Der Tod von Hugo Torres beleuchtet Polarisierung in Nicaragua

Freitag, 25. Februar 2022

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od von Hugo Torres beleuchtet Polarisierung in Nicaragua

Der Tod von Hugo Torres spült die Brüche im Sandinismus wieder hoch
Der Tod von Hugo Torres spült die Brüche im Sandinismus wieder hoch

Managua. Der ehemalige Guerillero und pensionierte Brigadegeneral Hugo Torres Jímenez ist im Alter von 73 Jahren am Morgen des 12. Februar in einem Krankenhaus gestorben. Zwei Monate vor seinem Tod war Torres aus seiner Zelle im Untersuchungsgefängnis El Chipote in das Polizeikrankenhaus in Managua verlegt worden. Dort wurde er laut Berichten regelmäßig von Mitgliedern seiner Familie besucht.

Nach einer Razzia im Haus von Torres war dieser am 13. Juni 2021 von der Polizei verhaftet worden. Er soll zu dieser Zeit schon schwer krank gewesen sein. Torres wurde wegen des Verdachts auf "Handlungen, die die Unabhängigkeit, die Souveränität und das Selbstbestimmungsrecht untergraben" auf der Grundlage des "Souveränitätsgesetzes" (Gesetz 1055) in Untersuchungshaft genommen. Seine Festnahme geschah im zeitlichen Zusammenhang mit der Verhaftung von über 20 weiteren Vertreter:innen von oppositionellen Organisationen.

Torres war während des Befreiungskampfes als Comandate Uno neben Eden Pastora an der Erstürmung des Nationalpalastes am 22. August 1978 zur Freilassung von sandinistischen Gefangenen beteiligt. Während der Zeit der Revolution von 1979 bis 1989 war Torres stellvertretender Innenminister und Chef der Staatssicherheit. Später wechselte er ins Verteidigungsministerium und wurde zum Vertreter des EPS (Sandinistisches Volksheer) im Staatsrat. Nach dem Wahlsieg der von den USA unterstützten Violeta Barrios de Chamorro blieb Torres Mitglied des EPS bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1998.

Schon kurz nach dem Machtverlust der Sandinisten 1989 entwickelte sich die sandinistische Partei auseinander. Neben Dora María Téllez war Torres eine der Führungskräfte einer anfänglich eher sozialdemokratisch orientierten Bewegung zur Erneuerung des Sandinismus (MRS). Nach der Umbenennung der MRS in Unión Democrática Renovadora (Unamos) im Januar 2021 war Torres noch deren Vizepräsident. In der Presseerklärung von Unamos zum Tod von Torres heißt es, er sei als politischer Gefangener gestorben und von der Regierung bis zu seinem Tod als politische Geisel gehalten worden.

Auch das Generalsekretariat der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) und das Außenministerium von Costa Rica verurteilten, dass Torres als politischer Gefangener starb. In einer Stellungnahme für das regierungsnahe Radio La Primerissima beschreibt Margine Gutiérrez Torres als einen wichtigen Kämpfer der Sandinistischen Front (FSLN), der aber im Laufe der Zeit seine Interessen, Ziele und seinen Standpunkt verändert habe. Dabei habe er den Antiimperialismus aus seiner Jugend aufgegeben und sich mit den Vereinigten Staaten und der lokalen Oligarchie verbündet.

Im Vorjahr hatte das investigative US-Magazin The Grayzone die Beziehungen von Dora María Téllez und der MRS (später Unamos) anhand von WikiLeaks-Dokumenten zu US-Stellen nachgezeichnet. Auch Torres taucht in diesen Dokumenten mehrfach auf. Im März 2020 veröffentlichte er eine Video-Ansprache, worin er die Regierung des damaligen US-Präsidenten Donald Trump aufforderte, gegen Nicaragua ebenso wie gegen Kuba und Venezuela vorzugehen.

Die Staatsanwaltschaft Nicaraguas hat inzwischen auf die gesundheitliche Situation von weiteren Gefangenen reagiert und für Arturo Cruz, José Pallais und Francisco Aguirre Sacasa die Umwandlung der Untersuchungshaft in Hausarrest beantragt. Während ihrer inzwischen begonnenen Prozesse habe sich eine erhebliche Verschlechterung ihres jeweiligen Gesundheitszustandes gezeigt. Internationale Menschenrechtsorganisationen forderten von der Regierung Nicaraguas die Freilassung von allen 170 politischen Gefangenen.

 

Präsident von Kolumbien präsentiert sich als Muster-Verbündeter der Nato

Sonntag, 20. Februar 2022

 https://amerika21.de/2022/02/256904/kolumbien-bei-ukraine-bei-nato

 

Iván Duque trifft auf Europareise Generalsekretär der Nato. In Kolumbien Kritik an "selbstzerstörerischer" Gefolgschaft für US-Interessen

Völliges Einverständnis: Duque und Stoltenberg im Nato-Hauptquartier in Brüssel
Völliges Einverständnis: Duque und Stoltenberg im Nato-Hauptquartier in Brüssel

Brüssel/Bogotá. Während einer mehrtägigen Europareise ist Kolumbiens Präsident Iván Duque mit dem Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zusammengetroffen. Ein Schwerpunkt der Gespräche galt dem zunehmenden Einfluss Russlands und Chinas in Lateinamerika.

"Wir haben uns über die Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen Russland und China ausgetauscht, einschließlich ihrer Unterstützung für das repressive Regime in Venezuela", sagte der Norweger Stoltenberg in einer Erklärung an die Medien nach dem Treffen, das am Sitz des Militärbündnisses in Brüssel stattfand. Er hob auch die Expertise Kolumbiens bei der Drogen- und der Aufstandsbekämpfung hervor.

Duque nahm die Gelegenheit wahr, seine völlige Übereinstimmung mit der Haltung der Nato in der Ukraine-Krise zu betonen. "Alle Länder der Welt müssen ihre Souveränität frei ausüben und frei entscheiden können, ob sie der Nato beitreten wollen", erklärte der Präsident von Kolumbien, das als einziges Land Lateinamerikas "globaler Partner" der Nato ist.

Bei der Aufnahme Kolumbiens betonte Stoltenberg seinerzeit, man teile gemeinsame Werte und Interessen. Die Zusammenarbeit mit dem südamerikanischen Land habe bereits "echte Vorteile" für beide Seiten gebracht, etwa durch seine Beteiligung an der Nato-Operation Ocean Shield am Horn von Afrika. Kolumbiens "Erfahrung in der Konfliktlösung" könne dem Bündnis "im Hinblick auf den Friedens- und Versöhnungsprozess in Afghanistan zugute kommen", so die Ansicht im Jahr 2018.

