Sozialkrieg und Inflationsbekämpfung

Samstag, 29. April 2023

(zas, 29. 4. 23) Paul Donovan ist der Chefökonom für Wealth Management, also die Vermögensverwaltung bei der UBS. Auf einer durchaus verständlichen Seite (Economics without jargon) kommentiert er wirtschaftliche Probleme. Er gab auch eine auf der WEF-Seite übertragene kleine Einführung ins Thema Inflation. Was er da sagt, ist teilweise Wasser auf die Kritik der herrschenden «Inflationsbekämpfung». Es schadet nicht, das in dieser Phase des auch unter dem Vorwand der Inflation angeheizten Sozialkrieg von oben aufzunehmen.

Donovan beginnt mit der Frage, wie Inflation gemessen wird. Du und ich, wir wissen, dass die offiziellen Inflationsdaten nicht dem Mehr entsprechen, das wir im Supermarkt hinblättern müssen. Donovan erläutert, dass der Konsumentenpreisindex (KPI) real eine „plutokratische Inflation“, wie er sie nennt, wiedergibt. Die Begründung dafür fasst er unter dem Motto „ein Dollar, eine Stimme - nicht eine Person, eine Stimme“ zusammen. Denn Inflation werde gemessen an der Menge von ausgegebenem Geld, meist eben anhand der Ausgaben der Haushalte für Gesundheit, Nahrung etc. „Wenn Haushalte im Schnitt 10 Prozent ihrer Ausgaben für Nahrung ausgeben, sollte also dieser Sektor 10 % des Inflationskorbes ausmachen.“ Nur wenden Unterklassenhaushalte prozentual mehr von ihrem Einkommen für Nahrungsmittel und Energie auf als reiche Haushalte, die dafür anderswo mehr Geld ausgeben. Und die Preise für Essen und Energie steigen schneller als jene in den eher von Reichen benutzten Sektoren. „So kommt es, dass die Inflationsmessung dazu tendiert, das Konsumausgabemuster von höheren Einkommen zu messen, nicht dasjenige von niedrigeren Einkommen.“ Deine und meine Inflationskosten sind einiges höher als jene der Haushalte der Goldküste. „Inflationsungleichheit“, nennt sich das.

2021 war das Jahr einer ausserordentlichen Nachfragesteigerung nach dem Einbruch des Lockdownjahres 2020, in dem in den Metropolländern die Einkommen dank Sozialleistungen nicht gross sanken, aber viel weniger Geld ausgegeben werden konnte. Das Angebot wurde knapp, die Preise stiegen. 2022 ebbte das ab. Doch dann kam der Ukrainekrieg. Hier wird der UBSler «diskret»: «Die Preise steigen aus Sorge, der Krieg könne das zukünftige Angebot unterbrechen.» Du weisst, die Preise steigen vor allem bei Essen und Energieträgern. Wen trifft’s – weltweit? «Sorge» als Begriff für exorbitante Profitmaximierung? Naja. Aber Donovan beschreibt konkrete Mechanismen, die zu den Unworten führen: «Wenn ich sage, der Ölpreis steigt, werden die Leute sofort denken, wenn das Rohöl teurer wird, wird das Benzin um denselben Betrag teurer.» Nicht zwangsläufig. «Die Preise, die wir für Essen, Öl, Flugtickets und andere vom Rohöl abhängige Produkte zahlen, sind Preise für Rohstoffe und eine riesige Menge Arbeit. Und im Fall der Nahrungsmittel eine aussergewöhnliche Menge Arbeit. In einer entwickelten Ökonomie gehen nur etwa 15-20 Prozent unserer Ausgaben für Nahrungsmittel wirklich auf Nahrungsmittel zurück, der Grossteil auf Arbeit». (Er meint mit «Arbeit», dass aus den Bearbeitungsprozessen weiter Profit geschlagen werden kann, nicht, dass die Löhne dort massiv steigen.) «Schaue ich global auf Ölpreise, macht Rohöl knapp unter 2.5 Prozent eines typischen Inflationskorbs aus. Und kommt viel Arbeit dazu, die aus dem Rohöl Benzin macht. Aber wenn der Rohölpreis um 100 Prozent steigt, macht das unter 2.5 Prozent deiner Gesamtinflation aus. Und ziemlich genau so läuft das im Moment.»

