Venezuela: Lesenwerter Artikel zur Geldpolitik (span.)

Donnerstag, 22. Dezember 2016



Zur Vertiefung des Komplexes 100-Bolívares-Geldscheine und Wirtschaftskrieg (s. Venezuela: Mit Herrchen lügen) dient erneut ein Artikel der venezoalnischen Ökonomin Pasqualina Curcio:
¿Entonces, dónde estaban los billetes de 100 bolívares?

Handelsvertrag zwischen EU und Ecuador tritt im Januar in Kraft

https://amerika21.de/2016/12/166139/handelsvetrag-eu-ecuador

21.12.2016 Ecuador / EU / Politik / Wirtschaft

Abstimmungen im Europarlament und der Nationalversammlung Ecuadors. Regierung Correa: sensible Bereiche der Wirtschaft bleiben geschützt
Mit einer Gegenstimme, zwei Enthaltungen und zwei ungültigen Stimmen hat das Parlament von Ecuador dem Protokoll zum Handelsvertrag mit der EU zugestimmt
Mit einer Gegenstimme, zwei Enthaltungen und zwei ungültigen Stimmen hat das Parlament von Ecuador dem Protokoll zum Handelsvertrag mit der EU zugestimmt
Quito/Brüssel. Am Montag hat die Nationalversammlung von Ecuador mit einer Gegenstimme, zwei Enthaltungen und zwei ungültigen Stimmen dem Protokoll zum Handelsvertrag Ecuadors mit der EU zugestimmt.
Auf der Seite der konservativen Abgeordneten in Ecuador wurde lediglich das späte Zustandekommen des Abkommens kritisiert. Hingegen erklärte die indigene Abgeordnete Lourdes Tiban von Pachakutik, dass der Vertrag die kleinen Produzenten bedrohe. Dem widersprach unter anderem die Abgeordnete für Alianza País-Pachakutik, Rosa Munoz Avendano. Sie betonte, dass der Vertrag vor allem auch diesen Produzenten sowie den Mitgliedern der Solidarischen und sozialen Ökonomie zugute komme. Für ihre Provinz Chimborazo könne damit der Export von Quinoa, Kräutertee und Brokoli für kleine Produzenten eine Chance sein.
In der vergangenen Woche hatte das Europäische Parlament (EP) mit großer Mehrheit dem Abkommen zugestimmt. Ablehnung gab es von manchen Abgeordneten der Grünen und Linken im EP. Sie folgten der Kritik von einigen Nichtregierungsorganisationen aus Ecuador, die die Kleinproduzenten bedroht sowie die Rechte der Gewerkschaften nicht gewahrt sehen. Auch Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam lehnen den Vertrag ab.
In der Parlamentsdebatte der EU haben vor allem Konservative darauf hingewiesen, dass sie dem Handelsabkommen zustimmen, obwohl es in Ecuador Probleme mit der Meinungsfreiheit und der gewerkschaftlichen Organisation gebe. Sie bestanden, darauf, dass die Einhaltung der im Vertrag festgelegten Regelungen überprüft und bei Nichteinhaltung Sanktionen ausgesprochen werden müssten. Von Seiten der Sozialdemokraten gab es Lob für den Vertrag, da er kein reiner Handelsvertrag sei, sondern die soziale und ökologische nachhaltige Entwicklung einbeziehe. Ecuador müsse besondere Unterstützung erhalten, da sich die Wirtschaft durch den Verfall des Ölpreises, die Bindung an den US-Dollar und das jüngste Erdbeben in einer Krise befinde. Viele Abgeordnete wiesen darauf hin, dass sie nur zustimmen würden, weil die europäischen Bananen durch einen Zusatz vor den ecuadorianischen Importen geschützt werden.
In Ecuador hatte zuvor das Verfassungsgericht den Vertrag überprüft und genehmigt. Jetzt hat Präsident Rafael Correa das letzte Wort.
Vor sechs Jahren war Ecuador aus den Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen Peru, Kolumbien und der EU mit dem Argument ausgestiegen, dass diese Vereinbarungen der Wirtschaft des Landes schadeten. In den Verhandlungen seitdem hat die ecuadorianische Regierung nach eigenen Angaben besondere Regelungen erreicht.
Correa hatte mehrfach betont, dass sensible Bereiche der Wirtschaft geschützt bleiben. So werden bei öffentlichen Aufträgen Unternehmen der Sozialen und Solidarischen Ökonomie bevorzugt. Wirtschaftszweige wie die Milchwirtschaft sind zum großen Teil ausgenommen. Zahlreiche Einschränkungen gibt es im Bankenwesen und Finanzsektor. Zudem wird im Vertrag ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Verfassung und Gesetzesänderungen Grundlage sind. Dieser Passus ist von Bedeutung, weil damit keine Investorenklagen bei der Erhöhung von Standards erfolgen können.
Ein Schiedsgericht ist nicht Teil des Abkommens, zuständig für juristische Unstimmigkeiten sind die jeweiligen nationalen respektive europäischen Gerichte. In Fragen des Wettbewerbsrechts sind ebenfalls die jeweiligen Institutionen zuständig. Die "Superintendencia del control del poder del Mercado" in Ecuador, vergleichbar mit dem Bundeskartellamt, fördert insbesondere kleine Unternehmen und die Solidarische Ökonomie. In den Zusätzen sind auch der Schutz der Arbeitsrechte und des Umweltschutzes sowie Maßnahmen zur Sicherung der Ernährungssouveränität festgeschrieben, ebenso die internationalen Vereinbarungen zum Klimaschutz.
Durch den Vertrag mit der EU, der ab dem 1. Januar vorläufig in Kraft tritt, entfallen für 99,7 Prozent der Produkte aus Ecuador Exportzölle. Für die EU gilt dies für 60 Prozent. Die Vorzugsbedingungen für Exportprodukte aus Ecuador wären ohne den Vertrag ab Januar entfallen.