Der kolumbianische Staatschef führte nach dem aktuellen Besuch weiter aus, dass er "nachdrücklich“ die Integrität des ukrainischen Territoriums unterstütze und seine Regierung sich bei Sanktionen "der internationalen Gemeinschaft anschließen“ werde, "wenn es irgendeine Art von Maßnahmen gegen diese territoriale Integrität gibt".

An anderer Stelle seines Arbeitsprogramms in Europa hob Duque einen weiteren Aspekt der Ukraine-Krise hervor. "Nach den Spannungen in der Ukraine haben wir Aussagen von Leuten gehört, die sagten, dass sie mehr Militär [nach Venezuela] schicken würden, wenn die Spannungen zunehmen. Und wir haben den russischen Botschafter gefragt, worum es hier geht. Wir wollen nicht in eine geopolitische Schlacht verwickelt werden", betonte Duque im Widerspruch zu seinem Auftritt bei Stoltenberg, bei dem er sich aktiv in der "geopolitischen Schlacht" positionierte.

Hier setzt heftige Kritik aus Kolumbien selbst an den Äußerungen Duques bei der Nato an. Für den Anwalt Alberto Ortiz will der Staatschef "einen Konflikt schüren, von dem er nicht die geringste Ahnung hat".

"Was eine selbstzerstörerische Regierung alles anrichten kann", bemerkte der Akademiker Gonzalo Sánchez, emeritierter Professor an der Nationalen Universität von Kolumbien, in Bezug auf die Äußerungen Duques zur Krise in Europa. Der kolumbianische Präsident werde "bis zur letzten Minute damit fortfahren, Feinde auf der internationalen Bühne zu erfinden und die Anliegen des Landes mit unsicheren Verbündeten verknüpfen", so der Träger des Nationalen Friedenspreises 2016 in Anspielung auf das US-Desaster in Afghanistan.

Francisco Javier Toloza, Professor an der Nationalen Universität, bezeichnete es als besorgniserregend, dass der Präsident "angesichts der von der Nato in der Ukraine erzeugten Spannungen weiterhin dieses Kriegsspiel spielt".

Das Informationsportal Colombia Informa titelte: "Duque bestätigt Kolumbien als Instrument Washingtons für imperiale Offensive". Die Vereinbarungen in Brüssel zwischen Kolumbien und der Nato würden das Land für US-Interessen instrumentalisieren.

Das Portal erinnerte an den kürzlichen Besuch der US-Unterstaatssekretärin für politische Angelegenheiten, Victoria Nuland, im Rahmen hochrangiger strategischer Sicherheitsgespräche zwischen den USA und Kolumbien in Bogotá. Nuland – "die Lobbyistin der wichtigsten Rüstungsunternehmen ihres Landes ist" – habe in Kolumbien "eine Medienblase" erzeugt, um Angst und Unsicherheit hervorzurufen. Demnach sei Kolumbien "Bedrohungen von externen Akteuren" ausgesetzt, insbesondere "im Zusammenhang mit den bevorstehenden Wahlen".

Die US-Diplomatin habe auch - ohne Beweise vorzulegen – erklärt, dass "Venezuela mit Unterstützung und technischer Hilfe Russlands und des Irans Truppen an der Grenze zu Kolumbien mobilisiert". Die Nato und die USA würden durch Nuland "anti-russische Pläne in unserem Amerika schüren, durch Kriege, von denen die im Kalten Krieg verankerten Waffenhersteller weiterhin profitieren“, heißt es in dem Beitrag weiter.

Bei einem nach dem Stoltenberg-Treffen anberaumten Auftritt vor dem Europaparlament schlug Duque weitere Kritik entgegen: Europaabgeordnete protestieren während seiner Rede. Parlamentarier trugen T-Shirts mit Aufschriften "Stoppt das Töten in Kolumbien", "Wer hat den Befehl gegeben" oder "Respekt für die Friedensvereinbarungen". Vor der Rede des Präsidenten erinnerten Abgeordnete bereits an die Verantwortung seiner Regierung für die Welle der Gewalt im Land, die im Jahr 2021 mehr als 145 und im Jahr 2022 bisher 24 Morde an führenden sozialen und politischen Persönlichkeiten zur Folge hatte.

Kolumbien hat die schlechteste Menschenrechtsbilanz in ganz Lateinamerika. Ein kaum umgesetztes Friedensabkommen, das den jahrzehntelangen internen bewaffneten Konflikt um Landkonzentration und soziale Fragen beilegen sollte, Paramilitärs, Gewalt von Militär und Polizei gegen soziale Proteste und die mächtige Drogenwirtschaft, die mit staatlichen Kräften verbündet ist, hinterlassen wöchentlich Tote und inzwischen wieder eine Zunahme von Hunger.

Die kommenden Wahlen, bei denen der Regierung nach Umfragen eine Niederlage gegen den linken Kandidaten Gustavo Petro bevorsteht, gelten bereits als bedroht durch die Eskalation der Gewalt im Land.

 

