US-Städte (und Lateinamerika) als Kriegszonen

Mittwoch, 13. August 2025

 

(zas, 13.8.25) Das US-Medium The New Republic veröffentlichte am 2. August ein Memo des Department of Homeland Security (DHS) zu einem hochkarätigen Treffen mit Pentagon-Spitzen (inkl. Generalstabschef und Minister). Zum DHS gehören die Antimigrationsbehörden ICE und Customs and Border Protection (CBP). Hauptzweck war laut Protokollführer Philip Hegseth, jüngerer Bruder des christ-jihadistischen Pentagonchefs Pete Hegseth, «to make America safe again», was voraussetzt, «dass DHS und DoD [Pentagon] im Gleichschritt marschieren müssen». Dafür braucht es eine «verstärkte operationelle Koordination zwischen DHS und DoD zur Verteidigung des Homelands». Insbesondere geht es DHS darum, der Armeeführung die «dringende Notwendigkeit der Homeland-Verteidigung» deutlich zu machen, wozu gehört, sich zwecks «Informationsaustauch und Kapazität für landesweite Operationsplanung gegenseitig Personal zuzuweisen».

Laut Verfassung sind Armee und zivile Behörden grundsätzlich getrennt ausser in Notlagen. Um solche geht es im Folgenden, wie der jüngere Hegseth ausführt: «Wir haben zentral- und südamerikanische Kartelle und Banden, die nach Belieben Drogen, Menschen und Terror in amerikanische Städte hinein handeln. Diese Transnationalen Kriminellen Vereinigungen sind jetzt von dieser Administration als Ausländische Terroristische Organisation eingestuft worden. Das stellt ihre Bedrohung auf die Stufe von in Amerika frei operierenden Al-Kaida- oder IS-Zellen. Und allen hier ist unsere gemeinsame Arbeit in L.A bewusst.» Die muss noch verbessert werden, aber sie «ist ein guter Hinweis auf die Art von Operationen (und Widerstand), mit denen wir es in den kommenden Jahren zu tun haben werden.»

Proteste und Mobilisierungen = Al Kaida/IS... Doch ist das Memo echt?

Es gibt offenbar weder eine handfeste Bestätigung für seine Echtheit noch ein offizielles Dementi. Eigenartigerweise herrscht zum Thema bis heute Schweigen, auch medial - von Fox News bis New York Times.[i] Allerdings waren schon früh ExpertInnen von Institutionen wie dem Brennan Center oder dem Navy-Thinktank Naval War College von der Echtheit des Memos ausgegangen. Und eine Personalie (siehe unten) bei dem jetzt angelaufenen Militäreinsatz in Washington bestätigt die These einer Strategie der «Aufstandsbekämpfung» in den USA selber, wie sie Jesse MacKinnon, ein Anwärter auf einen Sitz im kalifornischen Kongress, vor wenigen Tagen in The Trump Administration Wants to Turn US Cities Into Occupied Territory skizziert hat: «Das Memo beschreibt nicht eine Durchsetzung des Gesetzes, sondern eine Counterinsurgency-Doktrin.» So weist er auf den Gebrauch des Wortes «Widerstand» hin: «Dieses Wort (…) meint nicht Bandengewalt. Es meint nicht Schiessereien der Kartelle. Es meint AmerikanerInnen aus Los Angeles, New York, Chicago, Houston (…) Dies ist das nachhause importierte West-Bank-Modell. Setz die Armee ein, nicht als letzte Möglichkeit, sondern als tägliche Präsenz.» Zu den «in Amerika frei operierenden Al-Kaida- oder IS-Zellen: Die Grenzziehung findet statt. Die Administration bereitet die Umwandlung von amerikanischen Städten in Zonen der militärischen Eindämmung vor.»

