(zas, 15.6.24) Am 1. Juni begann in El Salvador eine neue Phase der Diktatur. Armut und Repression werden zunehmen. Der Tag markiert den Beginn einer zweiten «Amtszeit» von Nayib Bukele als Präsident des Landes. Sie ist eindeutig verfassungswidrig. Doch die schärfere Phase der Diktatur zeigt sich nicht einfach in einem Verfassungsbruch, sondern in dessen Verbindung mit weiteren Faktoren: Bukele und sein Umkreis kontrollieren sämtliche Staatsorgane direkt, so etwas wie Gewaltenteilung ist abgeschafft. Die bewaffneten Organe des Staates stehen freudig Gewehr bei Fuss. Bukele hat die Verfassung abgeschafft. Und all das läuft offen.
Das Regime verhängt über laufend mehr Regierungshandlungen siebenjährige Geheimhaltungen – ohnehin für seine Geldgeschäfte, aber auch für zahlreiche andere Belange wie ein Audit des Online-Votums im Ausland bei der Präsidentschaftswahl von letztem Februar. Und zieht gleichzeitig seinen De-facto-Putsch stets offener durch. Als Drill für die Gesellschaft.
Wie im Blog schon beschrieben, liess sich Bukele vom Parlament die Vollmacht geben, die Verfassung via seine untergebene Parlamentsmehrheit praktisch von einem Tag auf den andern abzuändern. Damit verliert sie de facto jede Aussagekraft. Die Verfassung heisst jetzt Bukele.
Die Wiederwahl wurde trotz striktem Verfassungsverbot von der im Rahmen der Säuberung der hohen Justizorgane von Mai 2021 mit neuem Personal besetzten Verfassungskammer des Obersten Gerichts weissgewaschen. Bukeles Vize, der Jurist Félix Ulloa, entdeckte dann einen, wie er sagte, «versteckten» Verfassungsartikel neu, wie vor ihm zum gleichen Behuf der Diktator Maximiliano Hernández Martínez, der 1932 von 10'000 Indígenas massakrieren liess. Der Präsident strebe keine Wiederwahl an, bloss eine zweite Amtszeit. Er müsse nur sein Amt sechs Monate vor seinem offiziellen Ende abgeben. So absurd die Wortklauberei, sie wurde zur offiziellen Sprachregelung. Was sehen wir in der Videoaufnahme vom Treffen Bukeles mit Javier Milei am 1. Juni? Einen Argentinier, der fragt, wie es sich als Wiedergewählter anfühle, und einen Salvadorianer, der antwortet, das sei nötig gewesen. Wiederwahl – ein bis dato unaussprechbarer Begriff im Bukelismo, jetzt nebenbei verbreitet. Die Botschaft: «Wir sagen, was Sache ist.» Die sechsmonatige «Amtsabgabe» bestand darin, dass Bukeles eine Angestellte seiner Familienunternehmen mit der Unterschrift unter seine Regierungsgeschäfte betreute. Kaum wer im Land weiss ihren Namen.
Befehlsausgabe
Am 1. Juni Grossauftritt Bukeles und der Armee. Militärdefilee, Amtseid ablegen («Ich schwöre, die Verfassung zu verteidigen»), Rede vor Gästen und AnhängerInnen im zuvor von Armutsmenschen «entsorgten» Stadtzentrum, Militärkontrolle des Zugangs fürs gemeine Volk, Scharfschützen auf den Dächern ringsum.
