El Salvador: die Zeiten ändern sich

Montag, 24. Februar 2014





(zas, 23.2.14) María ist hingerissen, tief bewegt. Beim Telefongespräch soeben spür ich so etwas wie eine kleine Fassungslosigkeit ob des jubilierenden Empfangs der FMLN-Karawane in den Ortschaften des Westens des Landes. In zwei Wochen, am 9. März, kommt es in den salvadorianischen Präsidentschaftswahlen zum Stichentscheid zwischen dem Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional (FMLN), der ehemaligen Guerilla, und der Alianza Republicana Nacionalista, ARENA, seit den letzten Kriegsjahren bis 2009 erzreaktionäre Regierungspartei. Am vergangenen 2. Februar erzielte der FMLN rund 49% der Stimmen, ARENA folgte auf Platz 2 mit 39% und einem Abstand von fast 270'000 Voten auf die 1.3 Millionen des Frente. Die weitere Rechtsallianz Unidad um den ehemaligen Staatspräsidenten Tony Saca (Ex-ARENA) schaffte es mit 300'000 Stimmen auf Platz 3.
Warten auf die Karawane. Quelle: FMLN

Es war absehbar, dass lang nicht alle WählerInnen Sacas zu ARENA migrieren würden. Zwischen den beiden Rechtslagern herrscht mehr als nur Zoff. Während ARENA nach wie vor die Partei der Oligarchie ist (mit Massenanhang), wirtschaftete die Emporkömmlingsgruppe um Saca während ihrer Regierungszeit (2004-09) fleissig in die eigene Tasche. Die Folge: Die eine Krähe hackt der andern ein Auge aus. Als ARENA nach ihrer Wahlniederlage 2009 gegen die Allianz des Frente mit der Gruppe um den Präsidentschaftskandidaten Mauricio Funes Saca zur Partei raus warf, revanchierte sich dieser, in dem er einen Teil der ARENA-Parlamentsfraktion zum Absprung in seine neue Partei bewegte. ARENA verlor damit ihre Vetomacht im Parlament. Die Folge: Die feindlichen Brüder hassen sich. Kommt aber ein wichtiges Element für das Verstehen der WählerInnentendenz hinzu: Viele derer, die am 2. Februar für Saca stimmten, taten dies im Glauben, dass der die Sozialreformen der Regierung FMLN/Funes fortsetzen werde, ohne gleich so "extremistisch" zu sein wie der FMLN. ARENA glaubt dies ein kleiner werdender Teil.

Ein Sieg des Frente im 2. Durchgang wurde damit wahrscheinlich. Sämtliche Umfragen der letzten Tage ermitteln für den FMLN einen Vorsprung von zwischen 9 und 18 Punkten. Dass ARENA diese Differenz in der bis zur Wahl verbleibenden Woche noch aufholen könnte, ist eigentlich nicht vorstellbar. Dies trotz ihres sichtbar werdenden Versuchs, einen beträchtlichen Wahlbetrug zu organisieren – dazu weiter unten.

Das Schulpaket…
María sagt, in Sonzacate etwa, einem Städtchen im Westen, habe die Stimmung heute an einen friedlichen "Aufstand" erinnert. Wegen der Massenhaftigkeit der Leute, die herbei geströmt waren, um "Salvador y Óscar", die beiden FMLN-Kandidaten für Präsidentschaft und Vizepräsidentschaft, zu begrüssen. Wegen der Klarheit und der Vehemenz ihrer Aussagen. Und wegen Leuten wir jener Grossmutter, traditionelle ARENA-Wählerin, die ihr sagte: "Ich stimme für Salvador wegen der Schulpakete". Salvador Sánchez Cerén, ein früherer Obercomandante der Guerilla, hatte als Erziehungsminister nicht bloss die Abschaffung aller Schulgeldquoten abgeschafft, sondern Uniformen, Schuhe, Schulmaterialien, Mittagessen und seit zwei Jahren zunehmend ein Glas Frischmilch für alle Schulkinder durchgesetzt. Noch ist das nicht alles flächendeckend, aber der Grossteil der Schulkinder ist erreicht und die, die es noch nicht sind, werden in naher Zukunft in den Genuss dieser Unterstützung kommen.


