USA: Paramilitarisierung von Law and Order

Sonntag, 30. August 2020

 

(zas, 30.8.20) Jacob Blake, der Mann, dem die Polizisten in Kenosha, Wisconsin, sieben Mal in den Rücken schossen, als er in seinen Wagen steigen wollte, in dem seine Kinder waren, ist von der Hüfte an gelähmt. Kein Grund, den Überlebenden im Spital in Milwaukee nicht mit Handschellen an das Bett zu fesseln. Der Bulle, der sieben Mal auf ihn schoss, ist „administrativ vom Dienst suspendiert“, also in „bezahltem Urlaub“, wie Arun Gupta schreibt.

Bekanntlich kam es in Kenosha zu Protest und Widerstand, die Behörden verhängten als Antwort eine nächtliche Ausgangsperr. Am Dienstag, dem 25. August, marschierten auch Angehörige einer White Power-Miliz gegen den Widerstand auf, schwer bewaffnet. Ein 17-Jähriger aus dem Faschoverein erschoss dabei zwei Menschen und verletzte einen dritten. Die Menschenrechtsorganisation ACLU schrieb am 27. August, drei Tage nach dem Terrorakt der Polizei: „Die Deputies von Sheriff David Beth haben nicht nur mit den weissen Supremacists fraternisiert, die zur Gegendemonstration kamen, sondern sie haben zugelassen, dass der Schütze weg ging, obwohl die Leute schrien, dass er der Schütze sei. Der Sheriff [von Kenosha County] sagte dazu entschuldigend, dass seine Deputies möglicherweise nicht auf den Mann geachtet haben, da es so viele Ablenkungen gab, einschliesslich ‚Schreie‘ und ‚Gebrüll‘ (). An der ersten Pressekonferenz des Polizeidepartment von Kenosha nach den Schüssen auf Blake und den folgenden Morden bei den Protesten machte Polizeichef Daniel Miskins die Opfer der Schüsse von Dienstag für ihren eigenen Tod verantwortlich, denn die Gewalt sei das Ergebnis davon, dass ‚Personen‘ die Ausgangsperre missachtet hätten.“

Der Journalist Alan McLeod schrieb am 26. August: „Ein anderes Video zeigt, wie [die Milizmitglieder] sich mit der militarisierten Polizei verbrüdern, die ihnen Wasser anbietet und sagt: ‚Wir schätzen euch Leute wirklich‘.“  Ein Video zeigt, wie der Schütze einen Skater, der ihn nach den ersten Schüssen zu überwältigen suchte, erschoss und wie er danach unbehelligt durch die vorrückenden Polizeilinien ging. Er wurde erst einen Tag später zuhause bei Mutter verhaftet.

Während die faschistischen Milizen, die auch schon bewaffnet Parlamente von Gliedstaaten besetzt haben, in den Trumpschen USA zu paramilitärischen Unterstützungskräften von zumindest Teilen des Sicherheitsestablishments mutieren, geht die Justiz in manchen Staaten gegen „Terrorismus“ von Black Lives Matter (BLM) vor. Wie Akela Lacy in The Intercept schreibt, verschärfen Parlamentsmehrheiten Gesetzesbestimmungen gegen linke DemonstrantInnen, die von Staatsanwaltschaften wegen Schwerverbrechen oder gleich Terrorismus verfolgt werden. Lacy berichtet: „Gerade letzte Woche hat der republikanische Gouverneur von Tennessee, Bill Lee, nach mehr als 60 Tagen [BLM-] Demonstrationen vor dem Regierungsgebäude ein Gesetzt unterzeichnet, das die Teilnahme an gewissen Protestformen wie nächtliches Campieren auf State-Boden zum Schwerverbrechen macht. Das galt bisher als leichtes Vergehen. Wer in Tennessee wegen eines Schwerbrechens verurteilt wird, verliert das Wahlrecht. Das neue Gesetz wird so zu einem Instrument des Entzugs des Wahlrechtes“ – ein Problem, das in linken US-Medien, teilweise sogar in solchen des Mainstreams, als akute Bedrohung bei den kommenden Präsidentschaftswahlen diskutiert wird.

   Kenosha, vor dem Gerichtsgebäude, 24. August 2020.
 

Venezuela: Militärangriff im Oktober?

Freitag, 28. August 2020

 

Ángel Guerra*

 

Ein US-gesponserter Militärangriff auf Venezuela könnte vor den Wahlen vom 3. November in den USA stattfinden. Am 22. August erklärte Remigio Ceballos, Chef des Strategischen Operationskommandos der venezolanischen Streitkräfte (FANB): «Die mit Venezuela verbündeten internationalen Geheimdienste informieren uns, dass Kolumbien eine Aggression vorbereitet. Wir haben es mit einer Regierung Kolumbiens zu tun, die Venezuela wie keine andere in unserer Geschichte angegriffen hat.» Ein paar Tage vorher denunzierte der venezolanische UNO-Botschafter Samuel Moncada: «Propagandaorgane in Washington befürworten schon eine multinationale Militärinvasion von Venezuela [… die] eine militärische Besetzung beinhalten muss, aber ohne die USA sichtbar am Steuer. Es sind die Armeen von Kolumbien und Zentralamerika, die die schmutzige Arbeit machen werden.» 

