(zas, 2.6.22) In «Die Vordenker der Vernichtung. Ausschwitz und die deutschen Pläne für eine neue europäische Ordnung» (1991) (pdf) analysieren Götz Aly und Susanne Heim die Resultate ihrer Forschungen über den unersetzbaren Beitrag meist junger TechnokratInnen aus verschiedenen Fachgebieten zur «Endjudung», Roma-Massenmord, brutaler Vernutzung/Unterdrückung «unbenötigter» Bevölkerungsgruppen im Zeichen des europäischen NS-Grossraums. Von Rationalisierungsvorgaben bestimmte technokratisch-wissenschaftliche Pläne, Studien, Arbeiten zur «Erschliessung» Osteuropas liessen so aus «logischen» Gründen speziell die jüdischen Menschen aus den Gleichungen für ein neues Reich «rausfallen».
Beim Lesen von US-Berichten über die heutigen ManagerInnen der Sanktionen gegen Russland konnte ich mich einiger Assoziationen mit den damaligen Vordenkern der Vernichtung nicht erwehren, bei allen offensichtlichen Differenzen. Heute sehen wir Dynamiken, die zwar (noch) nicht die Schärfe des NS-Vernichtungswillens erreichen, ihm aber auch nicht wesensfremd sind.
Und damit zu den modernen Sanktionen. Diese werden oft als vermeintlich unblutiges Instrument für Menschenrechte registriert, auch seitens progressiver Kräfte in der Schweiz. Trotz Kuba oder zum Beispiel Venezuela. Dort starben 2018 40'000 Menschen mehr als im Vorjahr (+30 %). Einzig plausible Erklärung: die von Washington verhängten Wirtschaftssanktionen, die 2019 noch brutal auf die Spitze getrieben wurden. Oder Iran, eines von vielen Objekten von «umfassenden Handels- und Finanzbeschränkungen», wie in der NZZ letzten März in einem Artikel des freien Journalisten Teseo La Marca zu lesen war. Er beschreibt das bittere Los von Diabetes-Kranken – Insulinspritzen etwa können keine mehr produziert werden, da ein petrochemisches Element für ihre Herstellung unter die Sanktionen fällt, trotz sog. humanitärer Ausnahmeklauseln. La Marca schreibt: «Human Rights Watch kritisiert die humanitären Ausnahmen als Farce. Das Sanktionsregime verletze das Recht auf Gesundheit und habe zum Ziel, der Bevölkerung solches Leid zu verursachen, dass sie sich gegen das Regime erhebe. Der damalige amerikanische Aussenminister Mike Pompeo bestätigte dies indirekt, als er 2019 nicht ohne Genugtuung sagte: ‘Die Lage der Menschen im Iran hat sich deutlich verschlechtert. Wir sind überzeugt, dass die Menschen aufstehen und das Verhalten des Regimes ändern werden’.»
Afghanistan: Bekanntlich hat Joe Biden letzten Februar den Raub von rund $ 7 Milliarden, von der afghanischen Zentralbank als Währungsreserven in den USA deponiert, angeordnet. Die Hälfte soll, das ist noch hängig vor US-Gerichten, zur Entschädigung von 9/11-Betroffenen verwendet werden. Das UNO-Welternährungsprogramm schätzte letzten Dezember, dass bis 98 Prozent der AfghanInnen nicht genug zu essen haben! Dies wegen des Wirtschaftskollaps, provoziert hauptsächlich durch die westlichen Wirtschaftssanktionen.
Eine humanitäre Hilfe, selbst wenn sie nicht noch anderen Zwecken diente, kann nie eine Wirtschaftskatastrophe auffangen. Deshalb schrieben über 40 Mitglieder des Progressive Caucus im US-Kongress an Biden: «Kein Zuwachs an der Nahrungs- und medizinischen Hilfe kann den makroökonomischen Schaden aus explodierenden Grundnahrungsmittelpreisen, Bankenzusammenbrüchen, einer Zahlungsbilanzkrise, eingefrorenen Löhnen staatlicher Angestellter (… )kompensieren.»
Als der Bundesrat (CH) sich nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine nicht gleich den US/UK/EU-Sanktionen gegen Russland anschloss, kam es im rechten Lager zu Protesten von wegen Wertegemeinschaft; aber auch von progressiver Seite gab es– aus anderen Motiven - flammende Appelle für die Sanktionen jetzt sofort.
