Honduras - frisiert für democracy

Montag, 30. November 2009

(30.11.09) Der Putsch geht in eine neue Phase, die “demokratische”. Auch wenn die Höhe der realen Wahlbeteiligung noch unklar ist, die offiziellen Angaben des putschistischen Wahlgerichts TSE – es spricht von 61.3%. Beteiligung - können unmöglich stimmen. Sie wäre damit rund 6% höher gelegen als bei den letzten Wahlen von 2005. Das ist purer Quatsch. Übereinstimmend wird berichtet, dass in den Unterklassenquartieren der Städte eine absolut minimale Wahlbeteiligung herrschte, während die Mittelschicht aufwärts wählen ging. Interessanterweise berichtet die Washington Post heute in einem noch während der Putschwahlen verfassten Bericht von Projektionen des TSE, wonach die Beteiligung 47.6% erreichen werde. Der bekannte Jesuit Israel Moreno, Leiter von Radio Progreso, berichtete gestern: “Der Zulauf zu den Wahlurnen war absolut rachitisch, tropfenweise, und derzeit ist aufgrund unserer Beobachtungen an verschiedenen Wahltischen die Wahlabstinenz das das bestimmende Element”. Moreno beleuchtet auch den Entscheid des TSE vom Nachmittag, die Wahllokale um eine Stunde länger offen zu halten: “Dieser Entscheid ratifiziert die absurde Dynamik, in welche dieser Prozess der Konstruktion und Legitimierung des Staatsstreiches gefallen ist. Denn ohne Zweifel haben sie mit dem, was sie gesagt haben, eine Typ Wahlbetrug eingeführt”. Der Pater bezog sich ausser auf den Beschluss der späteren Lokalschliessung auf den Nachmittagsentscheid des TSE, dass die fortan die Spezialtinte, in welche ein Finger der wählenden Person eingetaucht wurde, um sie so an einer weiteren Stimmabgabe zu hindern, nicht mehr nötig sei. Das TSE begründete dies mit der Behauptung, dass die Tinte aufgrund der massiven Wahlbeteiligung ausgegangen sei. Sowohl die verlängerte Öffnungszeit wie auch die Tintensache haben jedoch keine reale Basis in einer ausser in den Wohlstandszonen minimalen Wahlbeteiligung. Der Verdacht ist nahe liegend, dass die Gorillas des TSE damit die eine Notoperation für eine Beteiligungsfrisierung eingeleitet haben. Zu der Behauptung des Wahlgerichts, bei der Wahlfarce von gestern handle es sich um die best beobachteten Wahlen mit der grössten je erreichten Beteiligung meint Moreno: “Man darf bei diesen Behauptungen des Wahlgerichts mit Recht misstrauisch sein, denn unsere Beobachtungen an den Wahltischen gehen in Richtung einer authentischen Abstinenz, diese Behauptungen der Wahlen mit der grössten Beteiligung lassen sich nur vor dem Hintergrund einer vorgängig gefassten Entscheidung verstehen, dass man unabhängig von der Zahl der WählerInnen, um Argumente zu haben, die Bedingung der Tinte aufhebt und die Öffnungszeit um eine Stunde verlängert”. Anzufügen wäre noch, dass laut Wahlgesetz das TSE keinerlei Kompetenz besitzt, die Tintenerfordernis aufzuheben.

 Von der Washington Post bis zur Widerstandsfront ist man sich einig: In den Volksquartieren wurde kaum gewählt. Doch dies kümmert das Putschlager nicht. CNN sprach schon gestern Abend (Ortszeit) von 70% Wahlbeteiligung. Mit dissidenten Ansichten wird man auf erprobte Weise fertig. Als gestern im Hotel, in dem das TSE seine Resultate bekannt gab, eine Gruppe internationaler Putschfans, die sich als “Wahlbeobachter” deklarierten, von einer enthusiastischen Wahlbeteiligung fabulierten, intervenierte eine Journalistin von al-Jazeera mit dem Hinweis auf die enorm tiefe reale Quote. Das war falsch. Die “Wahlbeobachter” drängten sie physisch zum Raum hinaus, darunter aktiv der frühere salvadorianische Staatspräsident Calderón Sol. Hillary Clintons Mann im Präsidentenpalast von Costa Rica kündigte heute an, die neu gewählte demokratische Regierung anzuerkennen; Hugo Llorens, der US-Botschafter in Tegucigalpa, wiederholte, gleich wie ein Sprecher des State Departments, die seit Tagen verwandte Formel: “Die Wahlen sind ein notwendiger, aber nicht hinreichender Schritt” (El Tiempo, 30.11.09) zurück zu volldemokratischen Verhältnissen. Washington meint damit, jetzt solle das honduranische Parlament eine Art Regierung der “nationalen Einheit” unter – why not? – einem wiedereingesetzten Präsidenten Zelaya befürworten, damit dieser auch geziemende Übergabefeiern an die Regierung von Putschist Pepe Lovo organisieren könne.

Im Zusammenhang mit der Operation von gestern von Demokratie zu reden, ist natürlich zynisch. Nicht nur die frisierten Wahlzahlen verbieten das, sondern auch die von zahlreichen internationalen Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und der CIDH (OAS) konstatierten systematischen Verletzungen der Voraussetzungen für halbwegs plausible Wahlvorgänge (Armeeterror, Mediengleichschaltung, Folter von Oppositionellen etc.). Natürlich wird nichtsdestotrotz Washington, ergo die “internationale Gemeinschaft”, mehrheitlich auf business as usual einschwenken. Und dafür eine merkliche Verschärfung im Kontinent ernten – und in Honduras, wo die Leute die Wahrheit wissen.

In den hiesigen Medien wird die Putschversion übernommen werden, da und dort mit ein paar vornehmen Worten angereichert, die seelische Distanz zu den doch etwas sehr ruppigen Gorillas transportieren sollen. Viele AuslandkorrespondentInnen vor Ort werden schon gar nicht auf die Idee gekommen sein, zur Abwechslung mal aus einem Wahllokal in einer Armutszone zu berichten, und können sich so noch einreden, „ehrlich“ zu sein – im Upperclass-Wahlzentrum war die Beteiligung ja gar nicht schlecht. Die vielen Menschenrechtsverletzungen vor, während und nach der Wahlfarce sind so gut wie kein Thema.

Was kümmert etwa schon die Nachricht, dass 15 Menschen aus der nahe von El Salvador gelegenen Gemeinde Santa Elena im Department La Paz nach el Salvador geflüchtet sind. Mit Grund, wie die Geschichte des sich darunter befindenden Campesino José Asunción Martínez zeigt. Letzten Freitag machte die Polizei bei ihm nachts eine Hausdurchsuchung, es gelang ihm, durch ein Fenster zu entkommen. Um 1 Uhr nachts erwischen ihn aber mehrere Polizisten einer Spezialeinheit und verprügelten ihn so, dass er einige Stunden bewusstlos blieb – und mit einem gebrochenen Arm. Er sei für einen Anschlag auf einen Sendemast eines Radios verantwortlich, brüllten sie ihn an. Sie schossen in die Luft, drohten ihn zu erschiessen und rückten auch mit dem wahreren Grund ihres Terrors heraus: Martínez sei Mitglied der indigenen und Campesinaorganisation COPINH. Unter den Flüchtlingen befinden sich auch Leute, die in den vergangenen Monaten im Zusammenhang mit Aktionen des Widerstands verhaftet worden waren und jetzt um ihr Leben fürchten. Sie teilen damit das Los all jener, die von der Armee als AktivistInnen des Widerstands identifiziert worden sind. Unvergessen ist das Zirkular der Armeespitze an alle BürgermeisterInnen des Landes, Mitglieder der Resistencia zu denunzieren. Democracy eben – ein grosses Aufatmen in den freien Medien, dass in Honduras Chávez gestoppt werden konnte.

Honduras - Kommuniqué 40 des Widerstandes

Nationale Widerstandsfront gegen den Putsch

Kommuniqué 40

Tegucigalpa, 29. November

Gescheiterte Wahlfarce in Honduras

Wir teilen dem honduranischen Volk und der internationalen Gemeinschaft mit, dass die von der Diktatur inszenierte Wahlfarce gescheitert ist. Obwohl der Wahlrat der Putschregierung die Öffnungszeit  der Wahllokale verlängerte, blieb die Wahlbeteiligung kümmerlich. Die Wahlfarce ist zu einem Fiasko geworden.

Es ist offensichtlich.
Unsere Organisation hat ein landesweites Monitoring durchgeführt. Dieses zeigt eine klare Wahlenthaltung der Mehrheit der honduranischen Bevölkerung. Rund 65-70% der Wahlberechtigten sind nicht wählen gegangen, das hat es in der Geschichte von Honduras bisher nicht gegeben (in Honduras herrscht Wahlzwang, d.Ü.). Höchstens 30-35% der Wahlberechtigten haben gewählt. Auf diese Weise hat das honduranische Volk  den Putsch-Kandidaten und der Diktatur eine klare Abfuhr erteilt.
Die Putschregierung versucht krampfhaft der internationalen Öffentlichkeit, ein  Wählervolumen vorzutäuschen. Wir verurteilen Wahlbetrugsmanöver wie z.B. die Einreise von Salvadorianern der rechtsextremen ARENA-Partei, die in unser Land gekarrt worden sind, um hier zu wählen. Bauern aus der Gemeinde Magdalena, Intibuca haben dies beobachtet und uns informiert. Wir müssen davon ausgehen, dass die Putschregierung versucht, die Wählerstimmen mittels elektronischer Manipulation zu erhöhen.
Das De-facto-Regime hat eine friedliche Demonstration in San Pedro Sula brutal unterdrückt. Es gab zahlreiche Verletzte und Verhaftete, ein Teilnehmer ist seither verschwunden. Unter den verletzten befindet sich ein Reporter von REUTERS. Zwei religiöse Mitglieder des lateinamerikanischen Kirchenrates, die als Menschenrechtsbeobachter in San Pedro Sula waren, wurden verhaftet.
Die massive Wahlenthaltung ist ein Sieg des honduranischen Volkes. Die nationale Front gegen den Putsch ruft alle  HonduranerInnen im Widerstand auf, morgen das Scheitern der Diktatur zu feiern.
Wir rufen zu einer grossen Versammlung morgen Montag, 30. November, ab 12 Uhr im STYBIS auf und ab 15 Uhr zu einer grossen Sieges-Karawane gegen die Wahlfarce ausgehend von Planeta Cipango.
Wir leisten Widerstand
Venceremeos!

¡RESISTIMOS Y VENCEREMOS!
Tegucigalpa, M.D.C. 29 de noviembre de 2009

Honduras - weiteres Kommuniqué des Widerstandes

Sonntag, 29. November 2009

Nationale Widerstandsfront gegen den Putsch

Kommuniqué 39

Tegucigalpa, 29. November

Im Zeitraum von 7am bis 11am heute früh haben wir das Scheitern der Wahlfarce aufgrund der spärlichen Wahlbeteiligung gesehen, trotz der Einschüchterungskampagne mit Strafandrohung generell an die Bevölkerung, wenn sie nicht wählen ginge. Und auch trotz der Arbeitsplatzdrohung sowohl durch die De-facto-Regierung als auch einen Teil der Privatunternehmer, dass nämlich Angestellte, die keinen Beweis für die Wahlbeteiligung vorlegen, ihre Stelle verlieren [Beweis: Am Wahltisch wird ein Finger mit Spezialtinte eingefärbt.] Diese Realität verbietet es dem Obersten Wahlgericht, aufgeblasene Resultate vorzulegen, um so die Glaubwürdigkeit seiner Wahlfarce zu stärken.

Dies bedeutet auch, dass das honduranische Volk die Reife erlangt hat, zu erkennen, dass diejenigen, die zu diesem illegitimen Wahlprozess aufrufen, das Haupthindernis für Freiheit und Glück der Bevölkerung darstellen. Das drückt sich in der freiwilligen Beteiligung an der Orientierung der Nationalen Widerstandsfront gegen den Putsch für eine aktive Ausgangssperre des Volkes, um die Wahlfarce der Diktatur nicht zu legitimieren. Wir rufen das mutige und würdige Volk von Morazán [Freiheitsheld] dazu auf, weiterhin entschlossen und wachsam zu bleiben, bis das Putschmanöver definitiv besiegt ist.

