El Salvador: Armee feiert Mörder

Montag, 28. Oktober 2013



(zas, 28.10.13) In El Salvador ist der Staatspräsident oberster Befehlshaber der Armee. Sagt die Verfassung. Solange nämlich, als er das Richtige anordnet. Sagt nicht die Verfassung, aber die Armeeführung. Wie eine viel sagende Anekdote dieser Tage vorführt.

El Salvador ist seit der Conquista "reich" an Massakern. Da wäre jenes von 1932, als die Armee im Dienste der Oligarchie im Westen des kleinen Landes binnen zwei Wochen 30'000 mit Macheten bewaffnete Indígenas umlegte. Das grösste Massaker an Indígenas in Lateinamerika im letzten Jahrhundert. Zur Feier jenes "männlichen" Tuns beginnt die Rechtspartei ARENA ihre Wahlkampagne jedes Mal im Städtchen Izalco, einem bis heute gezeichneten Zentrum des Massakers, und zum Auftakt schmettern sie ihren Parteimarsch mit dieser besonderen Sequenz: El Salvador será la tumba donde los rojos terminarán (El Salvador wird das Grab sein, in dem die Roten enden).

Die 80er Jahre waren voller Massaker (eines seitens der Guerilla, alle anderen seitens der Armee). So jenes in der Gegend um El Mozote, einem Kaff im Osten des Landes, wo das soeben in den USA geformte Elitebatallon Atlacatls unter dem Befehl des Obersten Domingo Monterrosa im Dezember 1981 an die 1000 Menschen brutal umbrachten, in ihrer grossen Mehrheit Kinder. Die USA, die salvadorianische Armee und die Regierungen dieses Landes hatten das Massaker stets bestritten, bis dann nach dem Krieg argentinische ForensikerInnen die Leichen der damals Ermordeten ausgruben.
Forensiche Ausgrabungen in El Mozote. Quelle: LPG

Zum 20. Jahrestag der Friedensabkommen von 1992 hatte Präsident Funes El Mozote besucht, die Verantwortung des Staates ausgedrückt und der Armeeführung befohlen, die Massakerverantwortlichen, allen voran den Obersten Monterrosa, als Märtyrer zu ehren. 1984 waren Monterrosa und sein Stellvertreter von der Guerilla in einer schönen Aktion zur Rechenschaft gezogen worden. Monterrosa leitete damals eine Invasion in eine Guerillazone, auch um des aufständischen Radios Venceremos habhaft zu werden. Seine Truppen fanden den Sender, der Oberst und sein Gefolge eilten herbei und führten das Prunkstück im Helikopter in die Kaserne. Nur – die darin versteckte Bombe explodierte während des Fluges, es gab keine Überlebenden.

Monterrosa war nicht irgendein Mörder, sondern einer der bei der Reaktion beliebtesten. Entsprechend schmerzte dort sein Tod und entsprechend setzte eine widerliche Heldenverehrung ein, der Funes mit seinem Verbot ein Ende setzen wollte. Doch die wichtigste Militärkaserne im Osten ist nach wie vor nach dem Kindermörder benannt, seine Statue ist in diversen Kasernen zu sehen. Und am 23. Oktober 2013 fand sich der Befehlsstab der östlichen Armeeteile zu einer speziellen Ehrung am Ort des Absturzes des Helikopters, um ihres Helden zu gedenken. Die Presse war nicht eingeladen, den anwesenden Journalisten von El Faro, der die Nachricht verbreitete, nahmen die Armeeangehörigen gleich mal aufs Kamerakorn.

Die wichtigste Kaserne im Osten (San Miguel) trägt weiter den Namen Monterrosas
Möglich, dass der Verteidigungsminister von Funes sich nun genötigt sieht, irgendeine kosmetische Retouche am Bild vorzunehmen. Es ist nicht mehr modern, derart deutlich zu machen, wer im Staat das Sagen hat. Das erfolgt erst in der heissen Phase eines Putsches wie 20009 in Honduras, der selbstredend gleich zum Beginn der Vorbereitung zu normalen demokratischen Verhältnissen mutiert. Aber selbst das ist nicht sicher. Präsident Funes hatte vor bald zwei Jahren in seiner Mozote-Rede nicht nur das Verschwinden von Büsten und Namensehrungen der Mörder angeordnet, sondern auch das Offenlegen der Armeearchive zu den damaligen Verbrechen. Natürlich ist nicht ein Blatt offen gelegt worden, was dem sonst so sehr auf seine Autorität erpichten Präsidenten nicht aufgefallen zu sein scheint. Als das 2011 noch von einem FMLN-Mitglied geleitete Justizministerium aufgrund eines spanischen Interpol-Haftbefehls für den Mord an den Jesuiten 1989 verantwortliche Mitglieder der damaligen Militärführung in Haft nehmen lassen wollte, flüchteten sich diese in eine Militärkaserne, wo sie unbehelligt blieben. Der damalige Armeeminister, General Munguía Payés, übernahm noch im gleichen Jahr die Leitung des Justizministeriums. Er ist heute wieder Armeeminister.

Ob die für die Mörderfeier direkt verantwortlichen Offiziere gerügt werden oder nicht, zwei Dinge sind klar. Zum einen passt die Feier zum Vorgehen des reaktionären Erzbischofs von San Salvador, Escobar Alas, der Anfang diesen Oktober in einer Nacht- und Nebelaktion das Archiv der Menschenrechtskommission Tutela Legal beschlagnahmen liess. Die vom 1980 ermordeten Erzbischof Romero unter seinen Schutz genommene und seither de jure erzbischöfliche Tutela verfügte über das wichtigste Archiv über die Kriegsverbrechen. Es ist davon auszugehen, dass jetzt wichtige Unterlagen verschwinden oder durch Änderung der Ablageanordnung unbrauchbar gemacht werden. Zum andern stellt die Feier nicht nur eine Ohrfeige für Präsident Funes dar, sondern, viel wichtiger, markiert sie eine Frontlinie gegen eine möglicherweise aus den Präsidentschaftswahlen vom Februar 2014 hervorgehende reine FMLN-Regierung.