Nicaragua: zum 25. Jahrestages des Mordes an unseren Genossen

Freitag, 29. Juli 2011

Nicaragua: zum 25. Todestag der Ermordung unserer Genossen
Vor 25 Jahren fielen fünf Compas, Internationalisten und Sandinistas, im Norden von Nicaragua

Liebe GenossInnen in Nicaragua, Frankreich, Deutschland und der Schweiz, vor allem Orlando, Marcia, Fatima, Joël und Fernand:
Am 28. Juli 1986 ermordete die Contra in Zompopera Yvan, Joël, Berndt, William und Mario.
Deshalb wird dieses Datum für uns alle ein besonderes sein, denn an diesem Tag verloren wir für immer Compañeros, die Freunde waren, Brüder. Bis heute und trotz der politischen Situation, die jede und jeder von uns im jeweils eigenen Land erlebt, erinnert uns der 28. Juli an eine Zeit, jene der 1980er Jahre, in der GenossInnen aus der ganzen Welt auf Nicaragua als die Hoffnung blickten, die Welt verändern zu können. Für diese Hoffnung gaben viele compañeras und Compañeros ihr Leben.
Man redete nicht nur vom neuen Menschen, dem neuen Mann, der neuen Frau, dem neuen Kind, sondern wir hatten schon angefangen, eine neue Realität zu LEBEN. Es stimmt: Für uns (die wir damals in Nicaragua lebten), bleiben die 80er Jahre eine Zeit des Austausches, der Solidarität, der geteilten Freude. Eine unvergessliche Zeit und so voller Optimismus, dass wir erneut darauf hoffen und dafür arbeiten, dass ähnliche Zeiten wiederkehren.
Yvan, Joël, Berndt, William und Mario gaben ihr Leben und konnten so nicht mehr dafür sorgen, dass es mit der Revolution vorwärts ginge. Es gab Brüche. Aber was nicht brach, ist der Faden der Hoffnung und des Versuchs, Werte zu leben, die nichts mit Kapitalismus und Globalisierung zu tun haben.
In diesen Tagen feiern wir auch den 32. Jahrestag der Revolución Popular Sandinista. Wir sind uns gewiss, dass das sandinistische Volk und vor allem auf kreative Weise die Jugend den Weg zur zweiten im Gang befindlichen Revolution weitergehen wird.
So können wir sagen, dass unsere Genossen bis zum heutigen Tag in unseren Herzen und vor allem in unserer Art zu arbeiten, leben und lieben weiterleben.
28. Juli 2011, Genève, Schweiz, Viviane Luiser und Gérald Fioretta

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Aus Radio La Primerísima, 25. Juli 2011
Matagalpa ehrt die Internationalisten, die ihr Leben für Nicaragua gaben
Am 28. Juli wird das Volk von Matagalpa der internationalen Solidarität und der Internacionalistas gedenken, die das Land in den 80er Jahren während des von den USA geförderten und finanzierten Aggressionskrieges begleiteten.
Die NGO Odesar und die sandinistische Jugendorganisation des Departments informieren in  einer Pressemitteilung, dass man an drei damals ermordete Internacionalistas erinnern wolle. Es handelt sich um den Franzosen Joël Fieux, den Schweizer Yvan Leyvraz und den Deutschen Berndt Koberstein, die 1986 in einem Hinterhalt der Konterrevolution bei Zompopera auf dem Gebiet der Gemeinde Wiwilí in Jinotega ihr Leben verloren.
Joël Fieux, Militanter des Frente Sandinista in der Region VI, stand im Zentrum verschiedener Initiativen wie der Einrichtung von Radios und der Ausbildung von Radiopersonal.
Yvan Leyvraz kam 1983 nach Nicaragua und arbeitete an Wohnungsprojekten des Wohnungministeriums MINVAH mit, während Berndt Koberstein erst seit zwei Monaten im Land war und in einem Projekt mitarbeitete, das der Wasserversorgung der Comunidades in der Gegend von Wiwilí diente.
„Sie sind Ausdruck des solidarischen Vermächtnisses von Männern und Frauen, die ihre Kenntnis, ihr Streben und sogar ihr Leben hergaben, um zu unseren Errungenschaften beizutragen“, schreiben die OrganisatorInnen der Erinnerungsfeier.
Die Feier wird am Donnerstag, den 28. Juli, im Centro Cultural Héroes y Mártires der Stadt Matagalpa stattfinden. Der Bürgermeister von Matagalpa, Sadrach Zeledón, wir daran teilnehmen.

