es
linke Regierungen gibt, diese im Zeichen der Demokratie akzeptieren würden. Das
Wort Demokratie bedeutet für diese Gruppen schlicht ein Wort, das sie schreien,
wenn sie ihre illegitimen ökonomischen Interessen in Gefahr sehen. Der Ansturm
ist kontinental und sehr gut koordiniert.
Der Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional
(FMLN) ist eine Guerillaorganisation, die von den Bergen in die Ebene hinab
gestiegen ist, um den Kampf für die Befreiung des Volkes fortzuführen. In den
Bergen hatte sie sich zu einer Guerillakraft entwickelt, die imstand war, Armee
und Regierung von El Salvador an den Rand des Zusammenbruchs zu führen, trotz der
Millionen von Dollars, Militärberatern und Ausrüstungsgütern aus den USA. Der FMLN leistet Widerstand, konsolidierte
sich, siegte – es gelang ihm, die Armee, das Imperium an den Verhandlungstisch
zu setzen und den Frieden zu erreichen.
Der FMLN tauchte ein in ein Szenarium einer Rechten, die
Wahlen als Spektakel benutzt, um ihre Regierungen legitimieren zu können, auch
wenn diese Ergebnisse blutiger Staatstreiche oder schmutzigster Politmanöver
sind. Siehe Pinochet in Chile, Franco in Paraguay, Lobo in Honduras etc. Wann
immer nicht sie, die Rechten, in einem Staat regieren, gibt es ihnen zufolge
keine Demokratie. Denn eine dem Volk verpflichtete Regierung gefährdet ihre
Interessen und enthüllt die ganze Korruption, mit der sie regieren. In diesem
heuchlerischen demokratiespiel war der FMLN erneut fähig, Kräfte zu
akkumulieren und die Rechte zu besiegen, nicht mehr in den Bergen, sondern in
ihrem eigenen Hinterhof voller Wahlbetrüge.
In diesem Rahmen müssen wir die Geschehnisse in El Salvador
situieren; so auch den gerade erfolgten Versuch krimineller Gruppen, den
Transport mit Morden an Arbeitern, Drohungen gegen die Bevölkerung und die
Transporteure und dem Verbrennen von Transportmitteln zu boykottieren.
Aber dieser Versuch, den Transport zu blockieren, stellte in
erster Linie klar, dass es sich nicht um ein zufälliges Zusammengehen der
Banden und der Rechten handelt, sondern dass die Banden von der Rechten als
Teil eines makabren Plans benutzt worden sind, um an die Macht zurückzukehren. Und
zudem, dass die Bevölkerung die Leidtragende solcher Handlungen ist, denn deren
Zweck ist es, die Leute so einzuschüchtern, wie sie es früher mit den
Todesschwadronen gemacht haben.
Das Ziel all dessen ist es, die Regierung zu
destabilisieren, sie politisch zu schwächen und die Bedingungen für einen
Staatsstreich zu schaffen. Täuschen wir uns nicht: dieser kann technisch sein,
juristisch … oder blutig. Für sie rechtfertigt der Zweck die Mittel. Einige
denken, die Zeiten gewalttätiger Staatsstreiche seien vorbei, aber si täuschen
sich: Es geht um einen Krieg auf Leben und Tod zwischen zwei gesellschaftlichen
Optionen, und im Krieg hat Romantizismus keinen Platz. Es stimmt, es ist für
sie jetzt schwieriger, einen gewalttätigen Putsch zu machen, aber wenn sie ihn
machen müssen und können, werden sie ihn machen. So ist das.
Die Vorsicht, mit der die Regierung mit allen Provokationen
und Sturmläufen der Rechten umgeht, ist lobenswert. Aber mit der Ermordung der
Transportarbeiter, dem Boykott und der Sabotage des Transports ist klar, dass
die Rechte pervers ist und eine Wende nötig wird, die den Prozess radikalisiert,
denn für die Bevölkerung stellt sich die Lage so dar, dass die Regierung spät
reagiert. Anders gesagt, der Anschlag auf das Mobilitätsrecht der Bevölkerung
entspricht einer Situation, die der Geheimdienst hätte erkennen müssen, bevor
es zu den ersten Störungen und Morden an Buschauffeuren kam. Alles hätte unter
völliger Kontrolle der staatlichen Sicherheitsorgane stehen müssen.
Während die politisch-militärische Kapazität des FMLN in
seiner Zeit in den Bergen ausser Frage steht, ist ebenso klar, dass es ihm in
diesem neuen Krieg in der Ebene nicht gelungen ist, die Strukturen zu
erschaffen und wirksam zu machen, die es braucht, um ihm zu begegnen und an der
Seite des Volkes den Sieg zu erringen. In den Bergen zählte der FMLN mit
Spezialeinheiten, Kampftruppen, einem Geheimdienst, Militärspitälern, einem
unglaublichen Logistikapparat, kampferprobten Stadtkommandos, Werkstätten für
die Herstellung von Sprengstoffen und Waffen, Verbindungskanälen, einer
Funkkommunikation zwischen den verschiedenen Fronten, einer internationalen
Presseagentur, einem potenten Kurzwellensender und einer beeindruckenden
diplomatischen Equipe, die jener der Regierung der Lobby der „Gringos“ stets
drei Züge voraus war.
Doch trotz des Überraschungseffekts des rechten Angriffs
mittels Gebrauch der Transportwaffe wusste das Bevölkerungsgros zu reagieren
und den Schlag abzufedern. Die Einschüchterung misslang den Rechten, die Leute
strömten auf die Strasse und sichten nach den Mitteln, um ihren Verpflichtungen
nachkommen zu können.
