Honduras: Widerstand erkennt Lobo-Regierung nicht an

Donnerstag, 28. Januar 2010

Kommuniqué Nummer 46 der Nationalen Widerstandsfront gegen den Staatsstreich in Honduras

aus
amerika21.de
Tegucigalpa. Einen Tag vor der Machtübernahme des konservativen Unternehmers Porfirio Lobo in Honduras veröffentlichte die Koordination der Nationalen Widerstandsfront in Tegucigalpa am Dienstag ein Kommuniqué zur aktuellen Lage. Darin geht die Führung des Widerstandes indirekt darauf ein, dass Mitglieder der Linkspartei Demokratische Vereinigung (UD) Ämter in der Lobo-Regierung und in dem von den Putschisten kontrollierten Kongress übernommen haben.
Das betrifft den UD-Abgeordneten Marvin Ponce, der das Amt eines der Vizepräsidenten des Kongresses angenommen hat. Der bisherige UD-Vorsitzende César Ham wird als möglicher Chef des einflussreichen Nationalen Agrarinstitutes gehandelt.
Amerika21.de veröffentlicht das Dokument in deutscher Übersetzung.

Die Koordination der Nationalen Volkswiderstandsfront im Verwaltungsbezirk Tegucigalpa bekräftigt ihre Entscheidung, das Regime von Porfirio Lobo nicht anzuerkennen. Dieses Regime stellt die Fortsetzung der Diktatur dar, die von der Oligarchie durch den Staatsstreich am vergangenen 28. Juni errichtet wurde. Daher erklären wir hiermit, dass der Widerstand keines seiner Mitglieder dazu autorisiert hat, Posten in einem der Staatsorgane zu übernehmen. Der Widerstand hat ebenso wenig entschieden, sich an dem falschen Dialog zu beteiligen, den die Putschisten mit dem Ziel ausgerufen haben, einen Nationalen Plan zu erarbeiten. Dieser Plan zielt einzig darauf ab, das gescheiterte neoliberale Modell fortzuführen und die Privilegien einer Minderheit zu erhalten, die sich die illegal erlangte Macht klammert.
Zugleich weisen wir Behauptungen putschistischer Medien und einiger Politiker zurück, die gegenüber Mitgliedern der Partei Demokratische Vereinigung (UD) als Akteure des Widerstandes auftreten und Teil der Führungsebene des illegitimen Nationalkongresses sind. Ihre Entscheidungen wurden im Vorstand der UD getroffen, sie werden jedoch nicht von der breiten Basis dieser Partei getragen. Die Basis steht weiter firm hinter der Entscheidung der in der Nationalen Widerstandsfront vereinigten politischen Kräfte, NICHT an den illegalen Wahlen vom 29. November teilzunehmen. Deswegen erkennen sie die in den Putsch verstrickte Obrigkeit nicht an.
Wir leisten Widerstand! Wir werden siegen!
Tegucigalpa, 26. Januar 2010

Haiti: "Wiederaufbau" - der Angriff kommt ins Rollen

(27.1.10) Wir wissen es: Wenn die Erde bebt, die Dürre alles verbrennt, der Krieg die Menschen ins Elend stürzt, dann ist Hochbetrieb bei den globalen Gesellschaftsplanern. Sie fallen unweigerlich über die Zone der Verwüstung her, reden von der Chance zum Neubeginn, richten die Waffen ihrer Pläne und Armadas auf die Überlebenden und lassen sich als Wohltäter feiern. Jede gewalttätige Zerschlagung der alten Ordnung, in der sich die unten Rechte und Freiräume haben erkämpfen können, wird begrüsst, komme sie per Bombe oder mit einem Sturm. Der Kapitalismus gedeiht in seiner gewalttätigen Erneuerung, nicht in seiner Erstarrung.

Entsetzen ruft bei denen einzig die revolutionäre, kollektive Zerschlagung des Alten für die Befreiung hervor. Auf ihre unerbitterliche Feindschaft stösst der Versuch der Menschen in solchen Notsituationen, selbstbestimmt zu überleben, kollektiv die Würde zu behaupten und so die Grundlagen für eine andere Gesellschaft zu legen. Das zu verhindern, ist Aufgabe der „Wiederaufbaustrategien“.

In Haiti soll jetzt, gestützt auf frühere Blaupausen, eine radikale Transformation des Landes und der Gesellschaft durchgedrückt werden. Elemente davon sind ein massiver Ausbau der „Freien Produktionszonen“, Massenumsiedlungen, verschärfte Privatisierungen, Landraub im Grossmassstab, Sonderjustiz für die kapitalistischen Unternehmer und eine Planung, welche die Bevölkerung in den grössten, aber „unproduktiven“ Teilen des Landes abhängen soll. Begleitet von einer Durchmilitarisierung der Gesellschaft. Ernähren soll sich das Vorhaben aus der unvorstellbaren Not.

Sie werden Terror ausüben, getarnt als humanitäre Hilfe. Mit ihren grössenwahnsinnigen Pläne zur Gestaltung der Gesellschaft vom Reissbrett aus werden sie auch dieses Mal scheitern. Aber erneut zu einem unerträglichen Preis, der zum Leid des Erdbebens hinzukommt.

Am Dienstag,  dem 19. Januar, eine Woche nach dem Erdbeben, erklärte die in Haiti engagierte medizinische US-Soliorganisation „Partners in Health“ (PIH):

„Wir sagten es gestern. Wir wiederholen es heute lauter und drängend. ZEHNTAUSENDE VON ERDBEBENOPFERN BRAUCHEN CHIRUGISCHE NOTHILFE JETZT!!!!! Unser medizinischer Direktor hat geschätzt, dass jeden Tag 20'000 Menschen sterben, die mit einem chirurgischen Eingriff gerettet werden könnten. Die Sterberate und die Inzidenz von Wundbrand und anderen tödlichen Infektionen wird weiter anwachsen, wenn es nicht zu einem massiven Effort kommt, um mehr Operationsräume einzurichten, mit Personal auszustatten und essentielle Ausrüstungs- und Versorgungsgüter zu liefern – von Alkohol über Sterilisierung zu Anästhesiemaschinen, von Wundnähten zu Abkochdruckapparaten“.

Grosse US-Medien berichteten über den Notruf. PIH ist kein marginales Grüppchen; Bill Clinton trifft sie, das US-Militär fliegt jetzt ihre PatientInnen auf das Spitalschiff der US-Navy vor Port-au-Prince. Dennoch ging die Angelegenheit mit ein paar Dementis unter. Die Zahl sei „viel zu hoch“, meinte die Kommunikationsministerin Marie-Laurence Jocelyn Lassègue. „Ich sah die Zahl, und sie scheint mir zu hoch“, meinte John Holmes, ein Unter-Generalsekretär der UNO und ihr Nothilfekoordinator.