Südmexiko-Newsletter November-Dezember 2016

Freitag, 16. Dezember 2016

www.chiapas.ch

CHIAPAS

CNI: Auswahlverfahren für eine indigene Präsidentschaftskandidatin
Vom 9. bis 15. Oktober fand der fünfte Nationale Indigene Kongress (CNI) auf dem Gelände des Cideci Unitierra in Chiapas statt. Angesichts der anhaltenden Repression und des Raubbaus, die sie seit 524 Jahren seitens der Mächtigen erleben, beschloss die Versammlung, in jedem ihrer Dörfer eine Befragung und Abstimmung zu beginnen, um von unten die ihnen von oben aufgezwungene Macht zu demontieren. Ziel dieser Befragung ist es, einen indigenen Rat der Regierung zu ernennen, der von einer indigenen Frau repräsentiert wird. Diese Frau soll als unabhängige Kandidatin im Namen des CNI und der EZLN bei den Wahlen 2018 für die mexikanische Präsidentschaft antreten. Ende Dezember tagt der CNI erneut (2. Etappe)
Auf Deutsch: http://www.chiapas.eu/news.php?id=9052
Auf Spanisch: http://enlacezapatista.ezln.org.mx/2016/10/14/que-retiemble-en-sus-centros-la-tierra/
Website des CNI: http://www.congresonacionalindigena.org/
Aufruf zur 2. Etappe des V. Nationalen Indígena-Kongresses. Communiqué vom 26. Nov.
Auf Deutsch: http://www.chiapas.eu/news.php?id=9111
Auf Spanisch: http://enlacezapatista.ezln.org.mx/2016/11/26/convocatoria-a-la-segunda-etapa-del-v-congreso-nacional-indigena/

Der Aufruf des CNI hat einige linksgerichtete Medien in Mexiko dazu veranlasst, der EZLN einen Verrat an sich selbst vorzuwerfen, und dass damit die linken Wählerstimmen gespalten würden. Subcomandante Moises und Galeano reagierten daraufhin mit mehreren Communiqués, in denen sie die "Falschmeldungen" kritisierten – die übrigens auch von einigen deutschsprachigen Medien so aufgegriffen wurden. Weiterlesen:
EZLN kritisiert "falsche Kritiker": https://amerika21.de/2016/11/164497/wahlen-ezln-cni
EZLN: Eine Geschichte, um versuchen zu verstehen: Communiqué vom 17. Nov. (Jahrestag der EZLN).
Auf Deutsch: http://www.chiapas.eu/news.php?id=9110
Auf Spanisch: http://enlacezapatista.ezln.org.mx/2016/11/17/una-historia-para-tratar-de-entender/
Trotz Aggressionen geht die Befragung weiter: Communiqué vom 2. Dez.: http://www.chiapas.eu/news.php?id=9119
Auf Spanisch: http://enlacezapatista.ezln.org.mx/2016/12/02/a-pesar-de-las-agresiones-la-consulta-va/