Höhepunkt: die Rede des Machthabers. Eröffnungsbotschaft: «Wir haben das Unvorstellbare geschafft. Aber nicht dank unserer Kraft oder unserer Intelligenz, sondern einzig dank der Glorie und der Weisheit Gottes.» Gott erwähnt er in der kurzen Rede über 20-mal. Seine Regierung hat sich strikt an die Weisungen der Bibel gehalten, was dank «der Barmherzigkeit Gottes» das Land «zum Spiegel» gemacht hat, «in dem sich ganz Lateinamerika sieht.»[1]
Zweite Botschaft: eine Parabel vom Patienten, der Krebs, Diabetes und Herzprobleme hat. Die Ärzte können ihm nicht helfen. Dann findet er einen, der ihm sagt, er müsse seine Anordnungen genau befolgen, um den Krebs zu besiegen. Gesagt, getan – mit Hilfe Gottes, versteht sich. Der Patient will nun vom Herzleiden geheilt werden, sucht wieder die falschen Ärzte auf, die ihm nicht helfen können, aber den guten verleumden. Wieder beim Heiler, erklärt ihm der, zuerst habe sein Krebs besiegt werden müssen. Nun können die anderen Probleme angegangen werden, wieder nur, wenn er strikt den Anweisungen folge.
Die Belehrung folgt. Krebs = Banden, falsche Ärzte = die mit den Menschenrechten, heilender Arzt = er selber, Patient = Volk. Nun gehe es an die Rettung der Wirtschaft. Dieses Wunder sei möglich, wenn nur der Patient aufs Wort gehorche. Wieder brauche es eine bittere Arznei, wie Bukele beschwörend betont. Am Schluss erheben die Untertanen gehorsam den Arm zum Schwur und sprechen diese Worte nach «Wir schwören, unser nationales Projekt bedingungslos zu verteidigen, indem wir jeden einzelnen Schritt peinlich genau befolgen (…). Wir schwören, niemals auf die Feinde des Volkes zu hören.»
Die Wirtschaft, das Soziale
Sie ist heruntergewirtschaftet. Die Staatsverschuldung beläuft sich aktuell auf $ 30.7 Milliarden oder 88 % des BIP. Nach den 30 Regierungsjahren vor Bukele belief sie sich auf $ 18.2 Mrd. Bukele hat $ 12.5 Mrd. hinzugefügt – in 5 Jahren. Im gleichen Zeitraum hat die Armut offiziell von 22.8 % auf 27.2 % oder 1.2 Millionen Haushalte zugenommen. Trotz Neuverschuldung fehlten letztes Jahr rund $ 1.9 Mrd. für das Budget von rund $ 9 Mrd. Folge: Die meisten Ministerien realisierten bloss zwischen 45 % und 81 % ihres Solls, darunter Erziehung, Landwirtschaft, öffentliche Bauten. Das Handelsdefizit ist unter der Regierung Bukele von fast $ 6 Mrd. auf über $ 9 Mrd. gewachsen. Schätzungen auf der Basis einer Untersuchung der früher kirchlichen Menschenrechtsorganisation Tutela Legal gehen von rund einer halben Million ausgewanderter SalvadorianerInnen unter Bukele aus (die aus den USA oder Mexiko Deportierten abgezogen). Die Heimüberweisungen sind damit auf $ 8 Mrd.gestiegen, können das Budgetloch aber nicht stopfen. Unter Bukele gaben 18'000 Viehzüchter ihren Betrieb auf; fast alle Milchprodukte sind importiert, zur Freude der marktdominierenden bukelistischen Importeure.
Es gäbe viele weitere negative Indikatoren auf Zahlenbasis der Zentralbank oder des Finanzministeriums. Die grundlegende Hiobsbotschaft ist: Die Schulden, deren Rückzahlung neue Armut bewirkt, kamen nicht den Armen zugute, schon gar nicht den armen Frauen. Die Lohnungleichheit hat sich unter Bukele um mehr als 10 % verschärft. Die Müttersterblichkeit nimmt zu, Betreuungsprogramme sind abgeschafft. Die Vertreibung informeller VerkäuferInnen aus den Stadtzentren – allein in San Salvador 35'000 – trifft vor allem Frauen. Feminizide nehmen zu – in den ersten Monaten dieses Jahres auf mehr als einen alle 3 Tage. Am rechtsradikalen Politgipfel CPAC 2024 letzten Februar in Miami erntete Bukele begeisterten Applaus – er kündigte an, sämtliche Genderinhalte im Schulunterricht zu verbieten (dito Milei). Aktuell gibt es im Land eine Durchfallepidemie vor allem bei Kindern, 46 sind dieses Jahr schon daran gestorben. Ursache laut Colegio Médico: schlechte Wasserqualität. Rund 80 % der Bevölkerung reden von einer Wasserkrise, nicht so Pepsi Cola oder die Developpers von Luxus-Gated Communities: Ihre Wasserpumpen haben seit Beschluss eines neuen Wassergesetzes 2021 (Ley General de Recursos Hídricos) Vorrang vor den durstigen und kranken Menschen in den Unterklassenzonen. Unter Bukele ging der Lohnanteil am BIP von 38 % auf 36 % zurück, dafür stiegen die Unternehmergewinne von 38 % auf 40 %.