Donovan sagte diese Dinge vor über einem Jahr, als die Antiinflationsrhetorik heiss gekocht wurde.  Noch lange wurden wir von «Sachkundigen» in dramatischen Worten vor der Lohn-/Preisspirale gewarnt, wonach die Löhne der Arbeitenden unverantwortlich rasend zu steigen drohen und so Unmengen an Geld auf den Markt schwappen, womit die Preise nicht anders können als hochzugehen. Patentrezept dagegen: die Wirtschaft per Zinserhöhung so weit abzuwürgen, dass reale oder drohende Arbeitslosigkeit die Arbeitenden zum Kuschen zwingt. Das heisst dann Entspannung auf dem Arbeitsmarkt. 

Nun, die Zinserhöhungen jagen sich inzwischen und von Lohn-/Preisspirale weiter keine Spur. Letzteres kein Wunder. Damals sagte Donovan, was auch wir eigentlich wussten: «Wir sehen zurzeit keine Lohnkosten inflationär steigen.» «In Entwickelten Ländern», so Donovan, «pflegen Löhne 77 Prozent der Inflation auszumachen. Weshalb wir darauf fokussieren und wir sehen jetzt keine Lohnkosten steigen. Lohnkosten, nicht Löhne, das ist ein wichtiger Unterschied». Und jetzt kommt die Sahne: «Was wir sehen, ist, dass die Leute in den meisten Wirtschaften mehr arbeiten, generell in entwickelten Wirtschaften. Die Gesamtproduktion (BIP) liegt über den Vor-Pandemie-Levels, aber die Beschäftigung liegt unter diesen Levels. Wir haben also weniger Leute, die mehr Dinge produzieren. Wenn du den Leuten ein wenig mehr Lohn bezahlst, damit sie viel mehr Dinge produzieren, ist das kein Inflationsproblem. Und das spricht gegen Inflationsängste in der zweiten Hälfte dieses Jahres.»

Donovan erwähnt noch andere «Schummeleien» bei der Inflationsrhetorik, doch der Fakt, dass die Lohnkosten sanken im Vergleich zur steigenden Wirtschaftsleistung, ist zentral. In dieser Frage dürfen wir der UBS voll vertrauen. Tatsache ist, dass die relevanten westlich-imperialistischen Zentralbanken an der Zinsschraube schraubten und schrauben, um wieder in paradiesische Gefilde zu kommen, nämlich einen «entspannten» Arbeitsmarkt. Die goldenen Worte der Präsidenten der Fed Kansas, Esther George, vom 2. November letztes Jahr, dem Tag, als die Fed die Zinsen ein weiteres Mal hochtrieb, sind es wert, nochmals zitiert zu werden: «Wir sehen heute, dass die Haushalte immer noch über einen Sparpuffer verfügen, der ihnen erlaubt, weiter Geld in einer Weise auszugeben, die die Nachfrage stark hält (…) Das legt nahe, dass wir eine Weile [bei hohen Zinsen] bleiben müssen». Was The Intercept so kommentierte: «Mit anderen Worten, das Problem, wie es die Fed sieht, ist, dass normale AmerikanerInnen zu viel Geld haben. Und die Fed wird die Wirtschaft solange weiter plagen, bis das nicht mehr der Fall ist. Das ist im Wesentlichen das, was bekanntlich Paul Volcker 1979 sagte, kurz nachdem er den Fed-Vorsitz übernommen hatte: ‘Der Lebensstandard des durchschnittlichen Amerikaners muss zurückgehen.’» (S. dazu und generell zu den Zielen der Inflationsbekämpfung: ‘Der Lebensstandard des durchschnittlichen Amerikaners muss zurückgehen’).

Das, was Donovan sagt, weiss man in einigermassen kompetenten Politik- und Medienkreisen. Dass dort unbeirrt an Lohnpreisspiralen und kollabierender Wirtschaft festgehalten wird, kann nur bewusste Parteinahme gegen die unten bedeuten oder blinden Gehorsam.

It’s a war inna babylon  -  sagten vor über 50 Jahren afroamerikanische RebellInnen. Babylon als Chiffre für die von oben beherrschte Gesellschaft.

Afrikanische Aufklärung

Mittwoch, 26. April 2023

https://www.youtube.com/watch?v=3TVGv186qyk


 

Norbert Lammert, Ex-Präsident des Bundestags und jetzt Präsident der Konrad-Adenauer-Stiftung, erhält letzten März Nachhilfeunterricht von Namibias Präsident Hage Geingob.

