(zas, 24. 9. 2020) Trump weiss, wann Wahlen fair sind: wenn
er sie gewinnt. Deshalb sagte
er kürzlich an einer Wahlveranstaltung: «Wir
werden einen Sieg erringen, wie ihr ihn noch nie gesehen habt. Also, wir zählen
auf das Bundesgerichtssystem, so dass wir einen Wahllabend haben, wo wir wissen,
wer gewinnt. Nicht wo die Stimmen eine Woche oder zwei Wochen später gezählt
werden.» Also ohne die vielen Millionen Stimmabgaben per Post, die, weiss
er auch, «von Russland, China und all
diesen anderen» mühelos gefälscht werden können. Diese Poststimmen werden
traditionell von nicht republikanisch wählenden Segmenten der Unterklassen
abgegeben, dieses Jahr erst recht wegen der Angst vor einer Covid-19-Ansteckung
beim Schlange stehen. Die zu zählen, soll die Justiz verhindern – im Geist des Supreme
Court 2000, als er die Nachzählung der Stimmen in Florida mit der Begründung
verbot, sie könnte die Siegeschancen von George
W. Bush zunichte machen.[i]
Auch Trumps Aussenminister weiss Bescheid in Sachen
Fairness. Die in Venezuela für Dezember vorgesehenen Parlamentswahlen sind
anti-fair. Denn der Chavismo könnte sie gewinnen. Weshalb Pompeo & Co. alles
versuchen werden, um sie zumindest in Chaos enden zu lassen. Bleibt es dann bei
gesteuerten paramilitärischen Offensiven aus dem Ausland im Verbund mit «Protesten»
(auch bewaffneten) im Inland? Oder kommt es bis dann zu Grossoffensiven anderen
Kalibers, wie von vielen befürchtet/angestrebt? Was etwa bedeuten die von
Pompeo vor wenigen Tagen bekanntgegebenen US-guayanischen Armeepatrouillen zu
Wasser und zu Luft an der venezolanischen Grenze? Auf jeden Fall eine neue
Version der alten Kanonenpolitik, jetzt zugunsten von Exxon und Hess, die sich (übrigens
auch minoritär der Ölmulti CNPC in chinesischem Staatsbesitz) aus einem riesigen
Ölvorkommen in einem von Venezuela und Guyana beanspruchten Gebiet bedienen. Der
Disput ist vor dem Internationalen Gerichtshof von Den Haag. Doch wofür auch auf
ein Urteil warten?
Vor einer Woche zirkulierte in den transnationalen Medien
die Nachricht, der UNO-Menschenrechtsrat habe Venezuela der systematischen «Verbrechen
gegen die Menschheit» angeklagt. Worum es dabei geht, macht die nachfolgende
Stellungnahme einer argentinischen Menschenrechtsorganisation deutlich. Fragt
Pompeo. Zu realen Problemen, die von der «internationalen Gemeinschaft» zwecks
Kriegstreiberei missbraucht werden, siehe etwa heute auf amerika21.de «Venezuela:
Wir brauchen eine offene Debatte…».
______________
Zur «Internationalen
Kommission» des UNO-Menschenrechtsrats
Redh*
Die Red de Artistas, Intelectuales y Movimientos Sociales en
Defensa de la Humanidad (Redh), Kapitel Argentinien, analysiert den am 16. September
2020 veröffentlichten Bericht einer sogenannten Internationalen Unabhängigen
Mission zu Venezuela. Diese Mission ist auf spezielle Weise am 27. September
2019 mit der Resolution 42/25 des UNO-Menschenrechtsrates erschaffen worden. Nach
einer genauen Analyse des Berichts und der Untersuchung des Entstehens der
Mission und ihres Berichts müssen wir öffentlich kundtun:
1.
