Mit
einer kräftigen Abfuhr in Brasilien und ohne erkennbaren Erfolg in
Kolumbien und Panama ist vergangene Woche die erste Lateinamerikareise
von Außenministerin Annalena Baerbock zu Ende gegangen.
Offiziell standen bei Baerbocks Reise die Klima- und die
Energiepolitik im Mittelpunkt der Gespräche: Brasilien soll zum Schutz
seiner Wälder im Amazonasgebiet veranlasst werden; Kolumbien wird in
Deutschland als künftiger Lieferant von grünem Wasserstoff eingeplant,
während Panama mit seinem Kanal als Drehscheibe für Wasserstoffexporte
aus Südamerika vorgesehen ist.
Konkrete Ergebnisse der Reise der Außenministerin wurden nicht bekannt.
Unklar ist auch, was Baerbock mit ihrem Bestreben erreichen konnte,
im Machtkampf der USA gegen Chinas wachsenden Einfluss in Panama, der
seit geraumer Zeit tobt, die Stellung des Westens zu stärken. Ihr
Versuch, Brasiliens Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva und seine
Regierung unter Druck zu setzen, sich im Ukraine-Krieg gegen Russland zu
positionieren, ist krachend gescheitert: Lula und sein Außenminister
gewährten Baerbock weder ein Treffen noch eine gemeinsame
Pressekonferenz mit einem anderen Regierungsmitglied.
Grüner Wasserstoff
Offiziell standen bei der sechstägigen Lateinamerika-Reise von
Außenministerin Annalena Baerbock in der vergangenen Woche die Klima-
und die Energiepolitik im Zentrum der Gespräche.
Ging es während ihres dreitägigen Aufenthalts in Brasilien
insbesondere darum, die Abholzung der Wälder im riesigen brasilianischen
Teil des Amazonasgebiets zu beenden, so verhandelte Baerbock in der
kolumbianischen Hauptstadt Bogotá über einen künftigen Bezug von grünem
Wasserstoff aus Kolumbien. Das Land verfüge über "ein enormes Potenzial,
ein Schwergewicht bei den Erneuerbaren und bei grünem Wasserstoff zu
werden", erklärte Baerbock.
Ähnlich hatte sich bereits Wirtschaftsminister Robert Habeck Mitte
März bei einem Besuch in Bogotá geäußert. Habeck hatte versichert, in
Deutschland gebe es Unternehmen, die "in Zukunft einen klimaneutralen
Energieträger kaufen möchten".
Weil grüner Wasserstoff aus Südamerika per Schiff in die
Bundesrepublik transportiert werden muss, kommt in den Berliner Plänen
Panama eine erhebliche Bedeutung zu. Das Land wird vom Panama-Kanal
gekreuzt, der zentralen Seeverbindung von der lateinamerikanischen
Westküste nach Europa. Panama könne zur "Drehscheibe" für grünen
Wasserstoff werden, lockte Baerbock in der Hauptstadt Ciudad de Panamá.
Klimawandel statt Klimawende
Unerwähnt gelassen hatte die Außenministerin zuvor in Bogotá, dass
die Bundesrepublik in Kolumbien derzeit nicht die Klimawende, sondern
den Klimawandel vorantreibt.
Ursache ist, dass Deutschland seit dem im vergangenen Jahr
beschlossenen Ausstieg aus dem Erwerb russischer Kohle seine Einfuhr von
Kohle aus Kolumbien massiv gesteigert hat. Bereits 2022 verdreifachte
es den Import kolumbianischer Steinkohle von unter zwei auf gut 5,8
Millionen Tonnen. Als Abnehmer werden konkret EnBW, RWE, STEAG und
Uniper genannt.
Der Lieferantenwechsel hat erhebliche Bedeutung, weil die
kolumbianische Steinkohle oft unter desaströsen Umständen abgebaut wird.
Berüchtigt ist etwa die Mine El Cerrejón, eine der größten
Steinkohleminen der Welt, die vom Schweizer Konzern Glencore betrieben
wird und schon seit vielen Jahren wegen desolater Arbeitsbedingungen und
einer für die Bevölkerung schwer gesundheitsschädlichen Verschmutzung
der Umwelt Schlagzeilen macht.
Vor Ort regt sich bereits seit langer Zeit massiver Protest. Die
Aufforderung der indigenen Umweltaktivistin Jakeline Romero von der
Frauenorganisation Fuerza de Mujeres Wayúu, sich vor Ort über die Folgen
der deutschen Steinkohleimporte aus El Cerrejón zu informieren,
ignorierte Baerbock kühl.
Westen gegen China
Jenseits der Klima- und Energiepolitik stand Baerbocks
Lateinamerika-Reise vor allem im Zeichen des eskalierenden Machtkampfs
zwischen den westlichen Staaten auf der einen und Russland bzw. China
auf der anderen Seite.
In Panama etwa, Baerbocks dritter Reisestation, findet seit Jahren
ein erbittertes Ringen um Einfluss zwischen den USA und China statt.
