Hunger und die holde Unschuld

Samstag, 21. Mai 2022

 

(zas, 21.5.22) Offenbar wurden in Nordkorea an die 2 Millionen Menschen mit «Fieber» gezählt, das primär für Covid-19-Ansteckungen stehe. Ein Nordkorea-Experte warnt deswegen heute in der NZZ vor einer möglichen Hungerkatastrophe. Bei der jetzt anstehenden Aussaat von Reis muss die halbe Bevölkerung mitmachen, doch je mehr Kranke, desto weniger ArbeiterInnen. Die Aussaat wird dramatisch reduziert, um weitere Ansteckungsexplosionen einzudämmen.

Wenn China Covid-Explosionen mit einem brutalen Lockdownregime zu verhindern trachtet, gibt’s in den Medien nur eins: China bashing. Schliesslich weiss man, wo der Kriegsfeind von morgen steht. China hat bisher offiziell etwas mehr als 5000 Covid-Todesfälle zu beklagen; die Schweiz fast 18'000, die USA mit ihrer mehr als viermal kleineren Bevölkerung über eine Million. No US bashing. Die Prioritätensetzung ist klar.

Andrew Bailey, Governor der der Bank of England, weiss, warum in der halben Welt Hunger droht. Wegen des Ukraine-Kriegs. Wegen des Kriegs könne die Ernte kaum verschifft werden. Bailey meinte: «Das ist nicht nur eine Sorge für jenes Land, sondern für die Entwicklungswelt. Es tut mir leid, apokalyptisch zu sein, aber das ist eine Sorge.» Leider wird der Ukrainekrieg schlimme Auswirkungen weltweit zeitigen – auch im Bereich des Hungerns. Was Bailey sagt, ist nicht neu. Ab und an berichten Medien darüber. Putin ist allein schuldig. Und wenn sie in Ländern, die vom Getreideimport aus Russland abhängig sind, auch hungern, ist auch der Putin schuld: Schliesslich müssen seinem Regime die Exporteinnahmen gesperrt werden.

Nie, so gut wie nie, ich schwör es dir, wird die Frage gestellt, warum denn so viele Länder, die früher noch ihre eigene Nahrung produziert haben, jetzt von den Importen abhängen. Den Elefanten im Raum will man nicht sehen. Sonst käme man noch auf die Idee, die US-hörige Weltbank und assortierte Instanzen seien für das globale Hungern verantwortlich. Warum denn das? Wegen ihrer jahrzehntelangen brutalen Durchsetzung des Kommandos an die Bevölkerungen im globalen Süden, auf keinen Fall Nahrungsmittel für den eigenen Konsum anzubauen, sondern exotische Esswaren und andere «Werte» für die Metropolenmärkte zu produzieren. Mit deren Erlös könnten sie anschliessend elegant ihre «Ernährungssouveränität» per Import feiern. Das Rezept kursiert unter dem Titel Armutsbekämpfung.