Die Kunst der anderen Politik - über die EZLN, linke Eitelkeiten und die kapitalistische Gewalt. http://lowerclassmagazine.blogsport.eu/2016/11/die-kunst-der-anderen-politik/


Mega-Pilgermarsch gegen Mega-Projekte
Die Bewegung zur Verteidigung der Mutter Erde und eines würdevollen Lebens (MODEVITE) organisierte vom 14. bis 25. November einen Mega-Pilgermarsch gegen die Megaprojekte in Chiapas, an dem vor allem viele indigene Frauen teilnahmen. Am 25. November, dem Tag gegen die Gewalt an Frauen, endete er in San Cristóbal.
Kurzes Video: https://www.youtube.com/watch?v=YDIbcOi8-Oo
Communiqué auf Spanisch, mit Fotos und Videos: https://territoriochiapas.wordpress.com/



OAXACA


Zweiter General nach Massaker in Mexiko aus Polizeidienst entlassen

Nach seinem Chef musste jetzt auch ein Oberkommandierender der Bundespolizei gehen. Menschenrechtsaktivisten fordern Gerichtsprozesse gegen Verantwortliche.
https://amerika21.de/2016/11/164528/entlassung-general-mexiko?platform=hootsuite

Neustes Bulletin EL TOPIL von Educa (Oaxaca) für alle im Widerstand: „Zonas económicas amenazan el territorio Oaxaqueño», Dezember 2016, Nr. 29:
Herunterladen und lesen: http://www.educaoaxaca.org/2156



MEXIKO

Lateinamerika besorgt nach Sieg von Trump
Nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse in den USA erreichte der mexikanische Peso ein historisches Tief. Erstmals mussten für einen US-Dollar mehr 20 Pesos bezahlt werden. Der lateinamerikanische Sender Telesur nannte drei Gründe für die Vorbehalte Lateinamerikas gegen den neu gewählten US-Präsidenten.
Weiterlesen: https://amerika21.de/2016/11/163860/donald-trump-usa-lateinamerika
Bericht NZZ – Peso im freien Fall: http://www.nzz.ch/finanzen/peso-im-freien-fall-trump-hurrikan-naehert-sich-mexiko-ld.127293
Bericht Neues Deutschland: https://www.neues-deutschland.de/artikel/1031587.so-nah-an-trump-so-fern-von-gott.html?sstr=gerold|schmidt

Vorbereitung auf massive Abschiebungen aus den USA
Macht er seine Wahlversprechen wahr, dann wird Trump eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen und undokumentierte Migranten ausschaffen lassen. Nach seiner Wahl versicherte Trump, dass er unmittelbar nach seinem Amtsantritt im Januar drei Millionen „Illegale mit Vorstrafen“ abschieben oder inhaftieren lassen wird. Derweil bemüht sich die mexikanische Regierung um einen Dialog mit Trumps Team und erarbeitete einen elf-Punkte-Plan, um undokumentierte in den USA lebende Mexikaner zu unterstützen.
Weiterlesen: https://amerika21.de/2016/11/164418/mexiko-abschiebungen-usa

Unabhängige Analyse zum Mord an Berta Caceres
Internationale Rechtsexperten besuchen Honduras, um Licht in den Mordfall an der indigenen Menschenrechtsaktivistin sowie an der versuchten Ermordung eines mexikanischen Umweltaktivisten zu bringen.
Weiterlesen: https://amerika21.de/2016/11/164075/experten-beraten-honduras

Bildungsreform in Mexiko fördert Ungleichheit
Was die regierungskritische Lehrergewerkschaft (CNTE) schon lange kritisiert, bemängeln nun auch Experten aus Wissenschaft und Bildung. Die geplante Bildungsreform für Mexiko birgt grosse Nachteile für Schüler in abgelegenen und von hoher Armut geprägten Regionen.
Weiterlesen: https://amerika21.de/2016/11/163540/bildungsreform-ungleichheit-me



GUERRERO

Erneut Aktivist in Guerrero ermordet, Gewalt in Mexiko eskaliert weiter
Weiterlesen: https://amerika21.de/2016/11/164713/aktivist-guerrero-ermordet

