Bewegungen gegen die Korruption sind nichts Neues. Oft sind sie widersprüchlich. Sie entspringen der Wut der Unterklassen bis Mittelschichten über die enorme Ungerechtigkeit, wenn sich «die oben» noch zusätzlich zu ihren Privilegien bereichern – auf Kosten der Allgemeinheit. Die Wut über Korruption entspringt der Ahnung von der unerträglichen Ungerechtigkeit, die Klassengesellschaften zu eigen sind. Gleichzeitig wird genau dieses Wissen verdeckt, wenn sich die Wut darauf konzentriert, dass sich welche zusätzlich zu ihren «Privilegien» - unserem Elend – bedienen. Dass es weiter eine spezifische Variante der Korruption ist – die Bereicherung von Politgrössen mit Staatseigentum – macht die Sache noch ärger. Oft richtet sich die Wut auf «StaatsdienerInnen», die bei staatlichen Ausschreibungen absahnen, und geht dabei unter, dass den GrosskorrumpiererInnen aus der Geschäftswelt dabei eine zentrale und super-lukrative Rolle zukommt. Noch perverser wird es, wenn eine Administration Biden wie Fall Zentralamerika die «Korruptionsbekämpfung» zu einer Maxime des Umgangs mit den ungelehrigen «Entwicklungsländern» macht. In Land für Land, das im Fokus der Aufmerksamkeit von Washington, Brüssel, Transparency International etc. steht, macht die «klassische Korruption» einen Bruchteil dessen aus, was von Rechts wegen geraubt wird. Die auf die sog. Superreichen spezialisierte Consultingbude X-Wealth hat in einem Bericht für Oxfam, die zusammen mit der Stiftung Fudecen letzten Juni das Papier Ni un paso atrás zur Ungleichheit in El Salvador veröffentlicht hat, geschätzt, dass 110 Superreiche in El Salvador, also ungefähr 0.0016 % der Bevölkerung, $ 8.9 Mrd. ihr Eigen nennen. Das entspricht rund einem Drittel des Bruttoinlandprodukts von 2019 (laut Weltbank $ 27.02 Mrd.). Die superkorrupte Regierung von Nayib Bukele hat nachgewiesenermassen mindestens $ 500 Millionen geraubt. Eintrittsticket, um im Umfeld der 0.0012 % zu logieren.
Aber gleichzeitig zeigen uns die Mobilisierungen in Guatemala gegen das korrupte, repressive Regime dort, dass sich etwas tut. Anlass ist die präsidiale Absetzung eines Korruptionsermittlers von Washingtons Gnaden. Sie ist ein Lehrbeispiel für verkommene Politik. Aber enorm wichtig: Dieses Mal kommt der Protest nicht primär aus den urbanen Mittelschichten, sondern wurde, viel breiter, Akt des indigenen, ruralen Widerstands. Wenn sich diese Dynamik nicht von der imperialen Antikorruptionsrhetorik einfangen lässt, stehen die Zeichen in diesem Land auf Veränderung. Zu einigen Hintergründen s. den Bericht von Miguel Mörth, der leider auch hier zu wenig auf die Unerträglichkeit hinter der Korruption eingeht.
Mobilisierung im Department Alta Verapaz |