Ukraine: Spiel mit dem Wahnsinn

Samstag, 19. Februar 2022

Ein ehemaliger US-Botschafter in Moskau sieht einen innenpolitisch motivierten Machtpoker Bidens (nicht Putins) als treibendes Motiv hinter der jetzigen Kriegsgefahr, ein US-Ökonom dagegen eine Strategie der wirtschaftlichen Absicherung des westlichen Imperiums. (zas, 19.2.22) Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein ehemaliger US-Botschafter die Politik seines Landes kritisiert. Nun … grad nie, wie wir den Eindruck vermittelt bekommen, geschieht das allerdings auch nicht. Normal ist jedoch, dass die Mainstreammedien gerade dann ihrer Recherchierwut Einhalt gebieten. Vielleicht müssen sie dieses Mal ein paar Worte zur Schadensbekämpfung äussern, denn die Kritik von John F. Matlock Jr. ist nicht «irgendwer». Der Verfasser des Artikels (Today’s Crisis Over Ucraine) war von 1987 bis drei Wochen vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion (SU) 1991 US-Botschafter in Moskau war.
Matlock zieht den Vergleich mit der Kubakrise von 1962. Die USA hatten, so Matlock, Atomraketen in der an die SU angrenzenden Türkei stationiert. Die SU stellte daraufhin ebensolche Raketen in Cuba auf. Chruschtschow und Kennedy verhinderten damals den real drohenden Atomkrieg mit dem Abzug ihrer jeweiligen Atomarsenale von der Insel und aus der Türkei. (Anzumerken ist, dass Fidel Castro später oft eine Selbstkritik an seiner damaligen Einwilligung in die Stationierung und danach sogar Kritik am sowjetischen Übereinkommen mit den USA geäussert hat. Kerninhalt: Er habe bloss die drohende US-Militäraggression gesehen, aber keine Vorstellung von der Entsetzlichkeit eines Atomkriegs gehabt.) Matlock erwähnt natürlich auch die westlichen Versprechen anlässlich der Wiedervereinigung Deutschlands, die NATO nicht «einen Zoll» nach Osten zu verschieben. Die damalige Administration Bush (Vater) habe sich darangehalten, Clinton, Bush (Sohn), Obama und jetzt Biden hätten aber die «stückweise» NATO-Expansion vorangetrieben. Er habe, in Übereinstimmung mit andern, in einem US-Senatshearing 1997 vor der damals thematisierten Ost-Expansion als potentiell «schwerstem strategischen Fehler seit Ende des Kalten Kriegs» gewarnt. Den folgenden krassen Wortbruch der NATO bringt er in Zusammenhang mit der dann massiv reduzierten Militärmacht Russlands. Der Ex-Botschafter geht auch im Überflug auf ein weiteres Element der Verschärfung der Spannungen zwischen West und Ost ein: die Abkehr Washingtons von internationalen Atomwaffen-Abrüstungsabkommen, insbesondere vom Raketen-Vertrag ABM. Die zunehmenden Spannungen hätten mit einer politisch-wirtschaftlichen Integration West- und Osteuropas, also nicht unter dem Banner der NATO, vermieden werden können. Heute strebe Moskau eine solche Sicherheitsstruktur an, ohne den Austritt jetziger Mitglieder aus der NATO zu fordern. Eine diplomatische Lösung in dieser Richtung wäre denkbar, werde aber durch die aufgeheizte Stimmung in den beiden US-Parteien massiv erschwert. Interessant sein Verdacht, was hinter Bidens Kriegspromotion stehe: Die Dems gehen als wahrscheinliche Verliererpartei in die Kongresswahlen von kommendem November; mit Biden in der Pose als Muskelmann, der Putin gestoppt habe, suchten sie, Stimmen zu machen. (Eine «Show»-Lösung wie 1962, als nach aussen (bis heute) fast ausschliesslich der sowjetische Raketenabzug aus Cuba, nicht aber der parallele Abzug des US-Atom-Arsenals aus der Türkei, Thema war, wäre auch heute denkbar). Angesichts des erbärmlichen Mitgeiferns heute der Mainstreammedien könnte ein solches Resultat durchaus möglich sein. Von Medienseite her wäre eine halbwegs ehrliche Berichterstattung nicht zu erwarten. Falls Matlock nicht wie gewohnt totgeschwiegen werden kann – immerhin war er Teil des Machtestablishments gewesen - dürfte er als Spinner oder schlicht Agent Putins abgefertigt werden.
Bestimmt gibt es keine einfache monokausale Herleitung der aktuellen Kriegsgefahr. Einen interessanten Aspekt erwähnt der heterodoxe US-Ökonom Michael Hudson in seinem wie gewohnt interessanten Artikel America’s real adversaries are its European and other allies vom 8. Februar. Er interpretiert den Aufbau von Spannungen mit Russland und China als Versuch der USA, mindestens Europa unter Kontrolle zu behalten und von Dingen wie Nord Stream 2 und Neuer Seidenstrasse fernzuhalten. Auch gegen die eigenen sozioökonomischen Interessen der europäischen Länder. Auch Hudson kann selbstverständlich die Gefahr eines bevorstehenden realen Kriegs nicht ausschliessen, ähnlich wie Matlock betont er aber andere als die von Biden und Anhang vorgebrachten Herleitungen als Realmotiv für die extreme Eskalation. Bezeichnend übrigens: Die Stimme von PazifistInnen in der Ukraine, die zwar Washington als wichtigsten Kriegstreiber sehen, aber deswegen keineswegs auf «pro-russische» Propaganda machen, ist nur in einigen linken Medien zu vernehmen. «Big News» hat sie ausgeblendet.

