(zas, 21.3.14) Am 19. März 2014 hat der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos einen Entschluss gefällt, der die Friedensverhandlungen mit der FARC-Guerilla in eine schwere Krise stürzen muss. Er stellte sich hinter die letzten Januar von dem für die staatliche Verwaltung zuständigen Prokurator Alejandro Ordoñez verfügte Absetzung des mit grossem Mehr gewählten Oberbürgermeisters von Bogotá, Gustavo Petro. Santos antwortete damit negativ auf einen Entscheid er OAS-Interamerikanischen Menschenrechtskommission CIDH vom Vortag zugunsten von Petro. Petro hatte die Müllentsorgung Bogotás rekommunalisiert, worauf die um ihre Pfründe "betrogenen" Abfallmafias das Kehrichtwesen lahm legten. Grund genug für den Prokurator, einen ausgewiesenen Faschisten, den populären Petro abzusetzen – wie vor ihm sehr viele andere gewählte AmtsinhaberInnen.
Santos ernannte als Petros Nachfolger seinen bisherigen Arbeitsminister, Rafael Pardo. Reizend. Petro, Führungskader der früheren Guerillagruppe M 19, war bei den Verhandlungen zur 1990 erfolgten Demobilisierung des M 19 seinem jetzigen Nachfolger gegenüber gesessen. Klarer könnte die Botschaft nicht sein: Die Guerilla darf ihre Demobilisierung verhandeln und danach an Wahlen teilnehmen, aber nichts verändern. Petro nannte vorgestern den Vorgang an einer grossen Versammlung von bäuerischen, indigenen und afrokolumbianischen Kräften, die gerade einen neuen Kampfzyklus für eine reale Agrarreform lancierten, einen direkten Angriff auf die Friedensgespräche in Havanna.
Die folgende Stellungsnahme von rund 500 politischen und FARC-Kriegsgefangenen aus dem Gefängnis Eron Picota lässt erkennen, dass die Aufständischen nicht bereit sind, alles zu schlucken, was ihnen die Herrschaft vorsetzt.
Gefangene in der Picota im Hungerstreik im Oktober 2013. Quelle: Prensa Rural |
Vom Kapitalismus mehr Demokratie einzufordern heisst, von einem Tiger zu verlangen, er solle Vegetarier werden.
Julio Anguita
Wir, die politischen und Kriegsgefangenen des Gefängnisses Eron Picota in Bogotá, sehen mit Besorgnis, wie die kolumbianische Bourgeoisie die Grenzen ihrer eigenen Legalität überschreitet. Sie bricht ihre eigenen Regeln, um den Weg zu den Veränderungen zu versperren, die das kolumbianische Volk auf den Plätzen und Strassen fordert. Dabei überwindet es die Angst vor der Staatsmacht.
Das triumphalistische Kalkül der erneuerten nationalen Front mit Präsident Santos an der Spitze – einem Mann, der perfid das eigene Wort bricht -, beraubt jetzt einen offenen Wahlsieger des Rechts, das Amt des Grossbürgermeisters von Bogotá auszuüben.
Voll getränkt von Triumphalismus, hat Santos alles Mögliche gemacht, damit die FARC-EP sich vom Verhandlungstisch in Havanna zurückzieht, um uns dann als einzige Verantwortliche für ein weiteres Scheitern eines Versuchs des Friedens und der nationalen Versöhnung darzustellen. Ein abscheuliches Vorhaben, das nur deshalb gescheitert ist, weil sich die Aufständischen den Rufen des kolumbianischen Volkes, seinem Sehnen nach Frieden und seinem Engagement dafür nicht verschliessen.
Die Bourgeoisie irrt, wenn sie meint, die FARC-EP und generell das Volk hätten ihre Botschaft gegen den Frieden und ihre Ränkespiele nicht mitgeschnitten. Einige wie Andromeda [a.d.Ü.: illegale Armeeüberwachung auch der eigenen Verhandlungsdelegation bei den Friedensgesprächen], andere wie die Morde an jugendlichen AktivistInnen in den städtischen Peripherien, wieder andere wie das Verschwindenlassen von Bauernkadern auf dem Land.
Jetzt machen sie es mit der Legitimierung einer mittelalterlichen Persönlichkeit, deren Alltag aus Phobien und Hass auf das Differente besteht. Phobie vor dem unabhängigen Denken, der politischen, ethnischen, kulturellen, religiösen und sexuellen Diversität. Eine finstere Gestalt, die jetzt Führungspersönlichkeiten des Volkes politisch ermordet, die in der Zukunft möglicherweise Kolumbien ins 21. Jahrhundert leiten könnten.
Die politischen und Kriegsgefangenen sind sicher, dass wir, die FARC-EP, den Schritt machen werden, der nötig sein wird, und sicher kann sich auch die Bourgeoisie sein. Klar, uns bleibt die Zukunft, die uns erwartet, falls wie in absehbarer Zeit unter den aktuellen Spielregeln an der Politik der Urnen beteiligen.
Wir laden Frauen und Männer, unabhängig von ihrem Alter, dazu ein, diesen infamen Akt gegen die Träume von Frieden und Wandel in organisierter Form des kolumbianischen Volkes zu verteidigen und sich für eine Nationale Verfassungsgebende Versammlung einzusetzen.
Denn im Kampf für Freiheit gibt es nicht Alter und Vorbedingungen, es reichen Bewusstsein und Würde.
Politische und Kriegsgefangene von Eron Picota
Bogotá
20. März 2014