https://amerika21.de/2022/07/258912/venezuela-gesetz-sonderwirtschaftszonen
Caracas. Die venezolanische Nationalversammlung hat ein Gesetzesprojekt über Sonderwirtschaftszonen (SWZ) gebilligt, das deren "Gründung, Organisation, Funktionsweise und Verwaltung" regelt. Das Gesetz mit 35 Artikeln sieht Anreize wie Rechtssicherheit, Steuererleichterungen oder -befreiungen und beschleunigte bürokratische Verfahren für private Investoren vor.
Es ist der jüngste Versuch der Regierung von Nicolás Maduro, ausländische Investitionen anzuziehen, um den wirtschaftlichen Aufschwung voranzutreiben, während das Land weitreichenden US-Sanktionen unterliegt.
Das Gesetz wurde am Donnerstag von der regierenden Vereinten Sozialistischen Partei (PSUV) und von Abgeordneten der rechten Opposition gebilligt. Nur Óscar Figuera, der einzige Abgeordnete der Kommunistischen Partei, stimmte dagegen. Das Projekt stelle eine "Bedrohung" für die Souveränität Venezuelas dar, da es "Gebiete unter der Kontrolle des transnationalen Kapitals" schaffe, erklärte er.
Die SWZ werden per Präsidialdekret gegründet. Eine Aufsichtsbehörde der Regierung wird eingerichtet, welche die Aktivitäten überwacht und neue vorschlägt, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind. Diese Behörde wird mit dem "Internationalen Zentrum für produktive Investitionen" der Regierung zusammenarbeiten, das für die Suche nach Investoren und die Ausarbeitung von Investitionsplänen zuständig ist.
Derzeit gibt es acht Sonderwirtschaftszonen, die 2014 auf der Grundlage anderer Gesetze eingerichtet wurden und sich nicht entwickelt haben.
Das Gesetzesprojekt hat unter Chavisten heftige Debatten ausgelöst. Kritiker haben Bedenken geäußert, dass es gegen die Verfassung verstößt und auf Fälle in Mexiko verwiesen, in denen ähnliche Experimente auf "Sweatshops" hinausliefen.
Der PSUV-Abgeordnete Oliver Rivas erklärte gegenüber venezuelanalysis, dass die SWZ nicht als "ultimativer Schritt" in Richtung Sozialismus, sondern als "Widerstandsstrategie" angesichts der von den USA betriebenen wirtschaftlichen Aggression betrachtet werden sollten.
"Jenseits von dogmatischen Ablehnung sollten wir uns Beispiele wie China und Vietnam ansehen, die Herausforderungen, Einschränkungen und Gegengewichte, die sie umsetzen mussten, als sie ihre Märkte teilweise für ausländisches Kapital öffneten", erklärte. China sei in der Lage gewesen, Sonderwirtschaftszonen zu nutzen, um staatliche Maßnahmen zu fördern.
Der Staat müsse die SWZ zu kontrollieren und verwalten und die anfänglichen Vorteile für das Kapital in Einkommen umwandeln, das zur Bekämpfung der Ungleichheit verwendet werden könne, so Rivas.
Venezuela befindet sich seit Jahren in einer Wirtschaftskrise, die durch den Verfall der Ölpreise ausgelöst und durch die US-Sanktionen noch verschärft wurde. Betroffen ist neben Bergbau und Bankwesen besonders die Ölindustrie.
In den letzten vier Jahren hat die Regierung Maduro versucht, mit zunehmend wirtschaftsliberalen Maßnahmen gegenzusteuern, darunter die Aufhebung von Preis- und Devisenkontrollen, Steuererleichterungen, die Deregulierung des Arbeitsmarktes und die Übertragung von Staatseigentum auf Privatunternehmen.
Damit ist es gelungen, die Inflation unter Kontrolle zu bringen und die gestiegene Ölproduktion sowie höhere Marktpreise sorgten dafür, dass das BIP im Jahr 2021 um vier Prozent anstieg – das erste Wirtschaftswachstum seit sieben Jahren.
Trotz aller Anreize sind ausländische Unternehmen aus Angst vor US-Sanktionen weitgehend fern geblieben. Washington hat internationalen Unternehmen wegen ihrer Geschäfte mit Venezuela gedroht und sie ins Visier genommen.