«Das Schema des Folterers»
Für die London Book Review rezensierte Tom Stevenson das Buch «The Economic Weapon: The Rise of Sanctions as a Tool of Modern War» von Nicolas Mulder. Stevenson insistiert dabei auf der zentralen Rolle des Dollars im internationalen Finanzverkehr insistiert: «Ganz ähnlich wie eine Seeblockade den Zugang zu den Meeren verhindert, basieren US-Sanktionen auf der Macht des Monopols eines globalen commons: [des Dollars als] globale Währungsreserve und Mittel des Austauschs. Als Komponenten der US-Strategie werden sie oft als Alternative zu militärischer Gewalt angesehen und versprechen, in den Worten eines kürzlichen Editorials der Washington Post, ‘das Erreichen von aussenpolitischen Zielen ohne Einsatz des Militärs’. In Wirklichkeit begleiten Sanktionen Militäreinsätze (Libyen 2011, Syrien seit 2012) oder werden vorher verhängt (Haiti 1994, Bosnien 1993, Kosovo 1999, Afghanistan 2001, Irak 2003).»
Stevenson hält fest: «Sanktionen sind seit langem ein Mittel der ersten Wahl für die US-Aussenpolitik. Während Obamas zweiter Amtsperiode gab es 2350 neue Sanktionen, unter Trump 3800. Das gegenwärtige System des amerikanischen finanziellen Waffenarsenals entwickelte sich entlang des schnell wachsenden Sicherheitsstaates während des Kriegs gegen den Terror». Das iranische Bruttoinlandprodukt betrug 1979 etwas mehr als das türkische, heute weniger als ein Viertel davon. Es sei, so Stevenson, schwierig, «die Ursachen [dafür] zu entwirren, da die revolutionäre Politik ihre eigenen Auswirkungen zeitigte. Aber die finanzielle Bestrafung in der Obama-Zeit von 2011-2012 war für einen sofortigen Fall des iranischen BIP, die Auslöschung eines Drittels der wirtschaftlichen Aktivität, verantwortlich. In ‘The Art of Sanctions: A View from the Field’ (2017) beschrieb der frühere Zuständige für Iranangelegenheiten im US-National Security Council, Richard Nephew, die Sanktionen als ausgerichtet auf ‘Ziele für die Auferlegung von Schmerz’, die begleitet werden von Anweisungen ‘für die für die Beendigung des Schmerzes nötigen Bedingungen’. Das ist das Schema des Folterers, direkt aus dem Handbuch des War on Terror.»
Sie wissen, was sie tun
Das Magazin 60 Minutes des US-Senders CBS titelte im März einen Bericht mit «Economic shock and awe: The strategy behind the economic sanctions against Russia». Shock and Awe: 1983 nannte das Pentagon so seine Taktik, unmittelbar vor dem Truppeneinmarsch in den Irak alles, was real oder angeblich von militärischem Interesse war, mit Dauer-Raketenbeschuss zu pulverisieren. Der Feind sollte in Schrecken erstarren. Begriffe wie unfassbar oder grauenerregend waren Fremdwörter, als interessant galt die Frage nach dem Erfolg dieses «Prozedere». Vorgängig hatten die USA Sanktionen verhängt. US-Aussenministerin Madeleine Albright antwortete 1996 in der Sendung 60 Minutes von CBS auf die Frage, ob die halbe Million Kinder im Irak, die in direkter Folge der damals noch von ihr und Clinton verhängten Sanktionen starben, den «Preis wert» gewesen seien: «Ich denke, es ist eine sehr harte Wahl, aber der Preis – wir denken, er ist es wert.» Später diskutierte die Fachwelt die Frage, ob Sanktions-halber nicht doch «bloss» 250'000 Kinder umgekommen seien. (In Warschau erinnerte Biden kürzlich an Albright, deren Einsatz für die Freiheit heute seinen Kampf für die Menschenrechte in der Ukraine inspiriere.) 2006 publizierte The Lancet einen seriösen Versuch, die Zahl der durch die Invasion verursachten Toten herauszufinden: 655'000 IrakerInnen.
