USA: Neues Sanktionsgesetz gegen Venezuela, González als "gewählter Präsident" anerkannt

Donnerstag, 28. November 2024

 

Caracas kritisiert "eklatanten Verstoß gegen die Charta der Vereinten Nationen". Washington wiederhole zudem eine gescheiterte Strategie des Regime change
Senator Scott, einer der Initiatoren des Bolivar Act, beim Videotelefonat mit Machado
Senator Scott, einer der Initiatoren des Bolivar Act, beim Videotelefonat mit Machado

Caracas. Die venezolanische Regierung hat das vom US-Repräsentantenhaus verabschiedete Bolivar-Gesetz scharf verurteilt. Damit sollen Sanktionsmaßnahmen gegen das südamerikanische Land in der US-Gesetzgebung verankert werden.

"Der Zweck dieses Gesetzes ist es, die wirtschaftlichen Beziehungen und die Zusammenarbeit zwischen Venezuela und den USA zu untergraben." Dies stelle einen eklatanten Verstoß gegen die UN-Charta dar "und kommt zu den mehr als 930 einseitigen und extraterritorialen Zwangsmaßnahmen gegen das venezolanische Volk hinzu", heißt es in einer Pressemitteilung des Außenministeriums.

Caracas beschuldigt zudem die venezolanische ultrarechte Opposition, die "Aggression" Washingtons gegen das Land zu unterstützen und fordert die internationale Gemeinschaft auf, diese "illegale" Maßnahme, die "die nationale Souveränität verletzt", zu verurteilen.

Kritisiert wird auch das "beleidigende" Akronym des Gesetzes, das nach dem venezolanischen und südamerikanischen Unabhängigkeitshelden Simón Bolívar benannt ist.

Das "Gesetz zum Verbot von Geschäften und Pachtverträgen mit dem illegitimen autoritären Regime Venezuelas (Bolivar)" wurde am Montag vom US-Repräsentantenhaus mit Unterstützung republikanischer und demokratischer Abgeordneter verabschiedet. Der Gesetzentwurf wurde von zwei Abgeordneten aus Florida, Mike Waltz von den Republikanern und Debbie Wasserman Schultz von den Demokraten, eingebracht und wird nun dem Senat vorgelegt.

Waltz, den der designierte Präsident Donald Trump zum nationalen Sicherheitsberater ernannt hat, erklärte in einer Pressemitteilung, dass der Gesetzentwurf "eine starke Botschaft an Maduro sendet, dass es keine Appeasement-Politik geben wird".

Am Dienstag führte der republikanische US-Senator Rick Scott aus Florida, einer der Initiatoren des Bolivar Act, ein Videotelefonat mit der venezolanischen Oppositionellen María Corina Machado. Die Tage von Präsident Nicolás Maduro sind gezählt", so Scott. Auf X postete er, dass er "weiterkämpfen" werde, um die Regierung Maduro zu stürzen und signalisierte damit die positive Haltung des Senats zu dem Gesetz.

Der Gesetzentwurf HR 825 verbietet es US-Bundesbehörden, Verträge über die "Beschaffung von Waren oder Dienstleistungen" mit Personen abzuschließen, die signifikante Geschäfte "mit einer Behörde der Regierung Venezuelas" tätigen, "die von den USA nicht als legitime Regierung Venezuelas anerkannt wird".

Ausgenommen sind Auftragnehmer, die sich beim Amt zur Kontrolle von Auslandsvermögen (Ofac) des US-Finanzministeriums eine Sanktionsbefreiung für ihre Geschäftstätigkeit in Venezuela gesichert haben.

In der Praxis führt der Bolivar Act nicht zu einer Verschärfung der bestehenden Sanktionen. Die von der Trump-Regierung im August 2019 erlassene Executive Order 13884 verbietet US-Bürgern bereits "Transaktionen mit der Maduro-Regierung, es sei denn, sie sind von der OFAC genehmigt". Der Gesetzentwurf zielt jedoch darauf ab, die durch Executive Orders verhängten Maßnahmen in der Gesetzgebung zu verankern.

Seit dem Erlass von Präsident Barack Obama im Jahr 2015, in dem Venezuela zu einer "ungewöhnlichen und außerordentliche Bedrohung" für die nationale Sicherheit der USA erklärt wurde, wurden weitreichende Sanktionen gegen praktisch alle Sektoren der venezolanischen Wirtschaft verhängt. Die Ölindustrie wurde mit Finanzsanktionen, einem Exportembargo, sekundären Sanktionen und anderen Maßnahmen zur Unterbindung von Einnahmen ins Visier genommen. Der Erlass wird seitdem Jahr für Jahr erneuert.