Ultrarechte kündigen in sozialen Medien Putsch in Kolumbien an

Montag, 17. April 2023

https://amerika21.de/2023/04/263475/ultrarechte-reden-von-putsch-kolumbien


Kolumbien / Medien / Militär / PolitikMann wird wegen Morddrohungen gegen Präsident Petro angeklagt. Sturm-Versuch auf den Kongress. Progressive warnen vor Gefahr eines "sanften Staatsstreiches" und Lawfare-Strategie


Versuchte Mobilmachung gegen Petro: Ein Tik Toker rief vor dem Präsidentenpalast dazu auf, diesen am 19. April zu stürmen
Versuchte Mobilmachung gegen Petro: Ein Tik Toker rief vor dem Präsidentenpalast dazu auf, diesen am 19. April zu stürmen

Bogotá. Ultrarechte Nutzer sozialer Netzwerke werden immer aktiver mit Drohungen gegen Präsident Gustavo Petro und Aufrufen zum Staatsstreich. Zuletzt kursierte ein Tik-Tok-Gespräch unter Männern, in dem ein Anwalt und ehemaliges Mitglied der rechtsgerichteten Partei Centro Democrático (CD) einen Putsch gegen die Regierung ankündigte.

Der Mann namens Luis Gabriel Carrillo Osorio versicherte, dass der Putsch in Zusammenarbeit mit dem Militär vorbereitet und in einigen Monaten stattfinden werde. Die Militärs "werden jetzt nicht putschen. Sie werden darauf warten, dass 'Don Petro' weiter Mist baut", so Osorio. Das Wort "Artemisa" sei der Code, den Eingeweihte per E-Mail oder SMS erhalten würden, wenn es losgehe. Das könne noch sechs bis zehn Monate dauern, sagte der Anwalt.

"Artemisa" ist ein gebräuchlicher Name für besonders wichtige Operationen der Streitkräfte, stellt die Wochenzeitung Noticias Uno fest. An dem Online-Meeting nahmen 48 Personen teil. Die sechs Männer, die auf dem Bildschirm zu sehen waren, führten gelegentlich militärische Gesten aus und der Gastgeber des Treffens verwendete in seinem Tik-Tok-Profil Symbole der Polizei.

Einer der Teilnehmenden, der sich in den sozialen Medien als "@andramau" zu erkennen gibt, hatte zuvor Präsident Petro mit dem Tode bedroht. In Wirklichkeit heißt er Andrés Mauricio Herrera. Er nutzte verschiedene Accounts, um unter anderem ultrarechte Inhalte zu verbreiten, sich auf Fotos mit Waffen zu präsentieren und dem Ex-Chef der ehemaligen paramilitärischen Selbstverteidigungsgruppen (AUC), Carlos Castaño, zu huldigen.

Bei einem Live-Stream sagte er über Petro: "Dieser Abschaum, hätte ich ihn vor mir gehabt, ich hätte getan, was schon längst hätte getan werden müssen. Nämlich ihn aus dem Weg geräumt und ihn ins Tal der Liegenden geschickt. So ein Drecksack verdient es nicht, ein menschliches Wesen genannt zu werden."

Daraufhin forderte der Regierungschef die Staatsanwaltschaft auf, gegen ihn zu ermitteln. Nun ist Herrera angeklagt worden.

Ein weiterer Tik Tok-Nutzer zeigte sich in einem Video vor dem Präsidentenpalast "Palacio de Nariño" und rief dazu auf, diesen am 19. April zu stürmen. Das Tik-Tok-Benutzerkonto des Mannes trägt den Namen "Equipo por Colombia" (Team für Kolumbien). So hieß die rechte Koalition, die bei den Präsidentschaftswahlen gegen Petro antrat.

Alle, "die der Tod von Polizisten und Soldaten schmerzt", die über die Unsicherheit auf dem Land besorgt seien und darüber, dass die ELN-Guerilla und die kriminelle Struktur Clan del Golfo machten, was sie wollten, sollten den Palacio de Nariño einnehmen, sagte er. Es gehe "um den Respekt gegenüber den Werten, der Freiheit und unseren Sicherheitskräften".

Progressive Politiker:innen wie der Ex-Präsident und Mitglied des lateinamerikanischen linken Forums Puebla-Gruppe, Ernesto Samper, und die Senatorin der Regierungskoalition, Piedad Córdoba, warnen vor der Möglichkeit eines "passiven" beziehungsweise "sanften Putsches".