Die Journalistin Sharyn Alfonsi leitete die 60 Minutes-Sendung so ein: «Stellen Sie sich das als ökonomische Shock and Awe-Kampagne vor. Nie zuvor wurde eine so grosse, moderne Wirtschaft so schnell vom grössten Teil der Welt abgeschnitten.» Um zu erklären, worum es dabei geht, interviewt sie Daleep Singh, Stellvertretender Sicherheitsberater für internationale Ökonomie im National Security Council des Weissen Hauses. Er war unter Obama mit Sanktionen gegen den Iran und Nordkorea befasst und wird als der «Weisse-Haus-Offizielle, der den aktuellen Plan, um praktisch alle Bereiche der russischen Wirtschaft zu zerschlagen», vorgestellt. Er habe eine «Sanktionsdoktrin, ein eigentliches Drehbuch zur besseren Finanzkriegsführung gegen Putin geschaffen». Auch Singh betont wie viele andere die Wichtigkeit, dass die Sanktionen nach Swift-Ausschluss, Konfiszierung von Vermögenswerten sogenannter Putinoligarchen den Angriff auf die russische Zentralbank, Nervenknoten der Wirtschaft, lancierten – mit der Beschlagnahmung von im Ausland gelagerten Währungsreserven im Wert von $ 300 Milliarden. Den Zusammenhalt der westlichen Alliierten hebt er als nie dagewesen hervor (Selbst «die Schweiz brach mit Jahrhunderten der Neutralität»). Dann kommt er zum Hauptthema: «Die besten Prognosen (…) suggerieren, dass die russische Wirtschaft etwa halb so gross sein wird wie vor der Invasion. Und wir sind nicht stolz auf das Leiden der Menschen. Das ist Putins Krieg. Das sind Putins Sanktionen.» Biden in Warschau: «Die [russische] Wirtschaft ist unterwegs zu ihrer Halbierung in den nächsten Jahren.» Die Weltbank schätzte im April einen Rückgang des BIP der militärisch angegriffenen Ukraine um rund 45 Prozent. Krieg und Sanktionen gleichen sich in einigen Dingen.
Singh wiederholt praktisch wortgleich in anderen Interviews, wie wenig sie stolz auf ihren Erfolg seien. In einem Papier zu Sanktionen des Finanzdepartements (Treasury) von letztem Oktober lesen wir, es gelte weiterhin Sanktionsausnahmen für «humanitäre Aktionen über legitime Kanäle» und «unbeabsichtigte Konsequenzen von Sanktionen» zu überprüfen. Erinnern wir uns an die Aussage der Leute vom Progressive Caucus: Ist die Alltagswirtschaft kaputt, kann keine humanitäre Hilfe die Katastrophe verhindern. Treasury sagt also: «Erst hauen wir alle zusammen, dann schicken wir einen Samariter mit Verbandmaterial.» Zum Thema Finetuning des Sanktionsregimes lesen wir: «Wir denken, dieser Effort ist seine Zeit und Anstrengung wert, um sicherzustellen, dass die Welt versteht, dass die Versorgung mit legitimer humanitärer Hilfe amerikanische Werte widerspiegelt.»
Das den Demokraten nahestehende Portal Vox vermittelt am 9. Mai im aufschlussreichen Bericht The Biden experts waging war without weapons weitere Einblicke. Journalist Jonathan Guyer spricht u. a. mit Julia Friedlander, die früher führende Positionen im Office of Terrorism and Financial Intelligence des Finanzministeriums bekleidete und heute vom NATO-liierten Thinktank Atlantic Council aus operiert. Sie sagt: «Ich glaube nicht, dass jemand wirklich die Zeit für die Planung gehabt hat, was die langfristigen Folgen einer essentiellen Vernichtung der russischen Ökonomie sein werden (…) Wenn du wirklich den Druck maximieren willst, triffst du klar die Bevölkerung.» Zu den Beteuerungen des Weissen Hauses, humanitäre Aspekte der Sanktionen zu berücksichtigen, meint sie: «Du berücksichtigst sie und steckst sie dann weg.» Jack Lew, Finanzminister unter Obama, steuerte dieses bei: «Wenn du in einem Krieg bist wie jetzt im Krieg, den Russland geschaffen hat, ist es unmöglich, alle ‘unschuldigen Leute’ zu schützen. Und es stellt sich die Frage, was unschuldig heisst, wenn dein Land solche Dinge macht.» Als Biden wie erwähnt bekannt gab, die Hälfte der afghanischen Währungsreserven als Wiedergutmachung an Opfervereinigungen von 9/11 zu verwenden, berichtete die BBC: «Andrew Maloney ist ein US-Anwalt, der rund 150 Angehörige von den vor mehr als 20 Jahren ums Leben Gekommenen vertritt. Er sagt, das afghanische Volk hätte mehr tun sollen, um die Taliban zu stoppen, und dass es nur fair ist, staatliche afghanische Vermögenswerte für Kompensationen zu verwenden.» Herrenmenschendiskurse.