Diese Sanktionspolitik wurde von unabhängigen Menschenrechtsexperten als "kollektive Bestrafung" eingestuft, da sie eine Migrationswelle und wirtschaftliche Probleme auslöste, die zum Tod von Zehntausenden Venezolanern führten.

Die ultrarechte Opposition befürwortet seit langem die Agenda der USA für einen Regimewechsel, einschließlich einseitiger Zwangsmaßnahmen. Zu denjenigen, die sich wiederholt für Sanktionen und eine militärische Intervention eingesetzt haben, gehört Machado.

Ihre Übertretungen veranlassten den Obersten Gerichtshof Venezuelas, ihr die Ausübung öffentlicher Ämter zu untersagen. Daraufhin nominierte sie den nahezu unbekannten 75-jährigen Diplomaten Edmundo González als Ersatzkandidaten für die Präsidentschaftswahlen am 28. Juli.

Nach Angaben des Nationalen Wahlrats (CNE) erhielt Maduro 6,4 Millionen Stimmen, der von den USA unterstützte Kandidat 5,3 Millionen. Der Oberste Gerichtshof bestätigte die Ergebnisse. Die Opposition behauptet jedoch weiterhin, dass González, der im September nach Spanien ins Exil ging, der Gewinner sei.

Selbst in linken Kreisen innerhalb und außerhalb Venezuelas, die den Sieg Maduros nicht anerkennen, solange der CNE die Wahlergebnisse nicht veröffentlicht hat, wird González nicht als Sieger der Präsidentschaftswahlen anerkannt.

Am Dienstag bezeichnete US-Außenminister Antony Blinken nun González als "gewählten Präsidenten". Zuvor hatte Washington zwar seine Unterstützung für die Siegesbehauptung der Opposition zum Ausdruck gebracht, sich aber einer vollständigen Anerkennung enthalten.

"Das venezolanische Volk hat am 28. Juli deutlich gesprochen und Edmundo González zum gewählten Präsidenten gemacht. Demokratie verlangt Respekt vor dem Willen der Wähler", schrieb Blinken.

Venezuelas Chefdiplomat Yván Gil warf ihm daraufhin vor, die gescheiterte Strategie von 2019 zu wiederholen, als Washington sich hinter den selbsternannten "Interimspräsidenten" Juan Guaidó stellte. Dieser hatte sich nach mehreren gescheiterten Umsturzversuchen Anfang 2023 in die USA abgesetzt.

Die im Januar antretende Trump-Regierung hat dazu noch keine Stellung bezogen. Die Nominierung des republikanischen Hardliners Marco Rubio zum Außenminister durch Trump deutet nach Ansicht von Analysten jedoch auf verstärkte Bemühungen um einen Regimewechsel hin.

Don’t call us heroes

Mittwoch, 27. November 2024

 

Der Text von Roaa Shamallakh aus Gaza Don’t call us heroes ist absolute Pflichtlektüre. Auf die westliche Herrenmenschen-Haltung, die noch jede Verschärfung der Vernichtung als humanitäres Problem betrachtet (wenn überhaupt), geht sie schon gar nicht mehr ein. Ihre Sätze gehen tiefer. Und sie wehrt sich gegen die Instrumentalisierung von Überlebenden (wie sie selbst) als Helden/Heldinnen: «Survival in Gaza isn’t a triumph. It’s a necessity … Our resilience is not born of choice.   It is the reflex of the oppressed, the instinct to hold on when there is nothing left. If you see us, do not call us invincible (…) Call us what we are: human.”

Sie zitiert die Sätze ihres umgebrachten Lehrers und Mentors Refaat Alareer: «If I must die, you must live to tell my story.” Seine Worte, sagt sie, gaben ihr eine Aufgabe. Aber auch das war keine Stärke, sondern “a survival mechanism, a way to endure the endless mad cycle of fear and loss.”

Staying alive is the reflex of the oppressed. (Hadi Daoud / APA Images)

 

Man versteht sich im Weissen Haus

Dienstag, 19. November 2024

 

Bild: The Intercept


 

Trump-Sieg, ein «Tsunami» für MigrantInnen

Sonntag, 10. November 2024

David Brooks und Jim Cason*

„Die Wahl von Donald Trump ist ein Tsunami für EinwandererInnen“, kommentiert der Einwanderungsanwalt José Pertierra die fast unmittelbaren Auswirkungen des Sieges des einwanderungsfeindlichsten Kandidaten der Neuzeit. Er berichtet, dass noch am selben Mittwoch, an dem Trumps Triumph verkündet wurde, KlientInnen anriefen oder in sein Büro in Washington kamen und ihn besorgt und ängstlich fragten, einige unter Tränen, was mit ihnen geschehen würde, sobald Trump ins Weisse Haus einzieht.