Wir klagen vor dem honduranischen Volk und der internationalen Gemeinschaft an, dass die Repressionskräfte der usurpierenden Regierung ihre Terrorkampagne gegen jene fortgesetzt haben, die wir uns dem Staatsstreich entgegen stellen. Seit gestern Nacht und heute früh finden willkürliche Hausdurchsuchungen in Lokalen der Volksorganisationen und in Privatwohnungen statt, kommt es in Quartieren, die zu den Bastionen des Widerstandes zählen, zu polizeilichen Einschüchterungsaktionen, zu militärischer Umzingelung von Gewerkschaftssitzen und zu Strassenblockaden und einschüchternden Kontrollsperren.

Wir danken den zentralamerikanischen Völkern für ihre Solidarität und mutige Haltung bei der Blockade panamerikanischer Strassen in Ablehnung des Putschregimes. Wir danken auch der internationalen Gemeinschaft, die über verschiedene Organisationen der Solidarität und der Garantie für die Respektierung der Menschenrechte präsent ist.

¡RESISTIMOS Y VENCEREMOS!

[Anm. ZAS : Zum Dank für die Strassenblockaden in den Nachbarländern ist zu sagen, dass diese insbesondere dazu dienen sollen, zu verhindern, dass mit falschen, aber offiziellen honduranischen Ausweisen ausgestattete Leute der rechten Parteien von Nicaragua, El Salvador und Guatemala an der Wahlfarce teilnehmen. Der rechte „Wahltourismus“ in der Region ist gut eingespielt]

Honduras: Situationsbild. Wahlabstinenz, Anschläge, Repression


(29.11.09) In wenigen Stunden geht die Wahlfarce der kaum kaschierten Militärdiktatur zu Ende. Ingesamt ergeben die vorliegenden Berichten und Telefonkontakte folgendes Bild: massive Wahlabstinenz in den Volksquartieren und reger Besuch der Wahllokale in den Upper Class-Zonen der Hauptstadt und der Wirtschaftsmetropole San Pedro Sula und ausgeprägte Militarisierung in Landesinnern. Insgesamt scheint sich eine politische Niederlage des De-facto-Regimes abzuzeichnen. Es gibt allerdings wenig Zweifel, dass das Wahlgericht die Beteiligungszahlen nach oben frisieren und das von Washington zwecks Einleitung des Business as usual übernommen werden wird.

Eigenartig sind diverse Anschläge von gestern und heute früh, so eines heute um 8am in einem Wahllokal von San Pedro Sula. Mit Bestimmtheit steckt nicht die Widerstandsfront dahinter, die sehr genau weiss, dass sie damit den Repressionskräften den lange gesuchten Vorwand liefern würde, um mit massiver militärischer Gewalt gegen sie vorzugehen. Aus Polizeikreisen war, wie das argentinische Rechtblatt Clarín gestern berichtete, interessanterweise zu hören, diese Anschläge stammten wohl eher aus der Küche von Angehörigen der Liberalen Partei. Doch weist Clarín zu Recht auf den spekulativen Charakter solcher Angaben hin. Tatsächlich waren die bisherigen Anschläge mit nur geringem Sachschaden Wasser auf die Mühlen der PutschistInnen. Sie erlaubten es, die Repression derart anzuziehen, dass der Frente de Resistencia für heute zum Beispiel in Tegucigalpa dazu aufgerufen, nicht auf die Strasse zu gehen, um sich nicht massiver Repression auszusetzen, sondern zu Hause zu bleiben. (In San Pedro Sula, wo laut Regime kaum nationale Widerstandskader agieren und es deshalb eine niedrige Repressionslatte ansetzte, kam es heute im Gegensatz dazu zu einer Demo, die vor ca. 1 Stunde angegriffen und aufgelöst wurde.)

Doch diese Repressionsschiene zeitigt auch eine unerwünschte Wirkung. Eine „moderate Paranoia“ (Clarín) machte sich breit. Ereignisse wie Schusssalven heute im Morgengrauen in der Nähe des Flughafens der Hauptstadt bewirken gewiss nicht die von den Gorilettis sehnlich gewünschte massive Wahlbeteiligung. Wie uns Betty Matamoros vom internationalen Sekretariat des Widerstandes gerade gesagt hat: „Es sind beide Faktoren, Wut über die Farce und Angst, die dafür sorgen, dass die Leute nicht raus gehen“. Diese an sich für das Regime und das Weisse Haus kontraproduktiven Anschläge von heute früh können aber auch auf eine sehr gefährliche Tendenz hinweisen: Dass das Putschregime nämlich die Hoffnung, die Bevölkerung signifikant für die Wahlfarce mobilisieren zu können, aufgegeben hat und jetzt zur Zerschlagung der Widerstandsfront übergehen will, um der Ende Januar nachrückenden Putschequippe in der Casa Presidencial eine „saubere Situation“ übergeben zu können.

Dass es mit der Wahlbeteiligung wirklich nicht weit her sein kann, machen übrigens auch die Homepages der Putschmedien deutlich. Kein einziges Bild von einem Massenandrang, wie es sonst für Wahlanlässe normal ist, dafür viel Lärm um irgendwelche Statements prominenter PutschfreundInnen aus dem In- und Ausland. Auf der Seite des Frente, voselsoberano.com, ist dafür ein kurzes Video der Feministas en resistencia zu sehen, aufgenommen um 10am Ortszeit, mit Aufnahmen einer Reihe verblüffend leerer Wahlzentren in der Hauptstadt. Auf dem Land scheint der Armeeterror für die Wahlbeteiligung massiv zu sein. So wird etwa von der Isla Zacate Grande berichtet, dass heute früh Soldaten 800 Familien unter Waffenandrohung an die Urne gezwungen und geprügelt haben und 24 Mitglieder der Comunidad untergetaucht sind.

Honduras - Kommuniqué des Widerstandes

Nationale Widerstandsfront gegen den Putsch

Kommuniqué Nr. 38

Tegucigalpa, 28. November 2009-11-29

1. Wir prangern an: Stunden vor Beginn der Wahlfarce der Militärdiktatur begannen die Repressionskräfte eine wilde Verfolgung antiputschistischer Volksorganisationen. So z. B. die Durchsuchung und Verwüstung des Sitzes der Red Comal (Netz für solidarische Vermarktung biologischer Agrarprodukte) in Siguatepeque; die militärische Umzingelung des Büros von STIBYS (Gewerkschaft Lebensmittel und Handel) in Tegucigalpa, der Comunidad Guadalupe Carney in Silin (Colón) und des Quartiers La Paz in La Lima (Cortés) und die Militarisierung des Zentrums INESCO von Pater Fausto Milla in Copán. Gleichzeitig füllt uns der Bombenanschlag auf das Frauenrechtszentrum von San Pedro Sula mit Sorge.

Die Repression gegen AktivistInnen des Volkswiderstand am Vorabend der Wahlen hat ebenfalls zugenommen. Dafür steht die Verfolgung von Widerstandskadern in den Quartieren Kennedy und El Reparto in Tegucigalpa, Gualala und Santa Barbara in San Pedro Sula (Cortés) und die Verhaftung der feministischen Aktivistin Merlyn Eguigure in Tegucigalpa, freigelassen dank dem Druck ihrer Compañeras von der Bewegung Visitación Padilla.

Der Arbeitsplatz des Anführers der Partei Unificación Democrática, Gregorio Baca, wurde ebenfalls durchsucht, der Nachtwächter Humberto Castillo (behindert) mitgenommen. Das Haus der Schwester des Journalisten Percy Durón von Radio América
wurde durchsucht. Herr Fabricio Salgado Hernández aus dem Quartier Tiloarque ist in einem kritischen Zustand. Er wurde von den beim Generalstab Wache schiebenden Soldaten mehrfach angeschossen, nachdem er wegen der von den Soldaten aufgestellten Hindernissen einen Unfall hatte.

2. Diese Gewalt zeigt den Zustand der Wehrlosigkeit auf, in dem sich das honduranische Volk den Putschanhängern gegenüber befindet. Er gibt auch das Unterdrückungsklima wider, in dem die heute beginnende Wahlfarce stattfindet. Deshalb wiederholt die Nationale Widerstandsfront gegen den Putsch, dass die Bedingungen für freie und faire Wahlen nicht gegeben sind und dass das Beharren dieser Unregierung auf ihrer Abhaltung einzig der Notwendigkeit geschuldet ist, den so gekürten nachrückenden PutschistInnen das „Gesicht zu waschen“.

3. Wir weisen das honduranische Volk und die internationale Gemeinschaft auf die Möglichkeit hin, dass sich diese Repressionseskalation in den nächsten Stunden verschärfen kann. Dies würde mit der Welle von Anschlägen begründet, die sich in verdächtiger Form gegen Busse, Schulen und öffentliche Gebäude richten und die von der Policía Nacional in fast automatischer, unverantwortlicher und tendenziöser Weise dem Volkswiderstand zugeschrieben werden.

4. Deshalb betont  die Nationale Widerstandsfront gegen den Putsch erneut, dass unser Kampf FRIEDLICH ist und wir wiederholen unseren Aufruf an das honduranische Volk, sich nicht an der von der Oligarchie für heute montierten Wahlfarce zu beteiligen. Gleichzeitig dementieren wir jede Nachricht, die Verwirrung erzeugen und dem Volk weismachen soll, dass der Widerstand zum Wählen aufrufe.

Honduras: Ungute Stimmung vor den Putschwahlen

Donnerstag, 26. November 2009


Die USA lassen wählen – Lateinamerika spaltet sich politisch – die Diktatur betreibt ein Klima der Angst

(25.11.09) Allein letzten Dienstag haben 60 KandidatInnen für diverse Ämter ihre Kandidatur aus Protest gegen die Putschwahlen zurückgezogen. Es handelt sich dabei vor allem um Mitglieder der beiden Kleinparteien PINU und UD. Die eigentlich linke UD (Unificación Democrática) hatte vor wenigen Tagen beschlossen, den Wahlboykott der Widerstandsfront zu bekämpfen und sich an den Wahlen zu beteiligen – damit, wie ihr Chef, César Ham, treuherzig meinte, dereinst jemand in den Institutionen das Volk verteidige. Der diesen Beschluss fassende Parteikongress war allerdings ein Hohn – die meisten Delegierten waren nicht einmal informiert, geschweige denn anwesend, dim Gegensatz zu einer nicht gewählten Gruppe von Ham-AnhängerInnen. Das verbreitete Misstrauen gegen Ham sieht sich somit bestätigt. Allgemein wird dieser Schritt als das Ende der UD betrachtet – die Mehrheit der Parteimitglieder ist loyal in der Widerstandsfront. Möglicherweise wird Ham als argumentatives Alibi für einen „fairen Wahlprozess“ benutzt werden; im Land selbst dürfte sein Verkauf allerdings keine bedeutenden Auswirkungen haben.

In den Tagen zuvor haben sich nach dem Rückzug der parteiunabhängigen Kandidaturen um den früheren Präsidentschaftsanwärter und Gewerkschafter Carlos Reyes auch schon über 50 KandidatInnen der Liberalen Partei zurückgezogen, darunter auch solche in aussichtsreicher  Position für wichtige Bürgermeister- oder Parlamentssitze. Sogar ein Parlamentskandidat der Nationalen Partei hat seinen Verzicht bekannt gemacht.

Die OAS und die UNASUR (südamerikanische Staatengemeinschaft) entsenden keine Wahlbeobachtungsmissionen, da sie die Putschwahlen nicht mit Observation legitimieren wollen. Die USA ihrerseits betreiben im Kontinent eine intensive Druckkampagne, um möglichst viele Regierungen zur Anerkennung der Putschwahlen zu bringen. In El Salvador etwa haben rechte Medien offen über diese Vorgänge berichtet. Mit an Bord sind erklärtermassen Panama, Kolumbien, Kanada und Peru und wohl auch die mexikanische Regierung. Definitiv gegen die Anerkennung der Diktaturwahlen Stellung genommen haben neben den ALBA-Länder Regierungen wie jene von Brasilien, Argentinien oder Paraguay. Auch Guatemala oder El Salvador werden diese „Wahlen“ nur schon aus Selbsterhaltungstrieb nicht anerkennen dürfen; Costa Rica hält sich bedeckt und von vielen Karibikregierungen ist uns nichts bekannt.