Lessons Learned – Zerstörung planen
Vox sagt zu den US-Sanktionsmanagern: «Eine kleine ExpertInnengruppe, primär JuristInnen, einige ÖkonomInnen, haben Bidens Russlandsanktionen entwickelt, die alles Bisherige übertreffen. In Treasury der stellvertretende Minister Wally Adeyemo und die Assistenzministerin Liz Rosenberg, im Weissen Haus Daleep Singh und Peter Harrell. Bidens Sanktionsteam besteht aus TechnokratInnen, die in den Medien für ihren raschen multilateralen Approach gelobt wurden. Sie haben in der Obama-Administration zusammengearbeitet und schrieben danach während der Trump-Jahre Analysepapiere mit Reflexionen, wie Sanktionen verbessert werden können. Jetzt sehen sie sich als UmsetzerInnen von lessons learned.»
Das oben erwähnte Kurzpapier von Treasury fasst die wesentlichen Ergebnisse ihrer Zwischenadministrationstudien zusammen, ausgehend von der unabdingbaren Basis, wie sie Singh in einem Artikel im New Yorker von Ende Märzformuliert: «Es stimmt, dass die Weltwirtschaft mit der Zeit zunehmend multipolarer geworden ist. Man sieht das nur schon an den globalen BIP-Prozenten.» Aber in Sachen Währung des internationalen Handels «ist der Dollar immer noch das Betriebssystem». Daher sei auch eine Ökonomie wie die russische für Sanktionen anfällig. Zu den lessons learned werden allgemein die Punkte gezählt, die Singh 2018 vor dem US-Kongress als Studienschlussfolgerung ausgebreitet hatte: Wenn Sanktionen gegen einen Gegner wie Russland, dann von Beginn weg mit schweren Folgen für das Sanktionsobjekt; umgekehrt mit möglichst geringen negativen Auswirkungen auf das «internationale» Finanzsystem; Sanktionen können die Aktionskapazitäten des Kremls enorm reduzieren , aber keinen Regime Change garantieren (im Weissen Haus heisst der venezolanische Präsident wieder Maduro, nicht Guaidó); den «Anschein» der Bestrafung der Bevölkerung vermeiden; stets eine diplomatische Handlungsmöglichkeit für Steigerung oder Minderung der Sanktionen besitzen (das «Schema des Folterers») und unbedingt enge Kooperation mit Verbündeten (um Umgehungsversuchen über andere Ländern vorzubeugen).
Der New Yorker erwähnt interessanterweise eine «wachsende emotionale Intensität» bei der Verschärfung der Sanktionen in den ersten Kriegstagen, ausgelöst von Demos und Medienberichten in USA und Europa für mehr Sanktionen, und vom Videoanruf Selenskis mit den europäischen Regierungen in der ersten Kriegsnacht («Vielleicht sehen Sie mich zum letzten Mal lebend»). Auch widerstrebende Regierungen wie die deutsche und die italienische hätten so einem sofortigen SWIFT-Ausschluss zugestimmt. «Wir mussten warten, bis eine moralische Valenz entstand», sagt an anderer Artikelstelle eine hohe Offizielle der Bidenadministration. Dieses «Feeling» habe Singh bei der intensiven Aufgleisung des Ausschlusses Russlands aus dem Zahlungssystem Swift zusammen mit Björn Seibert, von der Leyens Kabinettchef, zur Frage veranlasst: «’Wie wäre es, wenn wir allen Gegenparteien Russlands sagen, sie dürfen keine Transaktionen mit ihnen abwickeln’?» Der Artikel weiter: «Die westlichen Sanktionen gegen die russische Zentralbank kamen innert Stunden zustande. Am 26. Februar verboten USA, EU, UK und Kanada gemeinsam allen Banken, Unternehmen und Individuen, Geschäfte mit der russischen Zentralbank abzuwickeln, und bedrohten alle, die das Verbot missachten, mit weiteren Sanktionen.» Sekundäre Sanktionen also, die internationale Durchsetzung des Rechts des Stärkeren.