5000, 10000, 150000, 20000? Fakt ist, nachdem die US-Armee den Flughafen okkupiert hatte, ging erst mal lange Zeit fast gar nichts mehr in Sachen Anflug von Hilfsgüter. Es kamen stattdessen die Waffen. (Am 21. Januar schlossen die US-Militärs auf dem Flughafen von Port-au-Prince  alle provisorischen Büros der Medienschaffenden, wie Reuters und Europa Press berichteten. Warum?)

Für Angaben zu Elementen des „Wiederaufbau“-Angriffs hier weiter lesen


http://docs.google.com/Doc?docid=0ATMdcWQnNFi6ZGRia2Q2NW5fNmhoOTc1emdq&hl=en

Angst vor den Opfern

Dienstag, 26. Januar 2010

Kim Ives*

Der kleine weisse Helikopter war in einem Feld gleich hinter der Polizeistation von Léogâne gelandet. Hunderte von HaitierInnen hatten sich um ihn in einer Mischung von Neugier und Vorfreude versammelt. Das war der erste Helikopter, der gelandet war. In den vergangen Tagen waren viele über die Stadt hinweg geflogen. Aber kurz nach der Landung hob der Heli wieder ab und begann, in einer Höhe von etwa 150 Fuss über dem Feld Kreise zu ziehen. Dann ging eine Tür auf und jemand warf kleine Pakete hinaus.

Eines dieser Pakete flatterte herunter und blieb hoch oben in den Ästen eines Baumes hängen. Ein anderes plumpste in den Hinterhof der Polizeistation, wo Dutzende von jungen Community-Aktivisten ein Treffen von hohen Tieren mit dem Bürgermeister von Léogâne, Alexis, Santos,  und einem Funktionär des haitischen Innenministeriums verfolgten.

Das Paket enthielt Brötchen. Als die jungen Community-Aktivisten das sahen, gingen sie in die Luft.

„Das ist total empörend“, sagte Alex Estimé, ein junger Mann, der die letzte Woche damit verbracht hatte, seine Gemeinschaft zu organisieren, um Körper aus dem Schutt der Stadt auszugraben, wo schätzungsweise 80 Prozent der Gebäude zerstört worden sind. „Dies ist pure Demütigung. Ein Erdbeben ist ein Unglück, das jedem Land zustossen könnte. Würden sie Andere so behandeln? Nein. Das ist wie einem Hund einen Knochen hinzuwerfen. Wir wollen ihr stinkendes Brot nicht“. Sprachs und trampte auf dem Paket herum. Andere Männer traten auch danach.

Die Männer schüttelten ihre Fäuste und riefen Beleidigungen zum weiter seine Kreise ziehenden kleinen weissen Heli, aus dem weiter Brotpakete hernieder fielen. Miguel Joseph, ein Community-Leader und Direktor eines lokalen Radiosenders, sagte, die Hilfelieferung sei das Werk der Mormonenkirche.

„Diese Art der Hilfe ist völlig inakzeptabel“, sagte Max Mathurin, der frühere Chef des Conseil Électoral Provisoire, der die Wahlen von 2006 organisiert hatte. Als Ortsansässiger war er am Treffen mit dem Bürgermeister dabei. „Im Verlauf der letzten Woche habe ich mehrmals um einen Bagger gebeten, der hätte helfen können, Leute aus dem Schutt auszugraben und Leben zu retten“, klagte er. „Etwas so einfaches von unserer Regierung oder der UNO zu erhalten, war unmöglich. Das war eine Beleidigung. Jetzt ist dieser Helikopter die Beleidigung“.

In mancher Hinsicht stand der angeblich mormonische Heli mit seinen Nahrungabwürfen für die Art und Weise, wie die USA und die UNO dem haitischen Volk Hilfe bringen. Léogâne befand sich nur fünf Meilen vom Epizentrum des Bebens entfernt und weist vermutlich den grössten Schaden aller haitischer Städte auf. Aber am gleichen Tag hatte die UNO zuvor angekündigt, dass sie erst Hilfe nach Léogâne bringen könne, wenn die Sicherheit gewährleistet sei.

„Ich weiss nicht, was für eine Sicherheit sie herstellen müssen“, antwortete Roland St. Fort, 32-jährig, ein anderer Community-Leader der Stadt. „Es hat hier keine Krawalle gegeben. Die Leute sind sehr diszipliniert. Sie errichten ihr eigenes Sicherheitssystem rund um die Lager im Freien“.

Überall in der Hauptstadt, wo angeblich Sicherheit hergestellt worden ist, fahren Tausende von Truppenangehörigen der U.N. Mission to Stabilize Haiti (Minustah) in gepanzerten Fahrzeugen mit auf die HaitierInnen gerichteten Gewehren herum, genau so wie vor dem Erdbeben. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon gab als Ergänzung der 9000 Truppenangehörigen die Entsendung von weiteren 3500 bekannt.

Zusätzlich marschierten 12'000 US-Soldaten diese Woche in Haiti auf. Die 82. Luftlandedivision legte, als sie am 19. Januar ankam, das Hôpital Général (HUEH) lahm, indem sie Opfer, Angehörige und Medienleute während einer Stunde wegwiesen, bis die Spitalverwaltung intervenierte und die Lage entspannte. Mit ihren M-16, die sie vor dem Spital handhabten. Schafften sie es, das Chaos zu vergrössern, statt zu reduzieren, indem sie den HaitierInnen, versuchten, das Spital, das ihnen theoretisch gehört, zu betreten, auf Englisch anherrschten. Viele hatten Hilfe gebraucht oder kamen, um für ihre Angehörigen zu sorgen. Die Spitalküche, gleich neben der einen Gestank verströmenden Leichenhalle gelegen, ist immer noch geschlossen.

Im Gegensatz dazu sind viele der 500 kubanischen ÄrztInnen, die in Haiti arbeiten, in ganz Port-au-Prince ausgeschwärmt, vor allem im grossen Flüchtlingslager auf dem Champ de Mars im Stadtzentrum. Dort haben sie kleine, mit einer kubanischen Flagge gekennzeichnete, Kliniken aufgestellt, um für die vielen Erdbebenopfer zu sorgen. Dr. Evan Lyon zufolge, der zur Zeit das HUEH leitet, profitieren rund 40'000-50'000 Leute auf dem Platz massiv von dieser Hilfe. Die kubanischen ÄrztInnen führen ihre Arbeit ohne Bewachung durch behelmte Männer mit Gewehren aus. „Die kubanischen ÄrztInnen sind eine sehr wichtige Ressource“, sagte er.

In der Zwischenzeit macht am Matthew 25 Hospitality House in Delmas 33 unter einer Gruppe kürzlich angekommener nordamerikanischer ÄrztInnen, die für 500, auf einem Fussballfeld nebenan einquartierte Erdbebenflüchtlinge sorgen, eine Anekdote die Runde. Auch sie schaffen es, lebensrettende Operationen und Pflege ohne militärische Bewachung durchzuziehen. Die das Haus leitende Schwester Mary Finnick berichtete von einem ankommenden Arzt, der berichtete, wie er gesehen hatte, wie riesige Mengen Gewehre durch den Flughafen Mais Gaté durchgebracht wurden, den die US-Armee übernommen hat und leitet.

