(zas,
23.11.18) Christine Jordan ist 92. Und schwarz. Die Cousine von Martin Luther
King. Seit 50 Jahren wählt sie in Atlanta, der Hauptstadt des Bundesstaates
Georgia. Bei jeder Wahl. Als sie meinte, dieses von der Civil Rights Movement errungene
Recht auch dieses Mal ausüben zu können, bekam sie Probleme. Denn sie war
nirgends im Wahlregister drin. Gelöscht. Sie wollte einen provisorischen
Wahlzettel, doch die WahlfunktionärInnen verweigerten ihr diesen. Wäre da nicht
das Team von Greg Palast gewesen, das mit Anwaltsmobilisierung mindestens
dieses Recht durchsetzen konnte. In ihrem Fall, in anderen Fällen. Aber nicht
in allen.
Christine Jordan, Greg Palast |
Die
Wahlbehörde von Georgia ist republikanisch dominiert. Rechtsextrem. Bei der
Wahl trat die schwarze Stacey Abrams, Senatorin im Staat, gegen Brian Kemp, Republikaner,
an. Sie wollte die erste schwarze Gouverneurin in den USA werden. Kemp hatte
vorgesorgt. Er war vor der Kandidatur Secretary of State in Georgia gewesen, so
was wie Chefminister. Wie in anderen republikanisch regierten Gliedstaaten
hatte er das WählerInnenregister gesäubert. Um mehr als eine halbe Million
Stimmberechtigte. Wer zwei Mal nicht an Wahlanlässen erschienen war, galt als
mutmasslich weggezogen. Und erhielt eine Postkarte von Kemp, mit der
Aufforderung, seine/ihre Adresse zu bestätigen. Funny thing: Die Postkarte sah wie einer dieser in den Briefkasten
geschmissenen Werbeprospekte aus. Nicht alle antworteten. Greg Palast konnte
dank des Freedom of Information Act die Liste der halben Million „Weggezogener“
von Kemp rauspressen, liess sie von führenden ExpertInnen überprüfen – und siehe,
ihrer 340‘000 waren nicht weggezogen. Die Zahl ist mittlerweile gerichtlich
bestätigt. Schwarze, Hispanics, Arme – wie es der Zufall will. Palast
veröffentlichte die Liste der 340‘000, damit sich die Leute gegen die „Falschlöschung“
wehren konnten. Nur: Er hatte die Liste der raus Gesäuberten erst kurz vor dem
Wahltermin erhalten- Kemp hatte sich monatelang geweigert – und konnte die
Liste der Nicht-Weggezogenen nur Tage vor dem Wahltermin veröffentlichen.
Christine
Jordan war gerade nicht auf Draht gewesen und nicht ins Wahlbüro zwecks
Korrektur ihrer Registerlöschung gerast. Aber sie hatte immerhin den
provisorischen Wahlzettel erhalten. Es gibt den Help America Vote Act, das nach
dem Florida-„Debakel“ von 2000 verabschiedeten Gesetz, um zu verhindern, dass Folgendes
nochmals geschehe: Der Supreme Court hatte eine Nachzählung der Stimmen in Florida
verboten, da diese „dem Kläger George W.
Bush einen nicht wiedergutmachbaren Nachteil“ gegenüber seinem Konkurrenten
um das Präsidentenamt, Al Gore, „verursachen“
würde (nachdem Bush ins Weisse Haus eingezogen war, wurde definitiv klar, dass
Gore die Wahl in Florida gewonnen hätte). Laut HAVA waren die Wahlbehörden
verpflichtet, das Wahlrecht derer, die „provisorisch“ wählten, nachträglich
sofort zu überprüfen. Laut der Realität mussten dies aber die „Provisorischen“
tun. Die das meist nicht wussten oder dann Problemen gegenüber standen wie
Christine Jordan, die am Tag nach der Wahl stundenlang im Wahlbüro Schlange
stehen sollte. Resultat dieser und anderer Finessen: Die „provisorischen“
Stimmen wurden und werden höchst selten gezählt. Sie sind keine Stimmen.
Der Supreme
Court hat Kemps Registersäuberungsprozedur abgesegnet. Und Kemp ist nicht
allein. Seit 2000, als Florida mit dem Wahlausschluss von nicht-weissen
Menschen den Anfang gemacht hatte, werden primär in republikanisch dominierten
Staaten immer mehr Unterklassenleute ausgeschlossen. Kein Wunder, kommt es zu
Protesten. Denn die Leute merken, was gespielt wird, im Gegensatz zur medialen „No-Fake“-Journaille.
Diese freut sich wieder mal über die funktionierende Demokratie und ihre phantastischen
Checks and Balances: Reps machen im Senat vorwärts, Dems im Repräsentantenhaus.
Auch in Georgia kam es zu einem Protest im Georgia State Capitol: „Zählt jede
Stimme“. Stacey Abrams beobachtete mit SenatskollegInnen den Anlass. Die Bullen
beobachteten sie, die einzige Schwarze in der Gruppe. Sie verhafteten sie,
fesselten sie, verbrachten sie auf den Posten. Dort sollte sie sich ausziehen
und vaginal auf Deliktisches untersuchen lassen. Die amtierende Senatorin und
US-weit bekannte Gouverneurskandidatin. Sie konnte das dann vermeiden, wurde
sogar freigelassen. Blöde Frage: Was, sie wäre nicht super-prominent gewesen?
Stacey Abrams,
Christine Jordan – zwei von unzähligen Nachkommen von SklavInnen, die, so der
herrschende Trend, wieder ihren Platz einzunehmen lernen müssen.