Money, money, money
Im oben erwähnten Blogpost werden Geldbeschaffungen des Regimes geschildert: Plünderung der Rentengeldern in den beiden Privatkassen, deren Besitzer daran mitverdienen; Rückzahlung der Bankschulden durch Aufnahme neuer Bankkredite; und kürzlich die Aufnahme eines internationalen Kredits zu horrenden Zinsen zwischen 12 bis 16 % (je nach Abschluss oder nicht eines Deals mit dem IWF). Doch die nationalen Banken laufen Gefahr, mit weiteren Reservenverlusten einen Crash zu riskieren; die Rentenkassen sind nach Ansicht von Sachkundigen Ende Jahr ausgemelkt, sollen die Rentenzahlungen nicht subito werden subito verringert werden; die «Finanzmärkte» grüssen mit höhnischen Zinsforderungen.
Das Regime preist in Aussicht gestellte Grossprojekte wie surf beach, neuer Flughafen im Osten, Tourismusressorts am unteren Lempafluss und neuer Cash Crop-Grossgrundbesitz u. ä. als neue Finanzwunder an (die inbegriffene Verdrängung lokaler Bevölkerungen soll dabei unter das Schweigen des régimen fallen). Als Superlösung für «Geld, wie Wasser im Meer», verheisst es die Chimäre milliardenschwerer kryptischer Technologieinvestitionen, angelockt mit Steuerbefreiungen und Staatsbürgerschaft.[2] Ein anderer Fachausdruck für solche Investitionen ist oft Geldwäsche. Die meisten Tourismusprojekte hängen absolut zufällig mit Kryptowährungsvorhaben zusammen. Normal bedeuteten solche Geldmaschinen für das Land bzw. seine Bevölkerungsmehrheit money in, money out. Nur wenn die Kryptospekulation dank Investmentfonds etc. besonders hochschösse, würden einige Brosamen auch nach unten verteilt werden, als gütige Gaben Gottes und des Präsidenten. Zurück zur «Schuldensanierung»: Sie bedingt eine deutliche Verschärfung der antisozialen Offensiven, wie sie Milei in Argentinien versucht, gepaart mit einem IWF-Kredit zwecks Zahlungsfähigkeit. Aber bisher beharrt der Fonds auf der Abschaffung des Bitcoins als zweite Landeswährung und auf mehr Fiskaltransparenz. Bukele setzt offenbar auf einen Präsidenten Trump, der dem Fonds einen Kredit für seinen buddy down in El Salvador befiehlt, so wie er das für Macri, seinen buddy down in Argentina, gemacht hat.
In Sachen antisoziale Offensive ist etwa eine Anhebung der Mehrwertsteuer von 13 auf 15 Prozent im Gespräch. Sie könnte pro Jahr zwischen $ 550 und 600 Millionen in die Staatskasse bringen, aber auch viele formelle und informelle Buden wegen des von ihr bewirkten Konsumrückgangs zerstören. Ähnliche Folgen hätten etwa eine Kürzung der Gassubventionen oder ersatzlose Entlassungen im Staat. Die Privatisierung von Staatsunternehmen wie etwa das Stromnetz oder Erdwärmestrom, von Häfen oder Flughäfen oder auch der Spitäler und der Universität von El Salvador würden unmittelbar Geld in die Staatskasse spülen, nachher aber fehlen gewohnte Einnahmen immer mehr. So ziemlich alles kurzfristig Juhee, mittelfristig Jammer. Die «bittere Pille» soll die regierende Mafia vor einem baldigen Default retten, aber sie verschärft die soziale Not. Deshalb das offene Andocken an den Militarismus für einen extremen Sozialkahlschlag.
