Veranstaltungshinweise

Samstag, 31. Oktober 2009

auf http://zas-correos-veranstaltungen.blogspot.com

Lateinamerika, ALBA und Honduras. Zürich, 5.11.09

Honduras-Veranstaltung. Basel, 6.11.09

El Salvador. Historische Erinnerung. Luzern, 15.11.09

El Salvador-Schweiz. Migration und Menschenrechte. Basel, 19.11.09

Honduras: Einigung in Sicht oder Fata Morgana?

I. Erste Infos
II. Kommuniqué der Widerstandsfront
III. Eine Einschätzung aus Honduras


I. Eingung – erste Infos

(zas, 30.10.09) Gestern Nacht (Ortszeit) trat der Putschistenpräsident Micheletti vor die Kameras und verlas ein Kommuniqué, in dem sein Regime darin einwilligt, dem Kongress vorzuschlagen, nach „vorgängiger Meinung des Obersten Gerichts“ zu entscheiden, die „ganze Exekutivgewalt unserer Nation auf den Stand von vor dem 28. Juni 2009 zurückzusetzen“ (Communiqué in El Tiempo online, 30.10.09). Das war der Punkt, an dem vor einer Woche die Verhandlungen gescheitert waren. Die Gorilettis hatten auf einem Entscheid des Obersten Gerichts beharrt.

Letzten Mittwoch aber kam eine hochrangige Dreierdelegation der Administration Obama nach Tegucigalpa (Tom Shannon, Lateinamerikachef im State Department, Dan Restrepo, in gleicher Funktion im National Security Council, und Craig Kelly, Vize von Shannon). Ihre Mission: Zelaya, entkleidet realer Macht, ins Präsidentenamt zurückzuhieven, um die Wahlen von Ende November international zu legitimieren (s. Honduras: Welche Perspektiven?). Es dauerte einen Tag und die sich zuvor so unnachgiebig gebende De-facto-Regierung willigte ein. Ein netter Kommentar natürlich zur wilden Entschlossenheit Washingtons in den letzten vier Putschmonaten, eine Rückkehr zur Verfassungsmässigkeit in Honduras voranzutreiben. In ihrem Kommuniqué hält die De-facto-Regierung folgende Punkte fest:

1. Schaffung einer „Versöhnungsregierung“
2. Keine Amnestie.
3. Anerkennung der Präsidentschaftswahlen vom 29. November.
4. Unterordnung der Streitkräfte unter Wahlgericht.
5. Schaffung einer „Verifizierungskommission“ für die Umsetzung der Abkommen.
6. „Schaffung einer Wahrheitskommission, um die Vorfälle vor, während und nach dem 28. Juni zu untersuchen, die Herrn Zelaya (Manuel) von seinem Amt als Präsident getrennt haben“ (sic!).
7. Bitte ans Ausland um Aufhebung aller Sanktionen und Beobachtung der Wahlen.

Und eben „das umstrittenste Thema der Abkommen, die mögliche Wiedereinsetzung von Herrn Zelaya in die Präsidentschaft“ über den anfangs dargestellten Mechanismus.

Das Kommuniqué gibt die ausgehandelten Inhalte wieder. Manuel Zelaya erklärte das Abkommen für „befriedigend“. Zur Frage, warum die Parlamentsmehrheit, die ihn abgesetzt hat, nun für ihn stimmen soll, meint er: „Die Abgeordneten engagieren sich nicht für mich, sondern für die Wahlen, das Volk und die internationale Gemeinschaft, die die Wiedereinsetzung verlangt“ (El Tiempo, 30.10.09: Manuel Zelaya: El acuerdo es satisfactorio). Im Kern also: Sie haben im Fall einer Negativabstimmung US-Prügel zu gewärtigen und sabotieren die Anerkennung just jener Wahlen, die sie als Ausweg sehen.

Das klingt logisch. Was die „vorgängige Meinungseinholung“ beim Obersten Gericht betrifft, sagt Zelaya, es sei für den Kongress „optional, sie zu verlangen, da sich das Oberste Gericht sich schon geäussert hat und uns dies nicht aus dem Kontext dessen löst, was der Kongress tun muss“ (id.). Ob das der Kongress ebenfalls als „optional“ betrachtet, scheint allerdings eine andere Sache zu sein. So weit bekannt, werden weder dem Parlament noch dem Gericht Deadlines gesetzt. Bringt man diesen Aspekt mit Äusserungen führender ParlamentarierInnen zusammen, scheint ein Szenarium einer weiteren Zeitschinderei (über mehr als nur zwei, drei Tage) denkbar.

Der liberale Parlamentspräsident José Alfredo Saavedra meinte heute früh sagen zu müssen, eine Anhörung des Obersten Gerichts sei konstitutionell zwingend. Erst einmal müsse das Abkommensdokument im Parlamentssekretariat eintrudeln, danach werde er „die Parlamentsleitung und die Fraktionschefs zusammenrufen“, um sich den Abkommensinhalt anzueignen und danach nehme das Verfahren seinen weiteren Gang. „In diesem Moment kann niemand, absolut niemand, dem Kongress Limiten oder Termini vorschreiben“ (El Heraldo, 30.10.09. Saavedra: Congreso actuará en base a ley). Bloomberg zitiert die Putscholigarchin und Parlaments-Vizepräsidentin Marcia Facusse de Villeda mit dieser Aussage: „Zelaya wird nicht wieder eingesetzt – ich glaube das nicht… Aber nur schon mit der Unterschrift unter das Abkommen haben wir die Anerkennung der internationalen Gemeinschaft für die Wahlen“ (Bloomberg, Blake Schmid, 30.10.09. Honduran Congress to Have Final Say on Zelaya Return).

Das Kalkül solcher Figuren scheint klar. Zeitgewinn. Zelaya vielleicht einen Tag vor, vielleicht einen Tag nach den Wahlen oder überhaupt nicht in die Casa Presidencial zurücklassen. Die Bewegung weiter reprimieren und in der Zwischenzeit den Wahlbetrug abwickeln. Interessant ist eine Aussage von Tom Shannon von heute: Das Thema der Wiedereinsetzung im Amt „wird am meisten provozieren und unserer Aufmerksamkeit bedürfen Die Umsetzung dieses Abkommens wird kompliziert sein“ (AFP in El Tiempo, 30.10.09. La implementación de este acuerdo va a ser complicada: Thomas Shannon). Klingt nicht gerade so, als sei Washington wild entschlossen, Zelaya schon morgen in der Casa Presidencial zu sehen.

Bis zur Stunde ist auch noch keine Unterschrift unter das Abkommen offiziell mitgeteilt worden. Es ist möglich, dass auch die Obama-Administration weiter auf Konfusion und Hinhaltetaktiken setzt oder diese toleriert. Andererseits dürfte das trotzige Mütchen der Parlamentschefetage sehr schnell unterkühlt werden, sollte man in Washington den Eindruck erhalten, mit einem Restitutionsabkommen ohne Restitution etwas gar wenig überzeugend dazustehen. Schliesslich sollen die Wahlen Ende Novemebr nicht die „Krise“ verlängern, sondern sie beenden.



II. Nationale Widerstandsfront gegen den Staatsstreich

Kommuniqué 32



Die Nationale Widerstandsfront gegen den Staatsstreich
Teilt der honduranischen Bevölkerung und der internationalen Gemeinschaft angesichts der unmittelbar bevorstehenden Unterzeichnung des zwischen der den legitimen Präsidenten Manuel Zelaya Rosales vertretenden Kommission und der Vertretung des De-facto-Regimes ausgehandelten Abkommens Folgendes mit:

1. Wir feiern die baldige Wiedereinsetzung im Amt von Präsident Manuel Zelaya Rosales als Volkssieg über die kleinlichen Interessen der putschistischen Oligarchie. Dieser Sieg wurde mit mehr als vier Monaten Kampf und Aufopferung des Volkes erreicht. Das Volk verstand es, trotz der entfesselten Repression durch die staatlichen Repressionsorgane in den Händen der herrschenden Klasse, Widerstand zu leisten und in Bewusstsein und Organisation solange zu wachsen, bis es sich in eine unbezähmbare soziale Kraft verwandelt hat.
2. Die Unterschrift der Diktatur unter das Dokument, in dem davon die Rede ist, „die Inhaberschaft der Exekutivgewalt auf ihren Stand vor dem 28. Juni zurückzuversetzen“, stellt eine explizite Anerkennung dessen dar, dass es in Honduras einen Putsch gegeben hat, der demontiert werden muss, um zur institutionellen Ordnung zurückzukehren und einen demokratischen Rahmen zu garantieren, in dem das Volk sein Recht zur Geltung bringen kann, die Gesellschaft zu verändern.
3. wir verlangen, dass die Abkommen, die am Verhandlungstisch unterzeichnet werden, unverzüglich dem Parlament vorgelegt werden. In diesem Sinn rufen wir alle Compañeros und Compañeras landesweit dazu auf, sich den Aktionen anzuschliessen, die Druck ausüben, damit das am Verhandlungstisch auszuarbeitende Schlussdokument unverzüglich umgesetzt werde.
4. Wir unterstreichen, dass die Nationale Verfassungsgebende Versammlung eine unverzichtbare Aspiration des honduranischen Volkes und ein nicht verhandelbares Recht darstellt, für das wir auf den Strassen bis zur Neugründung der Gesellschaft weiterkämpfen. Damit es eine gerechte, egalitäre und tatsächlich demokratische Gesellschaft werde.


„Nach 125 Tages des Kampfes gibt hier niemand auf“
Tegucigalpa, 30. Oktober 2009


III. Honduras: Ein Sieg des Volkes – der Kampf wird intensiver!

Ricardo Salgado

(30.10.09) Denjenigen, die gesagt haben, der Präsident erhalte anfangs November sein Amt zurück, um die Wahlen zu legitimieren, und zwar in Hand- und Fussfesseln, gelang es, vor vielen Wochen das Finale zu beschreiben, dem wir jetzt beiwohnen. Aber es muss klar sein: Es handelt sich nicht um das Ende des Putsches. Der geht weiter, seine Ziele haben Geltung; die Bedingungen, die ihn hervorbrachten, sind genau wie vor dem 28. Juni in Kraft.

Das von der Gringodiplomatie erzwungene Abkommen beinhaltet keine kritische Themen, sondern versucht vielmehr, Grundfragen zu ignorieren und den Interessen der Oligarchie Vorrang zu geben. Mit seiner Rückkehr ins Amt firmierte Präsident Zelaya etwas, das man als Sieg des Putsches und der Putschisten interpretieren kann.

Im Detail steckt der Teufel; noch steht eine Kalendarisierung der Handlungen aus, die Zelaya in die Casa Presidencial zurückführen sollen. Technisch kann der konstitutionelle Präsident noch mehrere Tage in der brasilianischen Botschaft gefangen bleiben, da es der Nationalkongress ist, der über das Schicksal des Landes entscheiden muss. Derselbe Kongress, der die Unterschrift des Präsidenten gefälscht und seine Absetzung verfügt hat. Was für ein Abkommen, in dem der Dieb über die Gerechtigkeit für das Opfer entscheidet! Das Oberste Gericht, das die Verhaftung und Deportation von Manuel Zelaya angeordnet hat, muss eine juristische Empfehlung an den Kongress abgeben. Was für eine Lösung!