Und ein "Detail": Sánchez Cerén, dem alten Gewerkschaftsorganisator, war es besonders wichtig, dass die Schuhe von SchuhmacherInnen, die Uniformen von Selbstständigen und KMUs hergestellt und das Mittagessen von Mütterkollektiven der betreffenden Schule zubereitet werden. Die Idee war nicht, ein Masseneinkauf bei McDonald oder Pollo Campero oder bei Adoc, dem langjährigen Schuhmonopolisten, der mit seinen Importen das noch vor einigen Jahrzehnten blühende Schumachergewerbe des Landes praktisch zum Verschwinden gebracht hatte. Und die Schuluniformen sollten nicht in der Maquila der Freien Produktionszonen hergestellt werden, sondern von selbstständigen oder in KMUs arbeitenden SchneiderInnen, die fast wie die Schumacher zur bedrohten Spezies geworden waren. Rund 1.4 Millionen Kinder kamen so zu ihrem Recht und rund 110'000 Stellen - vom Schuhmacher bis zur kochenden Schulmutter – konnten so geschaffen werden.
Schuhe für die Kinder. Quelle: El Mundo

Dieses und andere Sozialprogramme haben eingeschlagen! Wer meint, besonders kritisch zu sein und dabei von Assistenzialismus sprechen zu müssen, hat so gut wie nichts begriffen von der gesellschaftlichen Lage der Unterklassen in diesem und in anderen Ländern. Und verwechselt ein Reformprojekt mit subversiver Tendenz mit einer Weltbankförderung eines US-Foodgiganten. Verrät die eigene klassenspezifische Brutalität, nicht Blindheit. Egal, in wie linke Worte die miese Botschaft gekleidet wird. Und ist von der gesellschaftlichen Bewegung abgehängt.

…und der Flügelschlag
Die Grossmutter, von der María erzählt hat, versteht das besser. Und viele, viele andere im Land. Mach Taten, nicht nur schöne Worte, für die Kinder, und die Leute antworten.

Schulessen. Quelle: transparenciaactiva.gob.sv
Damit hängt der von María erwähnte "Aufstand" zusammen. Ein Aufstand des Bewusstseins, des Erkennens. Noch vor wenigen Jahren glaubten viele, wenn der FMLN an die Regierungsmacht gelange, verbrenne er als erstes alle Bibeln, schicke die Kinder zur Gehirnwäsche nach Kuba und nehme dir die Hälfte deines mickrigen Besitzes weg. Unvergesslich die Episode, als ein Compa und ich einige Tage nach dem Wahlsieg 2009 was einkaufen gingen im Kleinladen von Doña Alicia, einer Nachbarin, die wir beide seit vielen Jahren kannten. Ängstlich fragte sie uns, ob der FMLN ihr jetzt die Hälfte ihrer tiendita, ihres Ladens, wegnehmen würde. Es war zum Weinen. Ich weiss nicht, ob und wie Doña Alicia jetzt gewählt hat, aber sicher ist, dass sie sich um ihren Besitz keine FMLN-Sorgen mehr macht. Und auf dem Land wissen die Leute, dass ihre Bibeln sicher sind und die Landwirtschaft, heruntergewirtschaftet in den neoliberalen Jahren, jetzt wieder zulegt – praktische Selbstversorgung bei Maís und Bohnen, zunehmende Selbstversorgung bei Reis und anderen Grundnahrungsmitteln, Selbstversorgung der jetzt in den Händen von Kooperativen liegenden gentechfreien Saatgutproduktion, sehr zum Leidwesen der US-Botschaft, die von einer "Diskriminierung" von Monsanto spricht.

Nein, es ist nicht der Durchbruch zur "wissenschaftlichen Klassenanalyse" und ihrem gehobenen Bewusstsein, den einige als Voraussetzung vernünftigen Handelns beschwören. Aber du spürst die ersten Flügelschläge des Schmetterlings.