El régimen
Hier spielt der «Ausnahmezustand» eine zentrale Rolle. Das derzeit bejubelte Erfolgsrezept gegen die Maras wird langsam aber sicher stärker hinterfragt werden, nicht nur von den vielen Angehörigen willkürlich verhafteter und in den Terrorknästen darbender Menschen aus den Armutszonen.[3] Das Regime setzt diese Waffe immer direkter gegen die soziale und politische Opposition ein. Nicht zufällig bringt der Sicherheitsminister Gustavo Villatoro die Möglichkeit ins Spiel, das Ausnahmeregime in die «Verfassung» zu integrieren: «Die Maras sind nicht die einzige Bedrohung, denn du vertreibst einen Haifisch, aber andere Haie wollen sich im Schwimmbad tummeln, und da müssen wir weitermachen.» Sag el régimen, und in El Salvador wissen alle, was gemeint ist, egal wie sie dazu stehen: hunderte von umgebrachten, abertausende von schwer misshandelten Gefangenen; unbekannt viele Tausende Einsitzende, von denen die Angehörigen nicht wissen, ob sie noch leben; kafkaeske Justiz. «Auf der Strasse» der Armutszonen «ist der Polizist der Richter», wie der Polizeichef im Februar letzten Jahres mitteilte. Das soll Verfassungsgebot werden. Gegen den neuen «Haifisch», die soziale Rebellion.
Die Verhaftungen
Wohin die Reise geht, zeigte sich deutlich vor dem 1. Juni. Der Sozialzusammenschluss Bloque de Resistencia hatte zusammen mit der Alianza Nacional para El Salvador en Paz (AN), eine Organisation ehemaliger Soldaten und Guerillamitglieder, zu einigen dezentralen Aktionen im Land und international aufgerufen, unter dem Motto: «Wir anerkennen Bukele nicht als Präsidenten». Es war auch ein erster Schritt hin zu Dezentralisierung, territorialer Anbindung der Proteste, weg von nur landesweiten Demonstrationen. In der Nacht auf den 31. Mai verhaftete das Regime 9 Führungsmitglieder der AN unter der absurden Beschuldigung, für den 1. Juni Sprengstoffanschläge auf Tankstellen, Supermärkte und Regierungseinrichtungen vorbereit zu haben. Später wurde auch die Verhaftung von Luis Menjívar bekannt, der über Facebook wichtige Sendungen über soziale Proteste übertragen hat. Es ist das erste Mal, dass die ganze Leitung einer Organisation des Terrorismus bezichtigt und offiziell unter Bedingungen des Ausnahmeregimes «abgeräumt» wird.
Die Proteste im Land, die am 1. allein der Bloque durchgezogen hatte – die AN war verständlicherweise gelähmt – waren recht klein, stiessen aber auf grosses mediales Echo. Wohl alle, die sich in irgendeiner Form beteiligt hatten, taten dies mit der Angst, auf Jahre hinaus in den Folterknästen zu landen. Der Bloque jedenfalls sieht die Aktionen als Erfolg, als bedeutsames Zeichen, sich von der Angst nicht einfach unterkriegen zu lassen. Es gab Aktionen in den USA vor salvadorianischen Konsulaten oder wie in Los Angeles in einem von der Latinobevölkerung gern frequentierten Park. Ähnlich, wenn auch kleiner, in Ländern wie Mexiko, Argentinien und Kolumbien. Aus Kanada, Norwegen, Spanien und der Schweiz kamen Videogrüsse in Solidarität mit dem Bloque und generell den Sozialbewegungen. Ein deutliches Zeichen der internationalen Unterstützung für die Sozialbewegung in El Salvador und der moralischen Unterstützung gegen das Regime der Angstverbreitung. Bezeichnend, dass es die Bewegungen und insbesondere der Bloque waren, die zu nationalen und internationalen Initiativen fähig waren, nicht mehr der FMLN, der sich auf ein Kommuniqué zum 1. Juni beschränkte, das kaum registriert wurde.