„Sie sollten mehr Verbandsstoff bringen, nicht mehr Gewehre“, meinte einer der Ärzte bei dieser Nachricht.
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* haitianalysis.com, 26.1.2010: Fearing the victims, some aid givers use helicopters and guns. Kim Ives gibt das Blatt Haiti-Liberté heraus und gehört zu den Gefolgsleuten des 2004 gestürzten Präsidenten Aristide.

Correos 160 - Inhaltsverzeichnis und Links

Sonntag, 24. Januar 2010

Correos 160
veröffentlicht  21. Dezember 2009
Inhaltsverzeichnis und Links

Haiti: Armeeaufmarsch gegen die, die singen

Donnerstag, 21. Januar 2010

20.1.10) Vielleicht ist es dir auch aufgefallen? Fast alle KorrespondentInnen und interviewten Personen in Haiti berichten, dass sie eigentlich keine oder kaum gewalttätige Szenen im Sinne von Raubüberfällen etc. gesehen haben. Im Gegensatz dazu viele Tickers der üblichen Nachrichtenagenturen, die ein Bild von „Chaos und Anarchie“ zeichnen. Das klingt gut, ist bestimmt so, gerade in Haiti, also hinein in die Schlagzeilen damit! Als Ergänzung die Werbspots von den besonnenen US-Soldaten der 82. Luftlandedivision, die es in bewundernswerter Weise schaffen, bei der Essensverteilung Ruhe und Ordnung herzustellen.

Im spanischen Fernsehen heute Abend ein Kurzinterview am Madrider Flughafen mit dem Chef der nach Haiti entsandten und jetzt zurückgekehrten staatlichen Rettungsmission. Seine Aussage: Die „Sicherheitspsychose“ behindert die Rettungsarbeiten. Wenige Minuten später Premier Zapatero im Parlament im Bild: Wenn er Soldaten sieht, die helfen und Essen verteilen, dann applaudiert er.

Eine leise Ahnung von dem, was der „Militärhumanismus“ bedeutet, vermitteln vielleicht folgende Angaben. Im Zusammenhang mit der Befehlsgewalt der US-Streitkräfte auf dem Flughafen von Port-au-Prince schrieb das Wall Street Journal: „Benoit Leduc, Operations Manager von Médecins sans frontières , sagte am Montag, dass ‚hunderte von Leben’ verloren gingen, weil fünf ihrer Flugzeuge mit chirurgischen Teams und Ausrüstungsgütern keine Landeerlaubnis erhalten hatten und nach Santo Domingo umgeleitet wurde“ (WSJ, 18.1.10: Aid to Haiti Speeds Up, but Delays Plague Effort). Im gleichen Artikel lesen wir: „US-FunktionärInnen führten für das Aufhalten von Hilfeleistungen Sicherheitsbedenken an. Doch am Montag sah man ein Team kubanischer ÄrztInnen, die Hunderte von PatientInnen ohne ein Gewehr oder einen Soldaten in Sichtweite behandelt haben“.


                                           "Plünderer" und die Minustah. Foto: Wall Street Journal
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http://docs.google.com/Doc?docid=0ATMdcWQnNFi6ZGRia2Q2NW5fNWhwNnh6d2Z6&hl=en

Haiti: No Mister! You cannot share my pain!

Mittwoch, 20. Januar 2010

(20.1.10) Die rasende Heuchelei der internationalen Raubgemeinschaft, der ungehemmte paternalistische Rassismus in den Medien, die totale Negierung der Geschichte der letzten Jahrhunderte und der letzten Monate - das bekämpft John Maxwell. Der Doyen des kritischen Journalismus in Jamaica veröffentlichte gestern im Jamaica Observer den Artikel "No Mister! You cannot share my pain!". Willst du einige Wahrheiten über Haiti erfahren (und verstehst Englisch), dann lies ihn!

Honduras: Faschisten gegen HIV-Selbsthilfegruppe

Dienstag, 19. Januar 2010

Der folgende Artikel (Originaltitel: ¿Será que los golpistas quieren erradicar físicamente a la comunidad LGTB en Honduras?) ist auf der Homepage des Widerstandes voselsoberano.com erschienen. Es geht um die mörderische Verfolgung der LGTB-Community, um einen Lernprozess gegen Homophobie im Widerstand und um die bewegten Abschiedsworte von Xiomara Castro de Zelaya an den Anti-Aids-Aktivisten Walter Trochez (vlg. Auch Honduras: Morde und „selektive Repression“ in diesem Blog).

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Dick Emanuelsson

(Tegucigalpa, 11.1.10) „Wir leben in einem Zustand von Angst und Schrecken. Hier müssen wir uns verstecken, um uns zu lieben“, sagt José Zambrano, Leiter von APUVIMEH (Asociación Para Una Vida Mejor de Personas Infectadas por el VIH en Honduras, Vereinigung für ein besseres Leben für mit VIH infizierten Personen in Honduras). Seit dem Putsch vom 28. Juni 2009 sind 19 HonduranerInnen der LGTB-Community [Schwule, Lesben, Transsexuelle, Transgender, Bisexuelle] ermordet worden. Mehrere von ihnen waren wie der am 14. Dezember 2009 ermordete Walter Trochez aktive Mitglieder der Widerstandsfront gegen den Putsch und gaben ihr Leben, um für die Menschenrechte und die Wiederherstellung der verfassungsmässigen Ordnung einzutreten. Aber sie sahen den Kampf auch als einen nötigen Schritt, um mit alten Schemas, Mentalitäten, Vorurteilen und der Intoleranz gegen eine Gruppe wie die LGTB zu brechen. Deren Mitglieder leben oft verfolgt, versteckt und mit der Angst, das nächste militärische Angriffsziel abzugeben.




Als wir das Büro von APUVIMEH betreten, beobachtet uns ein stämmiger Mann, mit leichtem Bart und mit einem wie registrierenden Blick. Wie wir zwei Stunden später wider herauskommen, ist der Mann immer noch da und macht nichts. Er beobachtet uns und blickt auf den fast unbemerkbaren, doppelt gesicherten Eingang, von wo aus man ins Büro von APUVIMEH im ersten Stock gelangt. Die Kommunikation erfolgt über eine Gegensprechanlage und die Compañeros prüfen mit einem Blick durch ein Panzerglas, wer den Sitz der Gruppe besuchen will, die nur existiert, um den Menschen mit der tödlichen Krankheit des HIV zu helfen.

Die obskuren, faschistischen und reaktionärsten Kräfte der zentralamerikanischen Nation glauben, dass sie mit der Auslöschung von nicht heterosexuell orientierten Menschen „die Gesellschaft und den Honduraner selbst reinigen“ können, wie sie sagen. Und sie glauben, dass ihnen das Töten eines Schwulen Sympathien in der honduranischen Bevölkerung einträgt.   „Aber sie irren“, kommentiert ein Vertreter des Widerstandes, als wir ihn nach der Mordwelle gegen die LGTB-Gemeinschaft in Honduras befragen.