Das organisierte Verbrechen als bewaffneter Arm der Bergbauunternehmen
Dutzende Siedlungen und Dörfer im Gebirge von Guerrero befinden sich in der Gewalt des organisierten Verbrechens, welches im Interesse mexikanischer und multinationaler Bergbauunternehmen handle. Manuel Olivares, Leiter eines regionalen Menschenrechtszentrums in der Stadt Chilapa, beklagt die tragischen Lebensumstände der von der Gewalt betroffenen Bevölkerung und macht die Bergbauunternehmen dafür verantwortlich. Weiterlesen: https://www.npla.de/poonal/guerrero-das-organisierte-verbrechen-als-bewaffneter-arm-der-bergbauunternehmen/
La Jornada (auf Spanisch): http://www.jornada.unam.mx/2016/11/05/politica/018n1pol

Berichte zum Fall Ayotzinapa
Die Interdisziplinäre Gruppe Unabhängiger Experten (GIEI) der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) hat zwei ausführliche Berichte und erste Schlussfolgerungen zum Verschwindenlassen und den Ermordungen der Lehramtsstudenten aus Ayotzinapa veröffentlicht, die Hinweise über die Beteiligung des Militärs in den Ereignissen von Ayotzinapa erwähnen. Zusammenfassung auf Deutsch, Teil 1: http://mexicoviaberlin.org/wpcontent/uploads/2014/11/2016_008_mvbagenda_giei_ayotzinapa1.pdf
Teil 2: http://mexicoviaberlin.org/wpcontent/uploads/2014/11/2016_009_mvbagenda_giei_ayotzinapa2.pdf

Ayotzinapa: CIDH widerspricht weiterhin der „historischen Wahrheit“ der mexikanischen Regierung
James Cavallaro, Präsident der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH), forderte am 10. November vor der mexikanischen Presse die Regierung auf, ihre Narration über die gewaltsam verschwundenen Studenten der Lehreruniversität von Ayotzinapa im Bundesstaat Guerrero zu ändern. Mehrfach betonte er, die vom ehemaligen mexikanischen Generalbundesstaatsanwalt Jeśus Karam als „historische Wahrheit“ vorgetragene angebliche Verbrennung der Studenten auf der Müllhalde von Cocula sei physisch unmöglich.
https://www.npla.de/poonal/ayotzinapa-cidh-widerspricht-weiterhin-der-historischen-wahrheit-der-mexikanischen-regierung/

Radio-Features:
"Geschichten vom Verschwinden - lassen"
Hören: http://www.deutschlandradiokultur.de/ursendung-flucht-geschichten-vom-verschwinden-lassen.958.de.html?dram:article_id=364498

"Die verschwundenen Studenten" von Erika Harzer. Menschenrechtsverletzungen in Mexiko und deutsche Waffen.
Hören: http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/tandem/swr2-tandem-die-verschwundenen-studenten/-/id=8986864/did=18360612/nid=8986864/183wlir/index.html



ESTADO DE MEXICO

Atenco: Wie der mexikanische Staat versucht, die Aufarbeitung zu behindern
https://www.npla.de/poonal/atenco-wie-der-mexikanische-staat-versucht-die-aufarbeitung-zu-behindern/

Die Karawane der Mütter
Die 12. Karawane „Wir suchen Leben auf Todeswegen“ der Mütter von verschwundenen MigrantInnen aus Nicaragua, Honduras, El Salvador und Guatemala ging am 3. Dezember in Tapachula, Chiapas, zu Ende. Sie legten fast 4000 km zurück und waren in elf mexikanischen Bundesstaaten unterwegs. Dieses Jahr gab es in vier Fällen ein Wiedersehen.
Weiterlesen: https://www.npla.de/poonal/zweieinhalb-wochen-migrantinnen-karawane-gingen-zu-ende/
Hören: http://www.deutschlandradiokultur.de/verschollen-in-mexiko-die-karawane-der-muetter.2165.de.html?dram:article_id=370508



HINWEISE

Buchtipp: EZLN: Das kritische Denken angesichts der kapitalistischen Hydra. Beiträge von EZLN-AktivistInnen zu Theorie und Praxis der zapatistischen Bewegung. Aus dem Spanischen von einem Übersetzer*innenkollektiv, ISBN 978-3-89771-059-7, Reihe: Studien zur globalen Gerechtigkeit Band: 6, Unrast-Verlag.