Gestern wurde bekannt, dass Brasilien am 18. Oktober dem US-State Department vorgeschlagen hat, die Wahlen um zwei Wochen zu verschieben, um dem rechtmässigen Präsidenten Zelaya so die Möglichkeit zu geben, nach einer baldigen (…) Wiedereinsetzung ins Amt den Wahlprozess noch in halbwegs akzeptable Bahnen zu lenken. Natürlich hatte Washington dafür null Musikgehör. Schliesslich richtet die Administration Obama die Wahlen aus. State Department-Sprecher Ian Kelly sagte gestern: „Wir geben technische Unterstützung, um den Honduranern zu helfen und sicher zu stellen, dass dass dies freie, faire und transparente Wahlen sind“.

Was die Obama-Administration mit ihrem Druck für die Wahlanerkennung macht, ist einen Keil zwischen die lateinamerikanischen Nationen zu treiben. Brasilien hat sich Agenturberichten zufolge auch schon sehr ungehalten über die Position Kolumbiens und Venezuelas geäussert. Kurzfristig hat Obama damit Erfolg; mittelfristig ist die Partie nicht gelaufen. Die langjährige New-York-Times-Kolumnistin für Lateinamerika, Marcela Sánchez, zitiert eine Quelle im State Department mit der düsteren Einschätzung: „Wir sind zur alten Dynamik ‚alle gegen die USA’ zurückgekehrt“. Klar, von den grossen Hoffnungen auf Obama bleibt auch in Lateinamerika nicht mehr viel übrig.  

Zurück zu den Wahlen: Während es dem Kandidaten der rechten Nationalen Partei Pepe Lobo gelungen ist, an der Schlusskundgebung so etwa wie Stimmung unter seinen AnhängerInnen zu erzeugen, schaffte es der liberale Spitzenkandidat Elvin Santos nicht einmal, eine Sporthalle zu füllen. Dies trotz publik gewordener Weisung an das gesamte in den Ministerien arbeitende Personal, sich nach Arbeitsplatz organisiert und kontrolliert daselbst einzufinden. Fürs elektorale Ambiente sorgt derweil die Diktatur. Tegucigalpa ist voller Soldaten, seit Tagen donnern immer wieder Kampfflieger und Helikopter dicht über die Dächer – psychologische Kriegsführung. Heute früh im Morgengrauen knallte es wieder in Tegucigalpa, laut Putschbehörden verursacht durch einen RPG-7-Beschuss des Obersten Gerichts und eines TV-Senders mit wie gewohnt kleinem Sachschaden. Dafür hat die Polizei im Departement  Yoro angeblich ein Waffenarsenal gefunden (Gewehre, Pistolen, Munition) und dabei vier Leute verhaftet, darunter angeblich auch zwei Nicas – von denen zumindest der eine jedoch klar ein Hondureño ist. Für die Polizei sind die Verhafteten Mitglieder der Widerstandsbewegung, die sich auf die Wahlsabotage vorbereitet haben sollen. Die örtliche Widerstandsbewegung kennt die Verhafteten noch nicht einmal.

Anders dafür die Lage beim Attentat auf einen Zelaya aktiv unterstützenden Unternehmer aus dem westlichen Departement Olancho vom Mittwoch letzter Woche. Bei dem zehnminütigen Angriff in der Stadt Juticalpa gab ein Kommando pausenlos Salven aus schweren Waffen ab und tötete zwei Leibwächter des selber unverletzt gebliebenen Unternehmers Ulises Sarmiento. Anschliessend fuhr es davon und passierte ohne irgendwelche Belästigung eine Strassensperre der Sicherheitskräfte, die eh die ganze Gegend militarisiert haben.

Stimmungsbilder aus Honduras vermitteln eine massiv steigende Spannung und auch eine reale Angst vor schlimmen Vorkommnissen. Vor einer Weile schon hat die Menschenrechtsorganisation CODEH einen Plan der Militärs angeprangert, demzufolge als Mitglieder der Widerstandsbewegung verkleidete Angehörige von militärischen Spezialeinheiten ein Massaker unter ParteigängerInnen des Putschregimes anzetteln würden, um so freie Bahn für die blutige Zerschlagung des Widerstands zu schaffen. CODEH will von diesem Plan von Angehörigen der Streitkräfte erfahren haben. Auch die Menschenrechtsgruppe COFADEH befürchtet Provokationsaktionen als Einleitung einer massiven Repression. Der Frente de Resistencia schreibt in seinem Comuniqué vom 24. November: „Der Repressionsapparates des Staates hat die Überwachung und Verfolgung der AktivistInnen des Widerstandes erhöht bis zum Punkt der Ausrufung eines Ausnahmezustandes, der die Präambel für eine militärische Offensive gegen das unbewaffnete Volk sein könnte“. Gestern wurde die Leiche des Lehrers Luis Gradis Espinal gefunden, eines der Anführer des Widerstandes im Department Valle. Er war am Sonntag nach Tegucigalpa gefahren, um dort seinen Sohn zu treffen und war, wie die Widerstandsfront von ZeugInnen weiss, von einer Polizeipatrouille auf der Umfahrungsstrasse von Tegucigalpa verhaftet worden.

Correos 159, 28. Oktober 2009

Mittwoch, 25. November 2009

Inhaltsverzeichnis und ausgewählte Artikel auf

http://zas-correos-heft.blogspot.com/

Manif Honduras - 21 de novembre, 13:30 - Hirschengraben, Berne

Donnerstag, 19. November 2009

Appell pour la manif ici (170 kb)

Honduras-Demo!!! - 21. November, 13:30 - Hirschengraben, Bern

Aufruf für die Demo hier (370 kb)

Honduras-Ticker: Berta Cáceres über Militarisierung, Wahlfarce und Widerstand


Ja, Compañera, wir sind wirklich enorm besorgt, denn wir wissen, dass eine Repressions- und Gewaltwelle gegen das honduranische Volk kommt. Es ist unglaublich, wie sich die Armeepräsenz in Tegucigalpa intensiviert und dezentralisiert und bis in unsere Departemente kommt.

Berta Cáceres

Berta Cáceres leitet den Zusammenschluss von indigenen und Campesinacomunidades COPINH, Mitglied der Widerstandsfront. Das Interview ist vorgestern von Liliana Daunes und Claudia Korol für das argentinische Internetradio La Rosa Blindada aufgenommen worden. Auszüge daraus:

Berta: Der Widerstand hat das honduranische Volk dazu aufgerufen, die Wahlen zu missachten und sie von den Basisorganisationen aus zu boykottieren. Dies wird in verschiedenen Teilen des Landes ausgeführt, mit je eigener Prägung. An jedem Ort entscheidet das Volk aufgrund seiner Fähigkeit und seiner Realität darüber, welche Aktion es mit welcher Strategie machen will. Aber ich will euch sagen, Compañeros und Compañeras, es gibt eine starke Repression. Es beunruhigt uns, dass man im Ausland kaum etwas davon hört. Wir haben eine völlige Militarisierung der Gesellschaft. Die tritt heute unverhüllt auf, zum Beispiel auch in meiner Region, wo ich bin, hier im Südwesten von Honduras, einer indigenen Lenca-Region. Hier ist es zu Besorgnis erregenden putschistischen Aktivitäten gekommen. Zum Beispiel die Versammlung von 800 rechtsextremen Reservisten, die praktisch ein Söldnerheer sein werden. Das war am Samstag.

Wir betonen, dass uns die Situation wirklich sehr besorgt. Sie haben Flugblätter verteilt, um zur Denunziation aufzurufen, um das Spitzeltum anzukurbeln, den Teil der Bevölkerung, der vielleicht mit ihnen sympathisiert, zum Denunzieren zu bringen.
(…)

Claudia: In dieser Situation zeigt sich auch, was für eine Farce die Verhandlungen waren. Wie es darum ging, mit Verhandlungen eine politische Lösung aufzuschieben. Und jetzt haben wir diesen Entschluss des honduranischen Parlaments, über die Wiedereinsetzung von Zelaya am 2. Dezember zu reden, nach den Wahlen. Der gesunde Menschenverstand und die Intelligenz werden hier aufs Korn genommen.
Berta: Natürlich, das war von Beginn weg mit den Gringos abgesprochen. Wir haben das als Organisation von Anfang gesagt, als dieses Abkommen von San Jose, Tegucigalpa oder Guaymura aufkam, wie es je nachdem genannt wird. Es ist klar, die Gringos haben darauf gesetzt und sie wollen die Putschphase mit Wahlen abschliessen, um das dabei herauskommende Regime zu legitimieren, das nur die Fortsetzung des Putschismus ist. Sie setzen alles darauf. Wir prangern an, dass diese Verhandlungen eine Falle waren. Deshalb haben wir in unserem Kampf dieses Manöver der USA standhaft kritisiert, das uns sehr gefährlich scheint. Es ist Teil einer kontinentalen Strategie, vom ersten Tag des Putsches an eine Putschtendenz im ganzen Kontinent einzuführen.

Wir haben auch gesehen, wie sie neben dem Staatsstreich die Militarisierung vorantreiben. Es ist kein Zufall, dass man während dieses Putsches um sieben Militärbasen in Kolumbien und zwei in Panama vorangetrieben hat. Es handelt sich um eine umfassende Destabilisierungsstrategie in Süd-, aber auch hier in Zentralamerika.
(…)

Ja, Compañera, wir sind wirklich enorm besorgt, denn wir wissen, dass eine Repressions- und Gewaltwelle gegen das honduranische Volk kommt. Es ist unglaublich, wie sich die Armeepräsenz in Tegucigalpa intensiviert und dezentralisiert und bis in unsere Departemente kommt. Wir wollen der Welt unsere Besorgnis mitteilen. Es ist nicht möglich, dass es hier zu Morden, zu Verbrechen kommt, und sie bleiben unbestraft. Das honduranische Volk richtet sich an die internationale Gemeinschaft, an die internationale Solidarität, damit ihr uns im Kampf begleitet. Wir brauchen, Compañeras, Compañeros, dass man uns hört. Die Strategie der Streitkräfte ist, das Volk zu töten, vor und während der Wahlen. Sie wollen das honduranische Volk terrorisieren. Uns mit dem Gewehr zur Beteiligung an dieser Wahlfarce zwingen. 

Das honduranische Volk wird weiterkämpfen. Wir werden hier nach 143 Tagen harten Widerstands, aber überwältigender Würde weitermachen. Trotz aller Drohungen, denen alle Führungskader und die AktivistInnen ausgesetzt sind. Wir kämpfen weiter und machen uns diese Parole zueigen: „Nos tienen miedo porque no tenemos miedo“ – Sie haben Angst vor uns, weil wir keine Angst haben.

Marcha Honduras - 21 de noviembre, 13: 30 - Hirschengraben, Berna

Convocación a la marcha (170 kb)

Honduras: "Wir werden das Steinchen im Schuh sein"

Mittwoch, 18. November 2009

17. November 2009, 06:53

http://derstandard.at/fs/1256744924875/Wir-werden-das-Steinchen-im-Schuh-sein


Iris Oneyda Henríquez: "Der gemeinsame Gegner hat die Bewegung gefestigt."




Yadira Rodríguez: "70 Prozent der Bevölkerung wollen eine Reform der honduranischen Verfassung."





Iris Oneyda Henríquez: "Praktisch alle honduranischen Zeitungen unterstützen den Staatsstreich."


Am 29. November wird der Nachfolger des Ende Juni gestürzten honduranischen Präsidenten Manuel Zelaya gewählt. Obwohl die Weltgemeinschaft die Putschisten um Roberto Micheletti darauf hingewiesen hat, dass sie das Ergebnis nicht anerkennen wird, wollen diese den Urnengang durchziehen. Yadira Rodríguez und Iris Oneyda Henríquez erklären im Gespräch mit Berthold Eder, was die Widerstandsbewegung für die Zeit nach den Wahlen plant.

derStandard.at: Am 29. November soll ein neuer Präsident gewählt werden. Haben Sie vor, an der Wahl teilzunehmen?
Yadira Rodríguez: Obwohl in Honduras Wahlpflicht besteht, gehen wir beide nicht hin. Es ergibt keinen Sinn, an einer Abstimmung teilzunehmen, bei der das Ergebnis von vornherein feststeht. Ob jetzt Porfirio Lobo von der Nationalen Partei oder Elvin Santos von den Liberalen gewinnt, macht keinen Unterschied, weil beide Parteien gleich korrupt sind. Egal wie die Wahl ausgeht: unsere Situation wird sich dadurch nicht verändern.

derStandard.at: Wie soll es nach dem 29. weitergehen? Zahlreiche Länder haben angekündigt, dass sie die Wahl nicht anerkennen werden, aber eine Rückkehr Zelayas ins Amt ist dann auch ausgeschlossen. Gibt es Bestrebungen, weiter auf eine Verfassungsreform hinzuarbeiten?

