El Salvador/Zentralamerika: Schritte hin zum US-Krieg

Dienstag, 22. November 2011

(zas, 22.11.11) Mehrere Ereignisse zeigen derzeit an, wohin die Reise in Zentralamerika nach Vorstellung der “Eliten” gehen soll. Für Guatemala kündigte  der frisch gewählte Präsident Pérez Molina in einem Interview mit der mexikanischen Tageszeitung El Universal vom 9.11.11 an, den “Drogenkrieg” mit dem Einsatz von Spezialeinheiten der Kaibiles und der Fallschirmspringer voranzutreiben, wofür er auf massive Unterstützung durch die USA “hoffe”. Der Schlächter aus den Jahren des Bürgerkriegs und nachmalige Exponent der militärisch-mafiösen Todesschwadron El Sindicato sprach sich zudem für eine “Weiterführung” der gerade begonnenen Aufarbeitung der genozidalen Kriegsverbrechen des 1996 beendeten Krieges aus, dergestalt nämlich, dass beide Seiten zur Verantwortung gezogen würden – die Masskrierer der indigenen Comunidades und jene, die sich bewaffnet zur Wehr setzten. Mit andern Worten, für Molina ist der “Spass” der justiziellen Vergangenheitsbewältigung vorbei.

In Nicaragua dürften die verlogenen Erklärungen der Wahlbeobachtungsmissionen der OAS und der EU betreffend angeblichem Wahlbetrug den internationalen Auftakt zu einer neuen Phase der Destabilisierung der sandinistischen Regierung darstellen. Beide Gruppen repetieren zentral offensichtliche Lügen der Rechten, während sie deren besorgniserregende Gewaltbereitschaft beim Versuch, die Wahlen zu sabotieren, schlicht verschweigen. Dass eine Reihe von US- und EU-finanzierten “Nichtregierungsorganisationen” ins gleiche Horn blasen, ist logisch.

In El Salvador schliesslich assistieren wir gerade einer entscheidenden Weichenstellung, die den Regierungsapparat des Landes verstärkt unter US- und Unternehmerkontrolle zurückführen soll. Heute Nachmittag soll einer offiziellen Ankündigung zufolge ein General neuer “ziviler” Sicherheitsminister werden.  Vor rund zwei  Wochen erklärte Sicherheits- und Justizminister Manuel  Melgar seinen Rücktritt, worauf Staatspräsident Mauricio Funes umgehend seinen Ersatz durch den bisherigen Verteidigungsminister und erst kürzlich weiter beförderten, mittlerweile offiziell sich im “Ruhestand” befindlichen Munguía Payés ankündigte. 

Er kam damit einer alten Forderung des Unternehmerverbandes ANEP und insbesondere der US-Botschaft zurück, die nicht gewillt ist, FMLN-Angehörige im Regierungsapparat und schon gar nicht im Sicherheitsbereich zu tolerieren. Bisher hatte sich Funes nicht getraut, den FMLN in diesem Bereich frontal anzugreifen. Er begnügte sich damit, in vielen Teilen des Regierungsapparates inkl. staatlichen Unternehmen zunehmend mehr Kader einzusetzen, die früher bei der damaligen Regierungspartei ARENA eine herausragende Rolle gespielt haben. Den  Sozial- und den Sicherheitsbereich (minus die Streitkräfte) überliess der Präsident bisher dem FMLN. Es ist absehbar, dass es nicht lange gehen wird, bis untergeordnete Stellen im Sicherheitsapparat entweder von FMLN-Kadern “gesäubert” oder ihrer Kompetenzen beraubt werden. Der Depurationsprozess in der Polizei wird bald versanden – nicht zuletzt, weil er an den Tag förderte, wie gerade eng mit den US-Kräften liierte hohe Polizeikader mit verschiedenen Formen der organisierten Kriminalität vernetzt waren.

Funes, dessen Servilität gegenüber den USA (kürzlich beorderte er sogar salvadorianische Militärs nach Afghanistan!) kaum mehr Grenzen kennt, hatte kaum beachtet, dass dieses Mal auch Kräfte, die ihm sonst gerne gegen den Rücken den FMLN stärken, mit der Ernennung eines Militärs zum Sicherheitsminister nicht einverstanden waren. So wandte sich die Jesuitenuniversität UCA gegen die mit Munguía Payés wieder offen einsetzende Militarisierung der seit den Friedensabkommen von 1992 explizit zivilen Sicherheitsarchitektur des Landes. Dies und der Umstand, dass Melgar seinem intern angekündigten Rausschmiss mit seinem Rücktritt zuvor kam, als der Mann in der Casa Presidencial seine Planungen für den Kurswechsel im Sicherheitsapparat noch nicht  abgeschlossen hatte, führten zum zweiwöchigen Vakuum in der obersten Führung des seit dem Antritt der Regierung Funes /FMLN im Juni 2009 beträchtlich re-zivilisierten Sicherheitsapparates.