Venezuela: Mit Herrchen lügen

Donnerstag, 15. Dezember 2016



(zas, 15.12.16) An … ab; an … ab. So folgsam ist die transnationalisierte  „Berichterstattung“ zu Venezuela. Als die rechte Opposition auf einen Dialog mit der Regierung einwilligen und die Existenz eines Wirtschaftskriegs gegen das chavistische Venezuela zugeben musste, waren die Scheinwerfer gerade ausgeschaltet. (S. Melancholie, verschweigen, nur nicht die Wahrheit sagen). Ergebnis: Die Freimedien konnten die Sache verschlafen, um danach im gewohnten Stil weiter zu machen. Am letzten Novemberwochenende wurde der Schalter wieder umgestellt, für alle bemerkbar mit einer Doppelseite in der New York Times, welche die höllischen Zustände in Venezuela und seinem Gesundheitswesen „beleuchteten“. Und das Kesseltreiben setzte wieder munter ein.  Gestern ein Bericht des Imperium-Mundstücks Achermann im offiziellen Schweizer Radio, heute ein Reisser mit dem Titel „Venezuela lässt sein Kinder sterben“ von Brühwiller in der NZZ. Beide wissen: Für die Menschen in Venezuela ist das Leben entsetzlich. Achermann oberflächlich, dumm, wie gewohnt; Brühwiller triebhaft aggressiv, wie gewohnt.
Vorweg: Ja, es gibt schlimme Situationen in Venezuela. Auch im Gesundheitswesen. In der Versorgung mit Esswaren, mit Medikamenten… In welchem Ausmass? Wir können uns kein Urteil anmassen. Aber wenn wir wissen, dass Bekannte ihren Angehörigen drüben Toilettenartikel oder schmerzlindernde Mittel schicken mussten, ist klar, dass die Lage ernst ist.
Dies das eine. Etwas anders die Lüge.
Sie kommt auf verschiedenen Tatzen daher.
Nr. 1: Verschweig die Täter und Täterinnen, schieb die Schuld auf die Angegriffenen.  Warum fehlt es manchmal an lebensrettenden Medikamenten? Wegen chavistischer Gier und Misswirtschaft. In diesem Blog und im Correos haben wir immer wieder veröffentlicht, dass anderes im Spiel ist: etwa wenn Tonnen staatlich subventionierter Medikamente und medizinischer Instrumente in Silos von Privatunternehmen gehortet werden.  In Privatunternehmen, die zu dem von ein paar Pharmamultis kontrolliertem monopol-artigem Pharma-Verteilnetz gehören. Oder wenn die Importpreise für Medikamente oder Basissubstanzen explodieren.
Nr. 2: Mal alles tiefschwarz. Dantes Inferno ist die Venezuela-Blaupause für jedes Schwatzmaul in den Medien. Darunter läuft nichts. Also: Es gibt nur infernalische Zustände in den Spitälern. Ist eine Krankenzimmerwand mal nicht kotverschmiert, wähnt sich das müde journalistische Auge schon fast in einer Oase. Das ist Lüge. Die nicht glaubhafter wird, weil noch jede Schreib- oder TV-Kanaille auch noch einen persönlichen Leidensweg von Don Manuel oder Doña Irma mitzuteilen weiss. Im benachbarten Kolumbien, im Grenzdepartement  Guajira sind nach offiziellen, die reale Lage massiv beschönigenden Berichten „von 2008 bis 2013 4112 Kinder an Unterernährung und verhinderbaren Kinderkrankheiten gestorben“ (s. Kolumbien: Genozid, nicht Natur). Da Glencore und andere Minenmultis das Wasser der indigenen Comunidades brauchen, sterben die Kinder und die Erwachsenen weiter. Wir schrieben am 22. September 2016: „Vor zwei Tagen berichtete die kolumbianische Zeitung El Tiempo, dass in diesem Jahr nach offiziellen Angaben 53 Kinder an Unterernährung gestorben seien und 20 Minderjährige in Intensivstationen wegen seit Juli fehlender Medikamente für die Akutbehandlung von Unterernährung sterben können.“ Guajira grenzt an Venezuela. Wie verlogen das „humanitäre Entsetzen“ ist, das die einschlägigen Medienschaffenden vorweisen, zeigt der kleine Umstand, dass sie es nicht ein Mal schaffen, ihren … kritischen Blick in das El Dorado der kolumbianischen Boomökonomie zu richten. Sie lügen, sie verschweigen.