Im Vox-Artikel lesen wir: Singh «und der Rest des Sanktionsteams haben ein gemeinsames Profil. Während der Trump-Jahre wechselten sie sich wie viele Biden-Offizielle in Forschung, Universitätsrollen und Arbeit für Unternehmen ab. Harrell und Rosenberg veröffentlichten gemeinsame Papiere. Harrell diente als externer Rechtsberater für Microsoft. Rosenberg arbeitete als Chefberater für die Bidenwelt der WestExec Adviser und Konsulentin für ExxonMobil. Adeyemo arbeitete als Präsident der Obama Foundation und zuvor als Managing Director für den Investmentriesen BlackRock. Das Sanktions-Kernteam besteht nicht aus Operateuren oder StrategInnen, sondern aus pragmatischen Fachkräften.» Ein Ex-Kader von Treasury kommentiert: ‘Peter, Liz, Daleep und all diese Leute - das ist überhaupt nicht abschätzig gemeint – sind sehr fähige TechnokratInnen’». Sie sind fit, nicht von vorgestern. Im CBS-Bericht erläutert Singh der Journalistin Alfonsi den Sinn der Sanktionen: «Alles, was wir kontrollieren, absichern können, ist, dass das ein strategisches Versagen von Putin sein wird. – Alfonsi: Und wie sieht so ein strategisches Versagen heute aus? – Singh: Das bedeutet, dass seine Möglichkeit, Macht zu projizieren und Einfluss auszuüben, fundamental runtergestuft wird. Macht ist nicht die Ausübung von brutaler Gewalt – Alfonsi: Von Landraub? – Singh: Um Land zu erlangen. Das trifft die Sache nicht. In unserer Sicht ist Macht in diesem Jahrhundert sehr viel mehr mit Wirtschaftsstärke, mit technologischer Entwicklung und mit der eigenen Geschichte verbunden. Kannst du Ideen, Talente und Goodwill anziehen?»
Und wir?
Ein von Singh oft gebrauchtes Bild ist: «Auch wir können Schach spielen» (nicht nur Putin). Das Bild der Herren, die miteinander um die Welt spielen, in kalkulierten Zügen. Pech für die Bauern.
Die aktuellen Sanktionsregimes sind Teil einer hybriden Kriegsführung, aller Dauerpropaganda vom friedlichen Druckmittel der «internationalen Gemeinschaft» zum Trotz. Der Kreml begeht ein schreckliches und andauerndes Verbrechen. Aber diesen Krieg hat auch der Westen kalkuliert provoziert. Die jahrelange sog. NATO-Osterweiterung, also die militärische Einkreisung Russlands und jetzt forciert Chinas, auszublenden, ist Kriegspropaganda. Westliche Verbrechen legitimieren jene des Kremls nicht, aber sie zeigen weitere entschlossene Kriegsakteure.
Was diesen Krieg in der Ukraine vermutlich von anderen unterscheidet, ist nicht seine Brutalität. Aber vermutlich steht er für den Beginn eines neuen, globalen «Dreissigjährigen Kriegs». Was soll das, wenn Linke von der NATO Waffenlieferungen «fordern»? Egal, wie man sonst gegen den Imperialismus wettert. Hier und heute ist der Moment, um als Linke zu versuchen, die Ereignisse zu verstehen, um Schritte in Richtung einer realen Antikriegskraft zu unternehmen. Ganz so wenige, wie die extrem gleich geschaltete Berichterstattung suggeriert, sind wir, die eine Ahnung davon haben, dass diese Art Krieg immer die einfachen Leute fertig macht, auch hier nicht. In der Ukraine, seit Jahren immer mehr NATO-Land, sind auch die Linken von der russischen Armee unmittelbar bedroht. Uns ihnen annähern, ebenso wie denen in Russland, kann aber nicht auf der Prämisse basieren, dass wir «nur grad eben mal» mit den Wölfen mitheulen. Das brachte 1914 nur Unheil.