Westliche Kollektivbestrafung Gazas – Finanzstopp für die UNRWA

Sonntag, 4. Februar 2024

 Amira Hass*

Der Verdacht, dass 12 UNRWA-Mitarbeiter an den Massakern vom 7. Oktober beteiligt waren, führte dazu, dass 15 westliche Länder alle Bewohner:innen des Gazastreifens bestraften, des derzeit schlimmsten humanitären Katastrophengebiets der Welt. Aufgrund der von Israel vorgelegten Beweise, die diesen Verdacht untermauern, kündigten die Vereinigten Staaten, gefolgt von Japan und europäischen Ländern, umgehend die Aussetzung ihrer Beiträge zum UNRWA an.

Das UNO-Hilfswerk versorgt fast 6 Millionen palästinensische Flüchtlinge in drei Ländern und den seit 1967 von Israel besetzten Gebieten, darunter Ostjerusalem. Das UNRWA steht schon seit vielen Jahren im Fadenkreuz Israels, so dass das Land den Schritt natürlich begrüsste - als ob das Verschwinden des Hilfswerks der Vereinten Nationen für palästinensische Flüchtlinge die Verbindung der Palästinenser:innen zu ihrer verlorenen Heimat auslöschen würde.

Ab nächstem Monat werden rund 30.000 UNRWA-Mitarbeiter kein Gehalt mehr erhalten, und die Bildungs- und Gesundheitsdienste, die das Hilfswerk Hunderttausenden von Menschen zur Verfügung stellt, werden stark beeinträchtigt werden. Da diese wichtigen Mittel fehlen, werden die UNRWA-Mitarbeiter in der bombardierten und blutenden Enklave Gaza nach und nach ihre Notdienste einstellen.

Sie werden nicht mehr in der Lage sein, die lebenswichtigsten Operationen durchzuführen, die sie unter Gefährdung ihrer eigenen Sicherheit auf sich genommen haben, um das Elend der Menschen heute etwas zu lindern: Treibstoff zu den Krankenhäusern und zu den Teilen des Wasser- und Abwassersystems im Gazastreifen zu transportieren, die noch nicht durch den Krieg zerstört wurden, damit die Trinkwasserversorgung nicht völlig zusammenbricht und die Abwässer nicht noch mehr Strassen überfluten; sich um die grundlegendsten hygienischen Bedingungen in den UNRWA-Schulen zu kümmern, die mit Hunderttausenden von Binnenflüchtlingen aus dem Gazastreifen überfüllt sind; die Kranken in den Kliniken zu behandeln - einschliesslich derer, die sich durch die Überbelegung und das verschmutzte Wasser infiziert haben - und Hunderttausende von hungrigen und durstigen Menschen mit Grundnahrungspaketen und Wasserflaschen zu versorgen.

Keine Hilfsorganisation ist in der Lage, das UNRWA, das über jahrelange Erfahrung in der Betreuung der Flüchtlingsbevölkerung des Gazastreifens verfügt, in nur wenigen Wochen zu ersetzen. Als Reaktion auf die Vorwürfe entliess das UN-Hilfswerk neun seiner Mitarbeiter, während ein Mitarbeiter Berichten zufolge getötet wurde und zwei vermisst werden. Ausserdem wurden zwei Untersuchungsausschüsse eingesetzt, von denen einer dem UNRWA und der zweite dem UN-Hauptquartier in New York seine Ergebnisse vorlegen wird. Aber diese Schritte haben die Länder der aufgeklärten Welt nicht zufrieden gestellt.

Ihre Entscheidung für eine kollektive Bestrafung wird den Hunger, die Unterernährung, den Durst und die Krankheiten, die den Gazastreifen heimsuchen, noch verschlimmern. Die rasche Ankündigung dieser Staaten zeigt die Missachtung der einstweiligen Verfügung des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag vom letzten Monat, nachdem dieser Israel aufgefordert hatte, alle in seiner Macht stehenden Massnahmen zu ergreifen, um einen Völkermord zu verhindern, wozu auch die Sicherstellung der humanitären Hilfe für den Gazastreifen gehört - eine Aufgabe, bei der das UNRWA eine zentrale Rolle spielt.

Fünfzehn Länder, angeführt von den USA und Deutschland, signalisieren, dass sie die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen weniger ernst nehmen als die Verdachtsmomente, die durch die Beweise gegen 12 Mitarbeiter der Agentur aufgeworfen wurden, und dass die Verringerung oder das Aufhalten dieser Massenkatastrophe weniger dringend ist als die Befriedigung ihres Verbündeten, Israel. Eines Verbündetern, der seit Jahrzehnten eine Politik der Siedlungen und der Zwangsumsiedlung von Palästinenser:innen voranreibt, die diese anderen Länder auf dem Papier ebenfalls ablehnen. Sie wissen von Berichten über israelische Soldaten und Zivilisten, die unbewaffnete Palästinenser getötet haben, und von der Tatsache, dass die Täter in den meisten Fällen nicht bestraft werden. Hochrangige Kabinettsmitglieder ihres israelischen Verbündeten haben sich offen für das Verbrechen der Vertreibung der Palästinenser aus dem Gazastreifen ausgesprochen.

Der Kontrast zur schlaffen Verurteilung all dessen durch die 15 Länder - wenn sie es überhaupt getan haben - verstärkt daher nur die Schande ihrer Entscheidung, Israel bei seinem Rache- und Zerstörungsfeldzug gegen alle Bewohner des Gazastreifens zu unterstützen.

Bild: Haaretz, 4.2.24

 

 

·       haaretz.com, 4.2.24: When the West Collectively Punishes Gaza by Suspending Funding to UNRWA