Die Angstkampagne und die Schwulenhatz
Nur zwei Beispiele, die das mit dem "Aufstand" etwas näher bringen. In altbewährter Manier führte ARENA eine Angstkampagne, um die Wahlen zu gewinnen. Die grossen Medien schossen aus allen Rohren und beschworen mit ARENA die Unsicherheit, die Kriminalität, die Brutalität der maras, der sogenannten Strassenbanden. ARENA-Kandidat Normán Quijano "versprach" eine enorme Militarisierung. Rechte US-ParlamentarierInnen warnten, in den salvadorianischen Medien bombastisch wiedergegeben, vor einer Achse FARC-Venezuela-FMLN-Drogenkartelle-maras. Kommandos der "sozialen Säuberung" legten Mitglieder einer Strassenbande um, um die Tat der konkurrierenden Gang in die Schuhe zu schieben. Im Januar stieg die tägliche Mordrate, die unter der Funes-Regierung im Rahmen eines allerdings undurchsichtigen, von der OAS unterstützen Pakts zwischen den Gangs markant gesunken war, steil an. Die klassische Psychotisierungsschiene also. Nur dass sie jetzt zum ersten Mal nicht funktionierte. Viele Leute haben eine Abscheu vor dieser Art perverser Leichenfledderei entwickelt, sie wollten Inhaltliches hören, keine Angstkampagne. Die FMLN-Kampagne mit ihrer eher inhaltlichen Ausrichtung, die nicht primär auf das pure Heruntermachen der andern ausgerichtet war, konnte da viel mehr punkten. Es tut sich was im Land, unterschwellig.

Das andere Beispiel: Noch vor jeder Wahl kommt ARENA mit einer Forderung zur noch schärferen Bestrafung jeglicher Abtreibung und zur Verfassungsverankerung des Verbots schwuler Ehen. Das letztere ein Punkt, der auf keiner Agenda einer LGTBI-Organisation steht, die sich vielmehr mit einer von Schwadronen gesteuerten Mordserie an ihren Mitgliedern und anderem auseinandersetzen müssen. Aber ein wochenlanges Dauerbombardement in den Medien, ein vehementer Einsatz insbesondere der katholischen Kirchenleitung gegen Schwulenehen etc. sollen die Linken im Wahlkampf desavouieren. Auch dieses Mal startete ARENA den Versuch. Er ging nach dem 2. Februar klanglos unter: Nur 18 Abgeordnete stimmten dafür, das Thema zu behandeln, selbst Rechte winkten ab und meinten, man solle sie mit diesem Quatsch nicht länger belästigen. Man musste die Nachricht in den Medien schon fast suchen. Vor wenigen Jahren war das noch unvorstellbar.

Ein Schuft und Küchenschürze versus reale Reformen
Die Leute wachen auf. Deshalb hat heute der FMLN reale Siegeschancen. Noch 2009 wäre es chancenlos gewesen, mit einem früheren Guerillacomandante anzutreten. Es brauchte damals die Verlockung des populären Journalisten und Kandidaten Mauricio Funes und seiner Gruppe, um zu gewinnen. ARENA scheint diese Schlacht zu verlieren. Zwar hat sie seit dem 2. Februar die Angstkampagne aus Dauerthema vordergründig an den Nagel gehängt, befleissigt sich einer moderaten Sprache und will alle Reformprogramme der Regierung nicht nur fortsetzen, sondern "verbessern" – mit Hilfe von zwei (nach Oligarchen benannten) Stiftungen, wie Quijano ungeschickt ausführte -, allein, wer nimmt ihr das noch ab? Auch dass sie soeben Paco Flores, einen früheren Staatspräsidenten, der gerade noch als Chefberater ihrer Kampagne figuriert hat, von der Parteimitgliedschaft suspendiert, kommt wohl einige Monate zu spät. Flores, unter dessen Präsidentschaft 2001 die Totaldollarisierung durchgesetzt wurde, wird jetzt auf von der Polizei gesucht. Parlamentarische Ermittlungsverfahren sorgen seit Monaten für Schlagzeilen wegen einer kriminellen faktischen Privatisierung der Geothermie an die italienische Eni und dem Raub von taiwanesischen Schenkungen, die sich laut neuesten Angaben auf fast $ 100 Mio. belaufen. Sozialprogramme auf der einen Seite, ein Schuft auf der andern – selbst langjährigen ARENA-AnhängerInnen kommen immer mehr Zweifel auf.