Washington, 1. Juni. |
Politik der Angst
Dennoch ist klar, dass die Verhaftungswelle vom 30./31. Mai in den Bewegungskreisen enorm auf die Stimmung drückte. Spätestens jetzt wurde allen bewusst, dass das Ausnahmeregime offen zur versuchten Zerschlagung der sozialen und politischen Opposition übergeht.
Gegen die Compañeros der AN, bis auf ihre beiden bekanntesten Exponenten – den Ex-Parlamentarier des FMLN, Pepe Murillo, und Atilio Montalvo, bekannt als Salvador Guerra, FMLN-Comandante und Mitunterzeichner der Friedensabkommen von 1992 -, alle ehemalige Armeeveteranen, legten die Staatsorgane «Beweise» vor, die so haarsträubend sind wie ihre Anschuldigungen: einen nichtssagenden Mitschnitt aus einem Telefongespräch und «Sprengstofffabrikate», wie sie in El Salvador an jeder zweiten Fete als Knaller abgefeuert werden. Erbärmlich die Behandlung von Atilio, einem warmherzigen Menschen: Er leidet an Diabetes 5, sollte am Tag seiner Verhaftung dringend eine Dialyse erhalten, hatte vor einigen Monaten einen Schlaganfall, worauf er kaum mehr sprechen und gehen konnte und war kürzlich wegen eines Herzinfarkts in Notbehandlung. Im vollen Wissen darum holten sie ihn aus dem Bett und warfen ihn in ein Polizeigefängnis - ohne medizinische Behandlung. Nur der auch international mitgetragene Aufschrei seiner Familie, des Bloque und der Ex-Guerillas in der AN brachte die Mordmaschine zumindest vorübergehend zum Stillstand. Atilio wie auch der ebenfalls chronisch kranke Pepe Murillo erhielten in diesen Tagen eine erste seriöse medizinische Hilfe – für wie lange, ist unsicher. Von den anderen Gefangenen weiss man zurzeit so gut wie nichts.
Dass das Regime auf die AN losging, liegt wohl auch an der Schwächung dieser Organisation, die sich während des Wahlkampfs in verschiedene Fraktionen um irgendwelche Kandidaturen aufgesplittert hatte. Das ändert aber nichts daran, dass sie, wieder weitgehend auf den Zusammenschluss von ehemaligen Armee- und Guerillamitgliedern beschränkt, die Lehren aus diesen Wirren gezogen hat und bei allen wichtigen Strassenprotesten dabei war. Das Regime geht systematisch vor und greift gerne dort an, wo es Schwachpunkte ortet. Aber alle sind betroffen. Die bisher offen agierende Opposition wird sich auf die neue Bedrohungslage einstellen müssen.
Gäste in Soutane
Zurück zum 1 Juni. Staats- oder Regierungschefs waren nur wenige dabei. Aus Zentralamerika blieben die Präsidenten von Guatemala, Panama und Nicaragua weg, ansonsten kamen noch Milei, Noboa aus Ecuador, Peña aus Paraguay. Für die EU kam der Lateinamerikadelegierte ihres Aussenpolitischen Dienstes, von dem nur ein paar Floskeln bekannt wurden, weiter die kosovarische Präsidentin Osmani und der spanische König. Washington schickte den Homeland Security-Minister Alejandro Mayorkas, der sich im Gespräch mit Bukele über Migrationsfragen ausliess. Ein mässiger Aufmarsch, aber doch einer, der die Diktatur faktisch absegnet.