Mehrere Kommissionen sollen gebildet werden: für das Follow-up, die Wahrheit und wer weiss was noch. In diesem Gewirr gewinnt die Oligarchie die Anerkennung der betrügerischen Wahlen. Jetzt wird Zelaya seine Kräfte dafür einsetzen, dass sich die Porten für die Hilfe für die eh schon gebeutelte honduranische Wirtschaft öffnen.

Letztlich gibt es keine Garantien dafür, was geschehen wird, noch wann oder wie. Wie während all dieser tragischer Monate wird die Ungewissheit das Szenarium bestimmen. Gestern wurde, im Kontrast zum Geschehen am Verhandlungstisch, der Widerstand brutal unterdrückt. Trotz aller Bewilligungen entschieden Armee und Polizei, der Volksbewegung eine weitere Dosis Prügel, Gas und Schüsse zu geben, als Erinnerung daran, dass die Abkommen die Repression nicht beseitigen. Sie beseitigen nicht die paramilitärischen Gruppen, nicht die selektiven Morde und auch nicht die Verletzungen der Menschenrechte.

Es wäre sehr naiv zu denken, wir hätten etwas gelöst. Die Militärs nehmen gegenüber den Politikern eine sehr autonome Position ein und gehorchen nur ihren Unternehmerherren. Auch die von Micheletti unterzeichneten repressiven Dekrete bleiben in Kraft. Die Struktur für die Verletzung der Menschenrechte bleibt weiter aktiv gegen das honduranische Volk.

Zumindest bis zum Zeitpunkt, wo ich diese Zeilen schreibe, sieht es danach aus, dass die Verhandlung das enorme Gefängnis vergessen hat, das das De-facto-Regime geschaffen hat. Und es lohnt sich zu fragen, was jetzt mit Präsident Zelaya geschieht: Wird er die gleiche Ehrengarde behalten? Welche Beziehung wird er mit der Armee haben? Und mit dem Kongress von Micheletti?

Andererseits bleibt die Angelegenheit der von den Militärs unter Komplizenschaft des De-facto-Regimes und der kriminellen Oligarchie begangenen Verbrechen gegen die Menschheit weiter pendent. Zum Glück für das honduranische haben die Putschisten, aus Hochmut oder Borniertheit, das Thema der Amnestie ausgelassen, die ihnen Oscar Arias in seinem ursprünglichen Plan geschenkt hat.

Die Volksbewegung steht vor sehr wichtigen Fragen. Den Putsch ausgelöst haben die gerechten Forderungen des honduranischen Volkes. Darauf haben die herrschenden Klassen keine Antwort gegeben, sie haben allenfalls Zeit gewonnen, um den Veränderungsprozess in Honduras zu verzögern.

Was geschieht mit dem Wahlprozess? Es gibt einen Wahlbetrug, der auch nicht in die Verhandlung einbezogen ist. Aber es wird jetzt einen grossen Druck geben, dass die fortschrittlichen Kandidaturen an diesem Prozess teilnehmen. Dieses delikate Thema erfordert eine präzise Analyse. Andererseits kann, unabhängig von den Ergebnissen, die Teilnahme an diesem Prozess ermöglichen, dass die Volksmobilisierung weitergeht.

Jetzt muss unsere Vision längerfristig angelegt sein. Die politische Situation bringt neue Herausforderungen und die EINHEIT wird jetzt zu einem kritischen Muss. Nicht für Wahlziele; die Konjunktur verpflichtet jetzt dazu, dem Volk Antworten zu geben, Antworten, die auch beinhalten, unseren Leuten ihren politischen Raum zu geben.

Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass das Handeln des Widerstandes entscheidend dafür war, dass die dunklen Kräfte der Rechten gezwungen wurden, Positionen zu verhandeln. Ohne Volksbewegung wäre diese Lösung unnötig gewesen.

Der Protagonismus, den sich das Volk dieses Landes erkämpft hat, war das zentrale Element, um zu ermöglichen, was in Lateinamerika kaum geläufig ist: Ein gestürzter Präsident wird in seine Stellung zurückgebracht.

Dies ist ein Volkssieg, aber es ist nur ein Triumph auf einem Weg mit viel Leiden und Verzweiflung, zu denen es auf der Suche nach einem neuen Land, in dem wir alle in Frieden leben können, unweigerlich kommen wird. Die Oligarchie und das Imperium haben gezeigt, dass sie uns nichts schenken werden. Wenn wir unsere Freiheit erringen wollen, müssen wir für sie kämpfen.

Solcherart bleiben die Parolen. Heute feiern wir, aber wir bleiben wachsam. Allenfalls ist der Kampf heute intensiver denn je. Heute, wo aus den Schatten wieder viele Verräter auftauchen werden, heute müssen wir uns intensiver denn je unserer Märtyrer erinnern, denen wir die Eroberung eines Traumes verdanken: die Unabhängigkeit von Honduras.

Halten wir fest: Der Kampf beginnt hier. Begehen wir nicht den Fehler, das für unsere Ziele zu halten.

Für die Mörder weder Vergessen noch Vergebung!

Honduras: Welche Perspektiven?

Montag, 26. Oktober 2009

„Wir erlauben, dass sie reden und reden“

(26.10.09) Letzten Freitag waren sich die legitime Regierung von Mel Zelaya und das Putschlager in einem einig: Ihre von der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) angeleierten Verhandlungen waren gescheitert. Während rund einer Woche schienen sich die Delegationen der beiden Seiten einigen zu können. Man verständigte sich darauf, den Termin des 29. Novembers für allgemeine Wahlen beizubehalten; einen Monat zuvor sollte die Armee dem (putschistischen) Wahlgericht unterstellt werden; eine Regierung der „nationalen Einheit“ sollte bis zur Amtsübergabe nächsten Januar von Mel Zelaya geleitet werden und sich jeglicher Insinuation einer Verfassungsgebenden Versammlung enthalten; und, nicht unbedeutend, eine Amnestie wurde für beide Seiten ausgeschlossen. Gerüchten zufolge hat sich die 3er-Delegation von Putschaushängeschild Roberto Micheletti in Sachen Amnestie über den Tisch ziehen lassen. Die Armeeführung habe klargemacht, dass eine Nicht-Amnestie für sie nicht in Frage komme. Faktisch einigten sich die beiden Lager bis auf die Amnestiefrage also auf den Fahrplan von Clinton/Arias (Pakt von San José).

Doch der springende Punkt war die Rückkehr Zelayas an die Regierung. Das Putschlager weigerte sich, den Kongress, der formal den Putsch „legitimiert“ hatte, zwecks Rücknahme seiner verfassungswidrigen Massnahme anzurufen. Als „Kompromiss“ schlugen die Gorilettis vor, das Zelaya-Lager könne das Parlament und ihr eigenes das Oberste Gericht anrufen, ohne den beiden Instanzen eine Zeitlimite für ihre „Erörterungen“ zu setzen. Das ist natürlich Quatsch (zudem sitzen im Obersten Gericht ausschliess ultrareaktionäre ExponentInnen der beiden „staatstragenden“ liberalen und nationalen Parteien).

Eigentlich sieht alles danach aus, dass die Verhandlungen definitiv gescheitert sind. Am Schluss werden wir noch kurz auf die verbleibende Möglichkeit einer Einigung zu sprechen kommen

Szenarium Putschwahlen
Die Gorilettis haben erfolgreich auf Zeit gespielt, um freie Bahn für die Ausrichtung der Wahlen vom 29. November zu haben. Das Kalkül dabei: Die internationale „Aufregung“ über den Putsch vom 28. Juni werde sich danach legen und eine erst versteckte, dann wie selbstverständliche Anerkennung der aus den Diktaturwahlen hervorgegangenen neuen Regierung werde einsetzen.

In der Zwischenzeit soll der Widerstand im Land gebrochen werden. Es ist leider mit einer Zunahme der Repression zu rechnen. Denn der Widerstand ist natürlich nicht bereit, beim Spiel der „internationalen Gemeinschaft“ von den „nicht perfekten, aber doch einigermassen demokratischen Wahlen“ mitzuspielen. Die Parole ist friedlicher, aber aktiver Boykott der Putschwahlen. Zwar sind die sozialen Explosionen in den Unterklassenquartieren aufgrund der auf dieser Blogseite auszugsweise dokumentierten Repression verschwunden, doch gibt es täglich Demos und Kundgebungen. So gestern Nacht in der nordwestlichen Stadt Santa Rosa de Copán:

“In Quartier nach Quartier gab es Versammlungen, Feuerwerk, Musikereignisse, Volksküchen, Reden, Aufrufe etc. Man traf sich zum Sch)luss im Park La Libertad für eine politische Kundgebung“. (Misael Carcamo in Newslist Resistencia


Der Widerstand sieht sich täglich mit Armee und Polizei konfrontiert – und das seit dem 28. Juni (dem Putschtag). Das Gerede von wegen „institutioneller Absetzung Zelayas“ widerlegte übrigens vor wenigen Tagen der offizielle Polizeisprecher Daniel Molina, der, von einer versteckten Kamera gefilmt, ausführte:

„Die Sorge der internationalen Gemeinschaft ist nicht so sehr, dass Mel wieder ins Amt zurückkomme, als dass sie das Beispiel Honduras sehen. Alle diese [ausländischen] Militärs wollen dem Beispiel folgen … Hier hat es einen Militärputsch gegeben. Wir [die Militärs] haben nicht das Kommando. Aber wenn Sie das Land analysieren, haben wir das Kommando. Wir sind im Präsidentenpalast, aber wir erlauben, dass sie reden und reden, aber in Wirklichkeit führen wir das Kommando“.


Wes Geistes Kind die „Ordnungskräfte“ sind, zeigt ein AFP-Bericht in der heutigen Onlineausgabe von El Tiempo (Operación tortilla brasileña asegura comida y medicamentos a Zelaya y acompañantes), der beschreibt, wie sich während der „Verhandlungen“ die Repression gegen Mel Zelaya und alle anderen, die sich in der brasilianischen Botschaft aufhalten, verstärkt hat. AFP beschreibt, wie der Unicef-Delegierte in Honduras, Sergio Guimaraes, nur mit grösster Mühe und nach schikanösen Kontrollen ein wenig Essen in die Botschaft bringen kann (aber zum Beispiel kaum Hygieneartikel). Guimaraes:

„Es ist das erste Mal, dass wir Früchte vom Arzt verschreiben lassen müssen. Nadeln, Faden, Batterien und viele Nahrungsmittel lassen sie nicht durch“.