Der Einwanderungsanwalt mit mehr als 40 Jahren Erfahrung, der sich auch mit den Beziehungen der USA zu Lateinamerika und der Karibik befasst, sagte in einem Interview mit La Jornada, dass die Menschen ohne Papiere „sehr gut wissen, was das bedeutet, nämlich dass ihnen verschiedene Schutzmechanismen genommen werden [um eine Abschiebung bis zur dauerhaften Legalisierung zu vermeiden], dass es sehr schwierig wird, Asylverfahren zu führen, und dass Trump versprochen hat, alle abzuschieben, die keine Papiere haben“.

Angesichts dessen sind diejenigen, die nur übergangsweise Schutz geniessen, wie das Temporary Protected Status Program (TPS) oder das sogenannte DACA für diejenigen, die als Minderjährige in einem bestimmten Zeitraum eingereist sind, oder jene, deren Legalisierungs- oder Asylfälle pendent sind, „entsetzt und wollen wissen, was getan werden kann. Sie fragen mich, ob dieser Schutz aufgehoben werden kann, und ich muss ihnen sagen: 'Nun, ein Präsident, der das Weisse Haus, den Kongress und den Obersten Gerichtshof und viele BundesrichterInnen, die er ernannt hat, kontrolliert, kann TPS oder DACA' mit einem Federstrich abschaffen“. Diese Programme laufen dank eines Exekutivdekrets und können daher durch ein anderes Exekutivdekret aufgehoben werden.

Als er gestern an einer Autowaschanlage ankam, kamen etwa 20 Salvadorianer heraus, nachdem ihn einer erkannt hatte - Pertierra ist unter den EinwanderInnen in Washington, DC, sehr beliebt und hat auch eine wöchentliche Sendung auf Univision, in der er Fragen zu Fragen des Einwanderungsrechts beantwortet -, um ihn zu fragen, was er erwartet, welche Rechtsmittel zur Verfügung stehen und was mit ihren Familien geschehen wird.

Im Büro fragte ihn ein papierloser Vater, was er tun könne, da er eine dreijährige Tochter hat, die in den USA geboren wurde, nun aber Angst hat, dass Trump ihn abschieben wird und er nicht von ihr getrennt werden möchte. Das sind die Fragen, die ihm ständig gestellt werden, und das Schlimmste für Pertierra ist, dass er nichts sagen kann, um sie zu beruhigen, denn sie alle sind bedroht, weil die wenigen bestehenden Schutzmassnahmen aufgehoben werden.

Diese Angst ist Teil von Trumps Strategie, sagt er. „Es herrscht bereits ein Klima des Schreckens unter den MigrantInnen, die wissen, was sie erwartet“, und wiederholt: ‚Es ist ein Tsunami für sie‘. Trump versuche, diese Angst mit einem bestimmten Ziel zu nähren: „Er verspricht Massenabschiebungen, aber das wird mit dem System, das er hat, ein bisschen schwierig sein. Aber was er tun kann, ist den Menschen TPS, DACA, Arbeitserlaubnisse wegzunehmen, Razzien durchzuführen, dann, denkt er, werden die Leute von selbst gehen. Das ist die Idee.»

Die MigrantInnen wissen, dass Trump genau das will. „Wenn man mich zum Beispiel fragt: 'Wenn ich kein TPS mehr habe, gibt es dann noch Hoffnung für die Zukunft?', kann ich nur antworten: 'Ich weiss es nicht’. Das Problem, nicht nur für mich, sondern für alle EinwanderungsanwältInnen, besteht darin, dass sie uns die Möglichkeit nehmen, unsere MandantInnen zu verteidigen. Wenn wir nicht die Möglichkeit haben, Asyl zu beantragen, wenn wir kein TPS haben, das die Leute schützt, während wir das Problem auf andere Weise lösen, womit können wir dann eine Abschiebung aufhalten?“, erklärte Pertierra.

Ausserdem wird es schwieriger werden, Einwanderungsfälle vor Gericht zu verhandeln. Er erinnerte daran, dass Trump „einen Haufen Bundesrichter überall in den Vereinigten Staaten ernannt hat, nicht nur am Obersten Gerichtshof, und sie gehören zu denen, die die Einwanderungsfälle überprüfen“, nachdem es eine Entscheidung der spezialisierten MigrationsrichterInnen gibt. Zu sagen, dass diese (nicht die BundesrichterInnen) „RichterInnen seien, wäre eine Lüge“, da sie eigentlich Angestellte des Justizministeriums sind und für dessen Chef, den Generalstaatsanwalt, arbeiten. Sollten sie nicht im Sinn der Politik der Exekutive urteilen, können ihre Beschlüsse aufgehoben und sie selber entlassen werden. Um gegen ihre Entscheidungen in Einwanderungsfällen Einspruch zu erheben, muss man sich daher an die Bundesgerichte wenden, von denen jedoch viele von Trump ernannt wurden.