Beide erinnerten an die Fälle von Dilma Rousseff und Inázio Lula Da Silva in Brasilien, Rafael Correa in Ecuador, Cristina Fernández in Argentinien, Fernando Lugo in Paraguay, Manuel Zelaya in Honduras, Evo Morales in Bolivien und Pedro Castillo in Peru.

Bei allen sei ein ähnliches "Skript" politischer Instabilität eingesetzt worden, "die zu Unregierbarkeit, Krisen und schließlich zum Bruch mit der Demokratie führen", so Samper.

Auch in Kolumbien, so Samper, bestehe die Gefahr eines Staatsstreichs. Anzeichen dafür seien beispielsweise die ständige Infragestellung der wirtschaftlichen Lage des Landes und die Untätigkeit des Militärs angesichts der Lahmlegung ganzer Regionen durch den Clan del Golfo.

"Alles deutet auf die Vorbereitung eines sanften Putsches gegen Petro hin", twitterte Córdoba ihrerseits. Der erste Schritt sei die Verbreitung tendenziöser oder falscher Informationen gegen die Regierung, auch in den sozialen Medien. Zum Beispiel, dass ihre Reformen das Gesundheitssystem zerstören, die Renten abschaffen, Unternehmen vernichten.

Ziel sei es, "ein künstliches Klima unerträglicher sozialer Unruhe zu schaffen", um dann ein juristisches Verfahren gegen die politische Regierungsführung einzuleiten. Dabei werde das Militär eingesetzt und die Regierung gestürzt. So funktioniere eine Lawfare-Strategie, prangert die Senatorin an.

Tatsächlich gibt es Berichte über laufende Desinformationskampagnen, beispielsweise auf Twitter, gegen die Regierung, die Millionen von Nutzer:innen erreichen und unter anderem zum Putsch aufrufen.

In diesem Kontext versuchten kürzlich etwa drei Dutzend Personen, das Kongressgebäude zu stürmen. Anführer des Versuchs war der CD-Abgeordnete Jaime Uscátegui. Er ist der Sohn eines Ex-Generals, der wegen seiner Mitverantwortung für das Massaker von Mapiripán verurteilt wurde. Dabei wurden 1997 mindestens 50 Menschen von Paramilitärs gefoltert und zerstückelt.

"Es gibt einen ultrarechten Trend, der in die Fußstapfen von Trump und Bolsonaro tritt", twitterte der progressive Präsident des Repräsentantenhauses, David Racero. "Ich rufe die Demokraten aller Parteien auf, diese Art von Gewalt abzulehnen".

 

"Sklavereiähnliche Bedingungen": Schwere Vorwürfe gegen BASF in Brasilien

Mittwoch, 5. April 2023

 https://amerika21.de/2023/04/263315/basf-sklavenaehnliche-bedingungen

Arbeiter:innen auf Reisfarmen aus Zwangsverhältnissen befreit. Arbeitsministerium: BASF hatte Kontrolle über alles, was dort geschah
Ein Holzlöffel mit Reiskörner
Symbolbild Reiskörner

Brasília. 85 Arbeiter:innen – unter ihnen mindestens elf Minderjährige – wurden am 11. März aus zwei Reisfarmen aus sklavenarbeitsähnlichen Zwangsverhältnissen befreit. Der deutsche Chemiekonzern BASF wird vom brasilianischen Arbeitsministerium (MTE) als "tatsächlicher Arbeitgeber" benannt, wie das Infoportal G1 berichtet.

An der Befreiungsaktion in der Stadt Uruguaiana im Bundesstaat Rio Grande beteiligten sich Beamt:innen der Bundespolizei, des Arbeitsministeriums sowie der Bundesstaatsanwaltschaft. Ermittler:innen zufolge erlitten die Arbeiter:innen infolge von Essens- und Flüssigkeitsmangel Ohnmachtsanfälle, ohne dass ihnen medizinisch geholfen wurde. Zudem wurde ihnen in solchen Fällen für den Zeitraum kein Lohn bezahlt.

Der Beamte Vítor Ferreira spricht gegenüber dem Portal UOL von "entwürdigenden Bedingungen". Da es keinen Ort zum Lagern von Lebensmitteln gab, sind die Lebensmittel sehr schnell verdorben, sodass die Arbeiter:innen das wenig verbleibende Essen unter sich aufteilen mussten. Mahlzeiten hätten stets aus kaltem Essen bestanden, es gab keine Möglichkeit, Essen aufzuwärmen.