Für Guimaraes wird die Kontrolle als psychologischer Druck verschärft, den man, so AFP,

„gegen den [Botschafts-] Sitz eingesetzt hat: ohrenbetäubende Musik aus Lautsprechern im Morgengrauen, Rampen für Scharfschützen und magnetische Wellen, die Kopfschmerzen verursachten und die von den Bewohnern mit Aluminium an den Wänden neutralisiert wurden“.


Brasilien hatte vom UNO-Sicherheitsrat Massnahmen zum Schutz seiner Botschaft verlangte. Vergeblich, denn Washington hielt das für kein des Sicherheitsrates würdiges Thema. An der OAS-Generalversammlung von letzter Woche sagte der brasilianische Botschafter Ruy Casaes:

„Die brasilianische Delegation bedauert die Menschenrechtsverletzungen des De-facto-Regimes und verlangt die sofortige Beendigung der Foltersituation für die brasilianischen und honduranischen Bürger [in der Botschaft]“ (Telesur, 21.10.09).


(Nur als mentales Training: Stellen wir uns vor, das iranische Regime ginge so gegen die britische Botschaft in Teheran vor. Ob die NZZ einmal verächtlich von britischer Fabulierkunst und die meisten Medien überhaupt nicht davon berichten würden?)

Das Putschregime setzt auf internationale Streicheleinheiten nach „erfolgreichen“ Wahlen. Es ist davon auszugehen, dass es zu einem verbreiteten Wahlboykott kommen wird. Die Bewegung der „unabhängigen Kandidaturen“ um den als Präsidentschaftsanwärter gesetzten Gewerkschafter Carlos Reyes, die den ganzen Bereich von der Präsidentschaft bis zu den Gemeinderäten abdeckt, weigert sich, an Putschwahlen teilzunehmen. Während einige Reyes unter normalen Bedingungen reale Chancen zugesprochen haben, hätten die „unabhängigen Kandidaturen“ vor allem das Machtmonopol der beiden reaktionären Grossparteien durchbrechen sollen. Als Begleiterscheinung sozusagen zum entscheidenden Match für eine neue Verfassung. Auch die kleine Linkspartei DU verweigert sich Putschwahlen und am Wochenende haben 300 KandidatInnen der Liberalen Partei vielleicht etwas vollmundig bekundet, an Gorilettiwahlen nicht teilzunehmen.

Doch das Regime, das den Wahlrat zu 100 Prozent kontrolliert und auf ein WählerInnenregister im lamentablen Zustand zurückgreifen kann, wird die Teilnahmezahlen massiv aufblasen.

Selbst wenn Zelaya am Wochenende wieder an die Regierung hätte zurückkehren können, wäre übrigens ein halbwegs realistischer Wahlkampf der linken Kräfte illusorisch gewesen. Ein Wahlkampf ist eine andere Sache als eine Strassenmobilisierung. Allein für den Aufbau eines Apparates für die „Verteidigung der Stimme“, also die Überwachung des Geschehens an Urne und Auszählzentrum, braucht eine gut organisierte, wahlerfahrene Kraft viele Monate ... Die Wahlen aber stehen in weniger als sechs Wochen bevor.

Neben der Frage der von Regimegrössen schon angekündigten Repression gegen aktiven Wahlboykott stellt sich die Frage, ob das Regime international mit seinen Diktaturwahlen durchkommt. Vermutlich haben die imperialistischen Zentren ihre diesbezügliche Position noch nicht abschliessend festgelegt. Entgegen der Lügenpropaganda in Honduras ist etwa eine Beteiligung der EU an der Beobachtung der Wahlen ausgeschlossen. Am 22.10. zitierte Notimex (Descarta UE supervisar elecciones en Honduras) den Kommissionsdelegierten für Zentralamerika, Petro Mavromichalis, mit folgenden Worten:

„Unter keinen Umständen werden wir Beobachter entsenden … Im aktuellen Klima, bei der Gewalt, den Freiheitsbeschränkungen, den Anschlägen auf die Menschenrechte, ist es schwer vorstellbar, dass wir diese Wahlen werden anerkennen können … Mit ein wenig politischem Willen liesse sich das lösen“.


Die Nicht-Observation führt Mavromichalis allerdings in erster Linie auf die fehlende Vorbereitungszeit zurück, auch unter einer allfälligen Zelaya-Regierung wäre es jetzt zu spät, hat er gesagt. Vor allem aber bedeutet Nichtbeteiligung nicht Nicht-Anerkennung. Sollte es zu Putschwahlen kommen, ist schwer vorstellbar, dass sich die EU davon lange in ihrem Kernvorhaben in der Region, einem fürchterlichen Freihandelsvertrag (Assoziierungsabkommen), aufhalten lässt. Wahrscheinlicher wird man eine höfliche Pause einlegen, bevor man zu einer Anerkennung der „neuen gewählten“ Regierung schreiten wird, die von Ländern wie Panama oder Kanada vorgespurt werden würde. (Man sollte auch den neuen deutschen Aussenminister Westerwelle im Auge behalten, dessen Parteistiftung sich militant hinter den Putsch gestellt hat.)

Aufschlussreich ist diesbezüglich auch eine Frage an den US State Department-Sprecher Jan Kelly und seine Antwort am Pressebriefing vom letzten Freitag:

„Frage: Gibt es irgendeine Möglichkeit, dass die Administration ihre Position [Wahlen unter Micheletti wären nicht legitim] zurecht biegen oder aufgeben wird? Wenn es zu keinen Deal kommt, einfach entscheiden, dass, ok, wir betrachten die Wahlen als legitim. Es handelt sich um eine Möglichkeit für die Leute, sich trotz der aktuellen Situation auszudrücken“.

„Mr. Kelly: Yeah. Nun, Sie bitten mich, darüber zu spekulieren, was wir tun oder nicht tun werden. Aber wir sind jetzt gerade auf die Versöhnung und die Wiedereinführung ins Amt fokussiert“.


Für die USA wäre ein dieser Tage offiziell in die Casa Presidencial zurückkehrender Zelaya ein Geschenk des Himmels. An einem rechten Wahlsieg im November könnte das nichts mehr ändern. Es sollten wären Wahlen ganz nach herrschendem Geschmack werden, ein Wundermittel gegen den gesellschaftlichen Aufbruch in Honduras. Weg das Gespenst der Aufstände in den Barrios, weg der Horror mit der Verfassungsgebenden Versammlung, weg die Zumutung einer partizipativen Demokratie über die Wahlkabine hinaus! Dafür wurde Zelaya gestürzt! Die Konstituente sollte für neue soziale Realitäten eine neue Verfassung schaffen. Eine Realität etwa, in der Wasser nicht privat ist und die Volksgesundheit und der Schutz der Umwelt vor dem Profit des Minenunternehmens kommen. Die Konstituente war keine Erfindung Zelayas’, sondern eine Forderung der Volksbewegung, auf die Zelaya eingeschwenkt ist. Und warum diese Idee? Weil sich in der Auseinandersetzung mit dem Freihandelsvertrag CAFTA der USA mit den zentralamerikanischen Länder herausstellte, dass CAFTA der honduranischen Verfassung übergeordnet ist (wie allen Verfassungen der beteiligten Ländern, ausser jener der USA). Da fanden die Leute in Honduras, es brauche eine neue Verfassung, die solches verunmögliche, und wollten die jetzige, die ihnen 1982 vom damaligen US-Botschafter John Negroponte diktiert worden war, verändern.

Doch noch Arrangement für „partielle Institutionalität“
Interessanterweise versichert heute in El Tiempo auch der Chilene John Biehl, Berater von OAS-Chef José Miguel Insulza:

„Wir haben eine schwierige Konjunktur, aber ich glaube, dass man vermutlich in dieser Woche zu einer Regelung kommen wird. Die Dinge haben sich sehr angenähert… Es wird eine Rückkehr zur institutionellen Ordnung geben, vielleicht keiner totalen, aber zumindest einer partiellen“ (Jefe negociador de OEA ve "muy cercano" el acuerdo final).


Auch Zelaya blies am Wochenende ins gleiche Horn, als er in einer telefonischen Grussadresse an eine Konferenz von 3000 Mitgliedern der Liberalen Partei meinte, in wenigen Tagen werde er im Amt sein. Mag sein, dass hinter den Kulissen entscheidende Gespräche stattfinden. Dies würde allerdings heissen, dass der Widerstand jetzt davon ausgeschlossen ist (im Gegensatz zu den Verhandlungen letzter Woche), Bis auf diese eine Grussadresse hat auch Zelaya in den letzten Tagen von einem Scheitern der Gespräche gesprochen. Es wäre nicht das erste Mal, dass er sich punkto Rückkehr täuscht und vor allem nicht das erste Mal, dass OAS-FunktionärInnen mit derartigen Äusserungen Druck für einen den USA genehmen Ablauf der Dinge machen.

Käme es aber zu einer Einigung, ohne dass sich Zelaya zur Bekämpfung des Widerstandes verpflichten müsste, würde dies wohl trotz aller Einschränkungen für die Bewegung einen wichtigen Sieg und für die Putschisten einen grossen „Gesichtsverlust“ bedeuten. Genau deswegen und wegen ihrer Ausstrahlung für die putschfreundlichen Kräfte im ganzen Südkontinent erscheint aber eine solche Einigung nicht als wahrscheinlich.

Demo gegen Putschwahlen
Vorderhand müssen wir davon ausgehen, dass die Verhandlungen gescheitert sind. Und sollten wir uns am Widerstand orientieren, der die Solidarität dringend dazu aufruft, die Anerkennung einer aus Putschwahlen hervorgegangenen Regierung international zu bekämpfen. Beim Besuch der Vertreterin des Widerstandes, Betty Matamoros, im Schweizer Aussenministerium machte dieses klar, dass es zum gegenwärtigen De-facto-Regime keine Beziehungen unterhalte, sich aber punkto Anerkennung einer allfälligen neuen Putschregierung an der „internationalen Gemeinschaft“, sprich Washington und Brüssel, orientieren werde. Deshalb rufen wir Dich dazu auf, an der von einer Allianz von lateinamerikanischen und schweizerischen Gruppen vorbereiteten Demo am 21. November in Bern teilzunehmen.

Aktuelle Infos über linke Medien, Versände und Homepages.
Alle nach Bern an die Solidaritätsdemo für den Aufbruch in Lateinamerika, für den Widerstand in Honduras und gegen den Zynismus der globalen PutschistInnen!

Gegen unabhängigen Süden

Samstag, 24. Oktober 2009

24.10.2009

Das neue deutsche Regierungskabinett steht – und lässt Spannungen mit der neuen Linken in Lateinamerika erwarten
Von Harald Neuber
amerika21.de

Berlin. In Berliner Regierungskreisen herrscht Erleichterung. Knapp einen Monat nach der Bundestagswahl und nach zähen Koalitionsverhandlungen zwischen Christdemokraten und Liberalen steht die neue Regierung. Nichtregierungsorganisationen, die mit Partnern in Lateinamerika arbeiten, sehen die Entwicklung jedoch mit Sorge. Schließlich haben sich führende Politiker aus CDU und FDP in den vergangenen Jahren aggressiv gegen die links regierten Staaten der Region gewandt. Wird die Machtverschiebung in Berlin nun auch Auswirkungen auf die EU-Politik haben?