El Salvador: Das klandestine Massengrab just in Bukeles Nachbarschaft

Donnerstag, 17. Februar 2022

(zas, 17.2.22) In Correos 202 (Verschwundene, Cyberzauber und Widerstand) haben wir über die erschreckende Anzahl von gewaltsam Verschwundenen in El Salvador berichtet. Vor allem junge Frauen aus den Unterklassen werden von Auftragskillern entführt und oft ermordet und klandestin verscharrt. Auch Menschen- und Organhandel scheinen eine wichtige Rolle zu spielen. Die Ermordeten werden von den Tätern (im Regelfall Mitglieder der Maras, oft unterstützt von Segmenten der Sicherheitskräfte) in klandestinen Massengräbern verscharrt. Vier klandestine Massengräber wurden im letzten Jahr öffentlich bekannt. Einige mit Dutzenden, andere «bloss» mit vier oder fünf Leichen. Letzen November 2021 wurde eines auf dem Terrain Finca Suiza in der wohlhabenden Gemeinde Nuevo Cuscatlán ausserhalb der Hauptstadt gefunden. Aufgrund des vom Regime verhängten Sprechverbots für mit dem Fall beschäftige BeamtInnen verfügt man nur über die Angaben welche Justizminister Gustavo Villatoro zu äussern geruht: 26 Leichen, darunter jene von drei Verschwundenen, deren Fall für monatelanges Aufsehen gesorgt hat: die Geschwister Karen und Eduardo Toledo und die Fussballerin Jimena Ramírez. Verantwortlich sei eine lokale Mara-Struktur. Weitere Identifizierung von Leichen über jene drei hinaus, die vor Monaten schon für ein schlechtes «Image» der Regierung gesorgt haben? Fehlanzeige.
September 2021: Angehörige und FreundInnen von Karen und Eduardo fordern Aufklärung. Dafür weiss man anderes. Von Beginn des Fundes des Massengrabs weg staunte man über dessen Distanz von nur 1.5 km zum Haus des Staatspräsidenten. Könnte ja Zufall sein…. Doch seit einer Sendung mit Mauricio Funes, dem ersten Präsidenten einer FMLN-Regierung (2009-2014), mutet diese Vermutung frivol an. Funes ist vor einem sicheren Knastaufenthalt nach Nicaragua geflohen. Zwei Kronzeugen, die dafür eine massive Hafterleichterung erhalten, «bestätigen», dass er $ 350 Millionen Staatsgelder veruntreut habe. Bis heute hat die Staatsanwaltschaft noch nicht einmal darlegen können, aus welchem Budgetposten genau diese Gelder gestammt haben sollen…. Alles deutet auf einen weiteren Fall von US-gesteuerter Lawfare hin. Funes konnte als ehemaliger Staatspräsident im Facebook-Live-Gespräch von letztem Dienstag zum Thema Überwachungsperimeter rund um die Residenz eines Staatspräsidenten sozusagen aus der Schule plaudern.
Mauricio Funes im Gespräch Er hielt fest: Das klandestine Massengrab liegt 1.5 km von der Residenz des Präsidenten entfernt, 800 m vom Polizeizentrum der Gemeinde und 500 m von dem mit Geldern der US-Botschaft und der Howard Buffet Foundation finanzierten Gerichtsmedizinischen Untersuchungszentrum. Als er Präsident war, gab es vier Sicherheitsperimeter von 3-4 km um seine Residenz: einen innersten Ring unter Kontrolle des Batallón Presidencial, einer für die Sicherheit des Präsidenten und seiner Familie speziell ausgebildeten Armeeeinheit, einen zweiten Ring der Polizei, einen dritten des Geheimdiensts OIE und einen vierten der Fuerzas Especiales, einer weiteren Sondereinheit der Armee. Es sei «unvorstellbar», so Funes, dass diesen auf Überwachung geschulten Sicherheitsorganen ein andauerndes Treiben von Maras, die entweder Leichen oder dort dann hingerichtete Gefangene in die Finca Suiza transportiert haben, entgangen sei. Funes betonte auch, dass Nayib Bukele, der pausenlos über Twitter und Facebook kommuniziere, seit November nicht ein einziges Mal sein Mitgefühl mit den Opfern zum Ausdruck brachte oder eine Aufklärung versprach. Nur hermetisches Schweigen dazu seitens des Dauerkommentators. Dass Bukele mit Maras einen Deal hat, steht ausser Frage. Eine faktisch US-kontrollierte Sondereinheit unter dem letzten Juli von Bukele widerrechtlich abgesetzten Generalstaatsanwalt hatte diesen Sachverhalt dokumentiert. Gerade macht ein Prozess gegen eine Organisación de Vendedores Independientes (OVI, Organisation informeller VerkäuferInnen) und eine Clique der Mara 18-R von sich reden. Die OVI – eng mit der Mara 18-R und lange mit früheren Gemeinderegierungen der Rechten verbandelt - hat laut Anklage 2020 während des militarisierten Pandemielockdowns für 60 Mitglieder eine Nothilfe von je $ 300 beim Arbeitsministerium ausgehandelt. Die noch unter dem alten US-nahen Generalstaatsanwalt abgeschlossene Untersuchung ergab, dass zwei Drittel, also $ 12'000, direkt für die Mara 18-R bestimmt waren. (Damit dürfte ein kleiner Teil der vom mittlerweile weitgehend kaltgestellten Rechnungshof beanstandeten $ 300-Millionen-«Nothilfe» an undurchsichtige EmpfängerInnen geklärt sein). Arbeitsminister Rolando Castro, früher Chef einer mit der Rechtspartei ARENA verbandelten mafiösen «Gewerkschaft» von Gemeindeangestellten, reagierte auf gewohnte Weise. Zu dem bei der Untersuchung federführenden Ermittler der Staatsanwaltschaft Alex Vladimir Ramírez tweetete er: «Manchmal versucht er einzuschüchtern, genau wie ein Profikrimineller. In vielen Institutionen gab es erpresserische Strukturen und Alex Vladimir ist keine Ausnahme. Diese Kriminellen müssen wissen, dass jetzt Schluss ist mit solchen Erpressungen, denn heute gibt es ein neues El Salvador.» Norma Aguirre, die berüchtigte Chefin der OVI, war ein paar Wochen in U-Haft, wurde aber Anfang Januar auf Geheiss des von Bukele letzten Juli verfassungswidrig umbesetzten Obersten Gerichts entlassen. Die von den USA wegen dort begangener Morde beantragte Auslieferung von führenden Mareros ist von der Bukele-Justiz definitiv untersagt worden, während das gleiche Oberste Gericht Anfang Februar in Übereinstimmung mit dem Auslieferungsvertrag USA-El Salvador die Auslieferung eines Mannes wegen Mordversuchs bewilligte. Der Ausgelieferte ist kein Marero. Nachtrag: Natürlich hat Bukele von den Maras kein Massengrab in seiner Nachbarschaft gewünscht. Der Zusammenhang dürfte viel mehr im «eingeübten Zusammenspiel» von Regime, Sicherheitskräften und mörderischer Kriminalität liegen. Der offenbar so stark ist, dass man lieber die unliebsame Tätigkeit in der Nachbarschaft akzeptierte als einen Bruch des Deals.

[Südmexiko-Soli-Newsletter] Februar 2022 - Wichtige Updates

Mittwoch, 16. Februar 2022

 

AUSERORDENTLICHER NEWSLETTER

Uns erreichen diese Tage eine grosse Anzahl trauriger Nachrichten aus
Mexiko, was uns veranlasst, diesen Kurznewsletter zu verschicken.
Dabei haben wir längst nicht alle Verbrechen, die jüngst vom Norden
bis in den Süden Mexikos begangen wurden, berücksichtigt. Wir rufen
daher zu kritischer Beobachtung auf und zur Teilnahme an Aktionen –
wie der Unterschriftensammlung für das Haus der Pueblos oder der
Aktion für Samir Flores. Je mehr mitmachen, desto mehr können wir
erreichen!
 
 
EILAKTION - RÄUMUNG HAUS DER PUEBLOS IN CHOLULTECA

           

Die mexikanische Regierung lässt das "Haus der Pueblos" räumen -
Aufruf zur Solidarität!

Ein großes Kontingent der Nationalgarde und der Gemeindepolizei sind
um 1.30 in der Nacht auf Dienstag, dem 15. Februar, in das ehemalige
Bonafont-Fabrikgelände eingedrungen, welches am 8. August 2021 von den
Pueblos Unidos, einem Zusammenschluss von organisierten Gemeinden der
Region Cholulteca (Puebla) besetzt und in das "Haus der Pueblos",
Altepelmecalli umgewandelt wurde. Der Besetzung ging einer
fünfmonatigen Blockade der Firma von der Bewegung voraus, um den
systematischen Wasserdiebstahl der Firma Bonafont, welche dem
französischen Lebensmittelkonzern #Danone gehört, zu beenden und
stattdessen einen Ort für kommunitäre Bildung, Gesundheit, Ernährung
und Organisation von unten links zu schaffen. Im März 2021 fiel der
Wasserstand der Ziehbrunnen der Bewohner:innen auf einen
rekordmässigen Tiefstand ab.

Alle Menschen der Bewegung vor Ort sind unverletzt geblieben und bis
zum momentanen Zeitpunkt wurde niemand verhaftet. Wie es den Tieren
geht, die Teil der Kooperative sind und sich auf dem Gelände befinden,
ist unklar.

