(zas, 17.12.22) Letzten Oktober sorgte der spanische EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell vor eine EU-Kaderschmiede für einleuchtende Koordinaten im europäischen Wertesystem: «Europa ist ein Garten. Alles funktioniert. Er stellt die beste Kombination von politischer Freiheit, wirtschaftlichem Wohlstand und sozialem Zusammenhalt dar, die die Menschheit erzielen konnte (…) Der Grossteil des Rests der Welt ist ein Dschungel.» (Wir haben diese Klarheit gewürdigt.) Sechs Wochen später schärft er unser Weltverständnis weiter: «Wir leben in einem perfekten Sturm, und um in diesem Sturm navigieren zu können, helfen uns die die Routen und Karten der Vergangenheit nicht mehr. Wir müssen uns als Entdecker und Conquistadores eine neue Welt erfinden.»
Ein reifer Mann, der weiss, an wen er sich richtet. Nämlich an die Eroberten und die Eroberer, vertreten durch die Europäisch-lateinamerikanische Parlamentarische Versammlung (Eurolat). Diese tagte in Brüssel und besteht aus je 75 Abgeordneten aus Europa und aus Lateinamerika.
Den «perfekten Sturm» gibt der Krieg in der Ukraine. Der verlange, dass «Lateinamerika und die EU ihre Beziehungen verstärken». Denn: «Wir brauchen einander mehr denn je.» Man denke nur an den vor wenigen Tagen unter Dach und Fach gebrachten Freihandelsvertrag EU-Chile und die angestrebten, ebenso am Firmament der «Wertegemeinschaft» blinkenden Freihandelsverträge mit Mexiko und dem Mercosur.
Als aus dem «Dschungel» empörte Stimmen nach seiner Garten-Parabel laut wurden, versicherte die Kriegsgurgel, sie habe niemandes Sensibilität verletzten wollen. Das verdeutlichte sie nun mit ihrer Ode an die koloniale Eroberung von Abya Yala (indigener Name für Lateinamerika). Wer hören will, die oder der höre.