Prägnantestes Beispiel ist die Positionierung der deutschen Liberalen gegen die gewählte Regierung in Honduras. Nach dem Putsch am 28. Juni haben sich der außenpolitische Sprecher der Liberalen im Bundestag, Werner Hoyer, und die parteinahe Friedrich-Naumann-Stiftung deutlich auf die Seite der Putschisten gestellt.

Auf Anfrage von Bürgern auf der Internetseite Abgeordnetenwatch.de wich der bisherige Fraktionschef der FDP und künftige Außenminister Guido Westerwelle kritischen Nachfragen bislang noch aus. "Alle Seiten in Honduras sind aufgerufen, sich an die in der Verfassung vorgesehenen Regelungen zu halten", schrieb er am 15.07.2009. Die Positionierung gegenüber Honduras müsse sich "an der Forderung nach Einhaltung der Verfassung und rechtsstaatlicher Grundsätze orientieren", forderte der künftige deutsche Chefdiplomat Ende Juli dann. Zugleich protestierten deutsche Hilfsorganisationen gegen die putschistennahe Politik der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung, die wenige Tage nach diesem letzten Eintrag Westerwelles ausschließlich Vertreter des Putschistenlagers zu einer Konferenz nach Berlin einlud.

Ein deutlicher Schwenk ist auch bei der Haltung gegenüber Venezuela und Kuba zu erwarten. Am Donnerstag dieser Woche übte die "Sprecherin für Menschenrechte und humanitäre Hilfe" der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Erika Steinbach, harsche Kritik an der Kuba-Politik Spaniens. Dessen "sozialistischer Außenminister Moratinos" wolle die im Januar beginnende spanische EU-Ratspräsidentschaft für eine grundlegende Normalisierung der Beziehungen zu Kuba nutzen, so Steinbach. Dies sei ein "Schlag ins Gesicht der kubanischen Dissidenten".

Angesichts dieser Frontstellung organisieren sich aber auch die Fürsprecher der lateinamerikanischen Linken. In Barcelona kamen am vergangenen Wochenende Kubaner zusammen, die in EU-Mitgliedsstaaten leben. Die kubanischen Bürger aus Deutschland stellten sich dabei entschieden hinter der sozialistische Regierung. "Wir nutzen diese Möglichkeit auch, um die Aufhebung der sogenannten Gemeinsamen Position der EU gegen Kuba zu fordern", heißt es in ihrer Erklärung. Das entsprechende EU-Positionspapier war 1996 auf Initiative der rechtskonservativen spanischen Regierung durchgesetzt worden und ist seitdem Grundlage für die antikubanische Linie in der EU-Politik gegenüber Havanna.

Die jüngsten Äußerungen von christdemokratischen und liberalen Politikern in Deutschland lassen erwarten, dass es nicht der einzige Konfliktpunkt bleiben wird. Unter einen liberalen deutschen Außenminister ist zu erwarten, dass der Versuch lateinamerikanischer Staaten, sich aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit der EU zu lösen, zu erheblichen politischen Konflikten führt.

Honduras: Wieder zwei ermordete Gewerkschafter

Montag, 19. Oktober 2009


Abdankungsfeier von Jairo Sánchez.

(19.10.09) Am Dorfausgang der Gemeinde Macuelizo im östlichen Department Santa Barbara wurde Eliseo Hernández heute morgen von einem Kommando erschossen. Der Compañero war Dorfschulehrer, Umweltschützer und Aktivist des Widerstandes.
Gleichzeitig wurde in Tegucigalpa Jairo Sánchez begraben. Jairo war Generalsekretär der Gewerkschaft SITRAINFOP (Institut für Berufsausbildung). Zeugenaussagen und ein Video belegen, dass Jairo am 23. September an seinem Wohnort, dem Quartier La Quesada in der Hauptstadt, daran war, den Widerstand zu organisieren, als aus einer Entfernung von 30 m zwei Poliszisten ohne ein Wort mit ihren FAL-Gewehren auf ihn schossen. Er erlitt eine schwere Kopfverletzung, an der er nach 23 Tagen starb. An der Beerdigung, die statt fand, während das Putschregime die nächste Verhandlungsrunde vom Morgen auf den Nachmittag verschob, sagte Rafael Alegría von der Widerstandsleitung, dass mit Jairo schon 22 Mitglieder des Widerstandes ermordet worden sind.

Honduras: Interview mit Betty Matamoros - Demo am 21. November in Bern

Samstag, 17. Oktober 2009

Vorbemerkung ZAS:
Rundreise und Demo am 21. November in Bern

(ZAS) Betty Matamoros von der Auslandskommission der Widerstandsfront gegen den Staatsstreich in Honduras besuchte im Rahmen einer Europarundreise anfangs Oktober auch die Schweiz. Bei der vom ZAS mitorganisierten Tournee gab es öffentliche Veranstaltungen in Lausanne, Genf, Bern und Zürich, Treffen mit dem UNO-Menschenrechtsrat in Genf und dem EDA und der DEZA in Bern sowie eine Reihe von Pressekontakten (Schweizer und internationale, bei der UNO akkreditierte Medien). (Der UNO-Menschenrechtsrat hat übrigens gestern die Entsendung einer Untersuchungskommission nach Honduras für morgen Sonntag angekündigt.) Für den 29. November sind in Honduras allgemeine Wahlen angesagt. Die noch laufenden Verhandlungen zwischen VertreterInnen der rechtmässigen Regierung und des Putschregimes in Tegucigalpa drohen zu scheitern. Ein wichtiges Ziel der Rundreise bestand darin, einer allfälligen internationalen, „schleichenden“ Anerkennung einer unter Putschbedingungen gewählten zukünftigen Regierung entgegenzuwirken. Die offizielle Position der Schweiz besteht darin, keine Beziehungen zum Putschregime zu unterhalten. Unklar aber bleibt, wie sich die Schweiz nach den Novemberwahlen positioniert. Im Gespräch mit Betty Matamoros machte das EDA die diesbezügliche künftige Haltung von jener der „internationalen Gemeinschaft“ abhängig, also primär von Washington und nicht etwa von jener der legitimen Regierung.
Umso mehr bereiten wir uns zusammen mit einer Reihe von anderen Organisationen in der Schweiz (lateinamerikanischer und schweizerischer Herkunft) deshalb auf eine nationale Demonstration in Bern am 21. November um 13h30 vor. Die Demo solidarisiert sich mit dem Widerstand in Honduras und verlangt von Bern, die Fortsetzung des Putschregimes nicht durch die Hintertür anzuerkennen. Sie findet statt unter der noch nicht gesicherten Voraussetzung, dass sich das Putschregime einer Verhandlungslösung weiter verweigert und die Wahlen in eigener Regie organisiert. Details werden noch über die linken Medien bekannt gegeben, s. auch http://zas-corres.blogspot.com.




„Unter Waffendrohung kann man nicht wählen“

Ein wenig mehr als hundert Tage nach dem Staatsstreich gegen die Regierung von Manuel „Mel“ Zelaya Rosales ist Honduras noch immer einer stürmischen internen Dynamik ausgesetzt. Die Repression wird auf-rechterhalten, solange der gewaltfreie Widerstand fortgesetzt wird. Die internationale Gemeinschaft hat sich bisher wiederholt für die Wiedereinsetzung des abgesetzten Präsidenten ausgesprochen, obwohl sie zweideutige Haltungen bezüglich einer Lösung der Krise und den von den Putschisten auf Ende November angesetzten Wahlen einnimmt.

Sergio Ferrari interviewt Betty Matamoros*



Welches ist das Hauptziel Ihres Besuchs in Europa?
Die Widerstandsfront gegen den Staatsstreich ist wegen des internen Drucks, dem wir ausgesetzt sind, aus-gehend von der enormen Repression der Armee, sehr beunruhigt. Niemand garantiert für unsere Sicherheit. Weder ein Gericht noch ein Ministerium hält die Repression auf. Und wir konnten die mediale Marginalisie-rung, der wir während der ganzen Zeit ausgesetzt waren, nicht durchbrechen. Die zwingt uns, ausser Lande zu gehen. Der Widerstand wird im Inneren fortgesetzt, jedoch brauchen wir eine internationale Unterstüt-zung. Ohne diese Unterstützung, ohne offene Augen und ohne offene Ohren, werden wir diesen Putsch, der verheerend für das Volk ist, nicht brechen können.

Was geschieht heute im Land?
Es ist beeindruckend, je mehr Repression gegen das Volk ausgeübt wird, desto mehr stärkt sich der Wider-stand.

Ausgehend von der Beharrlichkeit des Widerstandes ist ein gewisser Erfolg spürbar?
Der Putsch bröckelt gegenüber dem gewaltlosen Widerstand. Sie würden sich gewaltsame Antworten wün-schen, um noch mehr Gewalt ihrerseits rechtfertigen zu können. Dies gelingt ihnen nicht. Niemand aner-kennt die Rechtsstaatlichkeit der Regierung von Roberto Micheletti. Andererseits tritt die Armee nicht mehr so martialisch auf wie noch vor einiger Zeit. Sie spürt, dass sie den gewaltlosen Widerstand nicht brechen konnte. Das Volk erteilt ihnen eine gewaltige Lehre: Es will Veränderungen, die mit ihren Forderungen und Bedürfnissen übereinstimmen. Die Militärs glaubten, dass die Leute sich wie in einer „Telenovela“ verhal-ten, dass sie sich für 15 Tage wehren und dann von der Strasse verschwinden. Das Volk jedoch organisiert sich weiter und sagt ihnen: „Vorsicht! wir denken, wir sind informiert und wollen Veränderungen.“ Zurzeit hat der Putsch keine Möglichkeit, sich zu festigen.

Für eine erste Bilanz: Bewertet die Widerstandfront die Art des gewaltlosen Widerstandes als positiv?
Ohne Zweifel. Das Volk widersteht, erduldet und muss seine Toten betrauern. Und die Putschisten zeigen sich der internationalen Gemeinschaft so wie sie sind, eben als Tyrannen.

Was könnte aus dieser aktuellen, verfahrenen Situation heraus führen?
Dass die Leute weiterhin zusammenstehen. Der Widerstand zeigt grosse Kreativität. Und dass sie nicht von der Strasse ablassen, ihre Disziplin aufrechterhalten, dass sie sich weiterhin mit gewaltlosem Widerstand ausdrücken.

Erschwert oder erleichtert die klandestine Rückkehr des abgesetzten Präsident Manuel Zelaya am 21. Sep-tember nach Honduras und seine Unterbringung in der brasilianischen Botschaft in Tegucigalpa die Lösung des Konfliktes in Honduras?
Mel Zelaya kehrte zurück als Honduras international kein Thema mehr war. Die Möglichkeiten für Dialog und Verhandlungen drohten zu zerrinnen und der Vorschlag von San José (Costa Rica) war auf Eis gelegt. Es war offensichtlich, dass er als Präsident etwas tun musste. Die Rückkehr war eine kohärente Massnahme.