Die Pueblos Unidos betonen in ihrem Communiqué, dass dieser Angriff
auf ihre Autonomie und Selbstorganisation als Teil der momentanen
Gewaltwelle gegen /pueblos originarios/ in Mexiko gesehen werden muss,
und dass es einen weltweiten Krieg um Wasser, gegen die /pueblos
originarios/ und die Menschheit gibt. So wurden alleine diese Woche
compañeros und compañeras des Itsmo de Tehuantepec, Ayotzinapa,
Mactumatzá und Nahuatzen angegriffen. Vergangene Woche wurde Francisco
Vázquez, ein Aktivist aus Morelos, der Teil des Widerstandes gegen
eine elektrotermische Anlage in Huexca, Morelos, ist, umgebracht.

Die Pueblos Unidos bitten um maximale Aufmerksamkeit und rufen die
(inter-)nationale Gemeinschaft dazu auf, sich solidarisch zu zeigen
und das aktuelle Geschehen in Puebla in den kommenden Tagen kritisch
zu beobachten.

Unter Anderem rufen sie uns auch hier in Europa dazu auf, sich vor den
mexikanischen Botschaften und den Sitzen von Danone zu mobilisieren!

Hier zum Video der Pressekonferenz der Pueblos Unidos:
https://www.facebook.com/watch/live/?ref=notif&v=304848581527827&notif_id=1644960139423347&notif_t=live_video

Hier geht es zu Unterschriftensammlung (Unterschriften bitte direkt im
Dokument eintragen):
https://docs.google.com/document/d/1UA-8_zORDBofHZLfxc8vpj38wUCwntgEYn5uytQudcg/edit?usp=sharing

Diese # sollen auf Twitter benutzt werden:

#DANONECRIMINAL
#FueraBonafont
#BonafontNoVuelve
#AltepelmecalliSeQueda
#PueblosUnidosCholultecas
#altepelmecallivive
#AmloNoCumple
#NetzderRebellion

Aktuelle Artikel auf Spanisch:

https://www.lajornadadeoriente.com.mx/puebla/desalojan-planta-de-bonafont-en-juan-c-bonilla/?fbclid=IwAR04O1M4T83UUnAXj34O9j6cx1fcQ4DBOrsLg_9cF5ofc5Pj9n_9vkpWEyM

https://www.somoselmedio.com/2022/02/15/casa-de-los-pueblos-es-tomada-por-guardia-nacional/

Dies ist ein Ausschnitt aus dem aktuellen Communiqué der Pueblos
Unidos auf Spanisch:

Hoy, 15 de febrero del 2022, el presidente de México, Andrés Manuel
López Obrador, el gobernador de Puebla, Luis Miguel Barbosa Huerta y
el presidente municipal de Juan C. Bonilla, José Cinto Bernal, se
coordinaron para defender a la empresa Bonafont del corporativo
DANONE, despojar a los pueblos de su agua y violentar la
autodeterminación de las comunidades originarias de la Región
Cholulteca. Con un megaoperativo con elementos de la Guardia Nacional,
del cuerpo de granaderos, de la policía estatal y de la policía
municipal orquestaron la entrada por la fuerza a las instalaciones de
Altepelmecalli, la Casa de los Pueblos, bastión de la organización en
defensa del agua a nivel nacional e internacional.

Das ganze Communique:
https://www.congresonacionalindigena.org/2022/02/15/llamado-de-los-pueblos-nahuas-de-la-de-la-region-cholulteca-a-movilizaciones-en-todos-los-territorios/
 

Honduras: Ex-Präsident verhaftet, USA wollen Auslieferung wegen Drogenhandels

 https://amerika21.de/2022/02/256860/honduras-usa-auslieferung-hernandez

JOH mit Hund im Hof seines Hauses in der honduranischen Hauptstadt
JOH mit Hund im Hof seines Hauses in der honduranischen Hauptstadt

Tegucigalpa. Der frühere Präsident von Honduras, Juan Orlando Hernández (JOH), ist am Dienstag aufgrund eines Haftbefehls des Obersten Gerichtshofs festgenommen und in ein Gefängnis überführt worden, sein Haus wurde durchsucht. Er sei "bereit und willens", mit den Behörden zusammenzuarbeiten, erklärte JOH, der von 2014 bis zum 27. Januar 2022 im Amt war, zuvor via Twitter.

Die USA hatten um die Festnahme und Auslieferung von Hernández ersucht.

Das honduranische Außenministerium twitterte am Montag, es habe ein Schreiben der US-Botschaft erhalten, die "um die vorläufige Festnahme eines honduranischen Politikers zum Zweck der Auslieferung an die Vereinigten Staaten von Amerika ersuche".

Das spanischsprachige Programm des US-Senders CNN enthüllte daraufhin Dokumente, die belegen, dass es sich bei dem "honduranischen Politiker" um Ex-Präsident Hernández handelt.

Vergangene Woche wurde bekannt, dass die USA ihrem langjährigen Verbündeten das Visum gesperrt und ihn auf die sogenannte Engel-Liste gesetzt hatten, die Politiker und Funktionäre aus Guatemala, Honduras und El Salvador aufführt, welche nach Auffassung der US-Regierung mutmaßlich korrupt und kriminell sind.

Daraufhin kursierten in Honduras vermehrt Spekulationen, dass JOH sich nach Nicaragua absetzen und Präsident Daniel Ortega ihm Schutz vor einer möglichen Auslieferung gewähren würde. JOH selbst hatte gestern auf Facebook Fotos von sich und seinen Hunden im Garten seines Hauses in Tegucigalpa gepostet. Auch sein Anwalt betonte gestern abend, dass er sich dort aufhalte.

Das Haus des Ex-Präsidenten wurde in der Nacht von zahlreichen Polizisten und Soldaten umstellt. Ein Haftbefehl lag jedoch noch nicht vor, so dass es keine Handhabe gab, um die Anwesenheit von Hernández festzustellen.

Der Oberste Gerichtshof des mittelamerikanischen Landes berief für heute um 16.30 Uhr deutscher Zeit eine dringliche Sitzung ein, um den Richter zu bestimmen, der über die Ausstellung des Haftbefehls entscheiden soll. Jurist:innen wie der Vorsitzende der Sonderstaatsanwaltschaft gegen Korruption, Luis Santos, gehen davon aus, dass die Immunität, die Hernández als Abgeordneter des zentralamerikanischen Parlamentes (Parlacen) genießt, ihn nicht gegen eine Auslieferung schützt.

Der Southern District der New Yorker Staatsanwaltschaft arbeitet bereits seit längerem an einer Anklage gegen JOH und versuchte offensichtlich erst kürzlich, die neue honduranische Regierung unter Xiomara Castro zu bewegen, Zeugen für einen Prozess gegen ihn an die USA auszuliefern.