Zwei Beispiele:
Brühwiller behauptet heute, indirekt gebe die Regierung Maduro eine humanitäre Krise zu, indem sie, zur Vertuschung des „Versagens des Staates“ einen „Kanal der Solidarität“ aufbaue, also internationale Hilfe empfange. Es stimmt, es gibt diesen Kanal. Was einer wie Brühwiller vermutlich aus Kalkül verschweigt, einer wie Achermann eventuell gar nicht weiss, da ihm das seine üblichen rechten Gewährsleute nicht zu stecken für nötig hielten, ist, dass dieser Kanal nicht „aufgebaut“ werden muss, sondern seit langem existiert. Aber Brühwiller muss anbringen, was die US-finanzierte weit rechts stehende Partei Voluntad Popular von sich gibt, dass nämlich an einem Treffen vom letzten 8. Dezember der Regierung Maduro mit UNO-Organisationen die diskutierte Benutzung dieses Kanals das Eingeständnis einer humanitären Krise im Land darstelle. Nun, dieser Kanal ist ein viel benutzter Rotationsfonds der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation OPS, Teil der WHO, über den Regierungen des Südkontinents verbilligt zu Impfstoffen und Medikamenten gelangen. Der chilenische Gesundheitsminister sagt: „Dieses Abkommen erlaubt dem Gesundheitsministerium, in optimaler Zeit Medikamente für kritische Programme zu erwerben, von garantierter Qualität und zu einem effizienterem Preis, als er im chilenischen Markt erzielt werden könnte.“  Der gleiche Abgeordnete von Primera Justicia, der auch NZZ-Brühwiller als Auskunftsquelle diente, verbreitet die Version, der Fonds sei für „Nationen in Krise“ da. Chile wird zwar tatsächlich von Krisen geschüttelt, etwa wegen des Feldzugs gegen die Mapuche oder der Verweigerung einer guten Ausbildung für alle, doch bisher ist dieses Land nicht dafür bekannt, in den Augen der Brühwillers und ihrer Bosse als humanitäre Katastrophe zu gelten. Aber der NZZ-Schreiber muss auf Linie bleiben: Schliesslich hat kein geringerer als der damalige US-Oberkommandierende des Südkommandos gegen Lateinamerika (Southcom), im Oktober 2015 das Gerede von der „humanitären Krise“ in Venezuela auf die Tagesordnung gebracht. Er teilte damals mit, er bete jeden Tag dafür, dass Venezuela wegen seiner enormen wirtschaftlichen Probleme nicht kollabiere. Im Falle einer dadurch bewirkten
„humanitären Krise […] könnten wir reagieren und täten dies via Organisationen wie die UNO, die OAS oder die FAO.“ Darum geht es, nicht um Kinder. Die sind der Mediengang ziemlich wurst, siehe das o. e. Beispiel des Desinteresses zum Fall der Wayuu in Kolumbien.

Gestern war Radio-Achermann fassungslos. Der Maduro erfindet immer wieder neue absurde Anschuldigungen, um von seinem wirtschaftlichen Versagen abzulenken. Er redet auch stets von Wirtschaftssabotage, ha! Und so ist ihm eingefallen, jetzt die 100-Bolívares-Note aus dem Verkehr zu ziehen. Was den armen Wahrheitsfinder von Radio SRF künftig dazu zwinge, beim Restaurantbesuch einen Plastiksack von Geldbündeln mitzuschleppen. Macondo im Quadrat! Was soll kleinkrämerische Detailreiterei, wenn es gilt, das grosse Bild zu vermitteln?  Und warum soll Ignoranz nicht bestechen? Seit 2000 hat die kolumbianische Zentralbank mit ihrer Resolution Nr. 8 ein doppeltes Kursregime seines Pesos zum venezolanischen Bolívar eingeführt. Im Grenzgebiet zu Venezuela war der Bolívar für 2.54 Pesos zu erhalten, im Landesinnern für 300.58 Pesos. Eigenartig, nicht? Nicht für die Achermänner. Aber für Juan Carlos Tanus, Sprecher der Organisation Colombianos y Colombianas en Venezuela. Er erklärt der venezolanischen Nachrichtenagentur AVN, wie das funktioniert (¿Cómo opera el ataque al bolívar en Colombia?). Die imperialen Mafias im kolumbianischen Grenzgebiet kaufen in industriellem Ausmass Hundert-Bolívares-Scheine. (Das zwingt en passant die chavistische Regierung, Geld zu drucken, und verschönert so die Inflationsrate.) Die für 254 Pesos erworbenen Scheinchen werden in Bogotá in 30'058 Pesos zurückgetauscht. Die Pesos werden im nächsten Schritt in US-Dollars eingetauscht, für 3'000.8 Pesos gegen $ 10. Die $ 10 werden in Venezuela zum Schwarzmarktkurs in 42'540 Bolívares verwandelt, die zu einem beträchtlichen Teil für den Kauf von subventionierten Gütern verwendet werden, welche dann nach Kolumbien geschmuggelt werden. AVN zitiert Präsident Maduro so: „Man schätzt, dass 300 Milliarden Bolívares im Besitz von aus Kolumbien geleiteten Mafias sind; sie sind Teil des wirtschaftlichen Putschs.“
Wechselstube in Cúcuta
 
