(zas,
28.11.17) Das honduranische Wahlgericht TSE stellt abschliessende Resultate für
Donnerstag oder Freitag in
Aussicht. Als Grund führt es an, dass es vorläufig primär über Wahlakten
aus den Regionen um die beiden grossen Städte des Landes verfüge, die
ländlichen Wahlunterlagen würden jedoch nach und nach eintreffen. Allerdings
ist zu fragen, warum das TSE in der Nacht auf Montag 57.1 % der Präsidentschaftsakten
ausgezählt hatte und es seither bis jetzt (ca. 10h30 am, 28.11.17, in Honduras)
auf ganze 58.4 % schaffte (mit 45.05 % für den Mittelinks-Kandidaten Nasralla
und 40.29 % für den amtierenden Präsidenten)? Anderthalb Tage für 1.3 % aller
Akten? Selbst die UNO-Vertretung in Honduras teilte dem TSE mit: „… wir ermuntern das TSE, die Bevölkerung
regelmässig über die Wahlresultate auf zu informieren“.
Mauschelei?
Das ist natürlich der allgemeine Verdacht, der aufkommt. Eine der führenden
Putschpersonen von 2009 und mehrmals Minister in den beiden
De-facto-Regierungen seither, Arturo Corrales, legte schon früh eine Piste,
wobei er die schon in der Nacht von Sonntag geäusserten Elemente des TSE bzgl. des
Fehlens der ländlichen Unterlagen aufnahm. Auf dem Land sei JOH unschlagbar. Er
wiederholte seither mehrmals, dass JOH, wie der amtierende Präsidentendiktator Juan
Orlando Hernández genannt wird, der Sieger sei. Erst gestützt auf eine exit poll seines Unternehmens, danach angeblich
auf die Auswertung von Wahlakten, deren Kopien im Besitz der Parteien sind. Zwar
konzediert
er jetzt auf der angeführten Grundlage von 78 % der Akten einen leichten
Vorsprung für Nasralla, der sich aber von 94‘075 auf noch 13‘000 Stimmen reduziert
habe. Doch fehlten eben noch 22 % der Akten, und, führt er an, seine
ursprünglichen exit-poll-Ergebnisse
von 43 % für JOH, 35 % für Nasralla und 19 % für den abgehängten liberalen
Kandidaten Luis Zelaya würden dem Trend bei den parallel abgehaltenen Parlaments-
und Gemeindewahlen entsprechen.
Die Partei
Libre, Hauptkraft in der progressiven Alianza de Oposición contra la Dictatura,
hatte gestern ihrerseits eine Zählung von 71.4 % der Akten veröffentlicht, wonach
Nasralla mit 45.6 % (etwas über eine Million Stimmen) vor JOH mit 40.6 % (knapp
950‘000 Stimmen) führe. Libre hatte gestern zu einer Kundgebung vor dem TSE
aufgerufen, um Betrugsmanöver zu vermeiden.
Tegucigalpa, 27.11.17: Libre vor dem TSE
Man könnte sagen, es werden die Akten sein, die letztlich den Wahlausgang entscheiden werden. Allerdings belegten zahlreiche Libre-Akten der Präsidentschaftswahl von 2013 grobe Resultatfälschungen, allein, die zuständigen staatlichen Instanzen mit der „internationalen Gemeinschaft“ im Boot foutierten sich königlich darum. So wie die Dinge jetzt liegen, kann durchaus sein, dass in den nächsten zwei oder drei Tagen das TSE JOH zum Sieger erklärt. Sei es, weil die Magistraten bedroht wurden; sei es, weil sie erst zur allgemeinen Überraschung eine Kür der Unparteilichkeit hinzulegen gedachten, bevor sie sich für den „Richtigen“ entscheiden würden; sei es sogar, dass JOH tatsächlich mehr Stimmen gemacht habe (was aber die doch glaubwürdigen Angaben von Libre ziemlich auszuschliessen scheinen).
Sollte
überraschenderweise Nasralla zum Präsidenten gekürt werden, würden sich klar
Fragen nach den Kalkülen der Mächtigen stellen. Nicht, dass die Allianz eine
klar linke Kraft wären. Auch Libre selbst ist vom Parteichef und 2009
gestürzten Präsidenten Mel Zelaya in Richtung „Mitte“ geführt worden (der linke
Flügel wird im Parlament nur noch marginal vertreten sein, während Kader aus
Mel Zelayas liberaler, früherer Traditionspartei dominieren). Nasralla ist eine
black box, von der kaum jemand viel zu
wissen scheint. Möglich, dass auch er wie etwa der ecuadorianische Präsident
Lenín Moreno in Washington als trojanisches Pferdchen in der Linken wahrgenommen
wird. Und doch würde ein Präsidentschaftssieg der Allianz enorm viel bedeuten:
einen Bruch im Aufbau einer mörderischen Alltagsrealität von Gewalt, Zerstörung
der Lebensgrundlagen von indigenen und bäuerischen Gemeinschaften, Raub von
Wasser und anderen Naturelementen zugunsten der Multis, Ersticken einer
kritischen Kultur, verschärfte Mediengleichschaltung, Aushändigung des Landes
an Washington und die US-Streitkräfte etc. pp. Luft zum Atmen. Viele der Bewegungen
und indigenen Völker, die zur Wahl Nasrallas aufgerufen haben, wissen, dass sie
ihren Kampf so oder so weiterführen müssen. Auch wenn sich Nasralla und ein
Teil von Libre als „Bauern“ im imperialistischen Schachbrett erweisen würden.
Leider reduziert
genau das die Wahrscheinlichkeit einer solchen Entwicklung. Aber vielleicht
trifft ja zu, was Juan Luis Guerra und die 4:40 einst sangen:
Ojalá que llueva café en el campo...
Hoffentlich regnet es Kaffee auf dem Land...