Die Entstehung und Ingangsetzung der
Internationalen Kommission erfolgte in einem Szenario absoluter
Undurchsichtigkeit, die auch ihr Funktionieren im vergangenen Jahr
charakterisiert hat. Weder konnten die Mechanismen zur Auswahl ihrer Mitglieder
noch ihre Finanzierungsquellen identifiziert werden. Dies führte unter anderem dazu, dass
a) zu einem ihrer Mitglieder ein chilenisch-stämmiger Anwalt ausgewählt wurde,
der direkt mit der rechtlichen Verteidigung von Unterdrückern der Pinochetdiktatur
verbunden ist und Beziehungen zu hohen Mitgliedern der Regierung der Diktatur
und der extremen Rechte in Chile hat. Dieser Anwalt ist vom früheren
mexikanischen Präsidenten Peña Nieto, gegen den heute Untersuchungen wegen
Korruption und organisierter Kriminalität laufen, ausgewählt worden, um
angeblich das Verschwindenlassen der 43 SeminaristInnen von Ayotzinapa zu
untersuchen. Die Opferangehörigen hatten die Aktivitäten des Anwalts in Frage
gestellt, da sie nur der Straffreiheit dienten.
b) eigenartigerweise drei Personen gewählt wurden, welche die Interessen von
drei Staaten (Chile, Portugal, UK) vertreten, deren Regierungen die
venezolanische demokratische Institutionalität nicht anerkennen. Sie sind eifrige
Exekutoren der wirtschaftlichen und finanziellen
Blockade gegen das venezolanische Volk und verursachen so schwere Verletzungen
der Menschenrechte auf Leben, Gesundheit und Ernährung.
c) der aus drei Personen bestehenden
Kommission für die Erarbeitung des Berichts ein Budget mit $ 2.7 Mio. ein
ausserordentlich hohes Budget gewährt wurde, in einer ausserordentlichen
Situation der Austerität für die UNO. Auch die Budgetverwaltung war von Mangel
an Transparenz gekennzeichnet.
2.
Die für die Verfassung des Berichts benutzte
Methodologie ist ebenfalls mit einem Mangel an Transparenz charakterisiert. Am
meisten fällt aber der Mangel an wissenschaftlicher Genauigkeit und vor allem
der Befolgung von Grundprinzipien für die Wahrheitsermittlung in
Menschenrechtsfällen auf, etwa der Unparteilichkeit, der Ausgeglichenheit und
der Gewichtung. Hier fällt auf, dass
a) die Kommission sich nie nach Venezuela begab, so dass sie auch keinen
direkten Zugang zu den konsultierten Quellen inkl. Opfer, Offizielle und
Prozessakten hatte. Als Fachleute auf juristischem Gebiet fällt uns auf, dass
sie sich zu Untersuchungen der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei und
zu Strafprozessen äussert, ohne direkten Zugang gehabt und ohne die
administrativen und gerichtlichen Dossiers und die Beweismittel untersucht zu
haben. Aussagen ohne Analyse dieser Beweismittel zu machen, stellt vor allem
eine Kühnheit und einen Mangel an professionellem Ethos dar.
b) die Kommission in Abschnitt 2 ihres
Berichts erklärt, sie habe dafür optiert, die Untersuchungen für den Bericht an
eine Gruppe von dreizehn in Panama residierenden Personen übertragen, deren
Identität, Berufsausrichtung und Geeignetheit unbekannt ist, und die vor allem
nicht vom Menschenrechtsrat der UNO ernannt worden waren. Es handelt sich als
um private Vertragspartner, deren Auswahl von absolutem Fehlen von Transparenz
charakterisiert ist, und die für diese strikt zivile und menschenrechtliche
Mission auch «Militärexperten» umfasst.
c) die konsultierten Quellen, wie die Kommission in Abschnitt 10 ihres Berichts festhält, «öffentlich bekannte Informationen» einbeziehen, die in «Social Media (vor allem Facebook, Twitter,
Instagram und Youtube), Blogs, Meinungsartikeln» zu finden sind, ohne dass
die Frage der Beweiskraft dieser Medien und ihrer Inhalte thematisiert würde.