Zur Personalie: Die Washington Post beleuchtete gestern die Laufbahn von Terry Cole, dem Leiter des aktuellen National Guard-Einsatzes in Washington. Vor kurzem war er zum Chef der Drogenbekämpfungsbehörde DEA ernannt. Cole war «22 Jahre bei der DEA einschliesslich Agenteneinsätze in Kolumbien, Afghanistan und Mexiko-Stadt. Zu Beginn der Nuller Jahre war er Teil des Plan Kolumbien», also des riesigen, US-kommandierten Massenmordes zur Bekämpfung der kolumbianischen Linken (Guerilla oder nicht). Sag DEA und mindestens in Lateinamerika schrillen die Alarmglocken. Sie ist berüchtigt als faktische Eingreiftruppe des US-Imperiums und als «Verwalterin», nicht Bekämpferin, des Drogenhandels. Nachdem die USA die Taliban von der Macht vertrieben hatten, blühte dort der zuvor massiv reduzierte Opiumdeal auf. Mexiko, Venezuela, Bolivien haben die DEA wegen zentraler Regime-Change-Operationen zum Land rausgeworfen (danach besserte sich ihre Bilanz der Drogenmafia-Bekämpfung). Der Kern der DEA ist Aufstandsbekämpfung. Ein geprüfter Spezialist führt jetzt das Kommando in Washington.

Trump nimmt nun neben MigrantInnen, lateinamerikanischen Kartellen, zentralamerikanischen Maras, IS und Kaida Obdachlose ins Visier. Die BBC zitiert Trump so: «Die Obdachlosen müssen abziehen, SOFORT. Wir werden euch Plätze zum Bleiben geben, aber WEIT WEG von der Hauptstadt.» Das «weit weg» bezieht sich nicht auf Wohnungen, vielleicht aber – in einer nicht fernen Zukunft – auf Arbeitslager. Washington hat eine grosse schwarze und lateinamerikanische (insbesondere salvadorianische) Bevölkerung. Die Obdachlosen-Erweiterung folgt dem rassistischen Skript. Schon gibt es in Washington die ersten Proteste gegen die rassistische Verfolgung. Sie gehören zu jenem Widerstand, den die Regierung letztlich auch militärisch zerschlagen will.

Washington, 12.8.25.

Dazu ein weiterer Artikel der Washington Post vom 12. August. Die Administration plant in Pentagon-Dokumenten 600 Militärs der National Guard als blitzrasch landesweit einsatzfähige «Domestic Civil Disturbance Quick Reaction Force», also Eingreiftruppe gegen zivile Unruhen. 
 
Die New York Times machte vor einigen Tagen einen Trump-Erlass für den Armeeeinsatz im Ausland gegen zu Terrororganisationen «beförderten» kriminellen Strukturen wie die Mara 13, das Sinaloa-Kartell, die aus den USA bewaffneten Banden in Haiti und - eine existierende und eine nicht-existierende Mafia in Venezuela. Die erste ist der Tren de Aragua, den die Regierung in den letzten Jahren massiv geschwächt hat, die zweite das sog. Cartel de los Soles. Von dem ist seit vielen Jahren nicht mal eine Bankverbindung bekannt geworden. Aber die USA (und damit «unsere» Medien) wissen, dass es von der von Maduro beherrschten chavistischen Armeeleitung dirigiert wird. Washington hat Maduro zum Oberboss der Soles, aber auch des Tren de Aragua und des Sinaloa-Kartells befördert. Leider ist daher mit Militär- und Geheimdienstangriffen auf Venezuela zu rechnen. De Kreis schliesst sich. 

[1] Das erinnert an das seit der Präsidentschaftswahl anhaltende Totalschweigen zu dem vorher medial doch eifrig beackerten Feld des faktischen Entzugs des Wahlrechts von Leuten aus den Unterklassen über Dutzende von Mechanismen, Gliedstaatverordnungen und Urteile des Supreme Court. Die White-Power-Substanz der trumpschen GOP wurde, wider alle anhaltende Evidenz, zugunsten der Trump-konformen Dauerbehauptung, insbesondere Nichtweisse und workers hätten Trump zum Sieg verholfen, der Vergessenheit anvertraut – bis heute. Im November waren es mutmasslich Hunderttausende, wenn nicht beträchtlich mehr, deren Wahlrecht «flöten» ging.