Iris Oneyda Henríquez: Die Nationale Widerstandsfront will eine Verfassungsänderung erreichen, wie sie Präsident Zelaya vor dem Putsch anstrebte. Wir werden auch nach der Wahl auf die Straße gehen, unabhängig davon, wer gewinnt, um unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen.

Yadira Rodríguez: Mittlerweile hat die Bevölkerung diese Forderung Zelayas übernommen. Unseren Informationen zufolge unterstützen über 70 Prozent der Honduraner eine Reform der Verfassung, die von den bisherigen Regierungen schon oft gebrochen wurde. Wir werden diese vier Jahre unter einer De-Facto-Regierung überstehen.

derStandard.at: Und dann?

Iris Oneyda Henríquez: Vor dem Putsch war der honduranische Widerstand zerstritten. Der gemeinsame Gegner hat die Bewegung gefestigt. Diese Wahl kann man abschreiben, aber wir werden wie ein Steinchen im Schuh der Putschisten sein.

derStandard.at: Gibt es Politiker, die die Forderungen dieser 70 Prozent unterstützen?

Yadira Rodríguez: An der Widerstandsbewegung sind Abgeordnete aller Parteien und zahlreiche Führungspersonen beteiligt. Beispiele sind der Liberale Javier Hall, der aus unserem Distrikt El Progreso stammt, und der Sozialist César Ham, der sich sogar für die Präsidentschaft beworben hat und jetzt gerade mit der Basis Rücksprache hält, ob er diese Kandidatur zurückziehen soll, wie es der Gewerkschafter Carlos H. Reyes getan hat.

derStandard.at: Präsident Zelaya ist selbst Großgrundbesitzer. Nehmen Sie ihm seine Reformabsichten ab?

Yadira Rodríguez: Zelaya stammt aus einer reichen Familie, und am Anfang war seine Regierung nicht besonders beliebt. Aber durch Maßnahmen wie die Anhebung des Mindestlohnes um 60 Prozent, seinen Einsatz für Frauenrechte und die finanzielle Unterstützung für Kleinbauern, damit diese Saatgut und Dünger kaufen können, ist es ihm gelungen, die Sympathie der Bevölkerung zu erringen. Er hat dann auch angefangen, Steuerschulden und jahrelang nicht bezahlte Stromrechnungen von Unternehmen eintreiben zu lassen. Mit seiner Politik hat er natürlich die Reichen in Honduras verärgert. Wir haben da ein Sprichwort: "Die Interessen der Wirtschaftstreibenden zu beeinträchtigen ist wie den Tiger am Bart zu zupfen", und genau das hat er getan.

derStandard.at: Der populäre Priester Fausto Milla nimmt an Demonstrationen teil, während Kardinal Rodríguez Maradiaga die Putschisten unterstützt. Wie steht die Kirchenbasis zum Staatsstreich?

Yadira Rodríguez: Die katholische Kirche hat einen großen Einfluß. Während die Kirchenführung immer schon zu den Eliten hielt, geht die Basis auf die Straße, weil sie einem Kardinal, der den Putsch offen unterstützt, den Gehorsam verweigert. Viele Kirchenleute tragen diesen Akt des Ungehorsams mit.

derStandard.at: Wie sieht es mit internationaler Unterstützung aus?

Yadira Rodríguez: Vertreter mehrerer internationaler Organisationen und zahlreicher Staaten sind nach Honduras gereist, um uns zu helfen, die Krise zu beenden. Aber die Putschisten haben sich über diese Forderungen einfach hinweggesetzt. Es ist enttäuschend, dass eine Gruppe von Unternehmern, die einen Staatsstreich unterstützt, mehr Einfluss hat als die UNO oder die Organisation Amerikanischer Staaten.

derStandard.at: Einen Tag nach dem Staatsstreich präsentierten die Internetausgaben honduranischer Zeitungen eine "Rücktrittserklärung" Präsident Zelayas, die drei Tage vor dem Putsch datiert war …

Iris Oneyda Henríquez: Schau mal, der hat sie!

Yadira Rodríguez: Das Original dieses Schreibens, dessen Verlesung alle Fernseh- und Radiostationen bringen mussten, ist offiziell verloren gegangen. Wir haben es aber schon damals nicht geglaubt – wie soll eine Person, die im Pyjama und mit einer Pistole an der Schläfe außer Landes gebracht wird, so eine Rücktrittserklärung abfassen? Die Putschisten haben wohl geglaubt, das Volk wie in den 70er oder 80er Jahren mit gefälschten Dokumenten überzeugen zu können. Aber die Honduraner haben dazugelernt und nehmen so etwas nicht mehr schweigend hin.

Iris Oneyda Henríquez: Dass die Putschisten 15 Tage nach Veröffentlichung dieses Dokuments Präsident Zelaya zum Rücktritt aufgefordert haben, spricht auch nicht gerade dafür, dass diese Leute logisch denken.

derStandard.at: Wird in den Medien über solche Widersprüche berichtet?

Iris Oneyda Henríquez: Praktisch alle honduranischen Zeitungen unterstützen den Staatsstreich, weil ihre Eigentümer den Putschisten nahestehen. Sie manipulieren in ihren Berichten auch immer wieder Teilnehmerzahlen. So haben sie bei dieser Kundgebung gegen den Putsch in San Pedro Sula behauptet, dass lediglich fünf Personen teilgenommen hätten (zeigt ein Foto).

derStandard.at: Haben die von den Militärs geschlossenen Radio- und Fernsehsender mittlerweile wieder den Sendebetrieb aufgenommen? Zumindest im Internet ist Radio Globo weiterhin zu empfangen.

Yadira Rodríguez: Sowohl Radio Globo als auch der Jesuitensender Radio Progreso senden weiterhin, aber am Wahltag werden sie wohl wieder daran gehindert werden, über aktuelle Ereignisse zu berichten.

derStandard.at: Als Präsident Zalaya auf dem Hauptstadtflughafen Toncontín landen wollte, blockierten die Militärs die Landebahn. Warum ist er nicht auf den nahegelegenen Flugplatz Palmerola (die Soto Cano Airbase, auf der US-Joint Task Force-Bravo stationiert ist) ausgewichen?

Yadira Rodríguez: Natürlich hätten ihm die Gringos ermöglichen können, auf ihrem Stützpunkt zu landen. Für mich ist das, was gerade in Honduras geschieht, unter anderem ein Experiment für die zukünftige Lateinamerikapolitik der USA, sie proben hier, wie sie mit Kuba und Venezuela umgehen wollen. Wir sagen hier "Die USA schlagen dich und verstecken dann die Hand hinter dem Rücken" (gestikuliert). Offiziell schicken sie hohe Vertreter, um eine Verhandlungslösung zu bewirken – aber angesichts der militärischen Überlegenheit der USA und unserer Wirtschaftsabhängigkeit von ihnen (praktisch alle honduranischen Exporte gehen in die USA) hätten sie diesen Putsch binnen Tagen beenden können. (derStandard.at/17.11.2009)

Zur Person

Die Juristin Yadira Rodríguez und die ehemalige Näherin Iris Oneyda Henríquez sind für das Unabhängige Monitoring-Team Honduras (Equipo de Monitoreo Independiente de Honduras/EMIH) tätig. Die NGO hat es sich zum Ziel gesetzt , die Arbeitsbedingungen in der Exportindustrie Mittelamerikas zu verbessern, wobei sie besonderes Augenmerk auf die Situation von Frauen legt.

Honduras-Ticker: Liberale und Kardinäle und andere Putschisten

(18.11.09) Hans van Baalen (vgl. diesen Blogbeitrag), holländischer EU-Parlamentarier und neuer Präsident der Liberalen Internationalen (Schweizer Mitglied: der Freisinn), musste auf seinem Zentralamerika-Trip letzte Woche mehrmals für die Demokratie in den Ring steigen. In Nicaragua warf ihm Präsident Daniel Ortega den Ausdruck „holländischer Pirat“ nach, unter Anspielung auf den berüchtigten US-Filibuster William Walker, dessen Armee erst von einer geeinten zentralamerikanischen Armee besiegt wurde. In Radio Nederland gab der Typ nun zu, was ihm Ortega vorgeworfen und der nicaraguanische Oppositionscapo Eduardo Montealegre eifrig bestritten hatte. Dass er, van Baalen, sich nämlich beim nicaraguanischen Armeechef Hallesleven nach der Neutralität der Streitkräfte gegenüber der Regierung Ortega erkundigt habe. Van Baalen dreht das Ding nun so, dass er eben keinen Militärputsch gegen Ortega wünsche, sondern …. Ja was?. Grosshänschen aus dem Tulpenland weiss: „Roberto Micheletti [das Putschaushängeschild in Honduras] ist die Zukunft der Demokratie in Honduras, und Daniel Ortega muss die Macht in Nicaragua abgeben“ (Informe Pastrán. 18.11.09. Baalen confirma que sondeó al Ejército). Es versichert auch: „Die Liberalen unterstützen keine militärischen Handlungen gegen Präsidenten, aber es gibt Ausnahmen, wenn die Verfassungen verletzt werden. Ich wollte nur wissen, wie die nicaraguanische Armee diesen ganzen delikaten Zusammenhang sieht“ (id).

Bewundert Grosshänschen den Führer?
In Nicaragua hatte die sandinistische Mehrheit im Obersten Gericht kürzlich befunden, die 1995 von den Rechten eingeführte Nichtwiederwählbarkeit von StaatspräsidentInnen und BürgermeisterInnen verstosse gegen andere Verfassungsartikel und sei deshalb ungültig. Die Rechte im Land, angeführt von den beiden miteinander verfeindeten liberalen Grossgangstern Arnoldo Alemán und Eduardo Montealegre erblickt in diesem Verdikt einen Verfassungsbruch und Angriff auf die Grundfeste der Demokratie. Sie mobilisiert für kommenden Samstag zu einer Demo „gegen die sandinistische Diktatur“, während die Sandinistas ihrerseits eine grosse Gegenmobilisierung betreiben. Van Baalen erklärte sich in Nicaragua zum Vereiner der beiden liberalen Strömungen und propagierte die Demo vom Samstag. Es ist leider mit provozierten Gewalttaten zu rechnen.

Der Chefliberale und heutige VVD-Abgeordnete im EU-Parlament war, ist einem Artikel von Jean-Guy Allard auf rebelion.org von heute zu glauben, früher bei einer neonazistischen Gruppe namens Nederlandse Volks Unie dabei. 1998 soll er gezwungenermassen auf eine Kandidatur verzichten haben, nachdem ihn ein ehemaliger Studienkollege, Kees Maasland, bezichtigt hatte, eine „Faszination für Nazideutschland“ an den Tag zu legen. Baalen, so Massland, „bewunderte, wie Adolf Hitler die Massen manipulierte“. Jedenfalls bewundert er heutige „starke Männer“. Über Micheletti, dem seine Liberale Internationale gerade die Vizepräsidentschaft verliehen hat, meinte er: „Wir glauben, dass er den Liberalismus von Zentralamerika der Welt näher bringen kann“ (s. angeführten Blogeintrag). Klingt vertrauenserweckend, nicht?

Der Kardinal, Pinochet und ihre Schreiberin
Auch andere Männer treffen auf Unverständnis. Etwa der honduranische Putschkardinal Rodríguez. Zum Beispiel in Paris. Dort wollte ihm das „Institut Catholique“, bestimmt eine feine Institution, am 24. November ein Ehrendoktorat verleihen. Neidische Stimmen erhoben sich alsbald gegen den gottesfürchtigen Mann, der gleich zu Beginn des Putsches betont hat, wie gut dieser für das Land sei. Es gelang ihnen, die Preisverleihung zu vermasseln. Der Kardinal komme wegen der vielen Proteste nicht selber angereist, teilten die französischen Medien mit. Die (rechtmässige) honduranische Botschaft in Paris freute sich über diesen Rückschlag „für einen der wichtigsten Autoren des Staatsstreichs“. Dabei hat sich der Mann doch seit langem schon verdient gemacht. Etwa, als er 1982, damals noch Bischof von Copán, zusammen mit der Armee den katholischen Landpfarrer Fausto Milla aus seiner Diözese ins mexikanische Exil treiben konnte. Milla hatte das Massaker an vermutlich etwa 700 salvadorianischen BäuerInnen am Río Sumpul 1980 vehement kritisiert, bei dem die honduranische Armee Schützenhilfe geleistet hatte. „Mein Bischof scheint eher ein Oberst als ein Pastor zu sein“, meinte Milla damals. Rodríguez habe auch systematisch die ganze Pastorale für die Armen demontiert.

