USA: Die „Nachzählung“

Donnerstag, 15. Dezember 2016



(zas, 14.12.16) Die Nachzählung in Wisconsin, Michigan und Pennsylvania hat Trumps “Wahlsieg” bestätigt (ein Minus an WählerInnenstimmen, aber ein Plus an ElektorInnen). In Wisconsin hat er sogar 162 Stimmen dazu gewonnen. So der Tenor der Agenturmeldungen. An der „amerikanischen Demokratie“ ist nicht zu zweifeln. Auch nicht, wenn ein Faschist gewählt wird.
Doch beharren wir auf einigen Fakten, ohne deswegen die grundlegende Tatsache  aus dem Blick zu verlieren, dass zig Millionen den Faschisten gewählt haben (und nicht die Kriegsgurgel, die mehr von dem versprach, was die Leute, die zum Teil Obama gewählt hatten, in den letzten acht Jahren serviert bekamen: Nicht „Yes, we can“, sondern „Yes, you must“ verarmen; mehr malochen und weniger verdienen; mehr Suppenküchen suchen etc.
Doch wie kam es zum Beleg für die funktionierende democracy in USA? Democracy Now von gestern klärt uns auf (Greg Palast: By Rejecting Recount, Is Michigan Covering Up 75,000 Ballots Never Counted?). In Michigan gewann Trump offiziell mit einem Vorsprung von 10’704 von insgesamt 4.8 Millionen Stimmen. Aber 75‘335 Stimmen waren „ungültig“, da angeblich leer eingelegt oder fehlerhaft ausgefüllt. Wie das? Easy. Stell veraltete optische Scanner in bestimmten Wahlkreisen in Michigan und Wisconsin auf, die beim Einlesen der angekreuzten Felder neben den Namen der KandidatInnen in den diversen Wahlgängen fehleranfällig sind. Vorallem in Detroit und Flint (die Stadt mit dem vergifteten Wasser), beides Armutszentren, viele Nicht-Weisse. In der Democracy-Now-Sendung wird Sue zitiert, eine Systemanalytikerin, die an der Nachzählung beteiligt war: „Wir sahen viele Stimmzettel, die ursprünglich nicht gezählt worden waren, weil sie sich nicht in die Maschine einscannen liessen.“
Die Präsidentschaftskandidatin der Green Party, Jill Stein, hatte die Nachzählung in den drei swing states angestrengt. Unter anderem, so Stein, weil „wir viele leere Wahlzettel hatten, viele von ihnen in farbigen Communities, die historisch Demokratisch wählen. Und dies war natürlich ein Anlass zur Sorge für ihn“. Er ist der republikanische Generalstaatsanwalt von Michigan, Bill Schuette. Er verbat, dass in 59% der Wahldistrikte von Detroit, nämlich dort, wo am meisten Stimmen ausgesondert worden waren, die Wahlzettel bei der „Nachzählung“ überhaupt geprüft werden durften, von Menschenauge. Fred Woodhams ist der Sprecher des secretary of state von Michigan. Ihm ist kein Rätsel, warum so Leute leer einlegten – dort in Detroit. „Wissen Sie, schaut man sich die Unpopularitätsquoten an, über die für die beiden KandidatInnen der grossen Parteien berichtet wurden, so ist das vermutlich nicht überraschend.“ Denn bestimmt stehen die Leute gerne Schlange, um dann leer einzulegen.
In Detroit zirkuliert eine andere Erklärung. Der Recherchierjournalist Greg Palast lässt in der Sendung Carlos García von der Michigan State University zu Wort kommen. García berichtet, dass 87 Maschinen um 7 h früh ausgestiegen waren. Zweieinhalb Stunden später begannen Ersatzscanner zu funktionieren. Doch manche Leute hatten ihre Wahlzettel ungescannt in die Wahlurne eingeworfen, wo sie ungescannt unter den danach eingeworfenen ruhten – und das bis heute.
Auch in Wisconsin, wo Trump angeblich 162 Stimmen gut machte, ging die Nachzählung eigene Wege. Zum Beispiel in der afroamerikanisch geprägten Gegend um Milwaukee. Palast beschreibt das so: „Statt zuzulassen, dass die angeblich leer eingelegten Wahlzettel von Menschenhand nachgezählt werden, sagten sie: ‚Aha, ok, wir werden sie einfach wieder durch die Maschine laufen lassen.‘ Das ist wie Setzen auf Instant Replay, das gleiche Spiel. Sie lassen sie einfach nochmals durch die schlechten Maschinen durch. Das ist nicht einfach eine schlechte Art, Wahlzettel zu zählen, sondern eine Art, afro-amerikanische Wahlzettel nicht zu zählen.“
Palast betont, es handle sich nicht um eine „Nachzählung“, da in Michigan eben 75‘000 Stimmen gar nie gezählt, sondern ausgeschieden worden sind. Und er fährt weiter: „Es gibt genügend ungezählte Wahlzettel, die, würden Menschen sie prüfen - die Maschinen sind schrecklich, sie können deine kleine Markierung neben dem Kandidatennamen nicht lesen. Für ein Menschenauge aber ist es einfach zu sehen, dass da ein/e KandidatIn angekreuzt wurde. Viele Maschinen sagten weiter, dass zwei KandidatInnen gewählt worden seien. Das tun aber nicht viele Leute. Eine Überprüfung durch Menschen würde das klären. Aber die Frage ist: Wo werden diese Wahlzettel nicht gezählt? Sie werden nicht gezählt in afroamerikanischen Gebieten, in Dearborn mit der grossen arabisch-amerikanischen Community, in Latino-Communities.“
Vorgestern, resümierte Amy Goodman von Democracy Now, verbot ein Bundesrichter in Pennsylvania, dass die Wahlzettel nachgezählt und einige der Wahlcomputer auf Manipulationen untersucht würden. In diesem Staat geben 70 % der WählerInnen ihre Stimmen rein elektronisch, ohne irgendeinen Papierausdruck, ab. Die Computer laufen mit durch das Betriebsgeheimnis vor öffentlicher Kontrolle geschützter Software. Es blieb hier beim Trump-Vorsprung von weniger als 1 Prozent der Stimmen. In Michigan hatte ein Bundesrichter die „Nachzählung“ ebenfalls gestoppt, nachdem sie schon in Detroit faktisch ausgehebelt worden war. Es blieb dort beim offiziellen Trump-Vorsprung von 10’704 bei insgesamt 4.8 Millionen Stimmen.