Lateianamerika/JournalistInnenmorde: Regelrechte Metzeleien

Donnerstag, 10. Oktober 2013

Vom Verein Schweiz-Cuba zugestellt:

Junge Welt


10.10.2013 / Medien / Seite 15Inhalt

Regelrechte Metzeleien

Die Morde an Journalisten in Lateinamerika häufen sich zwar, die privaten Medien berichten ­darüber aber kaum

Von Volker Hermsdorf
Polizisten bergen die Leiche von Alberto Lopez Bello, der am 17.
Polizisten bergen die Leiche von Alberto Lopez Bello, der am 17. Juli dieses Jahres im mexikanischen Oaxaca ermordet wurde
Die Lateinamerikanische Journalistenvereinigung Felap (Federación Latinoamericana de Periodistas) schlägt Alarm, weil bis Ende August seit Jahresbeginn bereits 19 Pressevertreter in der Region ermordet wurden. Drei weitere Medienmitarbeiter sind verschwunden. Während die öffentlichen und staatlichen Medien in mehreren Ländern – darunter Kuba und Venezuela – über den Felap-Bericht ausführlich informierten, wird das Ausmaß der Journalistenmorde von Zeitungen und Fernsehsendern der privaten Medienkonzerne des Kontinents verschwiegen.

Die 1976 gegründete Felap mit Sitz in Mexiko-Stadt vertritt Journalistenverbände aus 16 Ländern Lateinamerikas und der Karibik, in denen mehr als 80000 Pressevertreter organisiert sind. 1991 gründeten die Felap und die Internationale Journalistenorganisation OIP (Organización Internacional de Periodistas) die »Kommission zur Untersuchung von Attentaten auf Journalisten« CIAP (Comisión de Investigación de Atentados a Periodistas), die regelmäßig Berichte über Angriffe auf Medienvertreter in der Region vorlegt. Im Januar hatte die Untersuchungskommission darüber informiert, daß 2012 in Lateinamerika 45 Journalisten ermordet worden waren. Nach den CIAP-Unterlagen wurden allein in den fünf Jahren von 2007 bis 2012 insgesamt 209 Medienmitarbeiter in Ausübung ihres Berufes getötet. Felap-Vorsitzender Juan Carlos Camacho nennt neben Brasilien weitere Länder, in denen Pressefreiheit nur auf dem Papier existiert: »In Mexiko, Honduras und Kolumbien gibt es regelrechte Metzeleien. In diesen drei Ländern werden Journalisten regelmäßig verfolgt, bedroht und ermordet«, klagt Camacho an.

Am 31. August legte die CIAP ihren Zwischenbericht für dieses Jahr vor. Danach wurden zwischen Januar und August 19 Journalisten ermordet, drei weitere sind spurlos verschwunden. Mit fünf ermordeten und drei verschwundenen Medienvertretern führt Mexiko die Statistik an. Danach folgen Brasilien (sechs Morde), Guatemala (vier), Honduras (zwei) sowie Peru und Nicaragua mit jeweils einem getöteten Journalisten. Alle Fälle werden mit Namen, Alter und Tätigkeit der Ermordeten detailliert aufgelistet und – soweit bekannt – um die Tatumstände ergänzt. Trotzdem verschwiegen die privaten Medien, die – außer in Kuba – überall die Zeitungs-, Radio- und Fernsehmärkte der Region beherrschen, den Untersuchungsbericht und präsentierten eigene Zahlen.

Die Interamerikanische Pressegesellschaft (SIP), eine Organisation der privaten Medienbesitzer, die rund 1300 Publikationen auf dem Kontinent vertritt, veröffentlichte Anfang Oktober eine Statistik für 2013, in der lediglich 13 ermordete Journalisten auftauchen. Kritiker wiesen darauf hin, daß etliche SIP-Vertreter selbst an Staatstreichen, Putschversuchen und der Unterdrückung von Journalisten beteiligt waren. So etwa beim blutigen Putsch gegen die Regierung Salvador Allendes 1973 in Chile. SIP-Mitglied Augustin Edward hatte mit seiner Tageszeitung El Mercurio eine Schlüsselrolle beim Sturz der gewählten Regierung und gehörte danach zu den Unterstützern der Pinochet-Diktatur. Auch Terror und Folterungen der Militärjunta in Argentinien waren von den in der SIP organisierten Medienbesitzern wohlwollend begleitet worden. Später waren die SIP-Pressezaren an Angriffen auf demokratisch gewählte linke Regierungen, wie bei den versuchten Staatsstreichen gegen die Präsidenten Hugo Chávez von Venezuela (2002) und Rafael Correa von Ecuador (2010), sowie den illegalen Umstürzen in Honduras (2009) und Paraguay (2012) als Drahtzieher und Helfer auf seiten der Putschisten beteiligt.

Die mit Hilfe der US-Dienste NED und CIA aufgebaute und unter anderem von ultrarechten exilkubanischen Gruppierungen in Miami finanziell unterstützte Organisation »Reporter ohne Grenzen« (ROG) – die bei bundesdeutschen Konzernmedien, aber auch bei der taz und der Mitgliederzeitschrift der Deutschen Journalisten Union (dju) als Gralshüter der Pressefreiheit gilt – erkennt sogar nur sieben der 19 ermordeten Kollegen in Lateinamerika als Opfer an.

Während die privaten Garanten des freien Medienmarktes die tatsächliche Zahl der verfolgten und getöteten Journalisten leugnen, haben ausgerechnet Medien in den von ROG und SIP-Medienzaren als »Feinde der Pressefreiheit« denunzierten Ländern Kuba und Venezuela den Untersuchungsbericht der Ciap/Felap in voller Länge publiziert. Mitglieder des kubanischen Journalistenverbandes UPEC und zahlreiche Blogger auf der sozialistischen Karibikinsel äußerten in Kommentaren die Meinung, daß ihr Land das einzige in der Region sei, in dem Medienvertreter nicht in Lebensgefahr sind. Tatsächlich ist der letzte Journalisten-Mord in Kuba vor mehr als 55 Jahren gemeldet worden. Am 13. Mai 1958 wurde der mit der linken Guerilla sympathisierende Reporter Carlos Bastidades Arguello aus Ecuador vor einer Bar am Prado von einem Polizeiagenten des Diktators Fulgencio Batista mit Revolverschüssen in den Kopf getötet.