Schweiz/Kuba: »Ein skandalöser Kotau vor den USA«

Montag, 28. April 2014



aus junge Welt

28.04.2014 / Ausland / Seite 2
»Ein skandalöser Kotau vor den USA«
Schweizer Credit Suisse weigert sich, Spende an Verein zur medizinischen Hilfe für Kuba zu überweisen. Ein Gespräch mit Beat Schmid
Interview: Volker Hermsdorf
Beat Schmid ist Koordinator von mediCuba-Suisse in Havanna. Der 1992 in Zürich gegründete, gemeinnützige Verein wird von knapp 1600 Mitgliedern und 4600 Spendern getragen und unterstützt Gesundheitsprojekte auf Kuba
Die US-Blockade gegen Kuba hat jetzt auch Ihre Organisation getroffen. Was ist passiert?
Eines unserer Mitglieder wollte Anfang April den Jahresbeitrag von 100 Franken aus Bern an unsere Zentrale in Zürich überweisen. Am 14. April teilte die »Credit Suisse«, das ist die zweitgrößte Bank der Schweiz, dem Auftraggeber mit, daß die Zahlung gelöscht und das Geld zurückgeschickt worden war. In der Begründung hieß es, Credit Suisse habe sich »zu höchsten ethischen Grundsätzen« verpflichtet. Demzufolge führe man keine Zahlungen aus, »die von sanktionierten Ländern (…) kommen, an solche gehen oder sonst einen Bezug zu solchen haben«. Der einzige Grund für die Ablehnung der Überweisung von Bern nach Zürich in Schweizer Währung durch diese Schweizer Großbank ist also der, daß der Empfänger »mediCuba« heißt. »Credit Suisse« unterwirft sich damit freiwillig der von den Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der Schweizer Regierung verurteilten US-Blockade gegen Kuba und deren exterritoriale Ausweitung.
Verfolgt mediCuba irgendwelche Ziele, die den Vorgang erklären könnten?
MediCuba-Suisse ist ein legaler Verein, dessen Gemeinnützigkeit vom schweizerischen Gütesiegel ZEWO anerkannt ist. Von 1992 bis 2012 wurden rund fünf Millionen Schweizer Franken, also knapp 4,1 Millionen Euro, in verschiedene Gesundheitsprojekte auf Kuba investiert. Dazu gehören zum Beispiel zwei HIV-Projekte, zwei zur Demenzvorbeugung und Unfallverhütung bei älteren Menschen, die langjährige Zusammenarbeit mit dem kubanischen Krebsinstitut und verschiedene Vorhaben in der Kindermedizin, aber auch der fachliche Austausch und die Ausbildung kubanischer Spezialisten. Unsere Arbeit wird von Medizinern und Wissenschaftlern in der Schweiz und weit darüber hinaus geschätzt und gelobt. Sie wird von Privatpersonen aus allen Schichten, aber auch von Bund, Kantonen und Gemeinden unterstützt.
Wie erklären Sie sich dann das Verhalten der Credit Suisse?
Es ist ein Skandal, daß eine Privatbank einen Geldtransfer in Schweizer Währung innerhalb der Schweiz wegen einer US-Sanktion ablehnt, die Jahr für Jahr einmütig von aller Welt verurteilt wird. Im November 2013 hatten 188 der 193 UN-Mitgliedsländer und auch die Schweiz die sofortige Beendigung der US-Blockade gefordert. Ich hoffe, daß die Bevölkerung, aber auch die Medien und Politiker sich dagegen wehren und die Bank diese verfehlte Politik korrigiert.
Halten Sie die Begründung der Bank für glaubwürdig?
In Anbetracht der unmenschlichen Auswirkungen der US-Blockade besonders im kubanischen Gesundheitssektor halte ich es für zynisch, daß sich die Credit Suisse bei ihrem skandalösen Kotau vor den USA ausgerechnet auf »ethische Grundsätze« beruft. Geradezu pervers ist diese Begründung aber angesichts der Geschichte dieser und anderer Schweizer Banken, die jahrzehntelang die bei ihnen deponierten Gelder jüdischer Naziopfer und Flüchtlinge nicht offengelegt und damit den Erben vorenthalten haben, die seit Jahrzehnten ein sicherer Fluchthafen für das Blutgeld grausamer Diktatoren sind, die bis zuletzt enge Beziehungen zum südafrikanischen Apartheid-Regime pflegten und die bis heute willige Helfer beim Verstecken der Vermögen von Steuerbetrügern aller möglichen EU-Länder sind. Wenn ausgerechnet eine solche Bank es verhindert, daß ein engagierter Bürger 100 Franken für Gesundheitsprojekte in einem Entwicklungsland überweisen kann, ist das für mich ein Mißbrauch wirtschaftlicher Macht und moralisch abstoßend.
Was erwarten Sie jetzt?
Zunächst erwarten wir, daß dieser Vorgang in der Schweiz und weit darüber hinaus bekannt wird. Wir denken, daß er so schwerwiegend ist, daß sich auch europäische Politiker einschalten müssen. Ansonsten hoffen wir, daß dadurch möglichst vielen Menschen der menschenverachtende Charakter der US-Blockade gegen Kuba bewußt wird – und die Tatsache, daß die Macht der USA so weit reicht, daß eine Schweizerin kein Geld an einen gemeinnützigen Schweizer Verein überweisen kann.

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Zu diesem Thema s. auch: 

Kuba/Schweiz: Finma im Angriffsnachvollzug  (25.6.13)

und

Zürcher Kantonalbank gegen Kuba-TerroristInnen (19.6.13)