Nicaragua: Neue Ermittlungen gegen Chamorro-Familie

Dienstag, 31. August 2021

 


Neue Ermittlungen gegen Journalist Carlos Fernando Chamorro
Neue Ermittlungen gegen Journalist Carlos Fernando Chamorro

Managua. Die Staatsanwaltschaft Nicaraguas hat den Journalisten Carlos Fernando Chamorro, einen Kritiker der Regierung von Präsident Daniel Ortega, verschiedener Straftaten beschuldigt. Chamorro werden Zollvergehen, Geldwäsche, Veruntreuung und Zurückhaltung von Vermögen sowie missbräuchliche Geschäftsführung vorgeworfen. Außerdem wurden die Anschuldigungen gegen seine Schwester Cristiana Chamorro und gegen sieben frühere Mitarbeiter der aufgelösten Stiftung Violeta Barrios de Chamorro erweitert.

Der jetzt neu beschuldigte Carlos Fernando Chamorro ist der Leiter von drei Medien und gehört zur Besitzerfamilie der Oppositionszeitung La Prensa. Schon seit der Festnahme von mehreren Oppositionspolitikern befindet sich der Journalist und ehemalige Ortega-Weggefährte mit seiner Frau in Costa Rica, um einer strafrechtlichen Verfolgung zu entgehen.

Cristiana Chamorro als frühere Leiterin der Chamorro-Stiftung, die vor allem US-Gelder an die Opposition in Nicaragua verteilt hatte, steht seit Beginn der juristischen Untersuchungen im Juli unter Hausarrest. Der mit seiner Funides-Stiftung ebenfalls mit US-Geldern arbeitende Pedro Joaquin Chamorro wird zusätzlich der missbräuchlichen Geschäftsführung, der Veruntreuung und der Zurückbehaltung von Geldern beschuldigt. Er war im Juli zu Beginn der Untersuchungen wegen Fluchtgefahr verhaftet worden.

Schon seit Beginn der Untersuchungen gegen die Chamorro-Stiftung werden von der Staatsanwaltschaft täglich zwei bis drei Personen als Zeugen geladen, die mit der Stiftung zusammengearbeitet hatten.

Mitte August waren die Räume der Oppositionszeitung La Prensa durchsucht worden, wobei dreißig Kisten mit Unterlagen im Zusammenhang mit der Chamorro-Stiftung gefunden wurden. Fast zeitgleich war der Direktor von La Prensa, Juan Lorenzo Holmann Chamorro, ebenfalls wegen Zollbetrugs, Geldwäsche, Eigentums- und Vermögensdelikten festgenommen worden. Dabei hieß es unter anderem, dass die verschiedenen Zoll- und Steuersätze für Presseerzeugnisse sowie normale Druckwaren von La Prensa zum Vorteil des Unternehmens genutzt worden seien.

Bei der Durchsuchung von La Prensa waren auch große Mengen von Druckpapieren entdeckt worden, obwohl die Zeitung vielfach beklagt hatte, dass ihr die Regierung den Papierimport unmöglich machen würde und die Zeitung wegen dieser Behinderung der freien Presse nicht mehr als Printausgabe erscheinen könne. Diese Meldung war vor allem international gestreut worden.

Der Journalist William Grigsby von Radio La Primerisima erklärte dagegen, dass die Einstellung der gedruckten Ausgabe von La Prensa aufgrund des Umsatzrückgangs bei den Anzeigenkunden unvermeidlich gewesen sei. Die Zielgruppe habe es vorgezogen, über digitale Medien zu werben. In Wirklichkeit betreibe La Prensa viele andere Geschäfte und werde von der US-Botschaft sowie mit Gewinnen des Verlags subventioniert.

Die gefundenen Dokumente der Chamorro-Stiftung zeigten laut Grigsby auch, dass die Holmans und Chamorros sogar steuerbefreit Yachten importiert hätten.

Guatemala: Ändern sich die Zeiten?

Freitag, 6. August 2021

Bewegungen gegen die Korruption sind nichts Neues. Oft sind sie widersprüchlich. Sie entspringen der Wut der Unterklassen bis Mittelschichten über die enorme Ungerechtigkeit, wenn sich «die oben» noch zusätzlich zu ihren Privilegien bereichern – auf Kosten der Allgemeinheit. Die Wut über Korruption entspringt der Ahnung von der unerträglichen Ungerechtigkeit, die Klassengesellschaften zu eigen sind. Gleichzeitig wird genau dieses Wissen verdeckt, wenn sich die Wut darauf konzentriert, dass sich welche zusätzlich zu ihren «Privilegien» - unserem Elend – bedienen. Dass es weiter eine spezifische Variante der Korruption ist – die Bereicherung von Politgrössen mit Staatseigentum – macht die Sache noch ärger. Oft richtet sich die Wut auf «StaatsdienerInnen», die bei staatlichen Ausschreibungen absahnen, und geht dabei unter, dass den GrosskorrumpiererInnen aus der Geschäftswelt dabei eine zentrale und super-lukrative Rolle zukommt. Noch perverser wird es, wenn eine Administration Biden wie Fall Zentralamerika die «Korruptionsbekämpfung» zu einer Maxime des Umgangs mit den ungelehrigen «Entwicklungsländern» macht. In Land für Land, das im Fokus der Aufmerksamkeit von Washington, Brüssel, Transparency International etc. steht, macht die «klassische Korruption» einen Bruchteil dessen aus, was von Rechts wegen geraubt wird. Die auf die sog. Superreichen spezialisierte Consultingbude X-Wealth hat in einem Bericht für Oxfam, die zusammen mit der Stiftung Fudecen letzten Juni das Papier Ni un paso atrás zur Ungleichheit in El Salvador veröffentlicht hat, geschätzt, dass 110 Superreiche in El Salvador, also ungefähr 0.0016 % der Bevölkerung, $ 8.9 Mrd. ihr Eigen nennen. Das entspricht rund einem Drittel des Bruttoinlandprodukts von 2019 (laut Weltbank $ 27.02 Mrd.). Die superkorrupte Regierung von Nayib Bukele hat nachgewiesenermassen mindestens $ 500 Millionen geraubt. Eintrittsticket, um im Umfeld der 0.0012 % zu logieren.

Aber gleichzeitig zeigen uns die Mobilisierungen in Guatemala gegen das korrupte, repressive Regime dort, dass sich etwas tut. Anlass ist die präsidiale Absetzung eines Korruptionsermittlers von Washingtons Gnaden. Sie ist ein Lehrbeispiel für verkommene Politik. Aber enorm wichtig: Dieses Mal kommt der Protest nicht primär aus den urbanen Mittelschichten, sondern wurde, viel breiter, Akt des indigenen, ruralen Widerstands. Wenn sich diese Dynamik nicht von der imperialen Antikorruptionsrhetorik einfangen lässt, stehen die Zeichen in diesem Land auf Veränderung. Zu einigen Hintergründen s. den Bericht von Miguel Mörth, der leider auch hier zu wenig auf die Unerträglichkeit hinter der Korruption eingeht. 

Mobilisierung im Department Alta Verapaz