Da Sie sich auf den Präsidenten Zelaya beziehen...... Könnten Sie uns erklären, ob er wirklich für ein volks-nahes Projekt steht oder ob seine Situation als Opfer eines Putsches ausschlaggebend war für das Aufbe-gehren des Volkes?
Es geht weniger um die Person von Mel als um die Erfolge, die das Volk während seiner Amtszeit verzeich-nen konnte. Dies ist Grund genug um ihn zu unterstützen. Das Volk verdankt ihm einige Errungenschaften. Wie zum Beispiel die Nichtprivatisierung und die Loslösung des Service Public aus dem Privateigentum. Es ist eine Anerkennung von der Volksbewegung, denn es war eine Hauptforderung unseres Kampfes. Zudem erlaubte er keine Konzessionsvergaben für die Ausbeutung von Minen und anderen natürlichen Ressourcen. Auch dies ist wichtig.
Mel Zelaya erreichte die Sicherung einer öffentlichen Ausschreibung für den Kauf von Treibstoff. Dies er-möglichte die Senkung des sehr hohen Benzinpreises und einen guten Vertrag mit der „Petrocaribe“.
Auch ist die Auswirkung seiner Entscheidung, den Minimallohn von 2 800 auf 5 500 Lempiras zu erhöhen, nicht zu unterschätzen.
Zelaya befürwortete den Beitritt in die ALBA (Alternative Bolivariana para los Pueblos de Nuestra Améri-ca), der eine Forderung der Volksbewegung war. Es wurde erreicht, dass der Kongress der Republik den Beitritt verabschiedete. Das sind Errungenschaften, die dem Volk zeigten, dass Veränderungen mit der Prä-sidentschaft von Zelaya möglich waren. Dass Mel Zelaya sich auf das Volk besann und sich ihm zuwendete, zeichnet ihn aus.
Ein anderes wichtiges Argument: Zelaya unterstützt die Forderung für ein Referendum zur Einführung einer verfassungsgebenden Nationalversammlung, die letztlich einer der Vorwände für den Putsch waren. Es ist zu erinnern, dass die Volksbewegung diese bereits 2005 im Zusammenhang mit dem Kampf gegen das Frei-handelsabkommen forderte, da wir es als wichtig erachteten die Verfassung gegenüber dem zunehmendem Einfluss der Handelsabkommen zu stärken.

Die Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS) schlägt seit Wochen einen Friedensplan vor. Vermitt-ler ist der Präsident von Costa Rica, Oscar Arias. Ist dieser Vorschlag umsetzbar?
Er zeigt auf, dass ein Dialog möglich ist. Aber wir stimmen nur dem ersten Punkt des Vorschlags zu, der die Wiedereinsetzung des Präsidenten Zelaya und die Rückkehr zur verfassungsrechtlichen Ordnung vorsieht, die am 28. Juni aufgehoben wurde. Wir akzeptieren die Idee der Amnestie nicht, denn der Putsch ist ein Verbrechen und muss strafrechtlich geahndet werden. Zudem negiert der Vorschlag die vom Volk verlangte verfassungsgebende Versammlung, mit der weit reichende Reformen ermöglicht würden.

Der De-facto-Präsident hat Wahlen für den nächsten 29. November einberufen. Können diese zu einer insti-tutionellen Normalisierung des Landes beitragen?
Unter den aktuellen Bedingungen der Repression ist es unvorstellbar, an solchermassen illegitimen Wahlen teilzunehmen. Unter Waffendrohung können wir nicht wählen gehen. Zudem können wir der Armee, die als Garantin der Wahlen fungiert und die unsere Rechte verletzt, nicht trauen. Das Volk hat nein zu diesen Wahlen gesagt. Wir gehen nicht wählen.

Und ihre Aufforderung an die internationale Gemeinschaft?
An die Regierungen: dass sie die De-facto-Regierung unmissverständlich verurteilen, dass sie klare Sanktio-nen verabschieden und dass sie Zweideutigkeiten zwischen Rhetorik und Handlung vermeiden. Im Ver-gleich zu Lateinamerika, das klare und kohärente Positionen einnimmt, vermitteln die USA und Europa eine unentschlossene Haltung gegenüber dem Putsch.
Demzufolge bestehe ich auf 3 Forderungen: dass sie uns helfen, die verfassungsrechtliche und institutionelle Ordnung wiederherzustellen; dass sie es unterlassen, einen illegalen Wahlgang zu finanzieren und dass sie, so wie ich es vorhin sagte, eindeutige und harte Massnahmen ergreifen, um die Putschisten zum Rückzug zu zwingen.
Den sozialen Bewegungen und der internationalen Solidarität, sei es in Europa, Lateinamerika oder in den USA, danken wir für ihr Engagement und ihre Hingabe. Ohne ihre Unterstützung wären wir möglicherweise bereits von der Landkarte und der internationalen Agenda weggewischt worden. Wir hätten unseren Wider-stand nicht aufrechterhalten können.

Wie erleben die Militanten im Widerstand die tägliche Repression und wie schützen sie sich in diesem Aus-nahmezustand?
Die Gefahr besteht immer. Wir wissen, dass die Gegenseite zu jeder Zeit agieren kann. Wir haben keine Angst. Wenn wir z.B. eine solche Rundreise im Namen des unterdrückten Volkes machen, übernehmen wir eine Verantwortung. Müssten wir unser Leben für dieses Volk geben, würden wir es gerne tun. Es erfüllt uns mit Stolz alles für ein Volk zu geben, das fühlt, wann der Zeitpunkt einer Veränderung gekommen ist und sich entschieden hat Protagonist zu sein.

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* Betty Matamoros, 47 Jahre alt, Verantwortliche für Internationale Beziehungen der Widerstandsfront, ist Volksschullehrerin. Neben den 15 Jahren Berufstätigkeit in diesem Bereich fördert und stärkt sie auch Frauenorganisationen. Im Jahr 2006 nimmt sie an der Schule „Escuela de Incidencia Política del Instituto Hondureño“ teil. Seit dem Mai 2006 bis zum Dezember des letzten Jahres arbeitete sie an der Schule „Es-cuela Metodológica Nacional en Educación Popular“, die der „Coordinadora Nacional de Resistencia Po-pular“ angehört. Sie vertritt diese Schule im Netzwerk „ALFORJA“ mit Sitz in San Salvador. Zurzeit ist sie Teil der Schule „Escuela de Género de la Coordinadora“ und ist verantwortlich für Internationale Bezie-hungen des „Frente Nacional contra el Golpe de Estado“.

Kasten
Der Widerstand ist reine Volkssache
(sf) Die Widerstandsfront entsteht am 28. Juni gegen den Staatsstreich. Getragen wird sie von den Volksor-ganisationen, d.h. von den LehrerInnen, den BäuerInnen, den ArbeiterInnen, den Indígenas, den Schwarzen und den KünstlerInnen.... , von allen Sektoren, denen ihre Rechte genommen wurden. Es ist wichtig zu ver-stehen, dass das Volk vorher keine Organisierung hatte und sich jetzt im Frente zusammengeschlossen hat.
Das ist neu. In Honduras sind 1.5 Millionen Personen arbeitstätig und nur 7% davon sind organisiert. Was heisst das? Dass die Mehrheit der Leute, die am Widerstand teilnehmen, puro pueblo sind, normale, nicht organisierte Menschen aus dem Volk. Die sich zusammen tun, wenn sie sehen, dass ihre Rechte verletzt werden. Heute organisieren sich alle: die Stadtteile im Widerstand, die AnwältInnen im Widerstand, die Angestellten des Gesundheitswesens im Widerstand... Dies ist eine grosse Lehre für die Volksbewegungen: Wird die Notwendigkeit verspürt, sich zusammen zu tun, organisiert sich das gemeine Volk von alleine und verlangt die direkte Beteiligung. Jeden Sonntag werden Vollversammlungen in den Departementen abgehal-ten, an denen die aktuelle Situation diskutiert wird. Es wird ausgewertet und nächste Aktionen werden vor-geschlagen. Die Entscheidungen werden kollektiv getroffen. Die Leute selbst sagen uns, was zu tun ist. Eine sehr sympathische Form von Widerstand entwickelte sich, die wir “Bullaranga” nennen. In jedem Quartier machen die Leute Lärm, z.B. mit Trillerpfeifen, bis in die Nacht hinein, als Protest gegen den Putsch. Es ist für die Polizei unmöglich, so viele Leute zur selben Zeit zu kontrollieren. Es ist eine Art des Aufstandes. Nach dem Putsch informierten wir die Leute, dass sie nicht illegal handelten. Die Verfassung der Republik erlaubt dies. Im 3. Artikel der Verfassung steht, dass man keiner Regierung, die widerrechtlich und mit Waf-fengewalt die Macht an sich gerissen hat, Folge leisten muss. Der Aufstand ist somit verfassungskonform. Die Leute wissen es, sie kennen diesen Verfassungsartikel und machen sich den Protest zu eigen und verste-hen ihn als grundlegende Notwendigkeit. Der Widerstand ist das Volk.