Doch nicht alles und alle sind dem Satan verfallen. Denken wir nur an Mary Anastasia O’Grady, die Lateinamerika-Kolumnistin vom Wall Street Journal. Sie veröffentlichte gestern einen herzzerreissenden Artikel über den Purpurträger, wie er unter der Anschuldigung leide, ein Putschist zu sein. Wo er doch nur sagt: Zelaya habe „keine moralische Autorität mehr, Präsident der Nation zu sein“. Das zeigten nämlich die Streitkräfte auf, die dafür um so mehr über dies Ding verfügen: „Heute wird die Armee respektiert, denn sie hat sich ihrer verfassungsmässigen Rolle gewidmet, das Gesetz und die Grenzen zu verteidigen“. Der grösste Verteidiger der Armen ist er, der Kardinal, und ein richtiger Feminist obendrein. Deshalb ist nämlich nicht gegen die Multis, teilt er O’Grady mit: „Die Maquilas [Montagefabriken der Multis] sind besonders wichtig für Frauen, denn ihre Jobs sind für sie eine Quelle der Würde gewesen. Wenn sie Geld verdienen, sind sie nicht mehr Sklavinnen der Macho-Männer in ihrem Leben, die oft noch nicht einmal ihre Gatten sind“. Für diese Würde sind die jungen Arbeiterinnen gerne nach wenigen Maquila-Jahren so weit, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Maquila arbeiten können.

Wem schüttet der Kardinal sein Herz aus? Der Gleichgesinnten, die einige Tage zuvor diese bemerkenswerten Zeilen fertig brachte: „Fidel Castro lernte ein Menge vom fehlgeschlagenen Giff nach der Macht des chilenischen Präsidenten Salvador Allende 1973 … Jetzt erleiden die Revolutionäre Lateinamerikas möglicherweise einen weiteren Rückschlag und dieses Mal können sie nicht behaupten, dass ein Militärputsch ihren Möchtegern-Diktator vertrieben habe. Stattdessen wurde der frühere honduranische Präsident Manuel Zelaya auf Befehl des Obersten Gerichts verhaftet. Trotz enormen internationalen Drucks hat die honduranische Demokratie bisher ihr Rechtsstaatlichkeit erfolgreich verteidigt“. (Selbige ist heute aber in El Salvador durch den FMLN bedroht, skizziert O’Grady im Rest des Artikels die nächste Frontlinie gegen die chavistische Diktatur in Lateinamerika).

Wahlbeochtung – das neue Wort für Komplizenschaft
Das Duo ist nicht gewillt, dem Wirken Satans respektive Chávez’ tatenlos zuzusehen. Rodríguez ist nämlich auch Chef von Caritas International, was übrigens das Schweigen so mancher nationaler Caritas-Organisationen zum Putsch miterklärt. Sein nationaler Klub, Caritas de Honduras, aber schweigt nicht. Er beteiligt sich am Wahltag so wacker an der „Wahlbeobachtung“, dass er zusammen mit ein paar anderen NGOs gleich eine parallele Schnellauszählung der Stimmen machen will, wie El Tiempo heute mitteilt. Die meisten WahlbeobachterInnen an dieser „fiesta cívica.“ werden übrigens von den regionalen Unternehmerverbänden und rechtsradikalen Organisationen aus Miami gestellt. Hinzu kommen noch ein paar Baalen-Leute und ähnliches. Eine offizielle Wahlobservation durch ausländische Regierungen wird es kaum geben, auch wenn sich etwa die Schweiz ihren „Expertenpool“ anscheinend doch für alle Fälle warm hält….

Man kann ja nie wissen. Ist doch grad Craig Kelly, Vizelateinamerikachef im State Department, in Honduras. Mel Zelaya liess gestern durchsickern, was Kelly will. Micheletti würde am nächsten Freitag zurücktreten und Zelaya für die Führung einer „Einheitsregierung“ Platz machen, die allerdings von seinem Plazet abhänge. Also der Traumdeal der Administration Obama: Putsch gerettet, demokratische Fassade auch. Wahlbetrug aufgegleist, Linke ausgetrickst, richtiges Ergebnis garantiert, Bewegung frei zum „unbemerkten“ Abschuss. Zelaya teilte mit, dafür nicht zur Verfügung zu stehen.

Honduras-Ticker: Folter 50 mal häufiger

Montag, 16. November 2009

medico international schweiz
(16.11.09) Honduras befindet sich kurz vor einer simulierten Präsidentschaftswahl unter den Putschisten. Eine politische Lösung ist gescheitert, das Putschregime wird über die Wahlen hinaus verlängert. Die breite Widerstandsbewegung boykottiert diese illegitimen Wahlen.
Seit dem Putsch vom 28. Juni litt diese Demokratiebewegung, welche die Wiedereinsetzung des Präsidenten Zelaya und eine profunde Reform des Landes fordert, unter Repressalien. Die Zahlen bezüglich den Toten auf Seiten der Protestierenden schwanken stark, sie gehen von zwei Dutzend bis auf weit über Hundert, viele Tote können nicht zweifelsfrei dem politischen Konflikt zugeordnet werden, aber die Umstände der Morde legen die Vermutung nahe.
Eine kleine, im Hintergrund arbeitende Organisation hat nun eine Bilanz bezüglich der Folterfälle gezogen: Das "Zentrum zur Prävention, Behandlung von Folteropfern und ihren Familien", CPTRT, hat von Juli bis Oktober 475 Fälle von Folterüberlebenden betreut. Das sind 118 monatlich, im Vergleich zum Vorjahr, wo 2.5 Fälle pro Monat an sie herangetragen wurden. Dies entspricht einer Steigerung der durch das CPTRT dokumentierten Folterfälle von 4750 Prozent. Eine schöne neue Demokratie, welche insbesondere von der Internationalen der liberalen Parteien ideologisch unterstützt wird.

Honduras-Ticker: Noch 7 Tage bis zur Demo

Sonntag, 15. November 2009

Wehrhafte Wahlen

(15.11.09) Was sagte doch vor zwei Tagen der holländische Präsident der Liberalen Internationalen, zu Besuch beim De-facto-Präsidenten in Honduras, von eben diesem Putschisten? „Wir [die Liberale Internationale] glauben, dass er den Liberalismus von Zentralamerika der Welt näher bringen … kann“. Eine interessante Aussage.

Im Putschblatt El Heraldo lese ich den Artikel „Segundo simulacro arroja resultados positivos“. Gepostet wurde er am 14.11.09, um 9:20 pm. Ich erfahre, dass die Probe des Wahlgerichts für die Auszählung der Resultate blendend verlaufen und die Transparenz des Demokratiefestes vom 29. November mehr als nur gewährt sei. Angereichert wurde das Ganze mit Details über die beteiligten Magistraten, bei der Simulation verwendete Namen u.ä. Nach einer Weile kommt das Putschblatt La Prensa an die Reihe, hier der Artikel „Sin dudas transmisión de resultados electorales“. Gepostet ebenfalls am 11.11., aber um 9:27 pm. Überwältigendes Déjá-vu. Es handelte sich um den fast hundertprozentig gleichen Artikel wie im Heraldo. Eine oder zwei Passagen waren hier gestrichen, ein oder zweimal gab es eine grosse Abwechslung wie folgende. La Prensa schreibt: „En el Marriott se instalarán los medios de comunicación“; der Heraldo improvisiert: „Será en el Marriott donde se instalarán los medios de comunicación“ („Im Marriott werden sich die Medien installieren“ versus „Es wird das Marriott sein, wo sich die Medien installieren werden“). Ansonsten der tupfengleiche Artikel, auch bezüglich der Folge der Absätze. Aber jeweils als redaktioneller Beitrag ausgewiesen. Zu Kriegszeiten druckten in El Salvador alle Zeitungen die Mitteilungen des Presseamtes der Armee unweigerlich am nächsten Tag ab, tel quel samt Schreibfehler, vom jeweiligen Redakteur als Eigenbeitrag firmiert.

Choloma ist eine der bevölkerungsreichsten Gemeinden in Honduras. Sie liegt in der riesigen Maquilazone im nördlichen Departement Cortés. Und sie ist ein Zentrum des Widerstandes gegen die Putschwahlen. Also wurde die Schule im Quartier López Arellano am letzten Donnerstag von Spezialeinheiten der Polizei und der Armee besetzt. Die Uniformierten hatten den Verdacht, dass hier die Verursacher mehrerer merkwürdiger Bombenanschläge der letzten Tage in Tegucigalpa, die bisher nur geringen Sachschaden angerichtet haben (der letzte in der Nacht auf heute), zu finden seien. Die liessen sich zwar noch nicht finden, doch immerhin an die hundert „Miguelitos“, so ein Staatsanwalt. Das sind aneinander geschweisste Nägel, ideal, um auf Strassen Autopneus zu beschädigen. Der Strafverfolger wusste: damit sollte die Auslieferung der Wahlunterlagen verunmöglicht werden. Die Schulverwaltung wies darauf hin, dass die Nägel auf der Schulmauer als Schutz gegen Einbrecher hätten einzementiert werden sollen. Der Schuldirektor ist ein bekanntes Mitglied des örtlichen Widerstandes. Er sagt: „Wie kommen sie darauf, dass wir die Wahlen mit einem Nagel boykottieren werden? Mein Wahlboykott wird darin bestehen, dass ich nicht wählen werde, dass ich mich wie Millionen von Personen an diesem Wahlzirkus nicht beteilige“. Warum wohl das De-facto-Regime den Begriff der „elecciones blindadas“, der „wehrhaften Wahlen“, benutzt?

Honduras-Ticker: Noch 8 Tage bis zur Honduras-Demo

Samstag, 14. November 2009

Vor einer grossen Repression – die Liberale Internationale liebt den Putsch

(14.11.09) Rund zwei Wochen vor den Diktaturwahlen vom 29. November zeichnet sich ab, wohin die Reise geht. Auf der einen Seite annullieren insbesondere Mitglieder der Liberalen Partei ihre Kandidaturen für die verschiedenen Posten und schliessen sich damit dem von Präsident Zelaya unterstützten Boykott der illegitimen Wahlen an. Auf der anderen Seite bringen die Putschisten „anti“-terroristisches Geschütz gegen die Widerstandsbewegung in Stellung. So kam es in den letzten Tagen und Nächten vor allem in Tegucigalpa zu einer ominösen Reihe von Anschlägen mit geringem Sachschaden, die jedoch vom De-facto-Regime als Teil des von der Bewegung angestrebten Wahlboykotts abgehandelt werden. In der Nacht auf Freitag schlug in der Hauptstadt eine russische Antipanzerrakete PG-7M mit einem Riesenknall auf ein leer stehendes Gelände in der Nähe eines Lagers voll mit Wahlunterlagen ein. Putschpräsident Roberto Micheletti dazu: „… diese Waffe hat in Zentralamerika nur die nicaraguanische Armee“ (El Heraldo. 14.11.09). Man wisse: Für alle Probleme in Honduras sind Hugo Chávez, die FARC und das sandinistische Nicaragua verantwortlich (manchmal auch der salvadorianische FMLN). Nica-WanderarbeiterInnen in Honduras werden oft besonders brutal verfolgt. Die Putschbehörden machen die Leitung des Widerstandes und die kleine Linkspartei DU direkt für die Anschläge verantwortlich.

Putsch- und Armeechef Romeo Vásquez erklärte im oben erwähnten Blatt: „Wir wissen, dass es Personen gibt, die die Bevölkerung dazu anhalten, nicht wählen zu gehen. Damit begehen sie ein Wahldelikt. Denn sie sollten im Gegenteil dafür sorgen, dass alle massiv wählen gehen, denn wir haben das demokratische System gewählt, das am besten in der Welt ist“. An anderer Stelle im gleichen Artikel (25 mil hombres impedirán boicot a las elecciones) sagt er: „Es müssen Massnahmen ergriffen werden, um die Personen, die Wahldelikte begehen, der Justiz zu überstellen“. Und schildert detailliert, dass 17'000 Soldaten, 12'000 Polizisten und 1000 Reservisten zur Absicherung der Wahlen eingesetzt werden.