JOH wird unter anderem vorgeworfen, dass er als Präsident des Kongresses und Präsidentschaftsbewerber eine Allianz mit dem inzwischen in den USA verurteilten Drogenhändler Geovany Fuentes Ramírez einging, dem er im Gegenzug für die Finanzierung seiner Wahlkampagne Schutz versprach.

JOHs Bruder Tony, ehemals Kongressabgeordneter der Nationalen Partei, war 2019 in den USA wegen Drogenhandels im großen Stil verurteilt worden. Das Strafmaß wurde 2021 auf lebenslange Haft plus 30 Jahre festgesetzt. JOH wurde in dem Prozeß als "Mitverschwörer 4" bezeichnet.

 

Argentinien/IWF

Donnerstag, 10. Februar 2022

 

Argentinien: Ärger in der Regierungskoalition wegen Abkommen mit dem IWF

Abgang des Chefs der Regierungsfraktion der Abgeordnetenkammer wegen IWF-Deal. Abkommen im Kongress noch nicht abgesegnet
Transparent vor dem Präsidentenpalast: "Nein zum Pakt mit dem IWF. Nein zur Rückzahlung der Schulden"
Transparent vor dem Präsidentenpalast: "Nein zum Pakt mit dem IWF. Nein zur Rückzahlung der Schulden"

Buenos Aires. Der Vorsitzende der stärksten Abgeordnetenfraktion im argentinischen Parlament, "Frente de Todos" (Bündnis von allen, FdT), Máximo Kirchner, ist zurückgetreten. Die FdT vertritt im Parlament die Regierungskoalition. Kirchner gab seinen Rücktritt bekannt, nachdem Wirtschaftsminister Martín Guzmán ein neues Abkommen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) verkündet hatte. Er teile weder "die Verhandlungsstrategie" mit dem IWF noch ihre Ergebnisse, erklärte der 44-Jährige in einem Kommuniqué.

Der Kongress muss der Übereinkunft mit dem IWF noch zustimmen. Es geht dabei um die Rückzahlung von 44 Milliarden US-Dollar. Argentinien wurde hierfür mehr Zeit eingeräumt. Als Gegenleistung darf der IWF vierteljährlich die Staatsfinanzen überprüfen, bevor es zu Zahlungen kommt. Das südamerikanische Land muss außerdem sein Haushaltdefizit bis 2024 reduzieren und die Inflation, die bei 50 Prozent liegt, senken. Außerdem verpflichtet sich Argentinien dazu, die staatlichen Energiesubventionen abzubauen. Letzteres könnte die privaten Haushalte besonders treffen.

Der Rücktritt Kirchners wirft die Frage auf, wie er sich auf die Entscheidung der Legislative auswirken wird. Máximo Kirchner, Sohn des verstorbenen früheren Präsidenten Néstor Kirchner und der aktuellen Vizepräsidentin Cristina Fernández, ist Mitgründer und Anführer der innerparteilichen Gruppe "La Cámpora”, der weitere 16 Abgeordnete der Regierungsfraktion angehören. Ohne deren Unterstützung ist die erforderliche Zustimmung der Abgeordnetenkammer kaum zu erreichen.

An seine Stelle trat German Martínez, der nun versucht die Risse zu kitten und mit den Unzufriedenen verhandelt, um eine Einigung zu finden. Kirchner hatte den Abgeordneten seiner Gruppe empfohlen, "nach eigenem Gewissen" abzustimmen. Die Vizepräsidentin hielt sich zum Thema bedeckt. Die Opposition erwartet, dass sie sich enthält oder sogar zustimmt.

Das Abkommen wurde von Regierungsvertretern als Erfolg bezeichnet, weil die ausgehandelten Bedingungen milder als bei anderen IWF-Übereinkünften sind. Präsident Alberto Fernández selbst äußerte jedoch, dass "es nichts zu feiern gebe". Das Abkommen sei aus der Not heraus abgeschlossen worden, um ein drohendes Default zu vermeiden und um Investitionen zu sichern, die sonst nicht getätigt worden wären. Fernández trat kurz danach eine Reise nach Russland und China an. Mit beiden Ländern sollten mehrere Finanzabkommen geschlossen werden. Diese erforderten ebenfalls eine Einigung mit dem IWF.

Die Regierung hofft darauf, dass das derzeit stabile Wirtschaftswachstum anhält und ermöglicht, die Verpflichtungen einzuhalten, ohne größere Einschnitte machen zu müssen. Die argentinische Wirtschaft wuchs letztes Jahr trotz anhaltender Inflation mit zehn Prozent um doppelt so viel, wie von den Wirtschaftsinstituten vorausgesagt.

Von Kritikern wird bemängelt, dass das irreguläre Zustandekommen des enormen IWF-Darlehens während der Präsidentschaft von Mauricio Macri nicht ausreichend berücksichtigt wurde und die Verantwortlichkeiten nicht geklärt sind. Máximo Kirchner wies zum Beispiel darauf hin, dass das Verhandlungsteam nur aus Wirtschaftsfachleuten bestand, obwohl es eindeutig eine politische und juristische Komponente gibt.

Ex-Präsident Macri hatte 2018 die IWF-Hilfe ohne Zustimmung des Parlaments beantragt. Der IWF unter Christine Lagarde hatte das bis dato größte Darlehen in der Geschichte der Organisation genehmigt, ungeachtet der Tatsache, dass Argentinien unter den damaligen Umständen eine so hohe Summe unmöglich zurückzahlen konnte. Zudem gab es keine ausreichenden Kontrollen zur Vermeidung der Verwendung dieser Mittel in der Finanzspekulation.

Eine interne Untersuchung des IWF war im vergangenen Jahr zu dem Schluss gekommen, dass ein großer Teil der Gelder über irreguläre Kanäle abgeflossen war und die Ziele des Darlehens verfehlt wurden. Macri selbst hatte kürzlich erklärt, dass das Geld an die Banken ging, die das Land verlassen wollten.

Kritisiert wurde auch, dass das Darlehen eindeutig zur Unterstützung einer politischen Partei dienen sollte, wie Mauricio Claver-Carone, aktueller Präsident der Interamerikanischen Entwicklungsbank und früheres Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates der USA, in einem Interview einräumte. Laut Claver-Carone hatte die Regierung von Donald Trump den IWF dazu gedrängt, alle finanziellen Grenzen zu überschreiten und der Regierung Macri eine historisch einmalige Summe von 55 Milliarden Dollar zu leihen, um sie im Wahlkampf zu unterstützen.

Aber nicht nur innerhalb der Regierung gibt es Unzufriedenheit mit dem neuen IWF-Deal: Soziale Organisationen haben für kommenden Freitag zu einer Demonstration dagegen aufgerufen.