Wenn Quijano im Wahlkampf an Frauen Küchenschürze verteilt, kontrastiert dies z. B. mit dem Reformprogramm Ciudad Mujer. In sechs von 14 Departementen konnten 150'000 Frauen in grossen speziellen Zentren Unterstützung suchen etwa bei Problemen der ehelichen Gewalt, Kreditbedarf, Berufskursen oder Schulung zu reproduktiven Rechten und Gesundheit. Ein Programm, das schrittweise auf alle Departemente ausgeweitet und dort dezentralisiert werden soll. Und das, wie an seiner Popularität und an der Unterstützung durch feministische Organisationen abzulesen ist, für viele Frauen schon ein reales Hilfsmittel darstellt.

Computerkurse in einer Ciudad Mujer. Quelle: El Mundo
"Kleine" Dinge, aber mit einem Aufwachen an vielen Orten. Etwa bei der Ausarbeitung von Vorschlägen für das Regierungsprogramm des FMLN. 200'000 Menschen hielten schriftlich ihre Vorschläge fest, 85'000 nahmen an thematischen Workshops im ganzen Land (und in der Diaspora) teil. Fruchtbare Diskussionen gab es oft bei den Hausbesuchen während der Kampagne, die einen Grossteil der Haushalte abdecken konnten. Wer selber einen Vorschlag für eine Regierungspolitik formuliert, bekommt ein anderes Verhältnis zum Ganzen, wenn sie/er sieht, dass darauf eingegangen wird.

Versuche des Wahlbetrugs
ARENA also versucht sich jetzt als Wolf im Schafspelz. Mutmasslich mit wenig Erfolg. Alte Touren kann sie aber nicht lassen. Zum Beispiel jene eines Wahlbetrugs. Vorausgeschickt sei, dass es zum ersten Mal in dieser Wahlkampagne keine Ermordeten (sonst meist des FMLN) gegeben hat und es am Wahltag fast nicht zu Hinweisen auf eine massenhafte Wahlbeteiligung von Toten oder aus den umliegenden Ländern heran gekarrter Nicht-SalvadorianerInnen gekommen ist. Offenbar hatte ARENA einen Umstand zu wenig analysiert, und zwar, dass jetzt zum ersten Mal nicht mehr mit verfallenen Personalausweisen (DUI, Documento Único de Identidad), gewählt werden kann. Zuvor hatte das rechts dominierte Parlament noch jedes Mal eine "Sonderregelung" durchgewunken, welche die verfallenen DUI bis zum Tag nach der jeweiligen Wahl wieder für gültig erklärt hatte. Nach Kriegsende 1992 war es möglich gewesen, einen gültigen Personalausweis ohne Vorlegen einer Geburturkunde zu erhalten. Es reichte, dass zwei ZeugInnen die Identität der Antragsstellenden bekräftigten. Die so erwirkten Ausweise wurden also bis zur Kommunalwahl 2012 jeweils verlängert. Heute sind im Wahlregister von nicht ganz 5 Millionen Menschen 675'000 mit verfallenem DUI aufgezählt, die also nicht wählen können. Zwar kann der Ausweis erneuert werden, doch jetzt nur unter Vorlage einer Geburtsurkunde. Das schliesst eben weitgehend aus, dass Tote (die noch immer nicht voll aus dem WählerInnenregister entfernt sind) wählen oder dass die Identität von in die USA Ausgewanderten von Phantomen (MehrfachwählerInnen) übernommen wird. Der FMLN-Sprecher Roberto Lorenzana hat kürzlich die Zahl von 200'000 mutmasslichen "übernommenen Identitäten" genannt.

Ein parlamentarischer ARENA-Vorstoss nach dem 2. Februar, diese verfallenen DUI doch wieder zuzulassen, scheiterte klar, ebenso wie die entsprechende Kampagne vor dem 2. Februar. Nicht zuletzt die von ARENA abgefallene Fraktion verweigerte ihre Zustimmung im Wissen, dass dies einen Wahlbetrug zugunsten von ARENA ermöglichen würde, wie einige ihrer ExponentInnen, aus eigenem Erfahrungsfundus schöpfend,  FMLN-Kadern sagten.