Ausser den USA hat sich bisher noch kein Land hinter die Diktaturwahlen gestellt. Offizielle Wahlbeobachtungsmissionen anderer Staaten wird es kaum oder überhaupt nicht geben, schon gar nicht von Seiten der OAS. Dafür macht ein gewisser Hans van Baalen, holländischer Euroabgeordneter und Präsident der Liberalen Internationalen, in diesen Tagen auf sich aufmerksam. Der Offizier für civic operations in der niederländischen Armee ist gerade in Nicaragua gewesen, wo er die Einheit der Liberalen beschwor und sie dazu aufrief, den Kampf gegen die sandinistische Regierung auf die Strasse zu tragen. Gestern gab er an einem Treffen mit Diktaturpräsident Micheletti bekannt, dass die Liberale Internationale diesen Putschisten zum Vizepräsidenten ernannt hat. So könne Micheletti, „nachdem er Präsident von Honduras gewesen ist, in der Liberalen Internationalen eine wichtigere, aktivere Rolle spielen … Wir glauben, dass er den Liberalismus von Zentralamerika der Welt näher bringen und die Demokratie in der Region stärken kann“ (El Heraldo. 14.11.09. Micheletti, vicepresidente de la Internacional Liberal). Mit dabei am Treffen der Putschliebhaber: Christian Luth, Zentralamerikavertreter der Friedrich Naumann-Stiftung der deutschen FDP. Die FNS hat sich in Honduras von beginn weg als Think Tank der Putschisten gebärdet und verfolgt in anderen Ländern der Region eine gleich gerichtete Politik. FDP-Chef Guido Westerwelle ist Aussenminister der BRD.

Die Schweizer FDP ist Mitglied der Liberalen Internationalen, auf deren Homepage die NZZ als „kooperierende Organisation“ ausgewiesen wies.

Honduras: Diktaturwahlen und ihr Boykott

Freitag, 13. November 2009

(13.11.09) Die Würfel sind gefallen. In Honduras wird die Diktatur am 29. November freie Wahlen abhalten und deren Ergebnis frisieren. Danach soll es business as usual geben. Wenn nur die unten in Honduras dabei mitspielen würden! Tun sie aber nicht, wie Reuters am 8. November zugeben muss:

„Jetzt fehlen nur noch drei Wochen bis zu den Wahlen und die Strassen, die bei jeder Kampagne dieser Art voll mit Plakaten der beiden grössten Parteien – der Liberalen und der Nationalen – waren, werden dominiert von Sprays gegen den Putsch und für einen Wahlboykott. An den Kundgebungen mit Porfirio Lobo, dem Kandidaten der Nationalen und Leader in den Meinungsumfragen, sind wenig Leute und der liberale Kandidat Elvin Santos hat alle öffentlichen Auftritte bis Mitte November abgesagt“ Hondureños apáticos frente a elecciones).

Am 5. November hatte das Putschregime das unter Aufsicht des State-Department-Lateinamerikachefs Tom Shannon zustande gekommene Abkommen mit dem rechtmässigen Präsidenten Mel Zelaya vom 30. Oktober zu einem Fetzen Papier erklärt. Zelaya hätte dem Abkommen zufolge ab diesem Tag einer Regierung der „Nationalen Einheit“ vorstehen sollen. Windige Formulierungen erlaubten den Putschisten so zu tun, als stehe das nicht im Abkommen, der Mainstream hat das getreulich übernommen. Wie etwa, dass das Parlament über ein Amtseinsetzung Zelayas entscheiden müsse – Quatsch! Das Parlament hätte laut Abkommen über die Rücknahme seines Verfassungsbruches vom 28. Juni abzustimmen gehabt, als es nach der militärischen Gefangennahme des Präsidenten, gestützt auf ein gefälschtes „Rücktrittsschreiben“, dessen „Absetzung“ dekretiert hatte. Da ihm aber „alle“ die Präsidentenernennungbefugnis zusprechen, weiss sich das Parlament in der Pflicht, darüber zu befinden, ob es das Resultat der vergangenen Präsidentschaftswahlen akzeptiert oder nicht. Von den Vorgängern der heutigen Abgeordneten, hatte Sam Zemurray, Gründer der United Fruit (heute Chiquita) und Boss im Land, einst gesagt, sie seien billger als ein Maultier. Ihre Nachkommen heute bestätigen dies und belieben dieser Tage, Parlamentsfereien einzuziehen. Schliesshlich hat das Innenministerium öffentlich mitgeteilt: Wer im Kongress für Zelaya stimmt, hat ein Strafverfahren am Hals.

Danken wir es dem Obama-Gesandten Tom Shannon. Er hatte das Abkommen vom 30. Oktober aufgegleist und zwei Tage vor dem Stichdatum vom 5. November zum Witz erklärt. In CNN en español bestägigte er, dass Washington das Wahlresultat vom 29. November auch ohne einen Zelaya in der Casa Presidencial feiern werde. Die Freiheitspaladine des Mainstreams affektieren gerade Indignation betreffs afghanischer Wahlmodalitäten. Ihnen ist deshalb das „honduranische“ Detail made in Washington glatt entgangen. Wie nämlich die Obama-Administration gerade den Putsch in Honduras durchwinkt, am Handgelenkt ein farbig Tüchlein, auf dem in goldenen Lettern „freie Wahlen“ steht. Den Putschisten nicht. Sie vertrauen auf Washington.

Dabei hat etwa ein John Kerry, Präsident des Auswärtigen Ausschusses des US-Senats, ungehalten reagiert. Statt richtig tüchtig die Democracy-Keule gegen Chávez oder Ortega schwingen zu können, muss er sich Honduras vorhalten lassen. Etwa wenn der brasilianische Botschafter vor der Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS), Ruy de Lima Casaes e Silva von „einer schlecht geschriebenen Seifenoper mit düsteren Gestalten“ in Tegucigalpa spricht (New York Times, 11.11.09, Ginger Thompson. U.S. Tries to Salvage Honduras Accord). Schlechte Stimmung, schlecht fürs Brasiliengeschäft. Also gibt Kerry zu: Der „abrupte Positionswechsel“ des State Departments (die Erklärung Shannons) „verursachte den Kollaps eines Abkommens, das es auszuhandeln half“ (id.). Zu hohe Mathematik für den Mainstream, zumal andere das anders sehen. Wie Lewis Amselem, alternierender US-Botschafter vor der OAS. Als es den anderen OAS-Mitgliedern einfiel, zu sagen, ohne Wiederherstellung der Rechtsordnung würden sie die Wahlen nicht anerkennen, stiess er ihnen Bescheid: „Ich will kein Besserwisser sein, aber was bedeutet das? Was bedeutet das in der wirklichen Welt, nicht in der Welt des magischen Realismus?“ (id).

Er weiss das. Etwa aus seiner Zeit in der US-Botschaft in Guatemala von 1988-92. Die Zeit des Genozids an den indigenen Comunidades. Der US-Journalist Jeremy Bigwood erinnert sich: Amselem “pflegte der Ausrottung von hunderttausenden guatemaltekischer Indigener einen positiven Spin zu geben. Er arrangierte sogar illegale Nachschübe für die guatemaltekische Armee, nachdem die US-Militärhilfe verboten worden war“ (NarcoNews, Al Giordano. 29.9.09. US Ambassador Lew Amselem: A Ghoul from Horror Films Past). 1990 hatte sich die damalige First Lady Hillary Clinton mit dem Aufsehen erregenden Fall der 1989 in Guatemala gefolterten Nonnen Diana Ortiz befasst. NarcoNews zitiert aus den Memoiren von Ortiz:
„… nachdem ein US-Arzt allein auf meinem Rücken 111 Löcher gezählt hat, die von brennenden Zigaretten stammten, änderte die Story. Im Januar 1990 erklärte der guatemaltekische Verteidigungsminister öffentlich, dass ich eine Lesbe sei und die Entführung vorgetäuscht habe, um ein Stelldichein zu verheimlichen. Der Innenminister echote diese Erklärung und gab danach an, davon zum ersten Mal in der US-Botschaft gehört zu haben. Einem Kongress-Mitarbeiter zufolge verbreitete der Funktionär für politische Angelegenheiten in der US-Botschaft, Lew Amselem, tatsächlich das gleiche Gerücht“ (id.)

Eben, Amselem kennt sich aus in der wirklichen Welt und mit Menschenrechten und Demokratie. Ob damals in Guatemala oder heute in Honduras. Deshalb darf er in der OAS Clinton vertreten.

Nun, wie gesagt, der Widerstand spielt in diesem Skript nicht mit. In seinem Communiqué vom 9. November sagt er:

„[Unsere] Nicht-Anerkennung der Wahlfarce bleibt gültig, auch wenn Präsident Manuel Zelaya in der Zeit von heute bis zum 29. November wieder im Amt eingesetzt würde. Denn 20 Tage oder weniger sind ein sehr kurzer Zeitraum, um den Wahlbetrug zu demontieren, der ausgeheckt wurde, um einen der Vertreter der putschistischen Oligarchie durchzudrücken und so das antidemokratische und repressive Projekt zu perpetuieren“.

Es ist sinnlos, darüber zu spekulieren, wie sich die Lage genau entwickeln wird. Beide Seiten bereiten sich auf die Ereignisse rund um den 29. November vor. Sämtliche vor dem Putsch eingeschriebenen sogenannten unabhängigen Kandidaturen der sozialen Bewegungen – vom Gemeinderat bis zur Staatspräsidentschaft – haben sich von der Wahlbeteiligung zurückgezogen. Sie wären die reale linke Kraft bei den Wahlen gewesen, stark genug auf jeden Fall, um auf Anhieb den traditionellen Bipartidismus der Liberalen und der Nationalen zu sprengen. Die kleine Linkspartei DU zaudert mit diesem Schritt, zumindest ihr offizieller Präsidentschaftskandidat César Ham. Sein Argument: Eine Nichtbeteiligung an den Wahlen würde die automatische Aberkennung ihres legalen Status bewirken. Der Mann gilt schon lange als korrupt. Es ist zu erwarten, dass viele KandidatInnen der DU und einer weiteren Minipartei, des PINU, aber auch des verfassungstreuen Flügels der liberalen Partei, die Wahlen boykottieren werden, , wie dies gerade Padilla Sunseri, der bisherige Bürgermeister der zweitgrössten Stadt des Landes, San Pedro Sula, getan hat.

Berta Cáceres von der Widerstandsleitung, Exponentin der Campesina- und Indigenenorganisation COPINH, sagt zum Wahlboykott Folgendes:
Berta Cáceres

„Wir haben im ganzen Land Konsultationen durchgeführt, mit den Leuten geredet und sie um ihre Meinung zu einer Wahlbeteiligung gebeten. Die überwältigende Mehrheit sagte uns, dass es keine Teilnahme ohne vorherige Wiederherstellung der verfassungsmässigen Ordnung geben könne.“
„Wir haben eine militarisierte Gesellschaft, eine mediale Einkreisung zugunsten der Putschisten, die Teilnahme von fundamentalistischen religiösen Kreisen an der Wahlbeobachtung, die Straffreiheit für die Menschenrechtsverbrecher und die Putschbeteiligung des Wahlgerichtes.“
„Wir haben die Leute auch über ihre Bereitschaft befragt, am kollektiven Aufbau eines historischen Befreiungsprojektes wie der Verfassungsgebenden Versammlung teilzunehmen und die positive Antwort war stark. So dass unser Entschluss der Nichtbeteiligung schon in ein eher mittel- und langfristiges Projekt mündet, das nächstes Jahr beginnen und alle diese Kräfte … bündeln wird, die aufgrund der Unabhängigen Volkskandidaturen entstanden sind“.

Keine OAS-Wahlbeobachter nach Honduras

12.11.2009

USA will offenbar Präsidentschaftswahlen anerkennen. Oppositionskandidat zieht Kandidatur aus Protest zurück
Von Kerstin Sack
amerika21.de


Tegucigalpa. Das Verhandlungstheater in dem zentralamerikanischen Land Honduras nimmt kein Ende. Das Parlament hat immer noch nicht über die Wiedereinsetzung des international anerkannten Präsidenten Manuel Zelaya entschieden. Nachdem es in allen Punkten zwischen den Putschisten und den Vertretern der Regierung Zelayas zu einer Einigung gekommen war und die so genannte Überwachungskommission des Abkommens ihre Arbeit aufnehmen konnte, passierte nichts.