Dennoch bestanden kaum Zweifel an der Ernennung von Munguía Payés. FMLN-Sprecher Roberto Lorenzana erklärte am 14. November: “Ich denke, die Entscheidung ist getroffen worden … Sie konnte einfach noch nicht mitgeteilt warden … Der neue Sicherheitsminister wird General Munguía Payés sein.  Ein Entscheid, den nicht der Staatspräsident gefällt hat. Er ist bloss ein Sprachrohr, es geht um einen Entscheid, der an einem Ort in der Hauptstadt der USA getroffen worden ist. Ein Entscheid, mit dem wir an nationaler Souveränität verlieren”.

Die verblüffend klaren Worte von Lorenzana zeigen, wie sehr Funes den Geduldsfaden des FMLN strapaziert. Für die Partei, zu deren Wahlsieg 2009 Funes vielleicht 5-8 Prozent der Stimmen beitrug, ohne die es allerdings, auch wegen eines beachtlichen Wahlbetruges, bei einer
ARENA-Regierung geblieben wäre, ist klar, dass sie beschleunigt aus allen Bereichen realer Regierungsmacht geschmissen werden soll.

Munguía Payés leitete den Einsatz der Armee im Kampf gegen die Strassenbanden und die Drogenkartelle. Der ehemalige Kommandant  des Elitebataillons Atonal in den letzten Kriegsmonaten 1991 befleissigte sich dabei offen alter Gorilla-Rhetorik: Als Menschenrechtsverletzungen seiner Truppen in den Armutsquartieren bekannt wurden, denunzierte er wiederholt eine angebliche Diffamierungskampagne gegen die Armee, das alte Argument aus den Kriegstagen. Umso mehr setzte er sich, im Einklang mit der rechtsradikalen ARENA-Partei, für “regionale Zonen des Belagerungszustandes” ein, also Aushebelung der Grundrechte und komplette Unterordnung der zivilen Instanzen unter die militärischen. Den Widerstand genau dieser zivilen Instanzen soll er nun mutmasslich als deren oberster Chef brechen.

El Salvador ist für die USA genau für die “zivilen”, real dem US-Südkommando der US-Streitkräfte untergeordneten Bereiche von herausragender Wichtigkeit. Nicht zufällig haben wir hier die regionale Interpolzentrale, die regionale Datenbank in Sachen “Strassenbanden und Kartelle” oder die kontinentale, von den USA und kolumbianischen Spezialeinheiten geleitete Schule für Polizeiangehörige. Ergänztvon der US-Militärspionagebasis in Compalapa, die laut Vertrag das Recht hat, im undefinierten Bedarfsfall soviel staatliche salvadorianische Institutionen und Angestellte für ihre Zwecke zu requierieren, wie sie als notwendig erachtet. Augen und Ohren aus der früheren Guerilla in diesen Bereichen – für die US-Strategen nicht tolerierbar! Mit Munguía Payés soll dieser “Missstand” behoben und generell die Einordnung auch dieses Landes in die US-Strategie des “Drogenkrieges” von Houston bis in die Anden vorangetreiben warden.

Dafür wird allerdings eine reine Wiederausrichtung des Sicherheitsapparates auf US-Interessen nicht ausreichen. Auch nicht, dass Funes immer mehr dazu getrieben warden wird, den FMLN, den realen Sieger der letzten Präsidentschaftswahlen, aus der Regierung zu “entfernen”. Vermutlich wird es parallel dazu zu einem bisher noch nicht näher fassbaren Angriff auf den Frente und die sozialen Bewegungen kommen, die das Gegengift zur Militarisierung darstellen.

Heute frohlockt erst mal die Rechte, das Kapital. Der Unternehmerverband ANEP erklärte vor einigen Stunden, er hoffe, Payés werde die “Sicherheitsvorschläge” der ANEP unter deren aktiven Einbezug   umsetzen. Worin diese bestehen, hat letzten Samstag der Grossunternehmer Eduardo Poma im Blatt El Diario de Hoy klar gemacht: in einem “Drogenkrieg” wie in Mexiko und in staatlicher Dienstbarkeit für die Investoren.