„Ich fühle mich wie die Christen, die die Römer in den Kampf gegen die Löwen schickten, nur nackt“, sagt er abschliessend.

Derzeit sind 863’880 Ausländer aus 16 Ländern vorübergehend durch TPS geschützt. Etwa 530’000 junge Menschen werden durch DACA unterstützt, obwohl es insgesamt 3.6 Millionen sogenannte „Dreamers“ gibt, die Anspruch auf Schutz durch DACA haben, wie das Immigration Forum berechnet hat.

In der Zwischenzeit riefen Einwandererorganisationen im ganzen Land MigrantInnen dazu auf, sich rechtlich beraten zu lassen, und versprachen, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die Gemeinschaften gegen die Offensive zu schützen, die sie mit Trumps Einzug ins Weisse Haus am 20. Januar erwartet.

·        La Jornada, 8.11.24: Triunfo de Trump, un tsunami para los inmigrantes

 

_________________________

 

Prozente waschen weiss

(zas, 10.11.24) Natürlich ist der prozentuale Pro-Trump-Anteil von Ladinos oder AftroamerikanerInnen im Vergleich zu den Wahlen 2020 gewachsen. Das wird rundherum als Beleg dafür präsentiert, dass die working class mit «bösen» MigrantInnen und progressivem Emanzipationsgeschwafel nichts am Hut hat. Der Feind des Arbeiters sei der Hilfsarbeiter. Das ist praktisch: Über die reale Basis des White-Power-Faschismus kann hinweggesehen werden. Sicher, auch Eingewanderte oder früher Versklavte machen dabei mit. Aber nicht als treibende Kraft. Mehr als neues «Yeah, Massa».

Laut Reuters kam Donald Trump gestern Samstag auf 71.5 Mio. Stimmen, Kamala Harris auf 67.5 Mio. Zusammen also auf 139 Mio. Noch wird gezählt, in Kalifornien und anderswo. Biden machte 2020 81.2 Mio. Stimmen, Trump 74.2. Zusammen: 155 Mio. Heute sind die meisten Staaten zu 97-99 % ausgezählt. Dass Trump in den bevölkerungsreicheren Staaten mit tieferen Auszählungsquoten noch 3 Mio. oder mehr Stimmen erhält, gilt nach linken US-Medien als möglich, aber wenig wahrscheinlich. So oder so: Einen stimmenmässigen Vorwärtssturm hat sein Lager nicht hingelegt. Er stagniert. Doch die Dems sind eingebrochen. Das vergrössert automatisch den Stimmenanteil aus «minorities», den Trump schon 2020 hatte.

Natürlich haben die demokratische Parteielite und Administration die unten immer wieder verkauft. Hier ist nicht der Platz, das auszuführen. Eindeutig ist: Dieses Mal hat die Erpressungsformel «’Wählt uns, sonst…’) nicht funktioniert. Auch das mit gefährlichen Folgen.

Noch ist vieles offen. Aber den Rückgang der Dems sofort und unbekümmert den Ladino-Männern etc. zuzuschreiben, ist erkennbar Propaganda, «subtiler» Rassismus. Der Eindruck soll festgeklopft werden, dass die unten vor einer Migrations-liebenden und «woken» Elite Schutz bei einer «währschaften» Rechten suchen. Wir kennen das hier vom Blick auf die «Sorgen der Bürger». Wenn’s um Hetze gegen noch Schwächere geht, dann – und nur dann – werden Existenznöte der Unterklassen erwähnt. Als moralischen Input in die Treibjagd.

Arabischstämmige US-BürgerInnen haben die Dems eindringlich gewarnt: Wenn ihr am Genozid in Gaza weiter mitmacht, verliert ihr unsere Stimme. Nicht nur sie. Entgegen dem propagierten Herrschaftsnarrativ von den Armutsklassen, die sich zunehmend an die Ultrarechten klammern, erkennen natürlich afroamerikanische Communities u. a. im Leid der anderen ihr eigenes. Das soll verhindert werden, deshalb das erwähnte Propagandanarrativ.

Carol Anderson fasst die Wahldynamik so zusammen: «Die Konföderierten haben gewonnen.» Die Sklavenhalter hatten 1865 den brutalen Bürgerkrieg verloren und ihre NachfolgerInnen hielten hundert Jahre später dem Druck der Civil Rights- und Black Power-Bewegungen nicht stand. Anders als viele Medienschaffende hat die afroamerikanische Erforscherin der afroamerikanischen Geschichte nicht begriffen, was die Prozentanteile so klar sagen: Schuld an der Misere, an der rassistischen und klassistischen Raserei sind die Schwarzen und ihresgleichen.

Carol Anderson.