In einem weiteren Tweet schrieb Moncada, die «höhere Stufe» der Aggression, also «die ‘Kampagne des maximalen Drucks’ geht über den Wirtschaftsterrorismus hinaus und erreicht die militärische Dimension. Sie suchen die October Surprise für ihre Wahlen.» Im vorausgegangenen Tweet publizierte der venezolanische Delegierte einen Auszug aus dem Artikel des konservativen Portals Washington Examiner mit den Anspielungen des Chefs des US-Südkommandos, Admiral Craig Faller, und des Vertreters der International Crisis Group, Phil Gunson, bezüglich einer möglichen Militärintervention in Venezuela. Faller hat demnach an einem vom toxischen Atlantic Council organisierten Seminar gesagt: «Entscheidend ist, wie wir geheimdienstliche Erkenntnisse besser teilen können, und wie die internationale Gemeinschaft so mehr Einfluss ausüben kann, um das Verhalten Maduros und der externen Staatsakteure zu ändern.»

Gleichzeitig trafen sich in Bogotá der erwähnte Faller, Robert O’Brien, Nationaler Sicherheitsberater des Weissen Hauses, Mauricio Claver-Caprone, US-kubanischer Lateinamerika-Chef im Nationalen Sicherheitsrat und Trump-Kandidat für die Präsidentschaft der Interamerikanischen Entwicklungsbank, und der US-Botschafter Philip Goldberg mit Subpräsident Iván Duque. Die kolumbianische Präsidentschaft hatte als einen Inhalt der Gespräche «Sicherheitsthema, Drogenbekämpfung, die Lage in Venezuela und die Immigration von Bürgern dieses Landes nach Kolumbien» genannt. Washington war so zynisch, Venezuela des Drogenhandels zu bezichtigen, während sein wichtigster Verbündeter in der Region, Kolumbien, 90 Prozent des weltweit gehandelten Kokains produziert.

Das mexikanische Portal La Política Online versichert, der US-kubanische Senator Marco Rubio heize die Trump-Kampagne für eine Invasion Venezuelas auf, um so im November die 29 Stimmen Floridas im Electoral College zu erlangen. Für die Mobilisierung von Latino-Stimmen zuständige Mitglieder des republikanischen War Room kommentieren seit kurzem, dass sich Rubio an mindestens zwei Treffen für eine Militäraktion in Südamerika zu diesem Zweck ausgesprochen habe.

Wichtige Vorbedingungen bekräftigen die Möglichkeit eines Angriffs auf Venezuela. Da ist eh mal die Fixierung Trumps auf das Land und seine Bodenschätze, die ihn auch schon mal die Frage an die Pentagons-Chefs nach der Machbarkeit eines direkten US-Angriffs auf Venezuela stellen liess. Da sind weiter die ungeheuerlichen und permanenten subversiven Manöver und der Wirtschaftskrieg gegen das Land. Aber da ist aktuell auch seine ungünstige Lage in den Wahlumfragen, die, falls sie anhält, dazu führen könnte, dass ihm Joe Biden das Weisse Haus wegnimmt. US-Präsidenten, die sich wiederwählen lassen wollten, haben für ihre Wahlpopularität auf die sogenannte October Surprise, eine Aktion, um das Land um seinen Commander in Chief herum zu scharen, zurückgegriffen.

 

·         telesurtv.net, 27.8.20: Venezuela: ¿agresión en octubre?

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Anmerkungen (zas): Wir haben die Quellen für die Aussagen, die der kubanische Autor zitiert, verlinkt. Sie legen die Möglichkeit eines bevorstehenden militärischen Angriffs nahe. Tatsache ist, dass sich entsprechende Indizien in der Letzten Zeit häufen, als weiteres Beispiel sei ein in diesem Monat erschienener Bericht des traditionell mit dem Pentagon verflochtenen Think Tanks Center for Strategic and International Studies (CSIS) erwähnt, zu dem  auf amerika21 eine kurze Analyse zu lesen ist. All das ist kein «Beweis» für einen demnächst erfolgenden offenen Krieg gegen Venezuela. Es gehört zum Wesen der US-Politik, mit militärischer Gewalt zu drohen, ohne diese dann zwangsläufig wie angekündigt zu praktizieren. Fakt ist, so viele Signale wie jetzt für eine solche Tat gab es wohl noch nie.       

Shoot’em

Mittwoch, 26. August 2020

(zas, 26.8.20) Kenosha, Wisconsin. Der Mann, so ist zu lesen, war aus dem Auto ausgestiegen, um einen Streit auf der Strasse zu schlichten. Die Bullen waren auf ihn sauer. Er will wieder einsteigen (seine Kinder sind laut Presseberichten im Wagen). Beim Einsteigen geben die Uniformierten sieben Schüsse auf ihn ab. Jacob Blake, ein Afroamerikaner, ist schwer verletzt. Doch das Gesetz greift durch, die Schützen werden schon mal «beurlaubt». Der Gouverneur von Wisconsin schickt als Ersatz National Guards, «um» die Feuerwehr zu schützen. Es herrscht Ausgangssperre ab 8 pm. Die Protestierenden sehen das anders, die National Guards beharren darauf – auch mit gepanzerten Fahrzeugen. Und schon wissen viele Medien wieder: mehrere Nächte sinnloser Zerstörungswut, Jacob Blake hätte das gar nicht gewollt, etc. 

Aber wichtiger: Was ist es wohl, das so viele Beamte auch bei der anhaltenden Black-Lives-Matter-Revolte nicht davon abhält, weiter Leute zu erschiessen? Mit Vorliebe Schwarze. Wüssten sie, es drohte ihnen reale Strafe (mehr als ein temporärer Wechsel in die private security o. ä.), wetten, sie würden in ihrer grossen Mehrheit trotz Rachegelüste kuschen? Sie gehen wohl, instinktiv oder bewusst, von ihrer Straflosigkeit aus, davon, dass auch nach dem Wahlnovember der Faschismus zulegen wird.

 


 Video: Die Schüsse.