Was der Bericht nicht erörtert, ist, dass die grosse Mehrheit dieser
konsultierten Medien entweder Sektoren gehören, die Maduro-feindlich
eingestellt sind, oder direkt von ausländischen Regierungen (USA, Kanada, UK,
Deutschland und Frankreich) finanzierten Menschenrechtsorganisationen, die
ebenfalls in klarer Opposition zur venezolanischen Regierung stehen, oder
Personen, die mit dem Staatsstreich vom 30. April 2020[1]
zu tun hatten.
d) die Kommission in Abschnitt 15 ihres Berichts eigentümlicherweise angibt, die
Darlegungen von General Christopher Figuera als privilegierte Quelle zu benutzten.
Figuera war nach erklärter Darstellung der Kommission einer der
Verantwortlichen für den Putsch gegen Präsident Maduro vom 30. April 2020[2].
Er hat ein Interesse, die venezolanische Regierung zu schädigen. Dies ist für
eine Menschenrechtsuntersuchung eine inakzeptable Vorgehensweise.
3.
Wie in Abschnitt 12 des Berichts erläutert, beschränkt
er sich auf 223 angebliche Fälle von Menschenrechtsverletzungen in der 6-Jahres-Periode
von 2014 bis 2020 – also auf 38 Fälle pro Jahr. Aber es wird auch festgehalten,
dass davon nur 48 Fälle gründlich untersucht wurden, also 4 pro Jahr.
Eigenartigerweise wird aber daraufhin gewiesen, dass zu weiteren 2891 Vorfälle ermittelt
worden sei, aber dazu ist im Bericht nichts zu finden. Diesbezüglich besorgt
uns, dass
a) der Bericht nicht erhellt, ob die sich in Panama befindliche Equipe Zugang
zu den Gerichts- und Verwaltungsakten dieser 48 Fälle und weiter zu den
Angehörigen der Opfer gehabt hat. Aber zusätzlich wurden die Handlungen der
Polizei und der Justiz in diesen Fällen nicht untersucht. Alle Quellen werden
verheimlicht oder grösster Unkenntlichkeit unterzogen, was klare Zweifel an der
Glaubwürdigkeit der Ermittlungshandlungen und Schlussfolgerungen dieser Equipe
nährt.
b) Auf der Basis von 48 Fällen in 6 Jahren zum Schluss zu gelangen, dass eine
staatliche Politik der Verbrechen gegen die Menschheit existiert, ist ziemlich
schwierig. So schwerwiegend diese Vorfälle auch sein mögen – sie müssen
ernsthaft untersucht werden einschliesslich der Frage nach Antworten des
venezolanischen Staats – ist es ein Akt klarer Parteilichkeit, Verbrechen gegen
die Menschheit zu konstatieren aufgrund einer Anzahl Fälle, die unter dem in der
Region herrschenden Mittel an Rechtsfehlern zu liegen scheinen.
c) Der Inhalt dieses Berichts widerspricht den letzten Schlussfolgerungen der
Hohen Kommissarin für Menschenrechte, Frau Michelle Bachelet, die sie in ihren
mündlichen und schriftlichen Stellungsnahmen zuhanden des
UN-Menschenrechtsrates formuliert hat. Bekanntlich hat das Hochkommissariat 2019
einen Kooperationsvertrag mit dem venezolanischen Staat abgeschlossen und ist seither
mit einer Gruppe von Fachleuten der UNO im Land präsent. Diese Beziehung hat
erlaubt, Menschenrechtsverletzungen anzugehen und insbesondere
Kooperationsmechanismen zu ihrer Überwindung zu entwickeln. So hat das Büro Menschenrechtsverletzungen
identifizieren können, aber hat auch die Anstrengung der Regierung Maduro zur
Verbesserung dieser Vorfälle und Fortschritte in der Materie anerkannt.
4.