Nun ja, wofür auch erwähnen, dass die venezolanische Regierung ihr kolumbianisches Pendant aufgefordert hat, den Doppelkurs abzuschaffen? Oder dass die Wechselhäuser im kolumbianischen Schmuggelzentrum von Cúcuta jammern, jetzt auf 2 Milliarden Bolívares sitzen zu bleiben, mit denen sie nichts mehr anstellen können? Weshalb die kolumbianische Regierung helfend eingreifen müsse. Denn – Gott sei es geklagt – Venezuela sperrt die Grenze mit Kolumbien und untersucht Massenimporte von 100-Bol’ivares-Scheinen auf ihre Rechtmässigkeit. Wenn das nicht totalitär ist, was dann?
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Wer gerne eine realistische Sicht auf die Probleme in Venezuela (Versorgung, Gesundheitsdienste) hat als die der Imperiumsmedien, lese den kleinen Artikel auf venezuelanalysis.com vom 10. Dezember: Community-Delivered Food, Clean Clinics, and Queue-Less Banks: A Glimpse into VA’s Week in Venezuela.

USA: Die „Nachzählung“



(zas, 14.12.16) Die Nachzählung in Wisconsin, Michigan und Pennsylvania hat Trumps “Wahlsieg” bestätigt (ein Minus an WählerInnenstimmen, aber ein Plus an ElektorInnen). In Wisconsin hat er sogar 162 Stimmen dazu gewonnen. So der Tenor der Agenturmeldungen. An der „amerikanischen Demokratie“ ist nicht zu zweifeln. Auch nicht, wenn ein Faschist gewählt wird.
Doch beharren wir auf einigen Fakten, ohne deswegen die grundlegende Tatsache  aus dem Blick zu verlieren, dass zig Millionen den Faschisten gewählt haben (und nicht die Kriegsgurgel, die mehr von dem versprach, was die Leute, die zum Teil Obama gewählt hatten, in den letzten acht Jahren serviert bekamen: Nicht „Yes, we can“, sondern „Yes, you must“ verarmen; mehr malochen und weniger verdienen; mehr Suppenküchen suchen etc.
Doch wie kam es zum Beleg für die funktionierende democracy in USA? Democracy Now von gestern klärt uns auf (Greg Palast: By Rejecting Recount, Is Michigan Covering Up 75,000 Ballots Never Counted?). In Michigan gewann Trump offiziell mit einem Vorsprung von 10’704 von insgesamt 4.8 Millionen Stimmen. Aber 75‘335 Stimmen waren „ungültig“, da angeblich leer eingelegt oder fehlerhaft ausgefüllt. Wie das? Easy. Stell veraltete optische Scanner in bestimmten Wahlkreisen in Michigan und Wisconsin auf, die beim Einlesen der angekreuzten Felder neben den Namen der KandidatInnen in den diversen Wahlgängen fehleranfällig sind. Vorallem in Detroit und Flint (die Stadt mit dem vergifteten Wasser), beides Armutszentren, viele Nicht-Weisse. In der Democracy-Now-Sendung wird Sue zitiert, eine Systemanalytikerin, die an der Nachzählung beteiligt war: „Wir sahen viele Stimmzettel, die ursprünglich nicht gezählt worden waren, weil sie sich nicht in die Maschine einscannen liessen.“
