«Open-end-Krieg»

Donnerstag, 29. September 2022

 

Heute die Kurznotiz in der NZZ:

«(dpa) · Die amerikanische Regierung hat weitere Waffenlieferungen an die Ukraine im Wert von 1,1 Milliarden Dollar angekündigt. Mit dem Paket solle Kiew 18 weitere Mehrfachraketenwerfer von Typ Himars bekommen, «die die Ukraine auf dem Schlachtfeld so effektiv eingesetzt hat», sagte die Sprecherin von US-Präsident Joe Biden am Mittwoch. Zudem soll die Ukraine unter anderem die dazugehörige Munition, 150 gepanzerte Fahrzeuge und Systeme zur Drohnenabwehr bekommen. Die Waffen und Systeme sollen nicht aus Beständen des US-Militärs kommen, sondern bei Herstellern für die Ukraine gekauft werden, hiess es. Damit erhöhe sich die militärische Unterstützung der Ukraine durch die USA seit Beginn von Bidens Amtszeit auf einen Gegenwert von insgesamt 16,9 Milliarden Dollar, erklärte das Pentagon.»

Kleines «Detail»: Die neue Himars-Lieferung erfolgt in der Logik eines jahrelangen Kriegs. Die New York Times schreibt heute in New U. S. Military Aid Will Take Years to Deliver dazu:

«Anders als die 16 Himars, die die Armee aus eigenen Beständen eilends in die Ukraine verbrachte, werden diese neuen Waffen beim Hersteller Lockheed Martin beordert; für ihre Lieferung wird es in den Worten einer führenden Defense Department-Person ‘ein paar Jahre’ brauchen. Der Wechsel der Quelle für ukrainische Militärlieferungen vom Lagerbestand des Pentagons, der gross, aber nicht endlos ist, zu von der Verteidigungsindustrie neu hergestellten Artikeln zeigt, dass das Weisse Haus und die Militärführung zu einem nachhaltigen Modell übergeht, auf das sich Kyiv für einen Open-end-Krieg gegen Russland verlassen kann.»

Die gleiche Message in einem NYT-Artikel von gestern (Meeting in Brussels Signifies a Turning Point for Allies Arming Ukraine):

«Im Zeichen, dass die United States und ihre Verbündeten denken, das Kämpfen in der Ukraine werde noch Jahre weitergehen, trafen sich Militäroffizielle aus mehr als 40 Länder am Mittwoch im NATO-Hauptquartier in Brüssel, um zu besprechen, wie ihre Regierungen die Produktion von Waffen und Munition beschleunigen können. (…) Nach monatelangen Waffenlieferungen in die Ukraine finden jetzt die Geberländer, dass sie mehr Munition produzieren müssen, um den Fluss, wo der Winter näher rückt, aufrechtzuhalten. Doch eine Produktionsausweitung kann nicht zwangsläufig über Nacht erfolgen.»

«(…) Die Beschaffung und Lieferung von Waffen kann Jahre bis zur Erledigung dauern, aber der NATO-Offizielle beschrieb ein paar kurzfristige Arrangements einschliesslich einer Übereinkunft zahlreicher Länder, mehr Munitionen zu kaufen, weitgehend zur Wiederaufstockung der durch den Krieg reduzierten Lager. Er sagte, das werde sich längerfristig auf die Vergrösserung gemeinsamer Munitionen auswirken und sie grenzüberschreitend für Waffensysteme kompatibel machen und die Dringlichkeit eines Prozesses betonen, der sich an eine in seinen Worten andere Sicherheitsumgebung anpasst.»

In Brüssel waren alle NATO-Länder sowie eine Reihe von «major non-NATO allies» aus Trikont-Ländern beteiligt.

So was wie eine Verhandlungslösung entlang des von den USA/UK und ihrer ukrainischen Regierung stets boykottierten Minsker Vertrags steht, nachdem sie letzten März noch «gedroht» hatte, offenbar überhaupt nicht zur Debatte. Sondern die von General Austin, von Biden aus dem VR von Raytheon auf den Chefsessel im Pentagon geholt, letzten Mai verkündete Devise, Russland zu schwächen. Tatsächlich sehen wir eine gigantische neue Version des Kriegskeynesianismus – Wirtschaft per Rüstungsindustrie ankurbeln («andere» sterben dafür) samt Neuformierung der Gesellschaften, gepaart mit dem enormen Verbrechen des Befeuerns der Klimaerhitzung (dazu Chomsky: US Must Join Global Call for Negotiations as Russia Escalates Actions).