Mit ihrem Bericht scheint die Kommission das klare
Ziel eines Konstrukts zu verfolgen, das die Einmischung ausländischer Staaten
in die inneren Angelegenheiten Venezuelas und die Verletzung des Rechts seines
Volks auf Selbstbestimmung legitimieren soll. Insbesondere scheint der Bericht
auf die Rechtfertigung einer Wirtschafts-, Finanz- und Handelsblockade und der
weiteren unilateralen Zwangsmassnahmen gegen das venezolanische Volk ausgerichtet
zu sein. Aber er scheint auch darauf zu zielen, die Basis für eine grössere
Intervention zu schaffen, eine Intervention in Form einer Militäraktion oder
eines Lawfare-Mechanismus für einen Staatsstreich mittels pseudojuristischer
Tricks vor dem Internationalen Strafgerichtshof.
[Am Ende des Textes ruft die REDH-Argentinien
dazu auf, das Recht auf Selbstbestimmung anzuerkennen, «das Vorgehen der Mitglieder der ‘Internationalen Kommission’ in
Funktion der UNO-Standards zu untersuchen», die im Bericht genannten 48
Fälle zu untersuchen und gegebenenfalls eine Wiedergutmachung anzuordnen sowie «den Kampf für Menschenrechte als Instrument
für die Befreiung der Völker und die gesellschaftliche Transformation zu
stärken und ihre Instrumentalisierung für das Durchsetzen von Herrschaftsbeziehungen
zu vermeiden».]
·
19. September 2020, Comunicado
REDH Argentina sobre “Comisión Independiente” para Venezuela del Consejo de
DDHH de la ONU
_______________________
Reaktion des venezolanischen Generalstaatsanwaltes auf den Bericht:
Der venezolanische Generalstaatsanwalt
Tarek William Saab] fügte an, dass sein Büro 804 FunktionärInnen und 123 Zivilpersonen
der Verantwortung für die Verletzung der Menschenrechte beschuldigt hat. Sie gehören
verschiedenen Sicherheitskräften an.
Diese Personen sind, führte er
aus, wegen Mord, Folter, grausamer Behandlung oder unrechtmässiger Freiheitsberaubung
angeklagt. Weiter wies er daraufhin, dass «die
Staatsanwaltschaft seit August 2017 bis heute zahlreiche FunktionärInnen
angeklagt hat. Das sind unwiderlegbare Zahlen, die wir dem Büro der UNO-Hochkommissarin
für Menschenrechte mitgeteilt haben.»
·
vtv.gob.ve,
19. September 2020: Venezuela
desmonta informe de supuestos expertos en DDHH y lo califica como monumento de
propaganda de guerra
[i]
Der damalige Chefeinpeitscher des Supreme Court, Antonin Scalia, schrieb: «Das
Zählen von Stimmen zweifelhafter Legalität bedroht in meinen Augen den
Antragsteller [Bush] mit nicht gutmachbarem Schaden, indem es einen Schatten
auf das wirft, was er die Legitimität seiner Wahl nennt» (New York Times, 10. 10. 2000: «Contesting
the Vote; The Court Ruling; Bush Has Sought Stay». Bush gewann dank
des Verdikts des Gerichts mit angeblich 537 Stimmen Vorsprung die Elektorenstimmen
Floridas und damit die Präsidentschaft. Zuvor waren unter Bushs Cousin Jeb,
Gouverneur von Florida, zahlreiche Manöver zum Wahlrechtsentzug vor allem von
Schwarzen und zur ebenfalls rassistisch orientierten Nicht-Zählung vieler
abgegebener Stimmen durchgesetzt worden. Als die Demokratische Partei eine
Nachzählung in einigen Countys verlangte, verhinderte diese ein republikanischer
Mob mit Aktionen zur Sprengung der Nachzählung, bis er vom Supreme Court Recht
bekommen hatte. In Correos 126 von Januar 2001 ist dazu ein längerer Artikel
erschienen, dessen Lektüre heute die Kontinuität deutlich macht, in der der
aufkommende Faschismus in den USA steht.
[1]
A. d. Ü.: Gemeint ist der 30. April
2019.
[2] A. d. Ü.: S. Endnote 1