Die Präsidentschaftskandidatin der Green Party, Jill Stein, hatte die Nachzählung in den drei swing states angestrengt. Unter anderem, so Stein, weil „wir viele leere Wahlzettel hatten, viele von ihnen in farbigen Communities, die historisch Demokratisch wählen. Und dies war natürlich ein Anlass zur Sorge für ihn“. Er ist der republikanische Generalstaatsanwalt von Michigan, Bill Schuette. Er verbat, dass in 59% der Wahldistrikte von Detroit, nämlich dort, wo am meisten Stimmen ausgesondert worden waren, die Wahlzettel bei der „Nachzählung“ überhaupt geprüft werden durften, von Menschenauge. Fred Woodhams ist der Sprecher des secretary of state von Michigan. Ihm ist kein Rätsel, warum so Leute leer einlegten – dort in Detroit. „Wissen Sie, schaut man sich die Unpopularitätsquoten an, über die für die beiden KandidatInnen der grossen Parteien berichtet wurden, so ist das vermutlich nicht überraschend.“ Denn bestimmt stehen die Leute gerne Schlange, um dann leer einzulegen.
In Detroit zirkuliert eine andere Erklärung. Der Recherchierjournalist Greg Palast lässt in der Sendung Carlos García von der Michigan State University zu Wort kommen. García berichtet, dass 87 Maschinen um 7 h früh ausgestiegen waren. Zweieinhalb Stunden später begannen Ersatzscanner zu funktionieren. Doch manche Leute hatten ihre Wahlzettel ungescannt in die Wahlurne eingeworfen, wo sie ungescannt unter den danach eingeworfenen ruhten – und das bis heute.
Auch in Wisconsin, wo Trump angeblich 162 Stimmen gut machte, ging die Nachzählung eigene Wege. Zum Beispiel in der afroamerikanisch geprägten Gegend um Milwaukee. Palast beschreibt das so: „Statt zuzulassen, dass die angeblich leer eingelegten Wahlzettel von Menschenhand nachgezählt werden, sagten sie: ‚Aha, ok, wir werden sie einfach wieder durch die Maschine laufen lassen.‘ Das ist wie Setzen auf Instant Replay, das gleiche Spiel. Sie lassen sie einfach nochmals durch die schlechten Maschinen durch. Das ist nicht einfach eine schlechte Art, Wahlzettel zu zählen, sondern eine Art, afro-amerikanische Wahlzettel nicht zu zählen.“
Palast betont, es handle sich nicht um eine „Nachzählung“, da in Michigan eben 75‘000 Stimmen gar nie gezählt, sondern ausgeschieden worden sind. Und er fährt weiter: „Es gibt genügend ungezählte Wahlzettel, die, würden Menschen sie prüfen - die Maschinen sind schrecklich, sie können deine kleine Markierung neben dem Kandidatennamen nicht lesen. Für ein Menschenauge aber ist es einfach zu sehen, dass da ein/e KandidatIn angekreuzt wurde. Viele Maschinen sagten weiter, dass zwei KandidatInnen gewählt worden seien. Das tun aber nicht viele Leute. Eine Überprüfung durch Menschen würde das klären. Aber die Frage ist: Wo werden diese Wahlzettel nicht gezählt? Sie werden nicht gezählt in afroamerikanischen Gebieten, in Dearborn mit der grossen arabisch-amerikanischen Community, in Latino-Communities.“
Vorgestern, resümierte Amy Goodman von Democracy Now, verbot ein Bundesrichter in Pennsylvania, dass die Wahlzettel nachgezählt und einige der Wahlcomputer auf Manipulationen untersucht würden. In diesem Staat geben 70 % der WählerInnen ihre Stimmen rein elektronisch, ohne irgendeinen Papierausdruck, ab. Die Computer laufen mit durch das Betriebsgeheimnis vor öffentlicher Kontrolle geschützter Software. Es blieb hier beim Trump-Vorsprung von weniger als 1 Prozent der Stimmen. In Michigan hatte ein Bundesrichter die „Nachzählung“ ebenfalls gestoppt, nachdem sie schon in Detroit faktisch ausgehebelt worden war. Es blieb dort beim offiziellen Trump-Vorsprung von 10’704 bei insgesamt 4.8 Millionen Stimmen.