Auf der Gegenseite sieht man das in Moskau ähnlich. Die Mobilmachung von 300’000 Reservisten lässt keinen Zweifel daran. Es ist zwingend, russische Kriegsdienstverweigerer, Deserteure, AntimilitaristInnen zu unterstützen. Genauso wie ukrainische Kriegsdienstverweigerer. Wie etwa Ruslan Kotsaba, den pazifistischen Journalisten, dem 15 Jahre Gefängnis drohen (s. La quarta Carovana italiana per chi diserta la guerra). Die Regierung bezichtigt ihn des “Hochverrats” wegen einberufungskritischer Stellungsnahmen.

“Jin, Jian. Azadi" - Was bedeutet Solidarität hier und heute?

 

Redebeitrag1 zur Solidaritätskundgebung mit den Protesten im Iran.

“Jin, Jian. Azadi” - Bremen, 26.09.2022

Hallo zusammen!

Ihr habt schon viel über die Tyrannei des islamischen Regimes im Iran gehört und vor allem über den Mut der Frauen und der jungen Menschen, die sich erneut gegen dieses System erhoben haben, um für Freiheit und Gerechtigkeit zu kämpfen. Ihr werdet noch mehr darüber hören, denn neben den Meldungen über die getöteten Menschen auf den Straßen gibt es – wenn auch nur für kurze Zeit – viele Berichte und Analysen über die aktuelle Situation im Iran. Wir als linke Iraner*innen im Exil wollen heute hier eine wichtige grundsätzliche Frage aufwerfen: Was bedeutet Solidarität mit den Protesten im Iran für uns hier, im “Herzen Europas”? Wir solidarisieren uns seit Jahren mit den Aufständen im Iran und anderen Ländern des globalen Südens – und doch werden die Protestierenden bei jedem Aufstand immer brutaler unterdrückt. Im Iran begann das mit Aufstandsbekämpfung gegen die „Grüne Bewegung“ 2009 und verschlimmerte sich mit den Aufständen von 2018, 2019 und 2021.

Gut zwei Jahre lang haben wir uns auch auf das Leidenschaftlichste mit der Bewegung in Rojava solidarisiert. Danach wurde diese Hoffnung gebende Bewegung jedoch allein in den Händen regionaler und globaler Mächte zurückgelassen. Anscheinend war unsere Solidarität keine ausreichende Antwort für Rojava. Um nicht missverstanden zu werden: Unsere Solidarität mit den emanzipatorischen Kämpfen der Unterdrückten weltweit ist zweifellos notwendig – aber: etwas Grundlegendes fehlt. Wir brauchen eine neue politische Strategie, um die unmenschliche Weltordnung zu beeinflussen. Diejenigen, die im globalen Süden ihr Leben riskieren, tun alles in ihrer Macht stehende, um gemeinschaftlich ihre Lebensbedingungen und auf diese Weise die brutale Weltordnung zu verändern. Aber ihre Bemühungen bleiben wirkungslos, solange die Hochburgen des Kapitalismus noch stabil auf festen Füßen stehen. Jetzt mögen manche sagen: “Schon wieder diese anti-imperialistische Meckerei!”. Als Antwort darauf sagen wir: Schaut euch Afghanistan an, das euch bekannter ist und dessen Wunde noch frisch ist. Wie kann die deutsche Außenministerin es wagen, ihre “Solidarität mit den unterdrückten Frauen im Iran” zu bekunden, während afghanische Frauen tagtäglich unter den Stiefeln der Taliban gefoltert werden und ihre Schreie ungehört geblieben sind? Wie können wir die Bedeutung dieser unmenschlichen Weltordnung ignorieren, wenn ihre katastrophalen Folgen auch hier so offensichtlich sind? Wenn ihr noch nicht verstanden habt, dann schaut euch die Unzahl von afghanischen Flüchtlingen an, die hier zu den billigsten internationalen Arbeitskräften geworden sind. Diejenigen, die tagtäglich Rassismus und Ausbeutung ertragen müssen, während ihre Herzen vom Leiden ihrer Lieben und der Menschen in Afghanistan zerrissen werden. Welche Kräfte haben diese endlosen Leiden wohl verursacht?