"Dialog definitiv beendet"

17.10.2009

In Honduras spitzt sich die Situation weiter zu. ALBA beschließt Maßnahmen gegen Putschisten

Von Ingo Niebel
amerika21.de

Cochabamba. Honduras legitime Außenministerin Patricia Rodas erklärte am Freitag, dass der Dialog zwischen dem gestürzten Präsidenten Manuel "Mel" Zelaya und dem Putschisten Roberto Micheletti "definitiv" beendet sei. Als Grund nannte die Politikerin die "Uneinsichtigkeit der Diktatur, die Wiedereinsetzung des verfassungsmäßigen Präsidenten zu akzeptieren". Rodas Erklärung erfolgte auf dem VII. Gipfel der Bolivarianischen Allianz für die Völker unserer Amerikas (ALBA) im bolivianischen Cochabamba. Zu dem Staatenbund gehört auch Honduras - neben Venezuela und Kuba, Nicaragua und Ecuador sowie weiterer kleinerer Karibikstaaten.
Präsident Zelaya bestätigte die Ausführungen seiner Außenministerin, wie die spanische Tageszeitung El País am heutigen Samstag unter Berufung auf die Nachrichtenagentur EFE berichtete. "Absolut unannehmbar" nannte das Staatsoberhaupt das letzte Angebot des Putschregimes. Demnach sollte Honduras Oberster Gerichtshof und nicht das Parlament über seine Rückkehr entscheiden.
Zelaya wurde am 28. Juni gestürzt und vom Militär außer Landes gebracht. Am 21. Septemer kehrte er heimlich in sein Land zurück, wo er Asyl in der brasilianischen Botschaft fand. Von dort betreibt er gemeinsam mit der Widerstandsbewegung die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung. Das Regime Micheletti versucht hingegen, auf Zeit zu spielen. Am 29. November sollen die regulären Präsidentenwahlen stattfinden, ohne dass Zelaya zuvor in sein Amt zurückgekehrt ist. Michelettis Hinhalte-Taktik wird von den USA und den EU-Staaten durch weitgehende Passivität unterstützt.
Eine andere Politik verfolgt die ALBA. Bei ihrem zweitägigen Sondertreffen in Cochabamba beschloss sie am Freitag Wirtschafts- und Handelssanktionen gegen das Putschregime in Tegucigalpa. Außerdem legten die ALBA-Mitglieder fest, dass sie weder den Aufenthalt noch die Einreise von Verantwortlichen des Putsches erlauben. Des Weiteren hielt die ALBA fest, dass sie unter den gegebenen Umständen weder den Wahlgang in Honduras noch dessen Ergebnis anerkennen wird. Darüber hinaus will sie bewirken, dass sich die UNO, die Union der Südamerikanischen Staaten (Unasur) und die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) sowie die Río-Gruppe mit dem Thema befassen. Ein weiterer Schritt sieht vor, dass die UNO eine "Sonderkommission der Außenminister" bildet. Dieses Gremium soll vom Putschregime verlangen, dass es die "Unverletzbarkeit der diplomatischen Vertretung" Brasiliens in Tegucigalpa respektiert. Die Botschaft ist seit knapp einem Monat belagert. Polizei und Militär haben sie mehrmals mit chemischen und Hochfrequenz-Waffen angegriffen, um Zelaya und seine Anhänger zur Aufgabe zu zwingen.

EU will Putschistenwahlen in Honduras beobachten

14.10.09
Entsendung von Vertretern könnte Abstimmung legitimieren. Menschenrechtsorganisationen fordern erneut klare Position Brüssels
Von Harald Neuber
amerika21.de

Brüssel/Paris/Tegucigalpa. Die Europäische Kommission bereitet offenbar eine Mission zur Beobachtung der Präsidentschaftswahlen in Honduras vor. Das erfuhr "amerika21.de" am gestrigen Dienstag aus diplomatischen Kreisen in Brüssel. Demnach plant die Kommission die Entsendung von zwei Experten. Sie sollen den Wahlgang Ende November vor Ort verfolgen.
Menschenrechtsorganisationen, Aktivisten der honduranischen Demokratiebewegung und diplomatische Vertreter der gewählten Regierung von Präsident Manuel Zelaya lehnen eine solche Beobachtung strikt ab. Die Präsenz ausländischer Beobachter, heißt es von dieser Seite, könnte den international heftig kritisierten Urnengang schließlich legitimieren.
Den Informationen aus Brüssel zufolge wurde die Entscheidung der Kommission den Vertretern der EU-Mitgliedsstaaten während der Sitzung eines Fachgremiums am vergangenen Freitag mitgeteilt. Dabei ging es auch um die Planung künftiger Wahlbeobachtungen in Lateinamerika.
Bei den Beratungen sprachen sich demnach alle Mitgliedsstaaten für eine Vor-Ort-Prüfung der kommenden Regionalwahlen in Nicaragua aus. Großbritannien habe zudem auf eine Beobachtung der Präsidentschaftswahlen in Kolumbien gedrängt. Eine solche Mission, so der Vorschlag der britischen Vertreter, könnte alternativ zu einer Wahlbeobachtungsmission in Venezuela anberaumt werden.
Die Entsendung von zwei EU-Vertretern nach Honduras soll auf Initiative der EU-Kommission außerplanmäßig stattfinden.
Auf Unverständnis traf die Entscheidung bei dem honduranischen Botschafter in Berlin, Roberto Martínez Castañeda. "Die Europäische Kommission sollte zunächst die Entscheidung des laufenden Verhandlungsprozesses abwarten", sagte der Diplomat im Gespräch mit "amerika21.de" am Dienstag. Martínez Castañeda, der die demokratische gewählte Regierung verteidigt, sieht keine Möglichkeiten für faire und freie Wahlen, solange Staatschef Zelaya nicht wieder in sein Amt zurückgekehrt ist. Die Verhandlungen zwischen Vertretern der Regierung und den Putschisten laufen bis zum Donnerstag dieser Woche.
Am Montag wandte sich indes die Internationale Liga für Menschenrechte (FIDH) in einem offenen Brief an die EU-Außenminister. Der Zusammenschluss von 155 Menschenrechtsorganisationen mit Hauptsitz in Paris drängt die EU darin zu einer deutlicheren Position gegenüber den Putschisten in Honduras. Die Union müsse erklären, dass sie "angesichts der aktuellen Diktatur in Honduras" weder den andauernden Wahlprozess noch die Resultate etwaiger Wahlen anerkennt, heißt es in dem Schreiben.

Hetze gegen "Juden" und "Araber"

Sonntag, 11. Oktober 2009

(11.10.09) Die widerliche Hetze Romeros ist nicht einfach "dumm", sondern unerträglich. Unsere honduranischen Gewährsleute aus dem Widerstand berichteten, dass MitarbeiterInnen von Radio Globo "schockiert" auf die Hetze Romeros reagiert haben. Romero selber war und ist natürlich kein Linker, sondern ein persönlicher Freund des Eigentümers des allerdings zur Stimme des Widerstands gewordenenen Privatradios. Romero sass mehrere Jahre wegen Vergewaltigung seiner Tochter, eine Anschuldigung, die er immer bestritten hat.

Eine Parole auf manchen Häuserwänden in Tegucigalpa ist: "Haga patria, mata un turco" - "Mach was fürs Vaterland, leg einen Türken um". Als "turcos" werden Nachfahren arabischer, insbesondere palästinensischer und libanesischer EinwandererInnen bezeichnet, die damals zum osmanischen Reich gehörten. Einige der stärksten Oligarchenclans des Landes, die auch die meisten Medien kontrollieren und zu den treibenden Kräften des Putsches gehören, sind "turcos". Die offenbar einzig namhafte Grosskapitalgruppe mit jüdischem Einfluss, jene des Tiempo-Herausgebers Rosenthal, ist anscheinend auch die einzige, die sich eher hinter den rechtmässigen Präsidenten Zelaya stellt. Das hindert aber einige Segmente der Antiputschbewegung nicht, in eine üble Hetzkampagne sowohl gegen "arabische" wie "jüdische" Übeltäter einzustimmen.

Die gerade auf Besuch in der Schweiz weilende Vertreterin des Frente de Resistencia, Betty Matamoros, distanzierte sich in aller gewünschten Deutlichkeit vom Versuch, den "Klassenkampf" in Honduras ethnisch aufzuladen. Präsident Zelaya verwahrte sich nach Bekanntwerden der Äusserungen Romeros in einem öffentlichen Schreiben gegen den Antisemitismus. Pro-Putsch-Organe wie das Wall Street Journal, die Washington Post oder US-Botschafter Llorens, der sonst seine Sprache nie findet, wenn es um Verbrechen in Honduras geht, machen sich in Editorials und offenen Briefen über das gefundene Fressen her. Die honduranischen Gorillas geben derweil eine weitere Verschärfung der Medienunterdrückung bekannt.

Honduras: Antisemitimismus und Antiarabismus

08.10.2009
Romero entschuldigt sich

Direktor von Oppositionssender in Honduras bezeichnet seine antisemitischen Ausfälle als spontane Überreaktion und verweist auf seine jüdische Herkunft
Von Redaktion
amerika21.de

Tegucigalpa. In Honduras liegen die Nerven blank - auch bei der Opposition gegen den Staatsstreich vor 100 Tagen. Dies beweist eine Äußerung des Direktors des geschlossenen Oppositionssenders Radio Globo vom Montag. David Romero, Unterstützer des rechtmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya im Kampf gegen die Putschisten, hatte sich in einer über das Internet verbreiteten Sendung von Radio Globo gefragt, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn Hitler "seine Arbeit gegen die Juden" hätte beenden können. Er bezog sich dabei auf größtenteils von den Putschisten bestätigte Informationen, dass Israel den Staatsstreich sowohl politisch, personell wie auch mit Waffen unterstütze.

Laut der israelischen Zeitung Haaretz unter Berufung auf die Nachrichtenagentur AP, habe Romero sich nachher für seine Äußerungen entschuldigt und sie als spontanen "dummen Kommentar" in der aufgeheizten kritischen Situation bezeichnet. Seine Aussagen spiegelten nicht seine wahren Ansichten wider. Dazu merkte Romero an, dass sein Großvater als jüdischer Einwanderer aus der Tschechoslowakei nach Honduras gekommen war, um dem Holocaust in Europa zu entfliehen.

Anfang vergangener Woche war Radio Globo vom Militär geschlossen worden, ebenso wie der Fernsehsender Canal 36. Beide Medien hatten in den vergangenen drei Monaten, seit dem Sturz des gewählten Präsidenten Manuel Zelaya am 28. Juni, über die Demokratiebewegung berichtet. Trotz der kürzlichen Aufhebung des Ausnahmezustandes können die Sender ihr Programm bisher nicht wieder öffentlich ausstrahlen.

Die rechte internationale Presse hatte Romeros Äußerungen für eine Kampagne gegen die Widerstandsbewegung genutzt. Damit soll offenbar die Demokratiebewegung in Honduras sowie deren internationale Unterstützung geschwächt werden.

