(zas, 23.9.19) Die Ereignisse im Land überstürzen sich. Sie
sind gekennzeichnet durch eine extreme Ausrichtung der Politik des im Februar
gewählten Präsidenten Nayib Bukele an den Vorgaben aus Washington oder z. B. eine
nicht weniger extreme Aggression gegen linke Gewerkschaften inkl. Einsatz von
Schlägertrupps – aktuell gegen die Gewerkschaft STISSS in der
Sozialversicherung. Die Bedingungen für lawfare
gegen den FMLN werden fabriziert, der Präsident geriert sich cool als Monarch,
die nur mit dem Wirken der US-Botschaft erklärliche Gleichschaltung der Medien und
grosser Teile der traditionellen Rechtsparteien auf die von Washingtons Statthalterregierung
gefahrene Linie ist beeindruckend.
In diesem Post geht es um die Einordnung El Salvadors in das
vorgelagerte US-Grenzregime.
Drei Ereignisse stechen dabei hervor. Am 28. August unterzeichneten der provisorische US-Inlandminister
(Department for Homeland Security) Kevin McAleenan und führendes Personal der
salvadorianischen Regierung unter Anwesenheit von Präsident Nayib Bukele in San
Salvador ein Memo of Undestanding
(MOU, Absichtserklärung). Das Rechtsblatt La Prensa Gráfica (LPG) zitierte
Bukele so: «Es handelt sich um eine sehr
komplexe Absichtserklärung, die wir in den kommenden Wochen und Monaten
gemeinsam in viele Dinge übersetzen werden. Eines dieser Dinge ist, dass wir
uns befähigen wollen, unsere Grenzen zu kontrollieren (…) Ein weiterer Eckstein
des Abkommens ist das Interesse der USA, uns beim Kampf gegen die Banden und
das Verbrechen zu helfen.» LPG fügte an: «Das Land verpflichtete sich, zu verdächtigen Vorkommnissen an den
Boden- und Fluggrenzen biometrische Daten in Echtzeit zu übermitteln», etwa
bei falschen Papieren oder in anderen Ländern von der Justiz Gesuchten.
Mit Guatemala schloss die Trump-Administration kürzlich eine
Übereinkunft ab, die dem Land die Kategorie «sicheres Drittland» zusprach, m.
a. W., wer von südlich Guatemalas kommt und in den USA Asyl will, muss es hier beantragen,
damit es überhaupt zu einem Verfahren kommt. Wer nicht über legale
Migrationsdokumente (???) verfüge, werde nach einem Bericht
von EFE aus Guatemala deportiert. GuatemaltekInnen sind per definitionem
von US-Asyl ausgeschlossen. Das Abkommen ist allerdings vor dem Obersten
Gericht angefochten. Es wird interessant sein zu sehen, ob das Tribunal es
wagt, eine Entscheidung zu treffen, die nicht nur gegen die guatemaltekische
Regierung gerichtet wäre, sondern gegen die US-Politik. Das wäre eine Premiere.
Dass ein Land wie Guatemala zu einem sicheren Drittland
erklärt wurde, sorgte breit für Sarkasmus und Opposition. Weshalb McAleenan in
San Salvador meinte: «Ich kann
versichern, es handelt sich nicht um ein Sicheres-Drittland-Abkommen , sondern
um eine Absichtserklärung, um in Sachen Polizei und Bekämpfung der Banden zu
kollaborieren, um die Wirtschaft vital zu machen und die eigene Initiative der
Salvadorianer bezüglich Asylkapazität zusammen mit dem UNHCR
[Flüchtlingskommissariat der UNO] zu unterstützen». LPG fügte an: «McAleenan erklärte, es werde Treffen mit
dem Privatsektor geben, die USA seien an einem Dialog über die Tarife interessiert,
denn sie wollten erreichen, dass diese freundlicher werden, um ausländische
Investitionen anzulocken.» Klartext zum Begriff des «Ausbaus der Asylkapazität».
Ins gleiche Kapitel die auch bei diesem Anlass vom US-Funktionär erwähnte Möglichkeit
von Erntevisa für SalvadorianerInnen – eine legale Ausbeutungsmodalität mit Saisonnierstatut
als propagandistisches Zückerchen.