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(zas, 10.2.22) Am 8. Februar demonstrierten landesweit offenbar Hunderttausende gegen den Deal mit dem IWF. In Córdoba - hier gewannen linke Kräfte (ein Mix aus Sozialbewegungen und trotzkistischen Parteien) die Parlamentswahlen letzten November – demonstrierten 30'000 Menschen. «Parapolizeiliche» bewaffnete und maskierte Kräfte griffen die Demonstration an, wie die OLP (Organizaciones Libres del Pueblo) in einem Communiqué festhält. Mehrere Verletzte sind die Folge, darunter ein Fünfzehnjähriger von der Organisation Barrio de Pie mit gravierenden Schnittverletzungen. Die OLP setzt dies in den Kontext einer seit November verschärften Polizeirepression unter dem Kommando der macristischen Regionalregierung. Insgesamt, so die DemoorganisatorInnen, soll der Widerstand auf der Strasse gegen das IWF-Diktat in der kommenden Zeit weitergehen. Zu beachten ist ferner, dass, wie Página/12 heute schreibt, der genaue Text des Memorandum of Understanding zwischen IWF und argentinischer Regierung noch erarbeitet wird…  Und falls die im A21-Artikel angeführte Quelle, das Wirtschaftsblatt El Cronista,  die Sache richtig wiedergibt, ist ein IWF-Arrangement zum Beispiel für Moskau Voraussetzung für weitere Investitionen-«Hilfe», darunter im Gespräch der Bau eines AKWs. Das zeigt, wie mächtig die US-imperialistische Finanzarchitektur ist. Die Regierung von Alberto Fernández windet sich seit ihrem Beginn zwischen links und rechts. In der aktuellen Erpressungssituation kommt ihr Kniefall vor dem Syndikat IWF nicht wirklich überraschend. Eine Alternative können nur die Kämpfe gegen das verbrecherische Diktat weisen, ein Diktat, das nur aufgrund des seit jahrzehntelangen Widerstands nicht noch brutaler ausgefallen ist. Wirtschaftspolitisches Argumentieren kann diese nicht ersetzen, allenfalls ihnen dienen.


 

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El Salvador: Faschistisches normalisieren

Sonntag, 6. Februar 2022

 «Es ist ihnen egal, ihren Familien Schaden zuzufügen. Wenn sie sich versteckt hat, werden wir halt ihre Angehörigen vorladen.» Caleb Navarro, Bukele-Abgeordneter.

 

(zas, 6.2.22) In El Salvador hat der Bukele-Clan eine parlamentarische «Untersuchungskommission» zum Thema von Geldzuweisungen an NGOs, kirchliche Institutionen, Universitäten u. a. durch frühere Parlamente in Abstimmung mit dem Finanzministerium installiert. Das Ganze ist ein Riesenschwindel. Ins Visier geraten seit Monaten ausschliesslich Institutionen, die mit der heutigen Opposition verbunden sind. Die Mitglieder dieser Kommission glänzen mit Unbedarftheit und Unkenntnis auch nur der einfachsten Parlamentsregeln. Vor wenigen Tagen versuchten sie ihr Glück mit Andreu Oliva, dem Rektor der Jesuitenuni UCA, die seit Kriegsende staatliche Gelder für die Durchführung von Bildungsaufgaben ausserhalb ihrer Universität erhalten hat. In distinguierter Weise wies der Mann die Versuche, eine schnöde UCA-Bereicherung auf Kosten des armen Volkes zu behaupten, deutlich und überlegen zurück. So, dass jetzt schon der Begriff ignoratorio statt interrogatorio (Verhör) zirkuliert, gemeint, dass das von der Bukele-Fraktion angestrebte «Verhör des Kriminellen» zur selbstdemaskierenden Zurschaustellung der eigenen Inkompetenz geworden ist. Die gleiche Erfahrung musste das Regime schon bei früheren «Befragungen» von FMLN-ExponentInnen machen, etwa jener der ehemaligen Parlamentspräsidentin Lorena Peña, die mit ihrer Unbeugsamkeit und geistreichen den Kampfgeist in den linken Reihen gestärkt hat, wie er sich danach in den ersten grossen Demonstrationen materialisierte. Ähnliches gilt auch für Oliva. Bezeichnend ein Video von seiner Ankunft in der UCA nach dem ignoratorio, wo er von begeisterten MitarbeiterInnen und StudentInnen herzlich empfangen wurde. Das sind wichtige psychologische Momente; sie dürfen aber nicht falsch interpretiert werden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch den Verlauf dieses ignoratorio nur ein kleinerer Teil der Bevölkerung mitschneidet. Viele andere werden im zurechtgeschnittenen zweieinhalbminütigen Tiktok-Video nur sehen, wie wacker sich die Bukelistas den «ewig gleichen Profiteuren» der Volksarmut entgegengestellt haben. (Nicht so unähnlich die Dynamik in der Schweiz, wenn sich jetzt laut Meinungsumfragen ein Scheitern der Medienhilfe an der Urne abzeichnet. Viele lassen sich gerne vom Slogan der Medienmillionäre: «Keine Millionen für die Medienmillionäre» leiten, die damit den noch nicht monopolisierten Teil des regionalen Medienmarkts übernahmereif schiessen.)

Kein Triumphalismus also, keine Kantersiege, aber kleine, symbolisch wirksame Stärkungen des Widerstands.

Dass der Bukele-Clan jetzt auch die bekannte Jesuitenuniversität in die Nähe einer «Scheinorganisation» rücken will, wie er das mit NGOs der und sozialen Organisationen des Widerstands schon macht, um sie abzuwürgen und später zu verbieten – Beispiel die Frauenorganisation Mélidas – steht für seinen Willen zur Vernichtung von allem, was ihm nicht zudient.

Ein besonders widerliches Beispiel dafür liefert Caleb Navarro, Mitglied der besagten Kommission. Sie hatte auch die ehemalige FMLN-Bürgermeisterin der Vorortgemeinde Ayutuxtepeque, Blanca Flor Bonilla, zum Verhör vorgeladen. Sie sollte sich den Anschuldigungen Bukeles gegen die linke NGO Procomes stellen, deren Leiterin sie eine Weile gewesen war. (Procomes gehört zu jenen Organisationen, die auf Geheiss der illegitimen Generalstaatsanwaltschaft durchsucht worden war, s. Verschwundene, Cyberzauber und Widerstand, Correos 202, Januar 2022). Sie schrieb der Kommission knapp vor dem Termin, sie habe nur aus den Social Media von der Vorladung erfahren und befände sich im Ausland (auch sie gehört zu den zahlreichen FMLN-Leuten, die sich jn Sicherheit gebracht haben). Reaktion von Caleb Navarro:  «Es ist ihnen egal, ihren Familien Schaden zuzufügen. Wenn sie sich versteckt hat, werden wir halt ihre Angehörigen vorladen.»