„Das honduranische Volk und vor allem der Widerstand sind viel reifer geworden. Wir sehen, dass diese Compañeros Schulter an Schulter im Kampf gestanden haben. Die Homophobie und das Töten eines Compañero taugen nicht mehr, um das honduranische Volk zu manipulieren oder den Widerstand zu spalten. Es sind Compañeros im gleichen Kampf“.

Auch die First Lady Xiomara Castro de Zelaya leitete mehrere Projekte zugunsten der vom Virus betroffenen honduranischen Comunidad. Als die Nachricht von der Ermordung von Walter Trochez sie erreichte, schrieb sie in ihrer Gefangenschaft in der brasilianischen Botschaft in Tegucigalpa die folgenden Zeilen, welche die Liebe und den Schmerz der Lebenspartnerin des Präsidenten Zelaya zeigen, aber auch den Geist und die Gefühle der grossen Mehrheit des honduranischen Volkes reflektieren:

„Mit grosser Trauer haben wir die Nachricht vom Mord an Walter Trochez vernommen, einem innigen Freund und Genossen im Kampf für die würde und die Menschenrechte der Personen, die mit HIV-Aids leben. WALTER ist auch ein militanter Aktivist des Widerstandes gegen den Putsch vom 28. Juni gewesen. Er hat die systematische Verletzung der Menschenrechte angegriffen und ist für die Wiederherstellung der verfassungsmässigen Ordnung und des Rechtsstaates in unserem Land eingetreten.“

 „Unsere Organisationen und die ganze Widerstandsbewegung zollen den Compañero TROCHEZ Tribut und bekräftigen: „HIER ERGIBT SICH NIEMAND!“. Wir stehen heute und für immer an der Seite des Widerstandes als Ehrung an ihn und an alle, die wie er ihr Leben für die Veränderungen hergegeben haben, die das Land historisch verlangt. Sie haben uns mit ihrem würdigen leben ein Vermächtnis gegeben“.

„Unser aufrichtiges Beileid, das bekräftigt, dass Männer und Frauen wie er als Beispiel leben werden, dem wir, die dafür kämpfen, in HONDURAS ein souveränes und freies Vaterland zu erlangen, nachfolgen“.

„Ewiger Ruhm für den Genossen WALTER TROCHEZ“.

Xiomara Castro de Zelaya

                                         Walter Trochez





                                                         Xiomara Castro de Zelaya
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Das Interview mit José Zambrano ist auf Youtube zu finden: http://www.youtube.com/watch?v=8f1NGymmeqw

Haiti: Nach dem Grauen die Profitraserei

Montag, 18. Januar 2010

Es wäre verrückt, wenn wir alle anfangen würden, Truppen nach Haiti zu schicken.
Daniel Ortega, Präsident von Nicaragua

(17.1.10) Eine Vorbemerkung: Das Erdbeben in Haiti ist so entsetzlich, dass es sich jeglicher Rationalisierung entzieht. Es gibt nichts, mit dem das Leiden heute in Haiti relativiert werden kann. Wer ein wenig Einfühlungsvermögen hat, wer vielleicht auch schon mit einer Umweltkatastrophe konfrontiert war, weiss das.

Wir haben deshalb zunächst auf diesem Blog nichts zum Erdbeben veröffentlicht. Nichts zum unsäglichen Geschwätz von den zu einer vernünftigen Regierung „unfähigen“ HaitierInnen, nichts zur Floskel vom „armen“ Haiti, ohne jeden ehrlichen Hinweis darauf, wer diese Armut seit Hunderten von Jahren gegen alle Rebellion systematisch und mit brutaler Gewalt durchsetzt.  Nichts zu der bei jeder Katastrophe noch unerträglicher werdenden Manie, gleich nach dem ersten Schock in jeder Nachrichtensendung von Neuem die Hilfeleistung der Profis im eigenen Land, in unserem Fall also der Schweiz, zu betonen. Propaganda und Verdrängung zugleich. Und schon gar nichts zum perversen Wettrennen einiger (nicht aller) Hilfswerke, wo es darum geht, sich möglichst vor der Konkurrenz spendenwirksam medial in Szene zu setzen – hat Caritas die Nase vorn oder World Vision?

Es schien fast wie die Trauer missachtend, auf „Nachrichten“ zu reagieren, wonach die Hungersnot in Haiti auf haitische Inkompetenz zurückgehe (s. Artikel von Bill Quigley).

Alles sekundär, so schien es. Dabei war uns natürlich bewusst, dass die horrenden Folgen des Erdbebens mit gesellschaftlichen Zwangsverhältnissen zu tun haben. Als kleines Beispiel diene die Abschaffung des unter Aristide anscheinend halbwegs funktionierenden Zivilschutzes zugunsten eines „abgespeckten“ Staats.

Doch jetzt sehen wir: „New Orleans“ wiederholt sich. Es war absehbar.

New Orleans. Gerade hat Obama die Ex-Präsidenten Clinton und Bush II als Koordinatoren der privaten US-„Hilfe“ für Haiti eingesetzt. Als Türöffner also für die weitere Zurichtung fürs US-Kapital. Clinton – unter ihm lief 1991 der erste faschistische Putsch gegen Präsident Aristide, den er erst 1994 wieder zurück an die Macht liess, nachdem Aristide hoch und heilig geschworen hatte, künftig allen Geboten von IWF/Weltbank unverzüglich nachzukommen. Da Aristide dieses Gelübde teilweise nicht einhielt, stürzten ihn die USA 2004 zusammen mit Frankreich und Kanada erneut. Bush II: Unter ihm lief die Invasion 2004. Und ab August 2005 die Zerstörung der schwarzen Unterklassen von New Orleans. Erinnern wir uns: Während Tagen berichteten die TV-Crews von den Verdurstenden und Verhungernden in den Notzentren von New Orleans, zu denen aus Gründen der „Logistik“ keine Gehilfe gelangen konnte. Es war unglaublich, aber wahr: Die grösste Wirtschafts- und Militärmacht der Welt behauptete, den Leuten keine Hilfe geben zu können, weil die Seitenstrassen von … Plünderern unsicher gemacht würden. Die ganzen Hetzstories damals in den Tagesschauen und auf den Titelseiten erwiesen sich später als reine Lüge. Sie dienten dazu, die Hilfeverweigerung zu verschleiern“ und die dann erfolgende militärische „Besatzung“ der Stadt zu legitimieren. Es hatte sich um eine gigantische militärische „Quarantäne“-Übung gehandelt (die US-Sicherheitskräfte hatten tagelang private Hilfe an die Eingeschlossenen unterbunden). Damit waren die Grundlagen für den Versuch gelegt, New Orleans als sozial und ethnisch „gesäuberte“ Metropole im US-Süden ganz nach den Profitwünschen der Stadtentwickler neu aufzubauen. Ein teilweise erfolgreicher Versuch, leider.