Dennoch: ARENA hat bei verschiedenen Banken Geld für die Erneuerung von 100'000 DUI einbezahlt. Der Frente geht davon aus, dass die Partei versuchen wird, damit wie früher etwa ausländische ErntearbeiterInnen auszustatten (nahe des Grenzübergangs Las Chinamas hatte auch schon ein DUI-Apparat Ausweise für gerade eingereiste ErntearbeiterInnen aus Guatemala angefertigt…). Allerdings dürfte solchen Betrugsmanövern eine für ARENA empörende Grenze gesetzt sein: Sie hat nicht mehr die Regierungsmacht inne, nicht alle Teile der verschiedenen Regierungsapparate – vom EinwohnerInnergister bis zur Polizei – gehorchen ihr heute aufs Wort.

Ein anderes gravierendes Betrugsmanöver wird von Unternehmen betrieben. Manche Grossunternehmen inklusive Filialen von Multis versuchen auf verschiedene Weise, ihre Belegschaft zur ARENA-Wahl zu zwingen. Viele drohen auch, bei einem FMLN-Sieg die Produktion einzustellen (unmittelbar nach dem 2. Februar entliess der Telekommmulti Digicel 20 oder 40 Angestellte mit Verweis auf das ungünstige Resultat vom Vortag – eine Kunde, die sich rasch verbreitete). Wieder andere Unternehmen verunmöglichen ihren Belegschaften die Stimmabgabe, indem sie sie widerrechtlich zu Extraarbeit am Wahlsonntag einziehen.

Dennoch: Alles in Allem scheint es sehr fraglich, dass ARENA mit Kampagnenlügen und sonstigen Betrugsmanövern das Ruder herumreissen kann.

Aufstand und Grenzen
Natürlich ist bei einem FMLN-Sieg nicht alles in Butter. Sánchez Cerén und die Partei sprechen nicht zufällig andauernd von einer grossen nationalen Konzertation von Regierung, Unternehmen und Gewerkschaften. Heute trifft sich ein Kaffee-Oligarch und ehemaliger ARENA-Parteichef, Antonio Salaverría, mit den FMLN-Kandidaten, übt scharfe Kritik an seiner eigenen Partei und unterschreibt nach dem 2. Februar mit dem Frente und Kaffeegremien einen Pakt für die Wiederbelebung des extrem kriselnden Kaffeesektors. Das ist nicht gratis zu haben. Dennoch sollte man nicht vorschnell Wörter wie Verrat oder neue Bourgeoisie in den Mund nehmen. Vielleicht hilft es, sich an das alte Wort von Sánchez Cerén zu erinnern, der immer wieder gesagt hat, der Frente geht soweit im Kampf, wie die Leute gehen. Er wird ihnen nicht in den Rücken fallen, sich aber auch nicht "radikal" von ihnen absetzen. In El Salvador sind wir (wie auch sonst nirgends) noch lange nicht bei der Vergesellschaftung der Re/Produktion und der Entmachtung der Bourgeoisie, aber einen Schritt näher an einer solchen Utopie. Ähnliches gilt für die Beteuerung des Wunsches nach einer strategischen Beziehung mit Washington (aber auch mit Südamerika): Rund ein Viertel der SalvadorianerInnen lebt in den USA, viele davon ohne Rechtsstatus. Eine gezielte Verfolgung dieser Massen und ihre Deportation nach El Salvador würde dort Chaos bedeuten – nur schon, weil immer noch viele Familien von den Überweisungen ihrer Angehörigen in den USA abhängen. Dies trotz des Rückgangs der Armut in den Jahren der Funes/FMLN-Regierung um 11 %.

Kommt hinzu, dass es auch im FMLN unterschiedliche Vorstellungen gibt. Das geht von einer den Sozialkampf betonenden Haltung bis zu Reformvorstellungen, die mir von neoliberalem Gedankengut gefärbt zu sein scheinen. Da liegt viel Zündstoff. Aber bisher stimmt die Dialektik: Der Frente öffnet Räume, auch mit seinem Handeln in der Regierung,  und die Leute, viele Leute, beginnen, sich diese anzueignen, selbstverständlich zu machen, und damit den FMLN wiederum zu verpflichten.

Grund zur Hoffnung.
Kandidat Sánchez Cerén heute im Westen des Landes. Quelle: FMLN.