In der Militärdiktatur hatten sie Gatten, Gattinnen, Eltern, Kinder gefoltert, um Aussagen zu erpressen. Heute laden sie sie – vorerst – vor. Der Mann ist Vizefraktionspräsident der Präsidentenpartei.

Südmexiko-Newsletter Janar 2022

Dienstag, 1. Februar 2022

 news.chiapas.ch

IN EIGENER SACHE

Café RebelDía: fein fair fuerte
Der Espresso, den wir im Dezember ankündigten, wird im Verlauf von April bei gebana oder über unsere Homepage bestellbar sein. Wir bitten euch darum um etwas Geduld! Natürlich werden wir euch über den Newsletter und die Homepage informieren, sobald es soweit ist.


 
CHIAPAS

Die Angriffe gegen die zapatistischen Gemeinden häufen sich
Es zeigt sich eine Strategie der Destabilisierung und der Diffamierung der Errungenschaften der zapatistischen Autonomie: Selbstversorgung, Bildung und Gesundheit werden angegriffen:
Ihr konntet in unseren vergangenen Newsletters die kontinuierlichen Angriffe auf Aldama in den Altos verfolgen. Dort gab es vom 7. zum 10. Januar 49 bewaffnete Angriffe, der 21 jährige Lorenzo Gomez Ruiz erliegt im Spital seinen Verletzungen. Diese Gemeinde ist weiterhin paramilitärischer Gewalt ausgesetzt.
Nuevo San Gregorio, zugehörig zum Caracol 10, leidet seit 2019 Angriffe einer 40 köpfigen Gruppe, welche illegal Holz schlägt, Vieh raubt, die Stromzufuhr schneidet, die Autonome Schule belagert, Bäuerinnen auf dem Weg zu den Feldern bedroht.
Ebenfalls in der Zone des Caracol 10 gab es am 10. Januar einen Angriff auf das Dorf 16 de Febrero, bei dem eine Mutter und ihre 3 Kinder entführt wurden. Glücklicherweise tauchten sie am folgenden Tag wieder auf.
 
Weiterlesen: https://amerika21.de/2022/01/256385/mexiko-paramilitaerische-angriffe-chiapas
 
Weiterlesen auf Spanisch:
https://www.centrodemedioslibres.org/2022/01/11/9-y-10-ene-la-voz-del-pueblo-de-magdalena-aldama-cuantos-muertos-habra-que-esperar-para-que-se-haga-justicia/
 
https://redajmaq.org/es/iii-informe-de-la-caravana-de-solidaridad-y-documentacion-con-la-comunidad-autonoma-zapatista-de
 
https://frayba.org.mx/desaparicion-forzada-de-4-bases-de-apoyo-zapatistas-del-caracol-patria-nueva-municipio-de-ocosingo/
 
 
Internationale Solidarität mit den zapatistischen Gemeinden:
Ein Netzwerk von Internationalistinnen ruft zu gemeinsamen Solidartätsaktionen auf:
https://www.chiapas.eu/news.php?id=11468
 

 
OAXACA

Konflikt um Minenprojekt
Indigene Gemeinden wehren sich gegen die Verlängerung der Konzession des Minesprojektes in San José del Progreso. Die Mine war in der Vergangenheit für massive Verschmutzung der Umwelt, Menschenrechtsverletzungen und Zerstörung des sozialen Zusammenhalts in indigenen Gemeinden verantwortlich gemacht worden. Nachdem das Umweltministerium die Konzession im letzten Jahr nicht verlängert hatte, klagte die Betreibergesellschaft gegen den Entscheid. Die betroffenen indigenen Gemeinden haben sich in verschiedenen Gemeindeversammlungen gegen eine Weiterführung des Projektes ausgesprochen.
 
Weiterlesen: https://amerika21.de/2021/12/255821/mexiko-goldmine-amlo-fortuna-silver
 
Weiterlesen auf Spanisch: https://www.educaoaxaca.org/denuncia-frente-no-a-la-mineria-campana-de-desinformacion-de-empresa-fortuna-silver-mines/
https://www.educaoaxaca.org/comunidades-zapotecas-de-valles-centrales-de-oaxaca-exigen-al-estado-frene-la-explotacion-minera-en-sus-territorios/
 

 
GUERRERO

Ayotzinapa
Das Verschwindenlassen der 43 Lehramtsstudenten in Ayozinapa ist weiterhin straflos.
Nun kam es zu einer entscheidenden Festnahme:
Weiterlesen: https://amerika21.de/2022/01/256465/festnahme-ayotzinapa
 

 
MEXIKO
 
Ein Zeichen gegen die allgegenwärtige Straflosigkeit
Der Mord an der Menschenrechts Anwältin Digna Ochoa muss neu aufgerollt und aufgeklärt werden:
Weiterlesen: https://amerika21.de/2022/01/256523/mexiko-mord-ochoa-urteil
 
Jedoch sind im Jahr 2021, unter der sogenannt linken Regierung von AMLO,
25 Menschenrechtlerinnen aussergerichtlich hingerichtet worden:
Weiterlesen: https://www.comitecerezo.org/spip.php?article3736&lang=es
 
Eine Mission von Reporter ohne Grenzen (RSF) hat Mexico besucht und klagt die Bedrohung von Medienschaffenden in Mexiko an.
Weiterlesen: https://www.reporter-ohne-grenzen.de/mexiko/alle-meldungen/meldung/internationale-rsf-mission-gegen-straflosigkeit
 
Nach der jüngsten Ermordung von 3 Medienschaffenden in nur wenigen Tagen kam es zu landesweiten Protesten gegen die Gewalt und fehlender Schutz durch staatliche Instanzen.
Weiterlesen: https://amerika21.de/2022/01/256611/ermordete-journalisten-mexiko
 


WIDERSTAND GEGEN GROSSPROJEKTE

Deutsch-Schweizerisches Unternehmen spaltet mit dem Bau einer Amoniakanlage indigene Gemeinde.
Ein Audio-Beitrag: https://www.swr.de/swraktuell/radio/internationale-unternehmen-in-mexiko-spalten-die-indigenen-gemeinden-100.html

 

VERANSTALTUNGEN
 
Sa, 19. März 2022, Rojinegro-Solidaritätsjassen, Militärkantine, St.Gallen, ab 13 Uhr
Mehr Infos: https://rojinegro.ch/
Leider wurde das Rojinegro-Solijassen in Zürich für dieses Jahr abgesagt.