Und jetzt Haiti. Während Tagen gaben die Medien unter Verweis auf die inexistente und durch das Erdbeben zerstörte Infrastruktur wieder, dass so gut wie niemandem geholfen wurde. Keine Wassersäuberungstabletten, kein Stromgenerator, keine Medikamente. Weil: Chaos am Flughafen. Aufatmen: Die US-Armee übernimmt den Flughafen. Assistenzstaatssekretär Philip Crowley verkündete letzten Mittwoch, man habe mit dem haitischen Premier Bellerive ein „Memorandum of Understanding abgeschlossen, das die Kontrolle des Flughafens  den USA überträgt. Flüge werden jetzt geordnet und der Stau hat abgenommen“ (Pressekonferenz State Department, 15.1.10). Der haitische Botschafter in den USA verweist darauf, dass „die US-Air Force nicht unter der Anleitung von haitischen FlughafenfunktionärInnen arbeitet“ (globalresearch.ca, 15.1.10, Michel Chossudovsky: The Militarization of Emergency Aid to Haiti: Is it a Humanitarian Operation or an Invasion?). Und, wo doch der Verkehrsstau abgenommen hat? Nämlich so:

Das Welternährungsprogramm versuchte am Donnerstag und Freitag Flüge [in Port-au-Prince] zu landen. Aber sie wurden umgeleitet, damit die United States Truppen und Ausrüstungsgüter an- und AmerikanerInnen und andere AusländerInnen ausfliegen konnte. ‚Es gibt pro Tag 200 An- und Abflüge, was für ein Land wie Haiti eine unglaubliche Menge ist’, sagte Jarry Emmanuel [vom Welternährungsprogramm]. ‚Aber die meisten dieser Flüge sind von den US-Streitkräften’
(New York Times, 17.1.10, Ginger Thompson, Damien Cave: Former Presidents to lead Relief Fund).

Got it? Erst die Truppen, dann die Hilfe. Katrina II. Andrés Sal.lari zitiert aus einem EFE-Ticker vom 15. Januar: Der US-Kriegsminister
Gates führte an, dass die vordringlichste Priorität darin besteht, so schnell wie möglich Wasser und Nahrung an die Comunidad zu verteilen, um ‚zu verhindern, dass die Sicherheit wegen der Verzweiflung der Menschen schlechter wird oder es zu Ansätzen von Gewalt kommt’ (rebelion.org, 16.1.10: Qué planea EE.UU. en Haiti?).
Gates definiert die Angelegenheit also in Begriffen der „Sicherheit“. US-Generalstabschef Mike Mullen hilft uns in der gleichen EFE-Mitteilung zu verstehen, was vor der „vordringlichsten Priorität“ kommt: der US-Flugzeugträger Carl Vinson. Der ist nämlich schon angekommen. Genau so wie Einheiten der berüchtigten 82. Luftlandedivision. Das federführende US-Südkommando detaillierte eine veritable Seemacht, die dieser Tage in Haiti erwartet wird, nebst den etwas mehr als 10'000 Truppen (15.1.10, Update on U.S. military relief efforts in Haiti).

Wir werden heute hier sein, morgen und für die kommende Zeit.
US-Aussenministerin Hillary Clinton bei ihrem Besuch des Flughafens von Port-au-Prince am Samstag (NYT, 17.1.10, Mark Landler: In Show of Support, Clinton Goes to Haiti). Sie hatte jenes bezirzende Sprüchlein parat, das ihr Boss schon andauernd runterleiert: Sie sei primär gekommen, um der haitischen Regierung zuzuhören. Hatte dann aber doch einen eigenen „Vorschlag“:
Mrs. Clinton … warnte, dass die Sicherheitslage beunruhigend würde. Sie sagte, sie hoffe, dass die haitische Regierung einen Noterlass anordne, der ihr die legale Vollmacht gebe, Ausgangssperren und andere Massnahmen anzuordnen. ‚Der Erlass würde der Regierung eine enorme Befugnis geben, die sie in der Praxis an uns delegieren würde’, sagte Mrs. Clinton (id.).

Das US-Südkommando zitiert heute seinen Operationschef in Haiti, Lt. Gen. P.K. Keen: 
Unsere wichtigste Mission [ist] die humanitäre Hilfe, aber die Sicherheitskomponente wird einen wachsenden Anteil daran haben (17.1.10: Security Role in Haiti to Gain Prominence, Keen Says).
Einige Gewaltereignisse haben, so Keen, die Fähigkeit der US-Army, die HaitierInnen zu unterstützen, beeinträchtigt. Auch Hillary Clinton beruft sich für ihre Kriegsplanung auf einen CNN-Bericht, wonach „Miami-ÄrztInnen“ aus einem Notspital hätten fliehen müssen, nachdem in der Nachbarschaft Schüsse zu hören gewesen seien. Kann sein, wenn gleich fast alle KorrespondentInnen aus Port-au-Prince betonen, wie friedlich und hilfsbereit die Menschen sind. Zu den wenigen Ausnahmen gehört die New York Times, die in ihrer heutigen Ausgabe vom Feind berichtet: „Looting flares Where Authority Breaks Down“. Es geht dabei um mit Macheten bewaffnete Plünderer. Das erinnert frappant an die Horrorstories aus New Orleans (von den Terror verbreitenden Vergewaltigerbanden in den Notzentren, von gestapelten Leichen von ermordeten Kindern etc. – alles Lügen).

Katastrophenkapitalismus. Die New York Times gibt heute Hinweise. In einer Reihe von Beiträgen (Eight Ways to Rebuild Haiti) warnt etwa Dan Senor in seiner Eigenschaft als früherer Berater der Besatzungsbehörde in Bagdad davor, die ArmeekommandantInnen bei den für ihre Wiederaufbauoperationen nötigen Käufen ins Korsett eines Ausschreibverfahrens zu zwingen. Im Irak und in New Orleans haben sich fast die identischen US-Firmen mit Direktaufträgen der US-Armee Milliarden illegal in die eigene Tasche gesteckt. James Dobbins, ehemaliger Haiti-Gesandter von Bill Clinton, und heute Kader bei der mit dem Pentagon liierten Rand Corp., macht anderes deutlich: "Jegliche Hilfe“ für den „Hafen […] das staatlich kontrollierte Telefonmonopol, [….] das Erziehungsministerium, die Stromgesellschaft, das Gesundheitsministerium und die Justiz“ fusst auf der Voraussetzung der Restrukturierung und/oder Privatisierung dieser Bereiche. Denn: „Dieses Unglück stellt eine Gelegenheit dar, die oft verschobene Reform dieser Sektoren zu beschleunigen“ (id.)