Nun, die Realität sagt uns, dass es neue Angriffe der
Rechten gegeben wird, denn sie folgen einem Plan und einer Strategie wie in
Ecuador, Bolivien, Argentinien und Venezuela. Und die kommenden Angriffe werden
überall ansetzen.
Der FMLN hat ein Jahr, um die Sympathie und Zuneigung jener
Leute zu gewinnen, die [A.d.Ü.: bei den Parlaments- und Gemeindewahlen vom
letzten März] nicht wählten oder den FMLN abstraften. Der
FMLN muss ins Volk eintauchen, mit ihm einen Dialog führen und es politisch
erziehen.
Für die Regierung ist es nötig, das Steuer herum zu reissen,
um den Prozess in Richtung mutiger und radikaler Veränderungen zu lenken. Sie
muss ihren Sicherheitsapparat wachrütteln und darf sich nicht von einer
verlogenen Rechten foppen lassen; sie muss den Staatsapparat von korrupten
FunktionärInnen und solchen, die die Verwaltung am Funktionieren hindern
wollen, um die Regierung von Sánchez Cerén schlecht dastehen zu lassen,
säubern. Wer im Krieg die Initiative ergreift, hat Chancen auf den Sieg. Es
darf nicht sein, dass die Rechte in die Offensive geht. Bisher war sie in der
Defensive und so soll es sein.
6. August 2015
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Der Kontext:
(zas, 10.8.15) Der angeblich von den früheren Strassenbanden, den
sogenannten Maras, ausgerufene „Transportstreik“ begann am Sonntag, dem 26.
Juli 2015, und lief am Mittwoch, dem 29. Juli, definitiv aus. Die von den grossen Medien vermittelte
Version war, dass die Maras damit gegen die repressive Politik der Regierung
Sánchez Cerén protestierten und diese zum „Dialog“ aufforderten. Wer den
Transportstreik breche, so diese von den rechten Medien verbreitete Version,
riskiere sein Leben. Und tatsächlich wurden in diesen Tagen bis zu acht
Buschauffeure umgebracht. Viele hauptstädtische und einige interurbane
Buslinien – in El Salvador beruht der „öffentliche“ Transport ausschliesslich
auf privaten Busunternehmen – stellten infolgedessen ihren Betrieb
vorübergehend ein, was zu enormen Schwierigkeiten für die Bevölkerung führte.
Nachbarschaftshilfe und flinkes Anbieten des eigenen PW für bezahlte Fahrten
linderten die Not, die Transportblockade brach die Regierung ab dem zweiten Tag
mit der Bereitstellung aller
verfügbaren Staatsvehikel und einem Grossaufgebot der Sicherheitskräfte. Für
die Rechte war der „Transportstreik“ ein Beleg mehr für die
Regierungsunfähigkeit des FMLN, der das Land zum „gescheiterten Staat“ gemacht
habe.
Eine Rhetorik, der sich der Grossunternehmerverband ANEP und
die frühere Regierungspartei ARENA seit Monaten im Zusammenhang mit der
beträchtlich gestiegenen Mordrate im Land befleissigen. Direkte Hauptakteure beim
Anstieg der Mordrate sind zweifellos die Maras. Die seit Juni 2014 im Amt
befindliche FMLN-Regierung hatte zuvor den sogenannten „Waffenstillstand“ mit
den Maras beendet, da dieser zwar eine deutliche Verminderung der Morde
zwischen den verfeindeten, oft an internationale Drogenkartelle angeketteten
Mara-Strukturen brachte, aber diesen gleichzeitig einen enormen Ausbau ihrer
Präsenz vorallem in Unterklassenzonen ermöglichte, wo sie die Bevölkerung
einschüchtern und erpressen. Einen Tag vor Beginn der Transportblockade steigerte
sich das Gewaltklima nochmals, als unbekannte Täter eine Handgranate im Parking
eines Luxushotels zündeten, ohne Opfer zu fordern. Und nochmals einen Tag
vorher demonstrierten 14 schwer bewaffnete Soldaten im Stadtzentrum für
zusätzlichen Sold (sie haben ein Verfahren vor der Militärjustiz). Während der
Transportsabotage propagierte ARENA die „gerechte“ Forderung der
Berufssoldaten.
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Soldaten-"Demonstration", von ARENA unterstützt. Quelle: El Diario de Hoy, 24.7.15 |
Aufschlussreich ist die von diversen Portalen wie
Verdad
Digital am 4. August publizierte Information, wonach die Busunternehmer
eigentlich kaum konkret bedroht worden seien, sondern einem „Gerücht“
aufgesessen seien. Caralino Miranda, ARENA-lastiger Chef eines
Busunternehmerverbands
sagte
etwa zum „Transportstreik“:
„Alles war
ein Gerücht, nur zwei Unternehmer haben dieses Gerücht mitbekommen … In
Wirklichkeit ist die grosse Mehrheit nicht bedroht worden“. Mirandas
Kollege William Cáceres doppelte nach:
„Ich
habe mit einigen Vertretern im Osten des Landes geredet und fragte sie, ob sie
von Personen wüssten, die nicht arbeiteten. Sie sagten, sie hätten keine
Probleme gehabt. Soyapango arbeitete am Montag zu 85%“ (id.). Soyapango,
eine grosse Vorstadt von San Salvador, war in den dominanten Medien als eines
der Epizentren des „Transportstreiks“ dargestellt worden. Und nochmals Miranda:
„Ich muss etwas unterstreichen: Wenn die
Kommunikationsmedien ein Gerücht beackern, wird es meistens Realität“
(id.).
Morgen Dienstag, 10. August 2015, soll es erneut zu einem
„Transportstreik“ kommen. Infoquelle: Die rechten Medien, die sich, wie
gewohnt, auf Mitteilungen in den social media berufen.