Gegen Mitte September wurde eines der «Dinge» von Bukele
klarer: Drei Mitglieder des State Departments so wie der salvadorianische
Sicherheitsminister Rogelio Rivas und der US-genehme neue Polizeichef wohnten
der Inauguration einer neuen, 400 Kopf starken Polizeiabteilung an der Grenze
mit Guatemala bei, der Patrulla
Fronteriza (Grenzpatrouille). Ihr Job nach Minister Rivas: Sämtliche
Grenzübergänge und «grünen Grenzen» kontrollieren. Auf Anfrage zweier
Journalisten des linken US-Magazins The Nation und des salvadorianischen
Portals El Faro sagte
Todd Miller, Autor des Buchs Empire of
Borders: «Eine strategische
Richtungsänderung im US-Grenzregime ist seit 9/11 der Druck für die Ausbildung,
Ausstattung und sogar die Finanzierung der Schaffung neuer Grenzpatrouillen in
anderen Ländern. Bei der Ausweitung der US-Grenzwache geht es um mehr als die
Anwerbung von neuen AgentInnen, es geht um die Auswertung von neuen Ländern»
(s. zu Todd Miller Vorgelagertes
Grenzregime: Globaler US- Krieg gegen die Migration aus Correos
195).
Inauguration Patrulla Fronteriza. Bild: the Nation. |
Eine Abteilung des State Departments, das Bureau of
International Narcotic and Law Enforcement, «unterstützt
zudem», so die beiden Journalisten, «eine
multinationale Geheimdienstgruppe zu Grenzfragen» mit salvadorianischen,
guatemaltekischen, honduranischen und mexikanischen Apparaten, «die den US-Strafverfolgungsbehörden Zugang
zu den kriminologischen Datenbanken der beteiligten Länder ermöglicht». Da
in diesem Bereich die beteiligten Regierungen extrem knausrig mit präzisen
Informationen sind, schliessen verschiedene Berichte und Stellungsnahmen nicht
aus, dass die Patrulla Fronteriza auch
den eigenen BürgerInnen die Ausreise nach Guatemala zumindest erschweren soll.
So oder so gibt es hier wie beim US-Abkommen mit Guatemala eine Reihe
ungelöster rechtlicher Probleme. Etwa ist zwischen Nicaragua, Honduras, El
Salvador und Guatemala das CA-4-Abkommen in Kraft, das den BürgerInnen den
freien Personenverkehr auf ihrem Territorium garantiert.
Am 20. September unterzeichneten McAleenan und die
salvadorianische Aussenministerin Alexandra Hill ein weiteres Memo of Understanding bzw. in den Worten
des Chefs von Homeland Security ein «Asylkooperationsabkommen»,
dessen Wortlaut ebenfalls nicht veröffentlicht ist. Diese Verschleierung hat natürlich System. So
versichert
etwa AP, einen Entwurf des MOU gesehen zu haben, wonach salvadorianische
BürgerInnen vom Memo nicht betroffen seien. In anderen Medien zirkulieren
Gerüchte gegenteiligen Inhalts. Konfusion, Unbestimmtheit… Klar ist, dass El
Salvador mit diesem Memo in die US-geleitete Deportationskaskade eingebunden
ist. Für Menschen von weiter südlich ist hier der Weg nach Norden zu Ende, wenn
sie aufgegriffen werden.
Hill, McAleenan am 20. September in Washington. |
Der Brutalität des Vorgehens entspricht der Zynismus der
Formulierung. Die Washington Post zitiert
McAleenan so: «Heute sind wir sehr
glücklich, die Unterschrift unter dieses Kooperationsabkommen zwischen den USA
und El Salvador bekannt zu geben, um Schutzkapazitäten aufzubauen, um unsere
Anstrengungen zu verstärken, Chancen für den Schutz vor Gruppenverfolgung aus
politischen, rassischen, religiösen oder sozialen Gründen so nah wie möglich
vom Ursprung der Individuen zu suchen, die ihn benötigen.» Kommt nur nicht
in unsere Nähe! Erneut betonte der
Trump-Mann die Notwendigkeit, El Salvador beim Ausbau seiner «Asylkapazitäten»
zu unterstützen. Die Post weiter: «Er
sagte, die Abschiebung von Asylsuchenden von der US-Grenze nach El Salvador
wäre ‘ein potentieller Nutzen des Abkommens’».
Während Washington gegen Kuba und Venezuela, in geringerem
Mass auch gegen Nicaragua eine mörderische Wirtschaftsblockade verfügt, will
man die «Flüchtlinge aus diesen Diktaturen» auf keinen Fall aufnehme006E.
Nochmals die Post: «Asylsuchende aus
Nicaragua, Kuba und anderen Ländern, die auf dem Weg zur US-Grenze durch El
Salvador kommen, können nach Inkrafttreten des Abkommens dorthin zurückgebracht
werden, sagen US-Offizielle. Als Teil des Plans werden die USA behilflich sein,
in l Salvador und anderen Ländern der Region ein Asylsystem aufzubauen, wobei
UNO-Flüchtlingsagenturen dies finanzieren sollen. Letztes Jahr suchten nach
neuesten UN-Angaben nur 18 Menschen in El Salvador um Asyl nach.»