Für einen Einblick in die US-Politik in Haiti: http://www.democracynow.org/2010/1/14/us_policy_in_haiti_over_decades

Die Rolle der USA in den Hungerrevolten von Haiti

aus Correos 154, August 2008

Vor dreissig Jahren produzierte Haiti allen Reis, den es brauchte. Was ist geschehen?

Bill Quigley*

Hermite Joseph, eine Mutter, die auf den Märkten von Port-au-Prince arbeitet, teilte dem Journalisten Nick Whalen mit, dass ihre beiden Kinder „wie Zahnstäbchen“ seien, „weil sie nicht genügend zu essen bekommen. Früher konnte man für $1.25 Gemüse, etwas Reis, Kohle für 10 Cents und ein wenig Speiseöl kaufen. Jetzt kostet allein etwas Reis 65 Cents, und schlechter Reis dazu! Öl kostet 25 Cents. Kohle auch. Mit 1.25 kann man nicht einmal ein Reisgericht für ein Kind zubereiten“. Das Food-Programm der Kirche Ste. Claire in der Tiplas Kazo-Gegend von Port-au-Prince serviert 1000 Gratisessen pro Tag, fast alle an hungrige Kinder – fünf Mal in der Woche in Zusammenarbeit mit der What If-Stiftung. Man weiss von Kindern aus Cité Soleil, welche die fünf Meilen für ein Essen in der Kirche gelaufen sind. Wegen den Preissteigerungen bei den Lebensmitteln sind die Portionen jetzt kleiner. Aber der Hunger nimmt zu und mehr und mehr Kinder kommen für ein Gratisessen.

Die New York Times belehrte Haiti am 18. April, dass “sich Haiti mit seiner Agrarindustrie, die in Trümmern liegt, besser ernähren muss“. Leider behandelte der Artikel mit keinem Wort eine der Hauptursache für den Mangel – die Tatsache, dass die USA und internationale Finanzkörperschaften die haitischen ReisbäuerInnen kaputt machten, um einen Absatzmarkt für den schwer subventionierten US-Reis zu schaffen. Das ist nicht der einzige Grund für Hunger in Haiti und in anderen armen Ländern, aber es ist ein wesentlicher Faktor.

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Ausflug in die Wirtschaftslüge

Dienstag, 12. Januar 2010

(12.1.10) Es ist nicht Aufgabe dieses Blogs, in fremden Themenbereichen wildern zu gehen. Und schon gar nicht, nur aus Gegnerschaft zu den neoliberalen Schuften in ein Halleluja auf die keynesianische Variante der Systembrutalität auszubrechen. Die LeserInnen mögen also diese Zeilen als Akt mentaler Hygiene hinnehmen, als momentanes Aufschnaufen gegen die pausenlos niederprasselnde Gemeinheit und Dummheit in den meisten Medien.

In der heutigen NZZ ärgert sich ein Wirtschaftskorrespondent über eine geplante Erweiterung des so genannten Konjunkturförderungsprogramms der Administration Obama, das vorgibt, auch Massnahmen zum Schutz von Arbeitsplätzen anzupeilen. Unerhört! Nachdem man einhellig „Ja“ zu den staatlichen „Stützungsmassnahmen“ für die finanzkapitalistischen ZerstörerInnen gebrüllt hat, wird wieder ganz ordoliberal davor gewarnt, Staatsgelder für Arbeitsplätze und Sozialmassnahmen zu versauen, statt die Steuern für die Reichen senken. Das tönt so: „Wenn man die staatliche Konjunkturankurbelung bejaht, so geben die Harvard-Ökonomen Alberto Alesina und Silvia Ardagna […] Hinweise darauf, wie solche Massnahmen aussehen sollten. […] Ihr Fazit ist eindeutig: Dieses Ziel lässt sich nur über Steuersenkungen, nicht aber durch zusätzliche Ausgaben erreichen“ (NZZ, Christoph Eisenring, 12.1.10: Noch mehr Keynes für die USA). Das haben sie nämlich ganz genau erforscht und herausgefunden, dass Steuersenkungen zu Wirtschaftswachstum führen, der Rest aber zu Steuererhöhungen. (Und wenn es diese Jahre mit dem erfrischenden Rezept nicht so recht geklappt hat, dann gewiss nur, weil es zu zaghaft angewandt wurde.)

Alesina ist seit Jahren so etwas wie ein ökonomischer Guru für verschiedene Sezessionsbewegungen und failed-states-Kolonialzugriffe, seit er für die Weltbank das Konzept mitentwickelt hat, dass grosse Staaten/grosse Regierungen mancherorts dem vernünftigen Wirtschaften im Rahmen eines Nachwächterstaates im Wege stehen. In Lateinamerika etwa sind sezessionistische Kräfte in Bolivien, Venezuela oder Ecuador auf dieser Linie, AfghanistankriegsstrategInnen verwiesen erfreut auf seine Thesen. Er gehört zur Standardequippe der globalen Armutsforschung, die jedes Jahr neue bereichernde Erkenntnisse über Armutsgründe vorlegt, ohne je auf die Zwangsverhältnisse zu stossen, die Verarmung bringen. Dafür hat er mit einem anderen Meister seines Faches, William Easterly, schon rausgefunden, dass Armut fördernde, da Ethnien spaltende Staatsgrenzen neu so zu ziehen sind, dass Ethnien zusammen kommen. wie wenn die Grenze an sich das Problem wäre und nicht die jeweilige Machtpolitik. Neuerdings propagiert er, dass "Europa" eigentlich ein linkes Projekt sei. Eine wahre Quelle der Weisheit, mithin.