Aus der Zeit der blutigen Kolonisation Nordamerikas gibt es den kolonial-rassistischen Ausspruch: „Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer.“ Übertragen auf die Weltordnung aus Sicht der Weltmächte heißt das: „Nur ein Mittlerer Osten in Chaos und Tyrannei ist ein guter Mittlerer Osten“ – 1. Wegen Zeitknappheit wurde der Redebeitrag bisschen kürzer als der Text gehalten. auch wenn sie das so natürlich nicht explizit sagen können. Aber die Rechnung geht auf: Denn eine Regierung, die sich gegen die eigenen Menschen stellt, ist die beste Komplizin, um die Ressourcen dieser Menschen zu plündern. Die Phrasen von „Menschenrechten“ und die theatralischen Gesten der westlichen Machthaber dienen nur dazu, dieses alte Prinzip zu verschleiern. Schaut euch an, wie Emmanuel Macron vor wenigen Tagen den iranischen Präsidenten bei den Vereinten Nationen umarmte – während die Protestierenden gegen sein Regime bereits seit Tagen auf den Straßen mit Gewehrkugeln konfrontiert waren. Selbst wenn Macron nicht wissen sollte, welche Rolle der derzeitige Präsidenten Irans bei dem Massaker an politischen Gefangenen 1988 gespielt hat, bei dem etwa zehntausend linke und revolutionäre Gefangene ermordet wurden – die aufklärenden Straßenaktionen von iranischen Regimekritiker*innen direkt vor der Haustür der UN im New York hätten ausreichen müssen, um dieses Treffen abzusagen.

Wir müssen uns also fragen: Warum brauchen die westlichen Mächte solch enge Beziehungen zu Diktatoren des globalen Südens? Müssen wir die intensiven und langjährigen Beziehungen der USamerikanischen Regierung zu Saudi-Arabien oder die langjährigen stabilen Beziehungen der Bundesregierung zu den Diktatoren der Türkei, Ägyptens und Irans wirklich noch erwähnen? Eine unserer Beobachtungen wollen wir aber nicht unerwähnt lassen: Wir haben mit eigenen Augen gesehen, wie Claudia Roth – aktuell Staatsministerin für Kultur und Medien – in Berlin während ihres Redebeitrags auf einer der Solidaritätsdemos 2009 für die Grüne Bewegung wegen der massiven Unterdrückung im Iran geweint hat. Aber wenige Monate später, nachdem sich die Lage im Iran “beruhigt” hatte, reiste sie zusammen mit einer hochrangigen wirtschaftspolitischen Delegation in das Land der Mullahs, um das grundlegende Bedürfnis der Nationalwirtschaft Deutschlands zu stillen: den Durst der hiesigen kapitalistischen Ordnung nach Wirtschaftswachstum um jeden Preis.

Viele politikwissenschaftliche Bücher behaupten, die Ära des Kolonialismus sei vorbei. Doch die alltäglichen Erfahrungen unterdrückter Menschen im globalen Süden zeigen das Gegenteil: Es sind lediglich die Formen und Mechanismen des Kolonialismus, die modernisiert worden sind. Wer das nicht glauben will, ist wahrscheinlich mit seiner oder ihrer privilegierten Position recht zufrieden. Das wiederum heißt: “Nur ein unterdrückter Mensch aus Mittlerer Osten ist ein guter ‚Middle Easter‘“.

Zum Abschluss kurz zum aktuellen Aufstand im Iran:

Die Stärke dieses Aufstands liegt aus unserer Sicht darin, dass sich die verschiedensten Gruppen von Unterdrückten zusammengeschlossen haben, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen: die Konfrontation mit dem militärischen totalitären System. Die Aufständischen sind zweifellos unterschiedlich von Unterdrückungsmechanismen betroffen – einige von ihnen tragen sogar zur Reproduktion einiger Unterdrückungsformen bei oder profitieren von ihnen. Der Punkt ist aber: Es ist dieses neo-faschistische Regime, das all diese Unterdrückungsformen reproduziert und verstärkt. Die aufgestaute Wut und die Dringlichkeit der Situation haben trotz aller bestehenden Differenzen den gemeinsamen Kampf gegen die herrschende Ordnung ermöglicht. Dazu kam die erhebende Kraft des Aufstands – denn eine echte politische Bildung entsteht im kollektiven Kampf. So unterstützen z.B. die Männer nicht nur die Forderungen der Frauen, sondern wiederholen gemeinsam mit den Frauen den Slogan, der zur Frauenbewegung in Rojava gehört: „Jin, Jiyan, Azadi“. Viele der aktuell Demonstrierenden, auch viele Frauen, haben sich in der Vergangenheit – unter anderem aus nationalistischen Gründen und wegen anderer konstruierter Grenzen – von der Rojava-Bewegung entfremdet. Doch das ist ja das emanzipatorische Moment einer Bewegung: neue Subjekte zu bilden. Der aktuelle Aufstand im Iran ist deswegen nicht nur ein Fortschritt im Kampf der Frauen in der Region gegen das Patriarchat und den religiösen Fundamentalismus, sondern er ist viel mehr. Dieser Aufstand kann dazu beitragen, dass sich unter den vielfältigen Nationen des Mittleren Ostens ein neues Verständnis entwickelt: Das Verständnis, dass sowohl unsere Kämpfe als auch unsere Zukunft zusammengehören. Das Verständnis, dass jeder einzelne Kampf, den wir führen – wo auch immer und wofür auch immer –, nicht nur für uns selbst, sondern für alle ist. Das heißt: Unsere kollektive Befreiung von dem herrschenden Albtraum im Mittleren Osten hängt von der internationalistischen Verbindung unserer Kämpfe ab.

Damit kommen wir auf unsere Ausgangsfrage zurück: Was also bedeutet „Solidarität“? Wenn wir eines durch die zunehmenden Bedrohungen angesichts der Klimakatastropheerkannt haben, dann dies: Es ist nicht möglich, in einer schlechten Welt gut zu leben. Die ganze Welt als unser gemeinsames Zuhause ist von allen Seiten bedroht. Daraus lässt sich nur ein Schluss ziehen: Eine echte Solidarität bedeutet, die Kämpfe der anderen Unterdrückten, hier, jetzt, auszudehnen und zu erweitern – um sie zu einem gemeinsamen Kampf gegen das Ganze und ums Ganze zu machen.

Das ist es, was jetzt ansteht – lasst uns loslegen!

(Hier ist Rhodos, hier springe!)

Eine Gruppe von linken Iraner*innen im Exil

Bremen, Sep. 2022


 

Rede des Präsidenten von Kolumbien vor der UNO

Montag, 26. September 2022

 

Kolumbien / Politik

Rede des Präsidenten von Kolumbien vor der UNO

amerika21 dokumentiert die Rede des kolumbianischen Präsidenten Gustavo Petro am 20. September bei der UN-Generaldebatte in New York

Ich komme aus einem der drei schönsten Länder der Welt.

Dort gibt es eine überschäumende Natur. Tausende bunter Arten in den Meeren, am Himmel, auf dem Lande. Ich komme aus dem Land der gelben Schmetterlinge und der Magie. Dort, von den Bergen und in den Tälern aller Grüntöne fließen nicht nur das reichlich vorhandene Wasser, sondern auch Ströme von Blut. Ich komme aus einem Land von in Blut getränkter Schönheit.

Mein Land ist nicht nur schön, es ist auch voller Gewalt. Wie passen Schönheit und Tod zusammen, wie kann die Artenvielfalt des Lebens erblühen inmitten von Todes- und Schreckenstänzen? Wer ist schuld, dass der Zauber durch Terror zerstört wird?

Wer oder was ist dafür verantwortlich, dass das Leben durch die Routineentscheidungen von Reichtum und Kapitalinteressen untergeht? Wer führt uns als Nation und Volk ins Verderben?

 

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AHV-Konterreform und siegreiche Männer

 

60 % der abstimmenden Männer haben am Sonntag für eine AHV-Konterreform für ein erneut erhöhtes Rentenalter für Frauen gestimmt. Nur 40 % oder weniger der Frauen taten das Gleiche. Zwei Beispiele für die Mentalität der Sieger:

1.      Alain Berset

Bundesrat, SP. Eine zentrale Figur in der Kampagne für die «Reform», also die Verschärfung des sexistischen Angriffs auf arbeitende Frauen. Nach seinem Sieg und dem von seinesgleichen die «beruhigende» Note («bitte seid nicht wütend, wir schauen für euch»): «Wir müssen Lösungen finden für die Frauen-Diskriminierung». Nämlich bei der Regelung für die Pensionskassen. Die haben bekanntlich keine Mehrheitslobby in den staatlichen Institutionen. Wem kommt nicht das Kotzen?