Dabei waren auch die meisten katholischen Bischöfe (nur der Kardinal und zwei Bischöfe liessen sich nicht dazu herab). Der Erzbischof meinte nachher, jede Regierung habe halt ihre Licht- und Schattenseiten. Mitte Mai hatte Bukele das grosse Wandbild von Romero, dem im Krieg von der Armee ermordeten und vor einigen Jahren offiziell zum Heiligen erklärten Erzbischof, in einer Nacht- und Nebelaktion aus dem internationalen Flughafen entfernen lassen. Es wurde mit einem Gruss an die TouristInnen ersetzt: «Willkommen an der Surf-Küste». Die Nachricht vom verschwundenen Gemälde provozierte viele empörte Stellungsnahmen. Jahrzehnte vor dem Vatikan hatte das Volk den Ermordeten zu seinem Heiligen ernannt, in Ehrung seiner Haltung, die sich in Sätzen ausdrückte wie «Die Justiz ist wie die Schlange; sie beisst bloss den Barfüssigen» und an seinen berühmten «Befehl» an die Armee, das Morden einzustellen (den er mit seinem Leben bezahlte). Nach tagelangem Schweigen verkündete Bukele, das Gemälde werde an einem besser belichteten Platz aufgestellt. Dazu fiel den bei der Inthronisierung anwesenden Soutanenträgern in Interviews kein Wort ein; schliesslich war ihre Aufgabe, die religiös-kulturell-ideologische Komponente für die Weiterherrschaft des Bukeleclans zu stärken. Sie, ebenso wie ein evangelikaler Redner aus Irland, leisten damit ihren Beitrag zum Versuch der regierenden Mafia, die Geschichte radikal umzuschreiben. Danach war der Bürgerkrieg ein abgekartetes Spiel zwischen Rechten und Linken und überhaupt alles schlecht gewesen, bis Prahlhans kam und die Welt mit Cyberzauber und starker Hand in Atem hält.
[1] Anspielung auf die aus Washington gesteuerte und von den ultrareaktionären Kräfte in Lateinamerika aufgenommene Propaganda für den Bukelismo mit dem Ziel der Zerstörung linker und progressiver Kräfte.
[2] Natürlich sehen das die internationalen Bitcoin-Gangster im Umkreis der bukelistischen Regierung anders. Gerade hat Bukele Brian Roemmele, einen kalifornischen Verkünder der neuen Welt der Künstlichen Intelligenz, in seinen Beraterstab aufgenommen. Stacy Herbert sitzt wie ihr Mann Max Keiser - beide früher bei RT - in der Leitung der Kryptowährungsagentur der Regierung Bukele. Tolle Sache für die «KI-Politik» Bukeles, meint sie, und beruft sich dabei auf die etwa von der NZZ gelobte trumpistische Investorin Cathie Wood, wonach «sich das Bruttoinlandprodukt El Salvadors in den nächsten 5 Jahren verzehnfachen» werde. «Und 10x mehr ist bloss der Anfang», jubiliert die Bitcoinerin. Bukele dient sein Land als Enklave (‘money in, money out’) für IT-Mächte an. Ein ähnliches KI-Wunder verspricht Milei in Argentinien.
[3] Vielerorts sind die Gangmitglieder nicht weg, sondern wissen die BewohnerInnen um ihre «diskrete» Anwesenheit. Die Beweise für einen ununterbrochenen Deal Regierung/Maras nehmen zu. Erneut wurde vor wenigen Tagen ein Marachef in den USA verhaftet, der eigentlich noch viele Jahre im salvadorianischen Knast hocken müsste. Wie kamen er und Kollegen da raus? Warum leisten die doch so schwer bewaffneten Strukturen praktisch keinen Widerstand gegen ihre Zerschlagung? Warum erbeuten die Sicherheitskräfte bei angeblich über 80'000 Verhafteten der organisierten Kriminalität nur selten mal eine Pistole oder ein Handy? Warum beschlagnahmen sie nie eine grosse Geldsumme, meist nur ein paar Dollars? Warum mehren sich die Klagen, früher wurde man von den Maras, heute von den Sicherheitskräften bedroht?