Nun hat aber Alesinas NZZ-Fan ein Problem. Was er als wissenschaftliche Offenbarung präsentiert, ist längst als Sozialkriegshetze entlarvt und wird vom Funktionskader der Herrschenden auf seine Tauglichkeit oder Kontraproduktivität fürs Krisenkommando abgeklopft, nicht auf eine imaginierte "wissenschaftliche Evidenz". Zufällig fiel mir gerade ein Artikel aus der New York Times in die Hände, der dies illustriert.  Darin meint etwa Reagans ehemaliger Ökonom Martin Feldstein zu Obamas bisherigen „Ankurbelungsprogrammen“: „Es hätte mehr direkte Bundesausgaben geben müssen, um die Gesamtnachfrage zu steigern". Die von Obama mitfinanzierten „temporären Steuererleichterungen […] wurden weitgehend gespart und haben den Konsum nicht stimuliert“ (nix angebetetes Wachstum also) (NYT, 21.11.09: „New Consensus Sees Stimulus Package as Worthy Step). Die für einen durchschnittlichen Schweizer Wirtschaftsjournalisten schon fast linke NYT legt dar, dass es eher einen ÖkonomInnenkonsens für Massnahmen der "verfluchten" Art gibt als für die von der NZZ unbeirrt, da die Macht im Rücken wissend, gepredigten. Die Times kann sich mit folgender Aussage auf einen Erzkommi wie den Chefökonom von Moody’ berufen: „Jeder Dollar für zusätzliche Infrastrukturausgaben bedeutet $1.57 in wirtschaftlicher Aktivität         [… ] Noch wirkungsvoller sind Erhöhungen bei den food stamps (Essensgutscheine) ($1.74) und Arbeitslosengeldern ($1.61), weil die EmpfängerInnen ihre Gutschriften rasch für Güter und Dienstleistungen ausgeben“. Uralt, bekannt, doch den Angriffsplänen der Bosse der NZZ-SchreiberInnen derzeit undienlich, also tot geschwiegen.
Gibt nämlich viel Besseres: „Aus liberaler Warte gäbe es einen einfachen Weg, wie man die Beschäftigung erhöhen könnte: die Reduktion oder gar Abschaffung des Minimallohnes. Er wurde zwischen 2006 und 2009 um 40% von $ 5.15 auf $ 7.25 je Stunde erhöht. Eine Verringerung würde den Steuerzahler erst noch nichts kosten. Doch dieser unbürokratische Vorschlag ist politisch chancenlos. Lieber setzt man in Washington derzeit auf die ordnende Hand des Staates als auf die Kreativität der Wirtschaft.“ (NZZ, s.o.). Man denke! Wo doch der kalabrische Unternehmerverband N’drangheta die Vorzüge dieser Kreativität gerade in Rosarno vorgeführt hat.
Wie gesagt: Es geht nicht darum, den Keynesianismus hochleben zu lassen. Der ist in den 70er Jahren in die Krise geraten, nicht, weil er „falsch“ gewesen wäre, sondern eher, weil ihn die Aufbruchsbewegungen von Vietnam bis in die Fiat ausgehebelt haben. Die Antwort der Herrschenden war, eingeleitet mit dem Putsch 1973 in Chile, der Neoliberalismus. Dessen massive Verschärfung in und mit der allgemeinen Krise seit 2007, wie sie die Mächtigen knallhart betreiben, ist mit allen Mitteln zu bekämpfen. Auch mit einem Aufstöhnen ob all der Lügen.

Putschisten in Honduras bereiten Amnestie vor

Montag, 11. Januar 2010

Putschisten in Honduras bereiten Amnestie vor
Demokratiebewegung kritisiert angeblichen Strafbefehl gegen Militärführung als Politmanöver. US-Diplomat und deutsche Naumann-Stiftung unterstützen das Regime
Mehrere Akteure der Demokratiebewegung in Honduras haben ein angebliches strafrechtliches Vorgehen der Generalstaatsanwaltschaft gegen die Militärführung des mittelamerikanischen Landes als politisches Manöver zurückgewiesen. Ein entsprechender Antrag des Generalstaatsanwalts Luis Alberto Rubí sei nicht glaubwürdig, hieß es von dieser Seite. Der führende Jurist war am Mittwoch beim Obersten Gerichtshof des Landes vorstellig geworden.
Der letzte demokratisch gewählte Präsident des Landes, Manuel Zelaya, bezeichnete den Vorstoß nach Berichten von Nachrichtenagenturen als Trick, um die Generäle nicht wegen ihres eigentlichen Deliktes, des Staatsstreiches, zur Verantwortung ziehen zu müssen. Die Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation COFADEH[1], Bertha Oliva, verwies[2] auf eine laufende Amnestiedebatte in dem von den Putschisten kontrollierten Parlament. Es sei „kein Zufall“, dass das angebliche Vorgehen wenige Tage vor einer geplanten Beschlussfassung zur Amnestiefrage publik gemacht wurde, sagte Oliva gegenüber der kubanischen Nachrichtenagentur Prensa Latina.
Die Generalstaatsanwaltschaft unter Rubí hat den Militärputsch gegen die Regierung von Manuel Zelaya unterstützt und bereits eine zentrale Rolle bei der Vorbereitung gespielt. Bis auf wenige Ausnahmen unterstützt der Justizapparat die Putschisten. Honduranische und internationale Menschenrechtsorganisationen beklagen daher auch die herrschende Straffreiheit für Gewalttäter des Regimes.
Die Organisation COFADEH hat über 4.000 Fälle politischer Gewalt dokumentiert, Präsident Zelaya spricht nach Angaben von Prensa Latina von 130 ermordeten Mitgliedern aus der Demokratiebewegung. Die Staatsanwältin für Menschenrechte, Sandra Ponce, prüft nach eigenen Angaben derzeit weniger als ein Dutzend Fälle. In keinem dieser Fälle ist ein Verfahren eingeleitet worden.
Indes hat die Nationale Widerstandsfront gegen den Staatsstreich, das zentrale Bündnis der Demokratiebewegung, die Demonstrationen wieder aufgenommen. Es gehe nun um die Wiederherstellung der Demokratie und die Durchsetzung einer verfassunggebenden Versammlung, sagte einer der führenden Köpfe der Bewegung, der honduranische Vorsitzende der Landarbeiterorganisation Via Campesina, Rafael Alegría.
Die Widerstandsfront protestiert auch gegen den geplanten Austritt des Putschregimes aus dem anti-neoliberalen Wirtschaftsbündnis Bolivarische Allianz für Amerika (ALBA[3]). Die Teilnahme an dieser von Kuba und Venezuela gegründeten Allianz habe Honduras zahlreiche sozialpolitische Vorteile verschafft, so Alegría, der sich – ebenso wie Menschenrechtsorganisationen – gegen eine Amnestie für die Putschisten wandte. Vertreter der Demokratiebewegung kündigten bereits an, Verfahren vor internationalen Gerichten anzustrengen, wenn den Gewalttätern des Regimes in Honduras Straffreiheit gewährt wird.
Auch der kommende Regimechef, der konservative Politiker Porfirio Lobo, unterstützt die Amnestie für die Putschisten. Sein Wahlsieg wird allerdings weder von den demokratischen Kräften im Land noch von der Mehrheit der lateinamerikanischen Staaten anerkannt. Lobo soll am 27. Januar die Macht ergreifen.
Die Putschregierung unterhält indes enge Kontakte zu US-Vertretern und der deutschen, FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung[4]. Am Mittwoch kam der noch amtierende Regimechef Roberto Micheletti mit dem US-Diplomaten Craig Kelly zusammen. Nach Angaben des "Außenministers“ Carlos López Contreras verlief das Treffen in einer "freundschaftlichen Atmosphäre“. In der putschistennahen Tageszeitung "La Tribuna“ kündigte[5] der Vertreter der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung, Christian Lüth, den Austritt von Honduras aus der ALBA an. Die Politik dieses anti-neoliberalen Bündnisses habe "viel Schaden in der honduranischen Gesellschaft angerichtet“, so Lüth: "Der honduranische Kongress wird in Kürze den Austritt aus der ALBA beschließen“, verkündete der deutsche Stiftungsvertreter.
Harald Neuber, 09.01.2010
Links:
  [1] http://www.cofadeh.org
  [2] http://www.prensa-latina.cu/index.php?option=com_content&task=view&id=151949&Itemid=2
  [3] http://www.alternativabolivariana.org/
  [4] http://www.fnst-freiheit.org/
  [5] http://www.latribuna.hn/web2.0/?p=79701
News URL: http://www.heise.de/tp/blogs/8/146875

