Putschecho in El Salvador, der Erzbischof als Krieger

Montag, 14. September 2009

(14.9.09) Sag in El Salvador „René Emilio Ponce” und noch heute wissen fast alle Bescheid. Der Namen des ehemaligen Generals und Verteidigungsministers der letzten Kriegsjahre ist tief in die Erinnerung eingeschrieben. Ein Jahr nach dem Friedensschluss 1992 mussten Ponce und seine Offiziersgruppe endlich abtreten. Sein Namen steht für die Perfektionierung der selektiv vorgehenden Todesschwadronen, für die Ermordung 1989 von sechs Jesuiten und ihren beiden Haushälterinnen und die Bombardierung der von der FMLN-Guerilla eingenommenen Volksquartiere der Hauptstadt. Von Ponce hat man seit seinem Abgang immer wieder munkeln hören – er und andere Offiziere sahnten offenbar im Telekomm- und im Drogenbusiness ab.

Kurz vor März, als der FMLN in Allianz mit einigen Mittelschichtsektoren um den zum Präsidenten gewählten Mauricio Funes die Wahlen gewann, setzte sich Ponce wieder recht in Szene. Er liess einige tausend Mitglieder seiner als Veteranenorganisation ausgegebenen „Asociación de Veteranos Militares de El Salvador“ durch die Strassen der Hauptstadt defilieren, freudig begrüsst vom damaligen ARENA-Präsidentschaftskandidaten und ehemaligen Polizeichef Rodrigo Ávila. Allein, quién dijo miedo? (wer sagte Angst?), wie das Motto des FMLN sagte – eine Mehrheit liess sich von der offenen Kriegsdrohung der Ponces nicht mehr genügend einschüchtern.

Am 5. September berichtete das salvadorianische Rechtsextremistenblatt El Diario de Hoy erfreut über einen neuen Aufmarsch von 2000 „Veteranen“ in einem Stadion (Cuestionen que el ejército brinde seguridad pública). Anlass: Der Herr General a. D. wünschte, sich gegen den von der Regierung Funes befürworteten Einbezug der Streitkräfte in die Verbrechensbekämpfung auf den Strassen auszusprechen. Die Welt steht Kopf? Gewissermassen.

Kurzer Rückblick: El Salvador ist das Land mit der höchsten (offiziellen) Mordstatistik im Kontinent. Seit anfangs Januar, just zu den Parlaments- und Gemeindewahlen von Mitte Januar, ist die offizielle Mordrate noch weiter angestiegen, markant sogar seit den Präsidentschaftswahlen Mitte März. Bis anfangs Juni, dem Antritt der neuen Regierung, stieg die Mordrate auf 12 Morde pro Tag – seither ist sie wieder auf etwas über 8 pro Tag gesunken. Die extrem hohe Mordrate wurde bisher umstandslos den so genannten maras, den Strassenbanden, in die Schuhe geschoben, zu deren Bekämpfung die rechten Regierungen seit Jahren Soldaten an der Seite von Polizeikräften patrouillieren liessen. Funes, der noch vor seinem Amtsantritt eine Beteiligung der Streitkräfte an der Aufrechterhaltung der „inneren Ordnung“ abgelehnt hatte, erlaubte sich als Präsident einen diesbezüglichen Sinneswandel von 180°. Und nun war es die ultrareaktionäre, bisherige Regierungspartei ARENA, die sich gegen eine Beteiligung der Armee an „Ordnungsaufgaben“ aussprach. Die Rechte hofft, die linke Regierung destabilisieren zu können. Ihre Medienorgane heizen derzeit auch täglich die Angst vor dem Verbrechen an. (Vgl. zu diesem ganzen thematischen Komplex und der Beteiligung der Sicherheitskräfte am alltäglichen Mordregime: Correos 158, „Zwischen Putschdrohung, Aufbruch und Anpassung“).

Es kommt nicht darauf an, unter welchem Vorwand operiert werden soll. Gegen angelaufene Sozialreformen veranstalten nun klientelaristische Basisorganisationen der Rechten Chaos auf den Strassen, was die rechten Medien unverfroren in eine „subversive“ FMLN-Strategie umdrehen. Der Erzbischof von San Salvador ist, Escobar Alas, forderte die rechten Parteien gestern auf, im Parlament solange alle Vorhaben der Regierung zu Fall zu bringen, bis der FMLN einem hetzerischen Verfassungsverbot zustimmt, das Ehen unter Schwulen und Lesben „auf ewig“ verbieten soll. „Hochwürden“ hatte diese Hetzkampagne durch den christdemokratischen Chef Rodolfo Parker losgetreten, nachdem der FMLN die Wahlen gewonnen hatte. Parker war der Verteidiger der wegen des Mordes an den Jesuiten angeklagten Militärs gewesen und hatte eine wichtige Rolle bei der Verwischung der Verantwortlichkeiten gespielt. Als unmittelbar um den Zeitpunkt des Amtsantritts der neuen Regierung Kirchenhierarchie und rechte Parteien und Medien die Hetze nochmals hochgeschraubt hatten, wurden allein in zwei Wochen acht Mitglieder der Gay-Community umgebracht (Co-Latino, 9.6.09, Elsy Mabel Rivera: Denuncian violencia hacia miembros de comunidad gay). Die „Alianza por la diversidad sexual“ wies in jener Zeit auch darauf hin, dass 2008, als keine solche Kampagne lief, insgesamt 13 Homosexuelle umgebracht worden waren, im laufenden Jahr aber schon 16, teilweise auf brutale Weise.

So etwas kümmert den Mann in der Erzdiözese einen Scheiss. Es ist zu befürchten, dass es erneut zu sexistischen Mordtaten gegen transsexuelle und schwule SexarbeiterInnen kommt. Es ist zu hoffen, dass der FMLN im Parlament trotzdem nicht einknickt (wie in der letzten Legislaturperiode). Denn ein Erfolg würde die Rechte nur dazu animieren, zum Beispiel Menschen ins Visier zu nehmen, denen sie vorwerfen, dem kirchlichen und in der Verfassung verankerten Totalverbot von Abtreibungen nicht mit ausreichendem Eifer nachzukommen.

Da hätte Ponce Gelegenheit, wieder seine Veteranen aufmarschieren zu lassen, darunter viele Mitglieder der damaligen paramilitärischen patrullas cantonales. Denn irgendwie muss ja dem mit vielen Hoffnungen verbundenen Reformaufbruch der neuen Regierung Paroli geboten werden….