Pestizide wurden ohne angemessene Schutzkleidung ausgesprüht, auch durch Minderjährige. Die Betroffenen, die alle aus Gemeinden des an Argentinien angrenzenden Gebiets aus dem Westen des Bundesstaats Rio Grande do Sul stammen, wurden angeheuert, um sogenannten roten Reis zu schneiden, ein Gras, das neben dem Reis wächst und der Ernte Schaden zufügt. Die Arbeiter:innen sollten selbst für Arbeitsgeräte sorgen, und das Ausbringen von Pestiziden erfolgte ohne individuelle Schutzausrüstung. Die Anstellung erfolgte ohne Papiere und offizielle Registrierung des Arbeitsverhältnisses.

Der Verband der Reisbauernvereinigungen des Bundesstaates Rio Grande do Sul, Federarroz, sprach von "sklavereiähnlichen Bedingungen" und betonte, die Ermittlungen in diesem Fall zu verfolgen, um bei der Aufklärung mitzuwirken.

Das Arbeitsministerium wies laut G1 darauf hin, dass BASF "die absolute Kontrolle über alles, was auf der Plantage geschah, einschließlich der Ausbildung und des Einsatzes der geretteten Arbeiter" hatte. Das Unternehmen sei aufgefordert worden, die Arbeiter:innen sozialversicherungsrechtlich zu registrieren und die ihnen zustehenden Abfindungen in Höhe von umgerechnet 66.500 Euro rückwirkend zu zahlen.

Das mit BASF verbundene Fachpersonal habe nicht nur technische Ratschläge erteilt und Schulungen durchgeführt, sondern "an der Einstellung von Arbeitskräften mitgewirkt, indem sie die Anzahl der einzustellenden Arbeitskräfte angegeben und das Arbeitsvolumen und die Form der Bereitstellung auf täglicher Basis kontrolliert haben."

Ein Arbeitsinspektor sagte dazu: "Die Anwerbung von Arbeitskräften, die Überwachung und Kontrolle der Arbeitsschritte sowie die Genehmigung der Bezahlung nach Beendigung des Dienstes wurden von den von ihr [BASF] direkt oder indirekt beauftragten Agronomen durchgeführt und/oder bestimmt".

Bei der Untersuchung der Funktionsweise von Arbeitsverträgen in diesem Fall konnte festgestellt werden, dass BASF einen Saatgutproduktionsvertrag mit der Lieferfirma abschloss und versuchte, sich von den vertraglich vereinbarten Arbeitsverhältnissen zu distanzieren. "Die Beziehung zwischen dem multinationalen Unternehmen und den ländlichen Erzeugern ist keine rein kommerzielle Beziehung. Dies wäre der Fall, wenn der multinationale Konzern lediglich der Käufer der Ernte wäre. Diese Beziehung kann als Partnerschaft bezeichnet werden, da sie die gemeinsame Verwaltung aller Produktionsphasen umfasst", erklärte der Arbeitsinspektor gegenüber G1.

Laut Medienberichten äußerte BASF dazu, man habe von dem Fall erfahren und "bedauert zutiefst, was den Arbeitern widerfahren ist". Der Konzern werde sich "proaktiv an die Behörden wenden, um zur Lösung des Falles beizutragen". Zudem erklärt das Unternehmen, dass es die Anforderungen für die Einstellung von Lieferanten und Subunternehmern befolge und Praktiken "vehement verurteilt, die die Menschenrechte missachten".

Mit Beginn des Jahres 2023 trat in Deutschland das Gesetz zur Lieferkettensorgfaltspflicht (LkSG) in Kraft, das in Deutschland ansässige Unternehmen verpflichtet, in ihren Lieferketten auf die Einhaltung der Menschenrechte zu achten.

Ob und inwieweit der Fall auch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, das für die Kontrolle der Einhaltung des Lieferkettengesetzes zuständig ist, beschäftigen wird, bleibt offen. Zumal es den Chemiekonzern lediglich mit Bußgeldern belegen kann. Die betroffenen Arbeiter:innen werden auf diesem Wege BASF kaum zur Verantwortung ziehen können.

Nach bislang offiziell nicht bestätigten Medienberichten ermittelt nun in Brasilien die Bundesstaatsanwaltschaft für Arbeit gegen BASF, den nach Umsatz größten Chemiekonzern weltweit.