Honduras: Die DEZA wäscht weiss

Mittwoch, 6. Januar 2010

(6.1.10) Die internationale Gebergemeinschaft legt Wert auf Manieren. Sie schenkte dem honduranischen Putschlager am 23. Dezember 2009 einen weihnachtlichen goldenen Fallschirm, in Form eines Communiqués. Darin steht, wie die PutschistInnen vorzugehen haben, um ihre Errungenschaften international würdigen zu lassen. Der Zusammenschluss der wichtigsten staatlichen Entwicklungsagenturen nennt sich in Honduras G-16 ( s.u.). Diese „Geber“-Gemeinschaft entspricht der modernen Norm imperialistischen Wirtschafts- und Sozialmanagements in den „Entwicklungsländern“. Über IWF und Weltbank wird dem jeweiligen Land ganz „selbstbestimmt“ die generelle Entwicklungs- und Armutsreduktionsdoktrin verpasst, die sich monoton durch enorm scharfe neoliberale Angriffsdiktate auszeichnet (Unterklassen auspressen, Service public privatisieren, Landwirtschaft zugunsten des Agrobusiness zerstören, radikal prozyklische Wirtschaftspolitiken in jedem Krisenfall etc. pp.). Tut die jeweilige Regierung genau so, wie von ihr verlangt, gibt es gute Worte in der Wirtschaftspresse, IWF-Kredite und Aufrüstungshilfe gegen Sozialproteste). Das Ganze nennt sich „Armutsbekämpfung“.

Malo, pues. In Honduras also nennt sich diese Szene G-16. Ihr von der staatlichen Schweizer Entwicklungsagentur DEZA mitunterschriebenes Communiqué tönt anders als die Aussagen von Aussenministerin Micheline Calmy-Rey in der nationalrätlichen Fragestunde vom 7. Dezember 2009. Entweder hat man im EDA reale Divergenzen, oder man zeigt sich empfänglich für Washingtoner Einflüsterungen oder die DEZA hilft uns, Calmy-Reys Worte richtig zu interpretieren.

hier weiter:
http://docs.google.com/Doc?docid=0ATMdcWQnNFi6ZGRia2Q2NW5fNGNwaGMyZmQ4&hl=en

Honduras, nicht Iran

Als Ende Dezember während der Aschura-Feiern im Iran oppositionelle Demos unterdrückt wurden, empörten sich die Mainstremamedien. Wir stellten fest: Repression ist ihnen kein Fremdbegriff. Mit verblüffender "Sensibilität"  spürte der Mainstreamdem Fakt der Repression nach, stellte in den Tagen nach dem Aschura-Fest die abnehmenden TeilnehmerInnenzahlen an den Demos in Zusammenhang von Angst und Unterdrückung. Zu Recht, zweifellos. Widerlich (und deshalb die Anführungszeichen), wie selektiv diese "Sensibilität" ist. Werden in Honduras Oppositionelle systematisch umgelegt, so ist das - et encore - gerade mal ein flüchtiges Wort wert. Dafür richtet sich die "Hoffnung" auf ein über "Wahlen" betriebens Facelifting der Diktatur.

Nun, manchmal kommt es zu unfreiwilligen Selbstkommentaren des Mainstreams über seine Heuchelei. Wie uns dieser Bericht aus der jungenWelt zeigt:


http://www.jungewelt.de/2009/12-31/045.php?sstr=iran

31.12.2009 / Ansichten / Seite 8
Fälscher des Tages: France 2
Wenn man keine bewegten Bilder hat, muß man zumindest Fotos zeigen, dachte sich am Dienstag die Redaktion der Mittagsnachrichten im französischen Fernsehsender France 2. Und an dramatischen Fotos aus Teheran herrschte kein Mangel, so daß der öffentlich-rechtliche Kanal seinen Zuschauern auch etwas zu bieten hatte. Zu dumm nur, daß die medienkritische Internetseite Arrêt sur images bemerkte, daß zumindest eines der gezeigten Fotos nicht aus Teheran stammte, sondern aus Tegucigalpa. Die darauf zu sehenden Demonstranten wehren sich nicht im Iran gegen die Polizei, sondern in Honduras. Und obwohl der Kanal schnell auf den Fehler aufmerksam gemacht wurde, wiederholte er das Foto auch in der Hauptnachrichtensendung am Abend. Was soll’s, schließlich fangen beide Städte mit »T« an. Und überhaupt: Was andere können, kann France 2 schon lange. Schließlich hatte die Tageszeitung Le Parisien das gleiche Bild bereits am Montag abgedruckt. Während sich die Fernsehredakteure für den Fehler entschuldigten, verwies das Boulevardblatt auf die Agentur AP. Dort jedoch weist man jede Verantwortung weit von sich: »AP hat dieses Foto niemals im Zusammenhang mit dem Iran verbreitet«. Tatsächlich habe die Agentur das Bild schon am 29. Juni, einen Tag nach dem Putsch in Honduras, verbreitet. Im Juli erschien es zum Beispiel im französischen Le Figaro oder dem britischen Independent, und auch auf dem Fotoportal flickr.com ist es seit Monaten zu finden.

Auch wenn wir auf Anhieb keine deutsche Zeitung gefunden haben, die ähnlich freizügig mit ihrem Fotoarchiv umgeht, brauchen sich die Kollegen hierzulande nicht zu sehr auf die Schulter zu klopfen. Unvergessen ist, wie ZDF, RTL, Bild und andere im März 2008 aus Nepal stammende Bilder als aktuelle Fotos aus Tibet ausgaben, um die Brutalität der chinesischen Sicherheitskräfte zu illustrieren. (scha)



Tegucigalpa, nicht Teheran

Honduras: Morde und „selektive Repression“

(5.1.10) Manche freuen sich über „Gesten des guten Willens“, die sich in Honduras seit der Wahlfarce vom 29. November zugetragen haben sollen. So die Schweizer DEZA-Delegation in Tegucigalpa, die im Rahmen der „Geber“-Koordination“ G-16 (Weltbank, EU, einzelne imperialistische Länder u.ä.) in einem Communiqué vor Weihnachten ihre Hoffnung auf eine volldemokratische Regierung ab Ende Januar unter dem „gewählten“ Pepe Lobo zur Schau stellte.

Andere können sich nicht mehr freuen, sie sind ermordet worden.

                                         Der ermordete LGTB-Aktivist und "Pichu", eine Tochter
                                         von Mel Zelaya und Xiomara Castro de Zelaya
weiter lesen
http://docs.google.com/Doc?docid=0ATMdcWQnNFi6ZGRia2Q2NW5fM2dtdG5xemRu&hl=en