Argentinische Hoffnung für Griechenland
Montag, 14. Mai 2012
(zas, 14.5.12) Seit Tagen ergreift ein Schaudern die Mainstream-KorrespondentInnen, geht es um Griechenland. Sie haben sich in moderne Kassandras verwandelt, die Tod, Verzweiflung, Chaos, Abgründiges sehen, für den Fall, dass sich die Menschen im Land dem „Berliner Konsens“ entziehen, gar den Austritt aus der EU, aus dem Euro wagen würden. Natürlich setzen die Mächtigen in Brüssel und Athen ihre Psychoterrorwaffe gegen solche „Unvernunft“ ein, und leider wäre es nicht das erste Mal, dass sie damit Erfolg hätten.
Nur, da gibt es ein kleines Beispiel, aus dem die Leute in Griechenland ihre Lehren ziehen könnten: Argentinien. 2001, nach den Grossrevolten gegen das neoliberale Diktat der Regierung Menem, verkündete die argentinische Regierung notgedrungen einen Stopp der ausländischen Schuldenzahlungen und warf die verkappte Dollarisierung (fester Wechselkurs, Schöpfung neuer Pesos nur proportional zu den nationalen Dollarguthaben) über Bord. Später setzte die Regierung Kirchner eine Neustrukturierung der Schulden mit einem massiven Schnitt durch. Tod und Verderben prophezeit seither und seit der Teilverstaatlichung des Ölkonzern YPF noch schriller die transnationale Propagandamaschinerie dem Land, es werde von den internationalen Finanzmärkten geschnitten werden. Letzteres trifft zu, allein, damit konnte Argentinien bisher nicht schlecht leben – seit dem Default geht es mit der Wirtschaft aufwärts. Da die Regierung viel, aber viel weniger „Schulden“ an die transnationalen Banken und Fonds zahlen muss als „gewohnt“, muss sie sich dafür auch nicht auf den internationalen Finanzmärkten teuer neu verschulden. Da sie die Kohle mehr als vorher für die erfolgreiche Ankurbelung der Wirtschaft ausgeben kann, erzielt sie einen so genannten Budget-Primärüberschuss - mehr Einnahmen als Ausgaben vor Schuldendienst. Mit diesem eigenen Geld konnte sie sich bisher auf dem internationalen Markt kaufen, was sie bzw. die argentinische Bourgeoisie als unabdingbar ansahen. Doch dies letzte ist eine andere Diskussion, für unseren Zusammenhang wichtig ist: Der Default und der Austritt aus der faktischen Dollarisierung wirkten nicht, wie angekündigt, zerstörerisch, sondern ungemein stimulierend.
Es sind natürlich nicht nur Linke, die das wissen. Es ist einfach selten, dass wer von der Gegenseite solche Kenntnisse auch mal äussert. Umso interessanter der heutige Artikel „Hohe Schulden sind ein Problem der Gläubiger“ in der NZZ. Andreas Uhlig gibt die Einschätzung des Finanzanalysten Brian Reading so wieder: „Natürlich sei Sparen auch dann unumgänglich, wenn Griechenland die Schulden nicht mehr bediene und deshalb zumindest vorläufig keinen Zugang zu den Kapitalmärkten habe. Aber der Sparzwang fiele deutlich geringer und sozial verträglicher aus.“ Sozial verträglicher? Als wenn so was heute wichtig wäre, wo doch das Kapitalkommando anderes sagt! Erquickend die nächste Passage: „Reading argumentiert, dass über die Hälfte der Staatsschulden Griechenlands in den Händen von Ausländern ist, vor allem der Troika. Ein auf ausländische Gläubiger begrenzter Default würde die Staatsschulden unter 100% des Bruttoinlandproduktes (BIP) drücken, hohe Zinszahlungen hinfällig machen und dadurch - was als Voraussetzung für die Default-Option gilt - zu einem Überschuss des Primärhaushalts führen und das Land vom internationalen Kapitalmarkt weitgehend unabhängig machen.“ Und geradezu freudig stimmen folgende Sätze: „Aber Marktanalytiker sehen das Land in einer recht guten Verhandlungsposition. Wegen der Default-Option haben Drohungen öffentlicher Gläubiger, keine weiteren Kredite mehr zu gewähren, an Kraft verloren. Hinzu kommt, was zumindest in der öffentlichen Diskussion wenig beachtet wird, dass die Gläubiger kein wirksames Druckmittel in der Hand haben. Vielmehr schneiden sie sich mit einer Weigerung, weitere Kredite zu geben, ins eigene Fleisch.
Griechenland benötigt die von der Troika versprochenen Kredite, so auch die für Mai vorgesehene Auszahlung, vor allem zur Bedienung bestehender Schulden. Beschliessen nun die öffentlichen Gläubiger, aus welchen konkreten Gründen auch immer, Griechenland keine weiteren Kredite zu gewähren, so wären sie davon als Erste betroffen, da sie wegen der Rettungsbemühungen und Umschuldungen den Grossteil der griechischen Staatsschuld halten. Dies gilt auch, wenn Griechenland von sich aus ein Moratorium erklären würde.“
Kunststück, will man das den griechischen Angegriffenen nicht verkleckern. Und werden wir hier mit medialen Untergangsszenarien für den Fall griechischer Unbotmässigkeit richtig gehend zugemüllt. Dabei wäre eine wirklich interessante Frage, welche Instrumente (allenfalls) eingesetzt werden, um den „Pleitegriechen“ ihre „Frechheiten“ mit transnationalem Terror heimzuzahlen. Denn das ist nicht von der Hand zu weisen: Griechenland hat kein europäisches Venezuela als Bündnispartner, Europa ist noch nicht Lateinamerika.
Tags:
Argentinien,
EU,
Ökonomie