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16.02.2024
Brasília. Der Oberste Gerichtshof Brasiliens (STF) hat angeordnet, dass der ehemalige Präsident Jair Bolsonaro seinen Reisepass abgeben muss.
Dies erfolgte im Rahmen des Großeinsatzes der Bundespolizei, die Ende vergangener Woche gegen den Ultrarechten und seine Verbündeten wegen des versuchten Staatsstreichs vom 8. Januar 2023 durchgeführt wurde.
Der Präsident des Obersten Wahlgerichts und Minister des Bundesgerichtshofs, Alexandre de Moraes, erließ die Anordnung im Rahmen der "Operation Stunde der Wahrheit" (Operação Tempus Veritatis), die den versuchten Putsch und die Aushebelung des demokratischen Rechtsstaates untersucht. Er identifizierte in einer mutmaßlichen "kriminellen Organisation" mehrere "Aktionskerne", darunter einen, der die Idee eines "institutionellen Bruchs" innerhalb des Militärs propagieren sollte.
Die Ermittlungen erstrecken sich auf die Ereignisse vor und nach dem 8. Januar 2023 und beinhalten den Verdacht, dass die Beteiligten vor der Amtseinführung von Luiz Inácio Lula da Silva über ein Dekret zur Annullierung der von ihm gewonnenen Wahlen diskutiert haben, um Bolsonaro an der Macht zu halten. Auch die Verhaftung von zwei Richtern des Obersten Gerichtshofs und des Präsidenten des Senats wurde besprochen.
Das Oberste Wahlgericht hat Bolsonaro bereits zu einer Geldstrafe wegen Verbreitung negativer Propaganda und falscher Nachrichten über Lula während des Präsidentschaftswahlkampfs 2022 verurteilt. Er hatte verschiedentlich behauptet, Lula würde mit dem Kartell "Primeiro Comando da Capital" in Verbindung stehen, der größten kriminellen Organisation des Landes.
Die Operation richtet sich unter anderem gegen vier ehemalige Minister: Augusto Heleno (Ex-General, Leiter des Kabinetts für Institutionale Sicherheit), Walter Braga Netto (Ex-General, Verteidigungsminister), General Paulo Sergio Nogueira de Oliveira (Verteidigung) und Anderson Torres (Justiz). Braga Netto war Vizepräsidentschaftskandidat auf Bolsonaros Wahlkampfticket 2022.
Gegen Valdemar Costa Neto, den Vorsitzenden der Partido Liberal ‒ der Partei Bolsonaros ‒, wird in der Sache ebenfalls ermittelt. Er wurde wegen illegalen Waffenbesitzes verhaftet, als sein Haus bei der Polizeiaktion durchsucht wurde.
Auch drei ehemalige enge Mitarbeiter Bolsonaros wurden verhaftet: Filipe Martins, Berater des Präsidenten für internationale Angelegenheiten, der ehemalige Adjutant Oberst Marcelo Câmara und der Major der Spezialeinheiten der Armee, Rafael Martins de Oliveira. Am vergangenen Sonntag wurde zudem Oberst Bernardo Romão Corrêa Neto bei seiner Rückkehr aus den USA festgenommen.
Gegen den General der Reserve Braga Netto, der auch Bolsonaros Kabinettschef war, gab es einen Durchsuchungsbefehl. Nach der Wahlniederlage ordnete er laut Polizei an, Druck auf Militäroffiziere auszuüben, die sich dem Putsch widersetzten. Im vergangenen November wurde er wegen Machtmissbrauchs für acht Jahre aus dem Amt entfernt, weil er die Feierlichkeiten zur Zweihundertjahrfeier der Unabhängigkeit zu einer Wahlveranstaltung gemacht hatte.
General Nogueira, Bolsonaros letzter Verteidigungsminister, hatte dem Obersten Wahlgericht einen Bericht vorgelegt, in dem er auf angebliche "Risiken" des elektronischen Wahlsystems hinwies. General Heleno, Bolsonaros wichtigster Berater in Sicherheitsfragen, wird von Richter de Moraes beschuldigt, "für die Sammlung von Informationen" verantwortlich zu sein, die Bolsonaro bei der Durchführung des Staatsstreichs helfen sollten.
Insgesamt wurden 33 Durchsuchungsbefehle, vier Haftbefehle und 48 einstweilige Verfügungen vollstreckt, darunter ein Kontaktverbot zu den anderen Verdächtigen, ein Verbot, das Land zu verlassen, die Abgabe der Pässe innerhalb von 24 Stunden und die Suspendierung von der Ausübung öffentlicher Funktionen.
Bei der "Operação Tempus Veritatis" spielen auch Aussagen des ehemaligen Bolsonaro-Adjudanten Oberstleutnant Mauro Cid eine Rolle, der mit der Bundespolizei kooperiert. Gegen ihn selbst laufen zahlreiche Verfahren, er ist seit Mai 2023 in anderer Sache in Haft und gilt als enger Vertrauter Bolsonaros.
Die Ermittlungen haben laut STF ergeben, dass in der Wahlperiode 2022 Gruppen organisiert wurden, die bereits vor dem Urnengang Falschinformationen über einen Wahlbetrug verbreiteten, um eine Militärintervention zu ermöglichen. Die Staatsanwaltschaft stellte fest, dass "die erste Achse in der Konstruktion und Verbreitung der Version des Betrugs (...) durch Falschnachrichten über Schwachstellen im elektronischen Wahlsystem bestand, ein Diskurs, der von den Beteiligten seit 2019 wiederholt wurde und auch nach den Ergebnissen der zweiten Wahlrunde 2022 anhielt".
Die "zweite Handlungsachse bestand in Handlungen zur Förderung der Abschaffung des Rechtsstaates durch einen Putsch mit Unterstützung von Militärs mit Kenntnissen und Taktiken von Spezialeinheiten in einem politisch sensiblen Umfeld". Dieser Sachverhalt kann zu einer Anklage wegen krimineller Vereinigung, gewaltsamer Abschaffung des demokratischen Rechtsstaates und Staatsstreichs führen.
Bolsonaro sieht sich indes als Opfer: "Es ist mehr als ein Jahr vergangen, seit ich aus der Regierung ausgeschieden bin, und ich leide weiterhin unter einer unerbittlichen Verfolgung. Vergessen Sie mich, es regiert bereits jemand anderes", sagte er der Zeitung Folha de Sao Paulo.
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