Damit verstrich das zeitliche Ultimatum von Zelaya, der 5. November, für die Erfüllung der letzten fünf Prozent der Vereinbarungen: die Wiedereinsetzung Zelayas. In ihrer Sitzung am Dienstag entschied nun die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in einer Sondersitzung, keine Wahlbeobachter nach Honduras zu schicken, da unter den gegebenen Umständen keine demokratische und transparente Wahl möglich sei. Trotzdem soll die Präsidentschaftswahl nach dem Willen der Putschisten am 29. November stattfinden.

Mehre Länder erklärten, die Wahlen nicht anzuerkennen. Wie die argentinische Zeitung Clarín berichtet, kann sich der US-amerikanische OAS-Vertreter Lewis Amselem eine Nichtanerkennung der Wahlen nicht vorstellen. Es wird sich zeigen, wie die USA und auch die EU sich in Zukunft verhalten. In den letzten Tagen führten verschiedene US-Regierungsvertreter in Honduras Gespräche für die Lösung der Krise. Während Zelaya, der sich immer noch in der brasilianischen Botschaft in der Hauptstadt Honduras' befindet, eine weitere Beteiligung an Gesprächen aufgrund der Arroganz der derzeitigen Machthaber in Tegucigalpa ablehnt, sehen die US-Vertreter einer Wahl mit Optimismus entgegen.

Zelaya und die Widerstandsfront sehen die Gespräche als gescheitert an und wollen die Wahl boykottieren. Carlos Reyes, einer der linksgerichteten Präsidentschaftskandidaten, hat seine Kandidatur zurückgezogen. Andere wollen folgen. Die Widerstandsfront ruft die internationale Solidaritätsbewegung auf, ihre Forderung nach Nichtanerkennung der Wahlen zu unterstützen.

Paraguay: Lugo tauscht Armeeführung aus

Sonntag, 8. November 2009

08.11.2009

Paraguay: Präsident reagiert auf Putschgerüchte. Linke demonstriert Unterstützung und fordert Fortschritte bei Agrarreform. Rechte strebt Amtsenthebung an.

Von Maxim Graubner, Caracas
amerika21.de


Asunción. Der linksgerichtete Präsident von Paraguay, Fernando Lugo, hat am Freitag (Ortszeit) den Armeechef des Landes entlassen. Nachfolger von Admiral Cíbar Benítez wird ein Vertrauter des Staatschefs, General Juan Óscar Velázquez. Bereits am vergangenen Mittwoch hatte Lugo die höchsten Militärs zuständig für Landkräfte, Marine und Luftwaffe ausgetauscht. Mit den Maßnahmen reagierte der Staatschef auf Putschgerüchte. Schon vor einem Jahr hatte es Hinweise auf entsprechende Pläne gegeben.
Teile des Militärs könnten von Parteien der Rechten, die den Kongress dominieren, missbraucht werden, äußerte Lugo im Vorfeld der Entlassungen. Befürchtungen, die oberste Militärführung könnte sich von dieser Situation beeinflussen lassen, motivierten den ehemaligen Bischof offenbar zu dem drastischen Schritt. Der Befreiungstheologe hatte mit seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr die 61-jährige Herrschaft der konservativen Colorado-Partei beendet und soziale Reformen sowie eine Agrarreform versprochen.
Zur Unterstützung des Präsidenten gingen seine Anhänger am Samstag auf die Straße – initiiert vom linken Flügel von Lugos "Patriotischer Allianz für den Wechsel" (Alianza Patriótica para el Cambio, APC). Sixto Pereira, Senator der APC-Partei Tekojoja betonte: "wir unterstützen Präsident Lugo, aber wir verlangen auch die Einlösung der wichtigsten Wahlversprechen" wie eine Agrarreform. Diese wird allerdings von dem Kongress bisher verhindert. Die zaghaften Versuche von Lugo unter Umgehung der Abgeordnetenmehrheit voranzukommen, wird von diesen mit Vorwürfen torpediert. So bezeichnen Vertreter der rechten Parlamentsmehrheit den Aufkauf von Ländereien durch den Präsidenten als unrechtmäßig. Derzeit versucht die Opposition eine legale Amtsenthebung des Präsidenten in die Wege zu leiten und beruft sich auf dessen angebliche "Unfähigkeit".
Die Vorwürfe der Rechten erinnern stark an die Taktik der venezolanischen Opposition vor dem gescheiterten Staatsstreich 2002. Die Gerüchte über eine Unterstützung der Lugo-Gegner durch das Militär werden zudem genährt durch die Ereignisse in Honduras im Juni dieses Jahres, als dort die rechte Parlamentsmehrheit mit Hilfe des Militärs gegen Präsident Manuel Zelaya putschte. Dieser konnte sich allerdings kurz vorher mit einer Entlassung der Armeeführung nicht gegen die anderen Institutionen durchsetzen, was schlussendlich seine Absetzung durch die weiter amtierenden Militärs zur Folge hatte.
Während Zelaya sein Beitritt zu dem Staatenbündnis Bolivarianischen Allianz für Amerika (ALBA) um die linksregierten Länder Venezuela, Kuba und Bolivien sowie das Streben nach einer Verfassungsreform für mehr soziale Demokratie zum Verhängnis wurde, so scheint in Paraguay die rechte Opposition schon im Vorfeld eines möglichen ALBA-Beitritts gewillt, Lugo von der Macht zu verdrängen. Seit seinem Amtsantritt hat er regelmäßig als Beobachter an den Gipfeltreffen des Bündnisses teilgenommen und ein Beitritt des Landes wird noch in diesem Jahr erwartet. Dadurch hat die derzeitige Zuspitzung besondere Brisanz und ist nach den Vorkommnissen in Honduras ein weiteres Zeichen, dass die kontinentale Oligarchie gegen die Ausdehnung und Konsolidierung des Linkstrends in Lateinamerika in die Offensive kommen möchte.

Kolumbien: US- Kriegsbasen gegen „Anti-US-Regierungen“

(8.11.09) Bestimmt nur Zufall! Am 30. Oktober erinnerte sich die Medieninternationale des Landes Honduras. Mit gutem Grund: Hillary Clinton freute sich ob des US-gemanagten Durchbruchs bei der „Krise“ im Land, ein Blatt wie die NZZ verwies befriedigt darauf, dass ohne die „Gringos“ eben nichts laufe in Lateinamerika und der Chávez wieder mal sein Fett abbekommen habe. Denn der wohltuenderweise nur noch für Figurationszwecke vorgesehene Präsident Zelaya könne nun keine chavistischen Irrläufe mehr darbieten.

Am gleichen Tag verpasste die Scharfsinnbrigade nicht nur in der NZZ, sondern generell im Mainstream, ein anderes Ereignis. In Bogotá unterzeichneten der kolumbianische Aussenminister Jaime Bermúdez und William Brownfield, der Botschafter des Friedenbringers zu Washington, das im August ruchbar gewordene Abkommen über offiziell sieben neue US-Militärbasen im Land. In Südamerika sorgte das Vorhaben für einen beträchtlichen Aufruhr. Der kolumbianische Präsident Álvaro Uribe musste an einem Gipfeltreffen des südamerikanischen Staatenbundes Unasur antraben, wo er eine denkbar schlechte Figur machte.

Insbesondere die Base Palanquero hat es in sich. An der Unasur-Tagung las Hugo Chávez aus dem letzten März geschriebenen Paper „Global En Route Strategy“ des Air Mobility Command der US-Luftwaffe vor, welches u.a. die venezolanische Regierung ins Netz gestellt hat. (www.vtv.gov.ve/files/GlobalEnRouteStrategy.pdf). Er zitierte unter anderem die folgende Passage (Bericht aus der kolumbianischen Zeitung Semana vom 28. August 2009): „Der Einbezug von Südamerika in die globale Transitstrategie bringt zwei Resultate: die Strategie des regionalen Engagements umsetzen und bei den Mobilitätsrouten nach Afrika helfen … Mithilfe des AMC (Air Mobility Command) und des Transport Command hat das Südkommando dafür Palanquero mit der Luftwaffenbase Germán Olano als security cooperation location identifiziert. Von dieser Lokalität aus kann ungefähr die Hälfte des Kontinents mit einer C-17 [Kriegstransportflugzeug] ohne Auftanken abgedeckt werden. [Mit Luftbetankung] kann eine C-17 (ein gigantisches Flugzeug von Boeing) den ganzen Kontinent erreichen, mit Ausnahme von Cabo de Hornos am Zipfel von Chile. Während das Südkommando einen soliden Engagementplan für das Operationsgebiet ausarbeitet, sollte die Strategie, eine Kooperationslokalität in Palanquero einzurichten, für die Erlangung der Luftmobilität im südamerikanischen Kontinent ausreichen“.

Soweit aus dem Semana-Bericht. Die hypermodernen C-17-Transporter für Truppen und schweres Kriegsgerät, eingesetzt im Rahmen eines „regionalen Engagements“ und der US-„Luftmobilität im südamerikanischen Kontinent“ – Hilfsmittel im Kampf gegen den Drogenhandel? Quatsch, natürlich. Es war dann wieder das gehobene und für Indiskretionen aller Art rege benutzte Rechtsblatt Semana, das am 31. Oktober im Artikel „Yankees welcome“ aus dem Budgetantrag des Pentagons für das Fiskaljahr 2010 vom Mai 2009 zitierte. Das Papier, von Eva Golinger ins Netz gestellt, sagt zu Palanquero, die Base stelle eine „einzigartige Gelegenheit für Full spectrum-Militäroperationen in einer kritischen Subregion unserer Hemisphäre dar, wo Sicherheit und Stabilität von über den Drogenhandel finanzierten terroristischen Aufständischen, Anti-US-Regierungen, endemischer Armut und wiederholten Naturkatastrophen bedroht sind“ (S. 217). So viel zu den unablässigen Beteuerungen Washingtons und Bogotás, es handle sich bei den Basen um einzig gegen den kolumbianischen Drogenhandel und seine „terroristischen Hintermänner“ im Dschungel gerichtete Vorkehrungen.

An der Pressekonferenz des State Departments vom 4. November zur Pentagon-Aussage befragt, wusste Clintons Sprecher Ian Kelly einmal mehr von nichts. Als ihm Medienleute aus dem Budgetantrag des Pentagons vorlasen, meinte er: „Das klingt wie etwas, wozu Sie sich ans Pentagon wenden sollten. Ich weiss, dass wir ein Abkommen mit Kolumbien haben. Es verhilft uns zu keinerlei Sorte von Basen in Kolumbien. Es gibt uns die Gelegenheit, mit Kolumbien in einigen mit der Drogenbekämpfung und diesbezüglicher Interoperabilität zusammenhängenden Belangen zu kooperieren“. So klingt das im State Department, so klingt das im Mainstream.

Uribe hat mit Unterstützung der Obama-Administration das kolumbianische Parlament bei der Beschlussfassung für die Unterschrift unter das Abkommen aussen vor gelassen. Zwar sieht die Verfassung zwingend eine parlamentarische Entscheidung vor, doch verstehe man bitte die Macher, die sich nicht gerne in bürokratischen Hürdenläufen verlieren. Also deklarierte Uribe, das Abkommen sei von geringster Bedeutung, beinhalte lediglich ein paar technische Nachbesserungen zu bestehenden Verträgen und sei somit der Aufmerksamkeit eines Parlaments nicht würdig. Nun hält der Abkommenstext, wie er nachträglich veröffentlicht wurde, allerdings noch weitere Hämmer bereit. Fidel Castro sagt das so: „Jede halbwegs informierte Person versteht sofort, dass das verzuckerte ‚Abkommen über Kooperation und Technische Hilfe bei Verteidigung und Sicherheit zwischen den Regierungen von Kolumbien und den USA’ der Annektierung Kolumbiens durch die USA entspricht … Die Lektüre des Dokuments zeigt, dass nicht nur die kolumbianischen Luftwaffenbasen in die Hände der Yankees geraten, sondern auch die zivilen Flughäfen und tatsächlich jede für ihre Streitkräfte nützliche Einrichtung. Auch der Radioäther wird der Verfügung jenes Landes überlassen“. Die Immunität der US-Militärs oder ihrer Söldner (Vertragsnehmer) vor kolumbianischer Strafverfolgung Straffreiheit ist festgeschrieben. Fidel weist auch auf folgenden Abkommenspunkt hin: „Die Beschränkung des Totals der Anzahl Soldaten kann auf Verlangen der USA ohne jegliche Einschränkung modifiziert werden. Die Flugzeugträger oder Kriegsschiffe, die in den dafür vorgesehenen Marinestützpunkten einlaufen, können so viel Besatzung mitführen, wie sie benötigen. Das können auf einem einzigen Flugzeugträger mehrere Tausend sein“. (Vergleichbare Bedingunge kennen wir etwa von der US-Luftbase in El Salvador).