Kuba-Blockade: Händler prüfen Klage gegen PayPal

http://amerika21.de
28. Jul 2011

Online-Bezahldienst kündigt Verkäufern wegen des Vertriebs kubanischer Waren. Betroffene wollen rechtliche Schritte ergreifen

Berlin. Der Online-Bezahldienst PayPal muss mit einer Sammelklage mehrerer deutscher Internethändler rechnen, nachdem das Tochterunternehmen des US-amerikanischen eBay-Konzerns den Kunden wegen Kontakten nach Kuba die Konten gesperrt hat. Der jüngste Fall des schleswig-holsteinischen Onlinehandels Rum & Co war Mitte dieser Woche publik geworden: Dem Unternehmen war von PayPal gekündigt worden, weil Rum & Co auch Waren aus Kuba vertreibt. Zuerst hatte am Dienstag das Onlinemagazin Golem.de über den Fall berichtet.
PayPal führte im Kontakt mit dem Besitzer Thomas Altmann die Bestimmungen einer Blockade an, die von den USA seit 1962 gegen Kuba aufrecht erhalten wird. "Entfernen sie alle kubanischen Zigarren von ihrer Website, die gegen die PayPal-Nutzungsbedingungen verstoßen", zitiert Altmann aus einer etwas kryptischen Mitteilung des Unternehmens. Auch Rum und sogar Aschenbecher seien von dem Handelsverbot betroffen, so Altmann.
Gegenüber amerika21.de kündigte Onlinehändler Altmann nun rechtliche Schritte gegen den Konzern an. "Diese willkürliche Kontosperre trifft offenbar weitaus mehr Händler", sagte er im Interview. Mit anderen Betroffenen will Altmann erörtern, wie gegen die Kontensperrung nach deutschem und europäischem Recht gerichtlich vorzugehen ist. "Es kann doch nicht sein, dass hier in Europa US-Gesetze Anwendung finden", empört sich Altmann, bei dem sich in den vergangenen Tagen rund zehn weitere Opfer der PayPal-Firmenpolitik gegenüber Kuba gemeldet haben.
PayPal gehört seit 2002 dem US-Konzern eBay an. Den Hauptsitz unterhält die Firma in San José im US-Bundesstaat Kalifornien, das europäische Tochterunternehmen läuft auf den Namen "PayPal (Europe) S.à r.l. & Cie, S.C.A." mit Sitz in Luxemburg. Juristen bezweifeln deswegen, dass die extraterritoriale Wirkung der US-Bockade in der EU durchsetzbar ist.
Im Interview mit Golem.de hatte der Fachanwalt Michael Terhaag in diesem Zusammenhang die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Unternehmens als rechtlich fragwürdig bezeichnet. In den AGB heißt es: "Nach eigenem Ermessen behalten wir uns vor, Konten jederzeit zu schließen" oder die Funktion zu begrenzen. Nach Terhaags Ansicht sind Kunden gegen die Bestimmungen bislang nur nicht vorgegangen, weil sich ein Rechtsstreit in Luxemburg oft nicht lohnt. Im Fall einer Sammelklage mehrerer betroffener Händler könnte sich das ändern.
Das Vorgehen des eBay-Tochterunternehmens gegen Kunden mit Kuba-Kontakten ist nicht neu. Seit Ende vergangenen Jahres wurde einer gemeinnützigen Bildungsorganisation in Großbritannien mehrmals das PayPal-Konto gesperrt, weil die Gruppierung Medizinstudenten Kurse in Kuba vermittelt.
Bislang hat die Europavertretung von PayPal nicht auf Presseanfragen reagiert. Golem.de wartet vergebens auf eine Stellungnahme. Auch amerika21.de versuchte am Dienstag und Mittwoch, die Pressestelle des Unternehmens per E-Mail und telefonisch zu erreichen. Die Bitte um Rückruf wurde bislang nicht beantwortet.

