Bauern verlangen Einhaltung von Zusagen der Regierung. Ausgangssperren in Florencia. 16 Minister zu Rücktritt bereit
Bogotá. Nach gut zwei Wochen währenden Streik- und Protestaktionen in Kolumbien hat sich die Regierung zu einem Dialog mit den Demonstranten bereit erklärt. Im Laufe der nächsten Tage sollen Vereinbarungen mit den Bauern, den Gewerkschaften und den Lieferanten getroffen werden.Die Ankündigung der Regierung ist unterschiedlich aufgenommen worden. Während die Proteste in mehreren Verwaltungsbezirken unverändert fortgeführt werden, gibt es Anzeichen dafür, dass sich die Lage in Nariño zu stabilisieren beginnt. Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos und Innenminister Fernando Carrillo haben am vergangenen Sonntag bereits eine Vereinbarung mit den indigenen Aktivisten aus dem Bezirk unterzeichnet. Diese sichert unter anderem die Einrichtung eines Amtes für Infrastruktur, Erziehung und Entwicklung der Viehhaltung ab dem 17. September sowie Reformen gegen die Krise im Bereich der Milch- und Kartoffelproduktion zu.
Die Verständigung zwischen der Regierung und den Indigenen-Verbänden im Verwaltungsbezirk Nariño ermöglichte die Räumung der Panamericana, die Alaska mit Feuerland verbindet. Auch weitere Straßenblockaden in Nariño wurden aufgehoben. Präsident Santos beurteilte das Ereignis als "einen sehr wichtigen Schritt" und sicherte zu, dass in Zukunft Entschlüsse ausschließlich mit den Indigenen, Bauern und Agrarunternehmern gemeinsam gefasst werden sollen.
Anderer Meinung sind unter anderen die Demonstranten im Departement Boyacá, die den Streik trotz der jüngsten Zugeständnisse der Regierung weiterführen wollen. Nach Aussage des führenden Aktivisten César Pachón hatte die Regierung schon früher gemachte Versprechungen später nicht eingehalten. Man fordere daher konkrete Maßnahmen. Am gestrigen Mittwochabend demonstrierten erneut Tausende in verschiedenen Städten des Landes.
Auch im Verwaltungsbezirk Caquetá lassen die Proteste nicht nach, 11.000 Bauern aus verschiedenen Gemeinden haben sich in der Hauptstadt Florencia versammelt. Sie fordern eine Preiskontrolle für Milch. In der Nacht von Montag auf Dienstag wurde eine Notversammlung unter der Leitung der Bürgermeisterin María Susana Portela einberufen. Dabei gab die Politikerin eine sofortige Ausgangsperre zwischen sieben Uhr abends und sechs Uhr morgens für Minderjährige sowie von zehn Uhr abends bis vier Uhr morgens für Erwachsene bekannt. Nachdem die Stadt acht Tage lang aufgrund der Blockaden der drei Hauptzufahrtsstraßen isoliert war, flogen die Luftstreitkräfte am Montag und Dienstag 50 Tonnen Lebensmittel und Medikamente ein.
Die Spannungen im Departement Antioquia dauern angesichts der Proteste der Bergarbeiter an. Am Freitag wurden zwar erste Vereinbarungen mit den Vertretern der Bergbaugewerkschaft (Conalminercol) getroffen, doch es fehlt noch der förmliche Abschluss des Vertrages durch die Unterschriften des Verteidigungsministers und der Minister für Umweltschutz sowie für Bergbau und Energie. Die Demonstranten verlangen die Aufhebung des Dekrets 2235, das die Zerstörung von Geräten in Bergwerken ohne Lizenz genehmigt.
Währenddessen rief Präsident Santos zu einem "nationalen Pakt"
am 12. September auf. Darin vorgesehen ist die Senkung der
Düngemittelspreise, der direkte Import der Agrochemikalien, der Kampf
gegen das Schmuggelproblem und die Erhöhung des Budgets für den
Agrar-Bereich. Für die Realisierung dieser Aufgabe haben sich 16
Minister bereit erklärt, aus ihren Ämtern zu scheiden, sofern der Präsident eine Neustrukturierung des Kabinetts für nötig hält.
Laut Radio Caracol haben Bauern aus 12 Regionen bereits beschlossen,
sich nicht an dieser Initiative zu beteiligen. Vertreter der Nationalen
Agrar-Koordination haben erklärt, dass sie nicht eingeladen worden
seien. Die Koordination hatte Präsident Santos mehrfach kritisiert, die
Verhandlungen nur mit einzelnen Gruppen und über partielle Forderungen
zu führen.Insgesamt wurden im Rahmen der Proteste bislang neun Menschen getötet und 303 verletzt. Offiziell wurden 247 Verhaftungen gezählt. Die Bewegung Marcha Patriótica spricht dagegen von cirka 800 Verletzten und 512 Verhaftungen. Die Präsenz der Streitkräfte ist in vielen Städten nach wie vor massiv: Alleine in Bogotá befinden sich seit dem vergangenen Freitag mindestens 14.400 Soldaten. Weitere 50.000 unterstützen die Polizei bei der Räumung blockierter Straßen.