https://amerika21.de/2025/03/274345/mahnwachen-mexiko-wegen-teuchitlan
Mexiko-Stadt. Unter dem Motto "Nie wieder Teuchitlán!" haben Tausende von Menschen in mehr als zwanzig mexikanischen Städten an Mahnwachen für die Verschwundenen teilgenommen. "Mexiko ist kein Land, sondern ein Massengrab," stand auf Plakaten. Am 15. März stellten Demonstranten mit Schuhen und Kerzen vor dem Regierungspalast in Mexiko-Stadt den grausigen Fund auf der Izaguirre Ranch im Bundesstaat Jalisco symbolisch dar. Dort hatten in der vorangegangenen Woche Angehörige hunderte Paare Schuhe, Kleidungsstücke, Abschiedsbriefe und menschliche Überreste in unterirdischen Verbrennungsöfen gefunden.
Laut Indira Navarro vom Kollektiv Guerreros Buscadores de Jalisco haben sie die Suche auf der Ranch am 5. März nach einem anonymen Hinweis aufgenommen. Das 5.000 Quadratmeter große Grundstück, das nur 50 Kilometer von Jaliscos Hauptstadt Guadalajara entfernt liegt, wurde eigentlich schon im September 2024 von den bundesstaatlichen Behörden in Zusammenarbeit mit der Nationalgarde konfisziert. Doch offenbar wurden alle Hinweise auf Verschwundene ignoriert. Die Ranch blieb verweist und ohne Bewachung. Den Angehörigen zufolge war nicht mal das Tor verschlossen.
Laut Zeugenaussagen von Überlebenden diente dieser Ort dem Jalisco-Kartell Neue Generation als Trainingscamp für zwangsrekrutierte Männer und Frauen. Diese wurden mit fingierten lukrativen Jobanzeigen in die Falle gelockt. Zahlreiche Personen, die der brutalen paramilitärischen Ausbildung nicht standhielten wurden auf dem Anwesen getötet. Das Angehörigenkollektiv stieß am ersten Tag der Suche gleich auf drei in der Erde eingelassene Verbrennungsöfen mit verkohlten menschlichen Überresten. Ein viertes mit Erde zugeschüttetes Loch entdeckten sie am 14. März in Zusammenarbeit mit den föderalen Behörden.
Ana Enamorado, die Mutter von Oscar Antonio López Enamorado, der vor fünfzehn Jahren in Jalisco verschwand, ist eine der Organisatorinnen der Mahnwache gegen das Grauen und für das Leben. In ihrer Rede in Mexiko-Stadt forderte sie Präsidentin Claudia Sheinbaum auf, die Familien der Verschwundenen endlich wahrzunehmen und anzuhören. "Sie wissen, dass das Vernichtungslager in Teuchitlán kein Einzelfall ist", sagte Enamorado in ihrer Rede.
Das gewaltsame Verschwindenlassen von Menschen sei ein "Horror", der auf den Schmutzigen Krieg der 1970er zurückgehe. Damals wandten mexikanische Militärs schwerste Menschenrechtsverletzung an, um oppositionelle Gruppen zu unterdrücken. Die Situation habe sich verschärft als Präsident Felipe Calderón 2007 der Drogenmafia den Krieg erklärte. "Der Horror begann sicherlich nicht in Ihrer Regierung und auch nicht in der Ihres Vorgängers, aber er wurde damals nicht eingedämmt und wird auch heute nicht eingedämmt", so Enamorado in ihrer an Sheinbaum gerichteten Rede.
Das landesweite Register der verschwundenen und vermissten Personen zählt 124.000 Namen. Allein in den ersten 100 Tagen von Sheinbaums Regierung wurden weitere 4.000 Verschwundene dort verzeichnet. Auf Anordnung von Sheinbaum werden die Ermittlungen jetzt von der Generalstaatsanwaltschaft geführt. Die Unwissenheit der örtlichen Behörden und der Staatsanwaltschaft von Jalisco über die Aktivitäten auf der Ranch sei nicht glaubhaft, so die Begründung.
Die Staatsanwaltschaft von Jalisco hatte noch am 13. März behauptet, es gebe keine Hinweise auf die Krematorien oder andere Verbrechen. Sie hätten das Gelände selbst untersucht, hiess es in einem Kommuniqué der Behörde. Opferorganisationen reagierten mit Wut und Entrüstung auf diesen Skandal. Sheinbaum ordnete weitere Untersuchungen an.