Die Mär von der Drogenbekämpfung kauft in Lateinamerika niemand ab. An einer Veranstaltung heute liess der brasilianische Präsident Lula seinen Amtskollegen Obama wissen: „Lieber Kollege Obama: Wir brauchen keine amerikanischen Basen in Kolumbien, um den Drogenhandel in Südamerika zu bekämpfen. Wir werden uns darum kümmern, den Drogenhandel an unseren Grenzen zu bekämpfen, und du solltest dich um deine Konsumenten kümmern. So steht es besser um die Welt“ (ABN, 8.11.09). Kein Spässchen, was Lula da sagt. Die linken Regierungen im Kontinent wissen sich im Visier Washingtons und versuchen, mit Gegenaufrüstung und stärkerer Integration der Gefährdung die Stirn zu bieten.

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Im so eben erschienen Heft Correos 159 haben wir mehrere Hintergrund- und Informationsartikel zum Versuch der USA abgedruckt, in Lateinamerika über eine Militarisierungsoffensive wieder Oberhand zu gewinnen.
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„Essentielle Sicherheit“ in Costa Rica

Interessante Hinweise auf eine neue Art von US-Militärbasen, dieses Mal in Costa Rica.

Die Zeitung La Nación von Costa Rica berichtete in ihrer Ausgabe vom 8. Oktober, dass laut Angaben von Paul A. Trivelli vom US-Südkommando noch in diesem Jahr eine moderne Radaranlage in Guanacaste (Costa Rica) zwecks Radarüberwachung des Pazifikluftraumes wieder in Betrieb genommen werde. Kaum zu glauben, aber das Rechtsblatt betrieb Augenwischerei!

Gustavo J. Fuchs*

(10.10.09) Die Reaktivierung der Radare von Guanacaste […] entspricht einer Verständigung von August 2008, einem „Memorandum of Understanding“ zwischen den beiden Nationen (MOU-US 08 153). Der La Nación zufolge beschränken sich die Radare auf die Funktion, „Flugzeuge und Schiffe der internationalen Drogenhandels zu entdecken“. Das Blatt erklärt aber nicht wie. Die Radare funktionieren dem Memo zufolge mit TADIL-Technologie. Diese Technologie kann Signale verschlüsseln und an Basen schicken, die in einem anderen Territorium als jenem der Radare sind. Sie kann die Information auch an Flugzeuge übermitteln.

Es geht hier klar nicht um eine simple Technologie zur Entdeckung von „Flugzeugen und Schiffen“, sondern um eine potente Militärkomponente, die in die Militärpläne des strategischen Gedankenguts des US-Verteidigungsdepartments passt. Die Full Spectrum Dominance, die Militärdoktrin, wie sie seit der Regierung von George W. Bush angewandt und die von Obama fortgesetzt wird, beruht auf der Beherrschung aller Kriegsmodalitäten (Wasser, Land, Luft, Information). Die US-Regierung hat die Regierung des Präsidenten Chávez schon formell als „Bedrohung der Nationalen Sicherheit“ definiert. Das vordringlichste Ziel besteht in der Eliminierung der Linksregierungen in der Region, da der US-Apparat – mit der Krise und zwei Kriegen im Mittleren Osten – allen möglichen Brennstoff braucht und dies wenn möglich zu billigen Priesen, die ihm die Oligarchien der Region garantiert haben.

Dem kolumbianischen Rechercheur Hernando Calvo Ospina zufolge waren die Base in Manta und die Radare auf der Insel Aruba entscheidend für die Durchführung des Militärputsches 2002 in Venezuela. Die Beteiligung von Militäreinheiten der Base Palmerola am neulichen Putsch in Honduras kann noch nicht verworfen werden. Es geht um eine neue, kontinentale Militäroffensive für die permanente Kontrolle und Überwachung.

Die in Guanacaste operierenden Radare können diese Information an die kommenden Basen in Kolumbien übermitteln. Je nach Version, kann die TADIL-Technologie sogar Details von ballistischen Kapazitäten entdecken und übermitteln. Das Unternehmen Raytheon, das in Costa Rica aktiv ist, ist an Entwicklungsprojekten für diese Art von Technologie beteiligt.

Costa Rica stellt jetzt für die USA einen strategischen Punkt dar. Dass dieses Schema schon früher geplant wurde, sollte nicht überraschen. Ebenso wenig, wie dass sich von nun an unsere zukünftigen Regierungen systematisch der US-Aussenpolitik anzuschliessen haben. So wie [der damalige Präsident] Abel Pacheco Irak den Krieg erklärt hat. Es ist angebracht, wieder das Kapitel über „Essentielle Sicherheit“ des Freihandelsvertrages USA/Zentralamerika zu lesen, um die Reichweite dieses neuen Projektes zu begreifen.

* www.pregon.org: Los radares y las mentiras

(aus Correos 159)

Kriegserklärung an Venezuela

04.11.2009

Nach dem Massaker an einer Fußballmannschaft erklären Paramilitärs "soziale Säuberungen". Zwei Nationalgardisten wurden am Montag ermordet

Von M. Daniljuk
amerika21.de
Caracas. Im venezolanischen Bundesstaat Tachira, an der Grenze zu Kolumbien, eskaliert die politische Situation. Eine Woche nach dem Massaker an einer Fußballmannschaft zwangen Paramilitärs hunderte örtliche Geschäfte zur Schließung. Als daraufhin venezolanische Behörden Angehörige paramilitärischer Gruppen verhafteten, schossen am Montag Unbekannte auf einen Posten der Nationalgarde und töteten zwei der Gardisten. Auch wenn ein direkter Zusammenhang zwischen den Ereignissen bisher nicht belegt zu sein scheint, spricht die venezolanische Regierung von einer "Terrorkampagne" und macht die kolumbianische Regierung sowie den rechten Gouverneur von Tachira für die Ereignisse verantwortlich. Präsident Hugo Chávez überlegt öffentlich, die Grenze zu Kolumbien völlig zu schließen und empfahl dem oppositionellen Gouverneur in Peru Asyl zu beantragen.
Die aktuellen Auseinandersetzungen begannen am 11. Oktober mit der Entführung einer Gruppe von kolumbianischen Straßenhändlern, die sich zu einem Fußballturnier auf der venezolanischen Seite der Grenze getroffen hatte. Während das Amateur-Derbie lief, fuhren Kleintransporter auf den Platz und 25 Bewaffnete in schwarzen Uniformen umstellten die Spieler. Mit Namenslisten wurden 12 Männer ausgesondert, auf die Autos geladen und mitgenommen. Die Entführung machte zu diesem Zeitpunkt nur in den lokalen Medien Schlagzeilen. Erst als die Entführten zwei Wochen später in der Ortschaft Chururú erschossen aufgefunden wurden, beachtete auch die internationale Presse den Fall. Am schnellsten äußerte sich der kolumbianische Präsident Alvaro Uribe. Er behauptete, die Mörder seien Mitglieder der kolumbianischen Guerilla ELN und Venezuela biete den Aufständischen Unterkunft. Ihm sekundierte der Gouverneur des Bundesstaates, César Pérez Vivas. Der Oppositionspolitiker der christlich-sozialen Partei COPEI hatte vor wenigen Wochen Schlagzeilen gemacht, als der behauptete der venezolanische Innenminister sei ein Kommandant der ELN.
Inzwischen steht Pérez Vivas selber im Mittelpunkt der Ermittlungen. Der Gouverneur hat in seinem Bundesstaat ein Gesetz erlassen, dass paramilitärische Sicherheitsinitiativen legalisiert und soll sich laut Informationen der Bundesregierung in Kolumbien mit Vertretern der dortigen Paramilitärs getroffen haben. "Wir werden nicht zulassen, dass Pérez Vivas die Souveränität des venezolanischen Staates untergräbt", kündigte Vizepräsident Ramón Carrizales schon im September an. Auch Iris Varela, in Sicherheitsfragen stets gut informierte Parlamentarierin, beschuldigt den Gouverneur, die Paramilitärs zu unterstützen. Es würden Foto- und Tonaufnahmen existieren, die Funktionäre der Landesregierung Tachira zusammen mit Paramilitärs zeigen. "César Pérez Vivas ist dabei, informelle Sicherheitsstrukturen aufzubauen und den Privatunternehmen zur Verfügung zu stellen." Dabei würde die Regionalregierung auf die selben kolumbianischen Paramilitärs zurückgreifen, die in der Region Flugblätter verteilen, in denen zu Sozialen Säuberungen aufgerufen wird.
Unmittelbar nach dem spektakulären Mord an den Straßenhändlern verteilten Paramilitärs in der Region Flugblätter. Menschen, die "mit den Streitkräften kollaborieren", werden mit "Sozialen Säuberungen" bedroht - ein Begriff, der in Kolumbien für die Ermordung sozial unerwünschter Personen verwendet wird. Außerdem forderten die anonymen Verfasser die Ladenbesitzer, Unternehmen und Schulen in der Region auf, am vergangenen Freitag, den 30. Oktober, zu schließen. Wer der Forderung nicht nachkomme, müsse die Konsequenzen tragen. Die Drohung wirkte: Etwa tausend Läden in den Orten an der Grenze zu Kolumbien blieben geschlossen. Nach Einschätzung der örtlichen Nationalgarde ist dies ein einmaliger Vorgang. Zwar habe es in den letzten Monaten immer wieder Drohungen gegeben, aber niemals hätten sie eine solche Wirkung gehabt. Nach Schätzungen lokaler Medien standen 90 Prozent der Geschäfte still. Das Militär verstärkte am Wochenende die Präsens in drei der betroffenen Gemeinden und verhaftete acht Kolumbianer sowie zwei Venezolaner. Unter den Verhafteten befindet sich ein bekannter Führer der Paramilitärs.
Bereits am Montag kam es zum nächsten Zwischenfall: In der Gemeinde Pedro María Ureña schossen unbekannte Motorradfahrer auf einen Kontrollpunkt der Nationalgarde. Die Kugeln trafen zwei der Gardisten in den Rücken. Sie starben an den Verletzungen. Der für die Region zuständige Brigadegeneral Franklin Márquez bezeichnete die Täter als Angehörige von "irregulären Gruppen, die Angst und Unsicherheit in der Region verbreiten wollen" - ein deutlicher Hinweis auf Paramilitärs. Kurz nach dem Überfall verhaftete die Nationalgarde einen 20 jährigen Motorradfahrer, der eine Waffe bei sich trug. Dieser Überfall brachte das Fass endgültig zum Überlaufen. Seit gestern schlagen in der öffentlichen Debatte die Wellen hoch. Präsident Hugo Chávez forderte César Pérez Vivas auf, die Konsequenzen seines Handelns zu bedenken und riet dem Oppositionspolitiker, sich um ein Asyl in Peru zu kümmern. Dort sind mehrere venezolanische Oppositionspolitiker untergetaucht, gegen die in Venezuela Strafverfahren laufen.
Die Vorgänge weisen darauf hin, dass sich irreguläre rechte Milizen an der Grenze zu Kolumbien so fest etabliert haben, dass sie die sozialistische Regierung in Caracas offen herausfordern können. Damit rückt das Problem des Paramilitarismus nun ins Zentrum der venezolanischen Politik. Untrennbar verbunden ist der Konflikt mit dem Nachbarland Kolumbien. Die venezolanischen Behörden sprechen zwar von "irregulären Kräften", "Bandenkriminalität" oder "Paramilitärs". Gemeint sind aber die Nachfolgeorganisationen der Vereinigten Selbstverteidigungskräfte Kolumbiens (AUC), welche dort nach einer aktuellen Bilanz der Staatsanwaltschaft für mindestens 25.000 Morde verantwortlich sind. Als scheinbar unabhängiger Kriegsakteur haben sie im Auftrag der Regierung Uribe den Konflikt mit Guerilla entscheidend beeinflusst. Beobachter fühlen sich unterdessen an die 1980er Jahre in Nicaragua erinnert. Dort hatten mit den Contras ähnliche informelle Verbände von den rechts regierten Nachbarländern aus die sozialistische Regierung der FSLN in einen zermürbenden Kleinkrieg verwickelt. Auch aktuell kann die rechte Regierung in Kolumbien mit Unterstützung der USA rechnen. Erst am Freitag unterzeichneten Barack Obama und Alvaro Uribe eine Vereinbarung über sieben neue Militärstützpunkte für die USA in Kolumbien.