(zas, 5. 5. 23) Zuweilen servieren Mainstreammedien die Realität ohne verschleiernde Umwege. Nicht aus plötzlicher Wahrheitsliebe heraus, sondern etwa um, wie folgenden Fall, einen Imperativ einzuüben. Vorgestern skizzierten zwei Wirtschaftskorrespondentinnen der New York Times, wie in Europa die vorgesehene Aufrüstung zwangsläufig zulasten sozialstaatlicher Ausgaben finanziert werden muss. Um zu verdeutlichen, worum es geht, zitierten sie eingangs IWF-Chefin Kristalina Georgieva mit den Worten: «Die Friedensdividente ist vorbei. Die Rüstungsausgaben müssen steigen» (wegen Putins Aggression, versteht sich). Also mit der Botschaft, die uns seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine monoton eingetrichtert wird.
Die Journalistinnen weiter: «Die plötzliche Sicherheitsnachfrage, die lange nach Ende des Kriegs in der Ukraine anhalten wird, kommt in einem Moment, wo es kolossaler Ausgaben auch für die Pflege alternder Bevölkerungen und zur Vermeidung eines potentiell zerstörerischen Klimawandels bedarf. Allein das ambitiöse EU-Ziel der CO2-Neutralität bis 2050 wird in den nächsten 27 Jahren schätzungsweise $ 175 bis 250 Milliarden pro Jahr kosten.»
Nach dem Fall der Berliner Mauer seien laut OECD die Ausgaben für andere als militärische Zwecke zulasten der Rüstungsaufwendungen massiv gestiegen, eine Trendwende habe erst die russische Krim-Annexion 2014 eingeleitet. Zuvor war die Lage dramatisch: «Einige Analysten argumentieren, dass die Kürzungen in den Armeebudgets manchmal so gross waren, dass damit die grundlegende Basisbereitschaft beeinträchtigt wurde.». Selbst noch «vor Ausbruch des Ukrainekriegs schätzte man, die Militärausgaben der europäischen NATO-Länder würden 2026 fast $ 1.8 Billionen betragen, was einer Untersuchung von McKinsey zufolge einen Anstieg von 14 Prozent in fünf Jahren bedeutet hätte. Jetzt rechnet man mit einem Anstieg zwischen 53 und 65 Prozent.»
Danach folgen ein paar Angaben zum Thema europäische lessons learned: Polen will die Militärausgaben um 4 Prozent erhöhen, in Deutschland hat der «Verteidigungsminister um zusätzliche $ 11 Milliarden für nächstes Jahr, einer 20-Prozent-Erhöhung des Verteidigungsetats, gebeten. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat versprochen, die Militärausgaben bis 2030 um mehr als ein Drittel zu erhöhen und die nuklear bewaffnete französische Armee zu ‘transformieren’. Und Umfragen zeigen, dass es für mehr Armeeausgaben eine öffentliche Unterstützung gibt (…) Aber in Europa sind nötig werdende schmerzhafte Budgetausgleiche oder Steuererhöhungen noch nicht im Alltag angekommen.»
Um zu illustrieren, worum es geht, wird Macron zitiert: «Frankreich ist in eine Kriegsökonomie eingetreten, die, denke ich, noch lange anhalten wird.» Aber, wirft der kritische Journalismus ein: «Die Regierungsausgaben als Prozent der Wirtschaft sind in Frankreich mit € 1.4 Billionen die höchsten in Europa. Davon geht fast die Hälfte in das grosszügige soziale Sicherheitsnetz des Landes, das Arbeitslosigkeitsunterstützung und Renten einschliesst» (sic!). «Und doch hat Macron gelobt, das Steuerniveau, schon jetzt eines der höchsten in Europa, nicht zu erhöhen, aus Sorge, damit Investoren abzuschrecken.»
Wir verstehen, warum Macron die Rentenkonterreform mit brutaler Gewalt durchpeitscht. Und warum die Polizei in Basel bestimmen will, wer an den allgemeinen 1. Mai-Aktivtäten teilnehmen darf und wer nicht. Warum sie in Zürich am 1. Mai einem Jungen ein Auge ausschiessen. Und warum die Finanzbundesrätin eine Wochen nach dem sweet deal mit UBS/CS ankündigt, den Bundebeitrag an die Pensionen zu kürzen.