Eurokomplizin: Die Naumann-Stiftung am Putschen

aus www.german-foreign-policy.com




Fünf Punkte für die Putschisten
08.10.2009
TEGUCIGALPA/BERLIN
(Eigener Bericht) - Die Friedrich-Naumann-Stiftung setzt ihre Unterstützung für das honduranische Putschregime mit einem neuen Vermittlungsversuch fort. Während sich die Mutterpartei der Stiftung, die FDP, auf die Regierungsübernahme in Berlin vorbereitet, hat der Stiftungsvorsitzende Wolfgang Gerhardt vergangene Woche einen "Fünf-Punkte-Plan" nach Tegucigalpa übermittelt. Der Plan richtet sich nicht nur an den gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya, sondern auch an den Anführer des Putschregimes, Roberto Micheletti. Die in dem Plan enthaltenen Vorschläge geben den Forderungen der Putschisten in zentralen Punkten nach, die zuvor weltweit übereinstimmend als nicht verhandelbar verworfen worden waren. Damit setzt die FDP-nahe Stiftung die Versuche fort, die globale Ablehnung des Staatsstreichs aufzuweichen und die Isolierung der Putschisten aufzubrechen. Zugleich sucht sie, Berlin eine möglichst starke Stellung zu verschaffen. "Europa" solle "als ehrlicher Makler" auftreten, erklärt ein Politiker der FDP über den Versuch der Stiftung, sich eine Einfluss versprechende "Mittler"-Rolle in Honduras zu verschaffen.
Rückkehr "inakzeptabel"
Einen international anerkannten Plan zur Lösung der Staatskrise in Honduras hatte der Präsident Costa Ricas, Óscar Arias, bereits in den ersten Wochen nach dem Putsch vom 28. Juni entwickelt. Sein Plan sah unter anderem eine Generalamnestie für alle politischen Vergehen vor, die vor und nach dem Staatsstreich begangen wurden. Der gestürzte Präsident Manuel Zelaya sollte wieder in sein Amt als Staatsoberhaupt des zentralamerikanischen Landes eingesetzt werden. Während Zelaya die Vorschläge akzeptiert hatte, brachte das Regime um Roberto Micheletti den Arias-Plan zum Scheitern, indem es die Rückkehr Zelayas in das Amt als "inakzeptabel" ablehnte.[1] Stattdessen forderte Micheletti Zelaya auf, öffentlich seinen Verzicht auf das Präsidentenamt zu erklären, und stellte nur für diesen Fall den eigenen Rückzug in Aussicht.[2]
"Nicht aus Lateinamerika"
Die Vorschläge, die die Naumann-Stiftung nun den Konfliktparteien unterbreitet, stellen eine Novellierung des Arias-Planes dar - im Sinne der Putschisten. Während etwa der Vorsitzende der Organisation Amerikanischer Staaten, José Miguel Insulza, im Einklang mit Arias erklärt, Zelayas Rückkehr ins Präsidentenamt sei "unverhandelbar" [3], greift die FDP-nahe Stiftung nun Michelettis Forderung auf und verlangt den formalen Rücktritt des gestürzten Amtsinhabers [4]. Zudem sieht der "Fünf-Punkte-Plan" nicht nur eine weitreichende Amnestie für die Putschisten vor, sondern auch die Einsetzung einer Verhandlungskommission. Dieser sollen die Kandidaten der Präsidentschaftswahlen angehören, die für Ende November vorgesehen sind; den Vorsitz der Kommission soll ein "Vermittler" erhalten, der "nicht aus Lateinamerika" kommen dürfe.[5]
Voraussetzungen nicht erfüllt
Daneben plädiert die Naumann-Stiftung dafür, die Wahlen wie geplant abzuhalten - de facto also unter Aufsicht der Putschisten. Anders lautende Stellungnahmen sind in den Vereinten Nationen zu hören. So urteilt etwa UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon, Honduras erfülle derzeit nicht die Voraussetzungen "für die Abhaltung glaubwürdiger Wahlen, die Frieden und Stabilität voranbringen". Die UNO hat die Zusammenarbeit mit der honduranischen Wahlbehörde mittlerweile ausgesetzt.[6] Der Präsident Costa Ricas, Óscar Arias, wies kürzlich ebenfalls darauf hin, dass Wahlen unter der Federführung des Putschregimes international nicht anerkannt würden.
"Enge Beziehungen"
In einem Begleitbrief zum "Fünf-Punkte-Plan", der an zwei "Präsidenten der Republik Honduras" gerichtet ist - gemeint ist neben dem Amtsinhaber Zelaya auch der Putschist Micheletti -, bietet der Vorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung, Wolfgang Gerhardt, ausdrücklich die Bereitschaft seiner Organisation zur Vermittlung in der honduranischen Staatskrise an. Er verweist dabei auf "unsere engen Beziehungen zu verschiedenen demokratischen Institutionen in der Welt" sowie auf die 25-jährige Präsenz der Stiftung in Honduras - eine Zeit, die die deutschen Liberalen nutzten, um sich unter den heutigen honduranischen Putschisten exklusive Einflussnetzwerke aufzubauen (german-foreign-policy.com berichtete [7]).
"Ehrlicher Makler"
In den engen Verbindungen, die die FDP sowie die Naumann-Stiftung zum Partido Liberal de Honduras (PLH) unterhalten [8], sehen die deutschen Liberalen offenbar eine günstige Chance, sich als "Vermittler" ins Spiel zu bringen - schließlich entstammen dem PLH nicht nur die Putschisten, auf deren Seite sich die Stiftung jetzt geschlagen hat, sondern auch der gestürzte Präsident Zelaya. Entsprechende Forderungen nach einer deutsch-europäischen "Mittler"-Rolle in Honduras hatte der damalige außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Werner Hoyer, bereits unmittelbar nach dem Putsch geäußert.[9] Mittlerweile hat Hoyer ergänzt, im Falle Honduras' bedürfe es "dringlichst internationaler Vermittlung" [10], und dabei dürfe "Europa nicht abseits stehen"; es müsse "sich - wie in den achtziger Jahren - als ehrlicher Makler einbringen". In Kürze steht dazu auf Seiten der europäischen Führungsmacht Deutschland ein neuer Außenminister bereit - mutmaßlich Guido Westerwelle, ein Stipendiat der Friedrich-Naumann-Stiftung.[11]
[1] "Lo siento mucho", responde canciller ante propuesta de restituir a Zelaya en el poder; El Heraldo 19.07.2009
[2] Micheletti bereit zu Rücktritt bei Zelaya-Verzicht; Focus Online 15.07.2009
[3] Insulza: Retorno de Zelaya es innegociable; Ultima Hora 29.08.2009
[4], [5] Plan de cinco puntos para solucionar la crisis en Honduras; www.fnst-freiheit.org
[6] Druck auf Übergangsregierung in Honduras wächst; AFP 23.09.2009
[7] Schreiben vom 01.10.2009; www.fnst-freiheit.org
[8] s. dazu Die Naumann-Fraktion und Ein Amtsenthebungsverfahren
[9] "Hugo Chavez führt Regie in Mittelamerika"; Die Welt 02.07.2009
[10] www.abgeordnetenwatch.de/dr_werner_hoyer-650-5917--f198485.html#q198485
[11] s. dazu Deutsche Liberale

Zwei weitere Mitglieder des Widerstandes in Honduras ermordet

04.10.2009

Putschregime geht in unverminderter Härte gegen Kritiker vor
Von M. Daniljuk
amerika21.de

Tegucigalpa. Menschenrechtsgruppen und Vertreter der Widerstandsfront in Honduras weisen darauf hin, dass in den vergangenen Tagen zwei weitere Mitglieder der Widerstandsfront ermordet wurden. Die Umstände der Verbrechen lassen befürchten, dass es sich um Auftragsmorde handelt. Der Lehrer Abelardo Fortín wurde am Samstag nur wenige Meter von seinem Haus entfernt von Unbekannten aus einem Auto heraus erschossen. Am Vortag wurde die Leiche eines anderen Mitglieds der Widerstandsfront im Westen von Honduras gefunden. Antonio Leiva war zuvor entführt worden. Das Komitee der Angehörigen von Verschwundenen (Cofadeh) und das Zentrum für Folteropfer (CPTRT) erklärten, dass in beiden Fällen Hinweise auf ein gewöhnliches Verbrechen fehlen. Stattdessen müsse man davon ausgehen, dass die Opfer aus politischen Gründen ermordet wurden.

Nach Angaben von Cofadeh wurden seit dem Putsch gegen Präsident Manuel Zelia 16 politische Morde verübt, in dutzenden Fällen seien Menschen bei Angriffen verletzt worden. Gegenüber internationalen Medien kündigte die Präsidentin der Menschenrechtsorganisation, Berta Oliva, einen Bericht zu 10 Fällen an, bei denen Honduraner durch Polizeigewalt bei Demonstrationen gegen das De-Facto-Regime von Sicherheitskräften getötet wurden. "Uns liegen zig-fache Beschwerden von Menschen vor, die am Rande von Kundgebungen und Demonstrationen geschlagen und misshandelt wurden." Unter den Opfern befindet sich auch der unabhängige Präsidentschaftskandidat Carlos Reyes. Außerdem hat die Organisation Kenntnis von 96 Strafverfahren gegen Aktivistinnen und Aktivisten des Widerstandes, in denen die Justizbehörden rein politische Verfahren anstrengen, etwa wegen Verstoßes gegen die Staatssicherheit. Außerdem erhalten prominente Sprecher der Widerstandsbewegung wie der Bauernführer Rafael Alegría, der Gewerkschafter Juan Barahona und die linke Abgeordnete Silvia Ayala weiterhin Morddrohungen.

Honduras-Veranstaltungen

Sonntag, 4. Oktober 2009



Zum Vergrössern anklicken

Achtung: Neuer Veranstaltungsort in Zürich:

Unia statt Kasama

Conférence à Genève:
Jeudi, 8 octobre à 20h00, 20h
Université Ouvrière de Genève
Place des Grottes 3, 1201 Genève

Conférence à Lausanne

Mercredi, 7 octobre
Espace Autogéré

"Nicht-letale" Schallwaffen in Honduras und in ...Pittsburgh

Den Einsatz von Schallkanonen gegen den honduranischen Präsidenten Mel Zelaya in der brasilianischen Botschaft von Honduras und die AntiputschistInnen vor der Botschaft wurde in den Medien meist überhaupt nicht erwähnt oder als lächerliche Science-Fiction-Einbildung von Zelaya abgetan.
In Pittsburgh, USA, hat die Polizei vorletzte Woche Schallkanonen eingesetzt, um das G-20-Treffen vor DemonstrantInnen zu schützen. Siehe dazu:
http://www.democracynow.org/2009/10/2/pittsburgh_police_challenged_over_use_of

Auszüge aus dem Interview:

Juan Gonzalez: Was hat es auf sich mit dieser Schallkanone? Die Herstellerfirma. Die Amercian Technology Corporation in San Diego, nennt sie Long Range Acoustic Device oder LRAD. Wie genau funktioniert das? Was für ein Geräusch macht es?

Bill Quigley (Direktor des Center for Constitutional Rights): Ich war in einer Gruppe von Leuten, die einen Hügel runterkamen, als plötzlich die Polizei diesen riesigen schwarzen Lastwagen hinstellte. Darauf war ein grosser schwarzer Apparat. Wir wussten nicht, um was es sich dabei handelte. Und sie sagten: „Entweder Sie verlassen das Gebiet oder wir sind nicht für Verletzungen verantwortlich, die Ihnen ab jetzt zustossen“. Und dann fing der Lastwagen ein sehr hohes – mangels eines besseren Ausdrucks etwas wie ein zirpendes Geräusch, aber von extremer Lautstärke und in einem durchdringenden Geräusch, das wirklich machte, dass man sich verstecken wollte.

Und sie haben das wiederholt gegen die Leute eingesetzt und – ich bin schon an Protesten überall im Land und auch in anderen Ländern gewesen, aber so etwas habe ich noch nie gesehen. Und finde raus, dass das einzige Mal, als wir – dass die Armee das einige Male im Irak gegen die Menge dort eingesetzt hat. Das ist jetzt wirklich zum ersten Mal, dass dies gegen Zivilpersonen in den USA eingesetzt worden ist. Wir haben also einen kleinen Geschmack davon bekommen, was unsere Armee auf der Welt allen Anderen antut.