 

2.      Fabian Schäfer

Bundeshausredaktor NZZ. Er bedient sich des Tons, der im Zeichen des Ukrainekriegs als Komponente des inneren (Sozial)-Kriegs zunehmend dominant wird: den Gegner fertig machen. Also «überführt» Schäfer wie andere Schreiber im Blatt den SGB im Rahmen der Hetze für den AHV-Angriff auf die Frauen wiederholt der Lüge. Wie das? Ach so, der SGB hatte in einem Video aufgenommen, was die Rechte im Parlament und in seinem Blatt andauernd in Aussicht gestellt hat: die Frauen zur längeren Arbeit zwingen als erster Schritt zur allgemeinen Rentenalterserhöhung. Die tonangebenden Kräfte im Land verdeutschen das (auch in der NZZ) als Zielvorgabe von erst mal 66, dann 67, dann 70 Jahre oder mehr. Der SGB hat sich darauf bezogen. Da aber im Text der Konterreform diese überdeutliche Zielvorgabe natürlich nicht erwähnt wird – Salamitaktik – lügen Schäfer & Co. dauernd von einer Lüge der Gegenseite.

Und was schreibt der gleiche Autor noch am Abend seines Siegs? Tolle Sache, jetzt ist der Damm gebrochen, vorwärts zu weiteren Reformen – aber mit Mass, um nicht argen Widerstand zu provozieren. Das «Mass» geht laut Schäfer z. B. so: Die Gewerkschaften wollen eine 13. Monatsrente. Die Bonzensprösslinge vom Jungfreisinn fordern Rentenantritt erst mit 66, dann 67 Jahren. Hey, Avenir Suisse sagt, beides sei richtig, «mehr Rente, dafür länger arbeiten». (Mehr Rente kann heissen: ein Weihnachtszustupf.) Ein anderes «Mass» erwähnt der Schreiber auch: «Eine Idee war in den letzten Wochen in bürgerlichen Kreisen mehrfach zu hören»: eine «AHV-Schuldenbremse». Gibt es Finanzierungsprobleme, muss sie die Politik rechtzeitig lösen. «Tut sie das nicht, treten automatisch Massnahmen in Kraft, die im Gesetz mehr oder weniger präzis definiert werden.» Angesichts der Machtverhältnisse wäre da eine weitere Ausdehnung der antisozialen Mehrwertsteuerbeiträge wohl noch «gemässigt», aber natürlich grinsen demoskopisch-mathematisch unabdingbare Alterserhöhungen, noch magerere Renten u. ä. um die Ecke. Ein weiteres «Mass» habe «der Bundesrat 2014 mit einem konkreten Vorschlag gezeigt: Personen mit tieferen Einkommen, die früh ins Arbeitsleben eingestiegen sind und im Durchschnitt eine geringere Lebenserwartung haben, hätten ihre AHV-Rente zu besseren Konditionen vorbeziehen können. Dieser Vorschlag könnte wieder zum Thema werden, wenn es darum geht, unerwünschte Folgen einer generellen Erhöhung des Rentenalters auf 66 oder 67 abzufedern.»

Was hat er doch gelogen, der SGB!

3.      Letzte Anmerkung.

SGB. Er hat sich in dieser Kampagne unbestritten ins Zeugs gelegt. Leider tat er das auch vor wenigen Jahren mit seiner Forderung nach einem Renteneintrittsalter von 65 Jahren auch für Frauen. Klar, mit einigen Verbesserungen, die die Spenderlaune der Mächtigen überfordert hatten. Im Gegensatz wohl zu denen, die Berset und die Seinen heute in Sachen Frauen und Pensionskassen überhaupt zu denken wagen. Doch das war nebensächlich. Im Kern hatten die Gewerkschaften die Logik der Macht übernommen: Alter rauf! Das scheiterte damals. Fakt bleibt, dass der SGB damit die «Erhöhung des Frauenpensionsalters» als diskussionswürdig propagiert hatte. Bis heute keine Selbstkritik, nur eine Niederlage.