Die
Volksrepublik konnte ihre Position zunächst rasch ausbauen, nachdem
Panama im Jahr 2017 seine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan gekappt
und entgegen massivem Druck aus Washington offizielle Beziehungen zu
Beijing aufgenommen hatte. Sie startete umgehend mehrere große
Infrastrukturprojekte, darunter ein Hafenterminal sowie eine
Hochgeschwindigkeitsstrecke aus der Hauptstadt Ciudad de Panamá nach
Costa Rica.
Die meisten Projekte wurden, wie Insider berichten, nach dem
Amtsantritt des derzeitigen Präsidenten Laurentino Cortizo am 1. Juli
2019 unter massivem Druck aus den USA abgesagt.
Ob es dabei bleibt, ist allerdings nicht gewiss: Selbst Cortizo, klar
auf die USA orientiert, weist darauf hin, dass den Versprechungen der
Biden-Administration, mit einem eigenen großdimensionierten
Infrastrukturprogram ("Build Back Better World") China in Panama zu
ersetzen, keine Taten gefolgt sind.
Baerbock habe in Panama gleichfalls Beijings Einfluss kritisiert, heißt es in Berlin.
Westen gegen Russland
In Brasilien wiederum bemüht sich Berlin mit aller Macht, Präsident
Luiz Inácio Lula da Silva und seine Regierung zu einem Kurswechsel
gegenüber Russland zu nötigen. Lula hat mehrfach öffentlich
klargestellt, dass er nicht bereit ist, sich im Ukraine-Krieg auf eine
Seite zu schlagen, und dass er sich stattdessen für rasche Verhandlungen
zwischen den zwei Kriegsparteien stark macht.
Im Bemühen, Lula auf ihre Seite zu ziehen und Brasilien enger an sich
zu binden, hat die Bundesregierung seit Lulas Amtsantritt am 1. Januar
2023 so viele Regierungspolitiker nach Brasília entsandt wie in kaum
eine andere Hauptstadt weltweit.
Anfang Januar hielt sich Umweltministerin Steffi Lemke, den
Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier begleitend, in Brasilien auf.
Steinmeier hatte großen Wert darauf gelegt, in Brasília persönlich an
Lulas Amtseinführung teilzunehmen.
Kanzler Olaf Scholz versuchte in Brasília, den Präsidenten zu
veranlassen, Kiew den Flugabwehrpanzer Gepard bzw. Munition für ihn aus
brasilianischen Beständen zu liefern. Lula wies dies öffentlich zurück.
Darüber hinaus bereisten die Minister für Wirtschaft, Robert Habeck,
sowie für Umwelt, Cem Özdemir, Brasilien, bevor Anfang vergangener Woche
Baerbock und Arbeitsminister Hubertus Heil dort eintrafen.
Kein Treffen, keine Pressekonferenz
Baerbock hat sich nun in Brasília eine offene Abfuhr geholt. Die
Außenministerin hatte zuletzt für Aufsehen gesorgt, als sie ihren
chinesischen Amtskollegen Qin Gang, der sie in Beijing empfing, auf
einer Pressekonferenz vor den Augen der Weltöffentlichkeit unter anderem
in Sachen Menschenrechte belehren zu müssen meinte – in einer Form, die
Qin zu der Entgegnung trieb: "Was China am wenigsten braucht, ist eine
Lehrmeisterin aus dem Westen."
Die brasilianische Regierung gewährte Baerbock während ihres
dreitägigen Aufenthalts keine einzige gemeinsame Pressekonferenz. Die
deutsche Ministerin sah sich genötigt, ihre öffentliche Kritik an
Brasiliens Position im Ukraine-Krieg alleine, vor dem brasilianischen
Außenministerium stehend, vorzunehmen.
Dort traf sie nicht ihren Amtskollegen Mauro Vieira, sondern nur
dessen Stellvertreterin Maria Laura da Rocha; Vieira hatte es, obwohl
Baerbocks Besuch langfristig anberaumt war, vorgezogen, in Afrika
Gespräche zu führen und dort am Montag etwa bei Äthiopiens
Ministerpräsidenten Abiy Ahmed vorzusprechen.
Lula nahm sich für ein Treffen mit Baerbock gleichfalls keine Zeit.
Er setzt zur Zeit auf eine enge Kooperation im Rahmen der Brics und sucht Brasiliens Zusammenarbeit mit Afrika zu intensivieren. Die Bundesrepublik ist möglicherweise dabei, ihren einst starken Einfluss in Brasilien zu verlieren.
Die einzige Rede Baerbocks in Brasilien können Sie hier
nachlesen. Gehalten bei der Veranstaltung "Democracy and Digitization:
Challenges of the Digital Era" der Fundação Getulio Vargas, einer
privaten Denkfabrik und Wirtschaftshochschule. Das Event wurde von EU
und deutschem Auswärtigen Amt gesponsert.