Amy Goodman: Ich will noch einen Moment über das LRAD reden. Nun, wir haben ja die American Tinnitus Association, die sagt, DemonstrantInnen an der G-20 seien mit einem Schall von über 140 Dezibel „akustisch überfallen“ worden, den sie so beschreibt: „die Art von Schalldruck, die Mitglieder der Streitkräfte bei einem unkonventionellen Sprengsatz zu gewärtigen haben“. Wir haben auch FunktionärInnen von Pittsburgh, die sagen, ja, sie denken, dass diese LRAD-Schallkanonen zum ersten Mal in der US-Geschichte gegen Zivilpersonen eingesetzt worden ist. Und interessanterweise sagt die Washington Times: "Mithilfe von Zuschüssen von Homeland Security erwerben Polizeidepartemente in der ganzen Nation, die renitente Massen und politische Demonstranten bändigen wollen, ein Hightechgerät, das ursprünglich von der Armee eingesetzt wurde, um Aufständische auf dem Schlachtfeld und somalische Piraten mit einem durchdringenden Geräusch abzuwehren“

Bill Quigley: Richtig.


Amy Goodman: … die das Gehör schädigen können.

Bauernbewegung gründet Milizen in Venezuela

03.10.2009


Demonstration gegen Morde an Bauernaktivisten
Von M. Daniljuk
amerika21.de

Caracas. Die Bauernbewegung in Venezuela will an Dezember 2009 eigene Milizen gründen. Dies kündigte Elías Jaua, führendes Mitglied der PSUV in der Region Llanos, anlässlich einer Demonstration gegen Morde an Bauernaktivisten an. Ziel der Bolivarianischen Bauernmiliz soll es sein, auf die Gewalttaten von Großgrundbesitzern gegen Aktivisten der Landarbeiterbewegung zu reagieren. Die Demonstration gegen Paramilitarismus und Auftragskiller fand am gestrigen Freitag im Bundesstaat Guárico statt und wurde von der Frente Campesino Ezequiel Zamora organisiert. Die OrganisatorInnen forderten ein Ende der Straflosigkeit für Morde an Bauernaktivisten.

"Ich erwarte, dass wir dem Land im Dezember eine Bolivarianische Bauernmiliz vorstellen. Gewalt ist keine Lösung, aber wenn sich die Oligarchie dafür entscheidet, werden wir antworten." sagte der PSUV-Funktionär vor den Demonstranten. Er forderte die Justiz dringend auf gegen die Todesschwadrone der venezolanischen Großgrundbesitzer aktiv zu werden. Elías Jaua bezifferte die Anzahl der gewalttätigen Übergriffe in den letzten 10 Jahren auf 2000, von denen über 200 für die Bauernaktivsten tödlich endeten. Das Verbrechen der Opfer habe darin bestanden, gemeinsam mit der Regierung, das Land zurückzufordern, das ihnen ohnehin zustehe.

Honduras: De-facto-Regime setzt Freiheitsrechte aus

Freitag, 2. Oktober 2009

30.09.2009

Bericht der Landarbeiterorganisation Vía Campesina aus Honduras

Übersetzung: Klaus E. Lehmann
amerika21.de

Tegucigalpa, 29.09.2009. Ich hoffe, dass dies nicht das letzte Mal ist, dass ich schreibe. Die Verfolgung in Honduras ist schrecklich. Am Montag wurde die Kommission der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) abgewiesen und zurückgeschickt, darunter zwei Spanier, ein Nordamerikaner und ein Kolumbianer. Ihre Namen wurden nicht genannt, da sie bereits von den Medien isoliert gehalten wurden, damit sie sich nicht äußern können. Sie waren ins Land gekommen, um im Dialog zwischen den verfassungsmäßigen Amtsträgern und dem De-facto-Regime zu vermitteln, aber es wurde ihnen die Einreise verwehrt und sie wurden um die Mittagsstunde vom Internationalen Flughafen Toncontín aus wieder zurückgeschickt.

Aber die Tragödie für das honduranische Volk nimmt kein Ende. Das De-facto-Regime setzt die Repression fort und hat den Ausnahmezustand erklärt. Vom 28. September 2009 an, sind die individuellen Freiheitsgarantien außer in Kraft gesetzt. Dies gilt für 45 Tage und ist verlängerbar, wobei all dies geschieht, um zu verhindern, dass der Widerstand und das honduranische Volk weiterhin ihre Ablehnung des Staatsstreiches demonstrieren.

Die außer Kraft gesetzten Artikel lauten: 69, 72, 78, 81, 84 und der Ausführungserlass Nummer PCM 016-2009 trat in eindeutiger Verletzung der individuellen Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger unverzüglich in Kraft, wobei es insbesondere die Mitglieder der Widerstandsfront und die Medien gewesen sind, die das honduranische Volk in objektiver Weise darüber informiert haben. Wie zu erfahren war, wird diese neue Verfügung nicht dem Nationalkongress zur Diskussion vorgelegt, da diese bereits von den Faschisten im Präsidentenpalast und im Ministerrat ausgearbeitet wurde und den Abgeordneten des Nationalkongresses nur noch bekannt gegeben wird.

Der Inhalt dieser ausgesetzten Artikel hat grundlegenden Charakter und bezieht sich auf unsere Rechte als Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, auf persönliche Freiheiten, auf die freie unzensierte Verbreitung unserer Meinung über jede Art von Medien, wie auch die Garantie auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, außerdem das Recht eines jeden auf Bewegungsfreiheit und das Recht das nationale Territorium jederzeit verlassen und betreten zu können und auf ihm zu verweilen, und zuletzt das Verbot der Festnahme und Inhaftierung ohne schriftlichen Haftbefehl durch eine zuständige Behörde. Die durch die De-facto-Regierung vorgenommene Aussetzung all dieser Artikel ist eindeutig darauf gerichtet, den Widerstand zu beenden, der seinen Kampf auf den Straßen seit 93 Tagen aufrecht erhalten hat und die Meinungsfreiheit derjenigen Medien einzuschränken, die seit dem Staatsstreich im Dienste des Volkes gestanden haben.

Als Teil der Umsetzung dieser Repressionsmaßnahmen wurde heute um 5:20 Uhr am Morgen der Sender Radio Globo abgeschaltet. Die Journalisten sendeten nur etwa 20 Minuten und nutzten die Zeit, um das honduranische Volk auf die Schließung dieser Radiostation hinzuweisen, da die Einrichtungen des Senders bei ihrer Ankunft bereits vollkommen von Uniformierten umstellt war. Minuten später konnten wir hören, wie die Polizisten und Soldaten heftig gegen die Türen schlugen, während der Direktor des Senders, David Romero Elner, verkündete, dass die Sendeanlagen in diesen Momenten besetzt werden.

Man weiß nicht, ob die Journalistenkollegen, die gerade auf Sendung waren, gefangen genommen und eingesperrt wurden, es hat uns jedoch sehr traurig gemacht zu erfahren, dass dies die letzten Augenblicke waren, in denen diese leistungsstarke Radiostation auf Sendung war. In unserem Gedächtnis ist nur die letzte Melodie haften geblieben, die im Radio erklang: es war ein Lied mit der Musik der Gruppe Tigres del Norte, welches dem Präsidenten Zelaya gewidmet ist und den Titel “Jefe de Jefes” (Boss der Bosse)* trägt –übrigens ein sehr fröhliches Lied- und dann hörten wir nur noch ein Geräusch. Ein ähnliches Schicksal erlitt der Sender Canal 36 Cholusat Sur: Zu sehr früher Stunde wurde sein Signal abgeschaltet. Dieses faschistische Regime hat uns Honduraner, alle die wir uns gegen den Staatsstreich ausgesprochen haben, an Händen und Füßen gefesselt.

Ich weiß nicht, wie dieses De-facto-Regime von Demokratie sprechen kann, wenn es ein Volk gibt, dessen Rechte seit drei Monaten mit Füßen getreten werden, ohne dass jemand etwas tun kann, um dies zu verhindern. Der Widerstand hat die ganze Zeit den Kampf geführt, die anderen jedoch haben die Macht und die Waffen, um uns ihre Ideen aufzuzwingen und es schmerzt uns wirklich sehr zu wissen, dass es die Internationale Gemeinschaft zugelassen hat, dass ein friedfertiges Volk wie das honduranische dermaßen nieder gemacht und unterdrückt wird. Die Repression ist derart, dass die Polizei und die Armee seit den heutigen frühen Morgenstunden damit beschäftigt sind, alle Leute zu überprüfen, die auf den Straßen unterwegs sind. Sie durchsuchen ihre Habseligkeiten und von heute an werden wir nicht mal mehr friedlich demonstrieren können, wie wir es die ganze Zeit über getan haben. Ich weiß nicht, wie der Widerstand fortgeführt wird. Es gab bereits Aufrufe, den Kampf fortzusetzen, aber mit der Aussetzung der genannten individuellen Garantien sehen sich die Leute darin eingeschränkt, an den Protesten teilzunehmen. Darüber hinaus haben wir große Angst wegen allem, was geschehen kann, weil wir sicher sind, dass das Volk mit allen Mitteln versuchen wird, seine Rechte einzufordern, die ihm von der Verfassung der Republik garantiert werden.

Es kann fast als sicher gelten, dass für den Fall, dass der Widerstand es heute versuchen sollte zu demonstrieren, dass viele Leute verhaftet werden. Aber die Leitung der Widerstandsfront hat bereits ihre Mitglieder aufgefordert, sich heute um 8:00 morgens in der Pädagogischen Universität Francisco Morazán zu versammeln. Hoffentlich wird diese neue faschistische Provokation nicht die Geduld des Volkes beenden und es kommt nicht zu größeren Zwischenfällen. Es ergeht der Aufruf an die Internationale Gemeinschaft, in dieser Angelegenheit die Initiative zu ergreifen, um diesen politischen Konflikt, der uns einem täglichen Ausnahmezustand unterwirft, ein für alle Male zu lösen.

Auf der anderen Seite erhielt gestern die junge Universitätsstudentin Wendy Elizabeth Ávila ein christliches Begräbnis. Sie ist am Freitag gestorben, nachdem sie mehrere Tage mit dem Tode gerungen hat. Sie war am Dienstag schwer verletzt worden, als die Mitglieder des Widerstandes vor der Botschaft Brasiliens vertrieben wurden. Die Vielzahl der an diesem Tage dort geworfenen Tränengasgranaten und andere toxische Gase führten dazu, dass die junge Frau schließlich an den Folgen eines Asthmaanfalls verstarb. Ihre sterblichen Überreste wurden im Gebäude der Gewerkschaft der Getränkeindustrie STIBYS aufgebahrt, wo der Pater Andrés Tamayo vor der Leiche eine Messe zelebrierte, bei der eine Ehrung dieser tapferen Frau vorgenommen wurde, die - wie schon so viele andere ermordete Mitbürger - ihr Leben im Kampf gegen den Staatsstreich geopfert hat.

WIR WERDEN UNTERDRÜCKT, ABER NICHT BESIEGT.