Nicaragua: Ortega führt, Naumann hetzt

http://amerika21.de/

27. Jul 2011

Amtierender Präsident kann mit rund 60 Prozent der Stimmen rechnen. Vertreter der deutschen Naumann-Stiftung spricht von Wahlbetrug

Managua. Nach der letzten Meinungsumfrage des nicaraguanischen Unternehmens M&R Consultores zur Präsidentenwahl Anfang November 2011 wurde ein Stimmenanteil von 56,5 Prozent für den amtierenden Staatschef Daniel Ortega prognostiziert. Dies berichtete die nicaraguanische Zeitung La Prensa. Der Kandidat Fabio Gadea vom Oppositionsbündnis "Unidad Nicaraguense de Esperanza" (Nicaraguanische Einheit der Hoffnung) kann demnach mit nur 14,1 Prozent der Stimmen rechnen, der ehemalige Präsident Arnaldo Alemán mit 5,8 Prozent. Bei einem solchen Ergebnis wäre Daniel Ortega im ersten Wahlgang gewählt.
Für Ortega wäre dies die dritte Amtsperiode in Nicaragua. Von 1985 bis 1990 war der ehemalige Rebellenkommandant nach dem Sturz des Diktators Anastasio Somoza durch die Sandinistische Befreiungsfront (FSLN) 1979 zum ersten Mal Präsident. Nach Jahren der Erfolglosigkeit der Sandinisten gewann Ortega die letzten Wahlen. Bei der Umfrage desselben Institutes im April dieses Jahres erreichte Ortega lediglich 47,85 Prozent. Die Umfrage sieht eine größere Unterstützung von Ortega durch parteiunabhängige Wähler. Nach den Wahlgesetzen in Nicaragua hat ein Kandidat dann gewonnen, wenn er 40 Prozent der Stimmen oder 35 Prozent bei einem Abstand von fünf Prozent zum nächstplatzierten Gegenkandidaten erhalten hat.
Der erneute Antritt Ortegas ist möglich, nachdem der Oberste Gerichtshof das bis dahin bestehende Verbot einer Wiederwahl für verfassungswidrig erklärt hat. Die Opposition kritisiert diese Änderung. Offensichtlich spielt eine Gruppe, die sich Mitte der 1990er Jahre wegen der Kritik an Ortega von der FSLN abgespalten hatte bei diesen Wahlen keine Rolle mehr. Dieser "Sandinistischen Erneuerungsbewegung" (MRS) gehören mehrere prominente ehemalige Mitglieder der FSLN an, die nun ein Bündnis mit Gadeas rechtsgerichteter "Unabhängigen Liberalen Partei" eingegangen sind.
Wie der oberste Wahlrat (CSE) diese Woche mitteilte, haben sich bisher 3,3 Millionen und damit 52,6 Prozent der abstimmungsberechtigten Nicaraguaner in die Wahllisten eingetragen. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt ein Rekordstand.
Trotz des schwachen Zuspruchs bekommen die untereinander zerstrittenen Parteien der Rechten in Nicaragua Hilfe von der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. Der wegen seiner befürwortenden Haltung für den Putsch in Honduras 2009 umstrittene Regionalvertreter, Christian Lüth, prognostizierte in einem Interview mit La Prensa einen "bedauerlichen Wahlsieg" Ortegas. Ein Grund dafür sei die Isolation und Fragmentierung der Rechten. Daneben warf der deutsche Stiftungsvertreter der Staatsführung jedoch offen einen geplanten Wahlbetrug vor. In einem Bericht für die FDP berief sich der Funktionär auf ein ominöses "geheimes Strategiepapier", nach dem die FSLN über Bürgermeister eine Manipulation der Wahlen plant.
Die FDP und befreundete Gruppierungen der europäischen Rechten werden weiter versuchen, eine Allianz gegen Ortega zu schaffen, so Lüth weiter. Entsprechende Versuche gab es bereits: Im November 2009 war der rechtsgerichtete niederländische EU-Abgeordnete und ehemalige Militär Hans van Baalen in Nicaragua zur Persona non grata erklärt worden. Van Baalen hatte sich nach Aussagen Beteiligter zuvor mit Militärs getroffen, um die Möglichkeit eines Aufstandes gegen die sandinistische Regierung zu erörtern.

INHALTSVERZEICHNIS CORREOS 166

Donnerstag, 28. Juli 2011

10. Juni 2011


GUATEMALA
Man darf sich nicht daran gewöhnen!
Mitte April besuchte die Gründerin und Direktorin der Stiftung Sobrevivientes, Norma Cruz, auf Einladung von Amnesty International die Schweiz. Im folgenden Interview berichtet sie über ihre Arbeit und darüber, wie eine Gesellschaft mit einem so hohen Gewaltlevel, speziell auch mit den grausamen Frauenmorden, leben kann.
Barbara Müller befragt Norma Cruz

MEXIKO
Die Geschichte der Familie Reyes Salazar
Eine linke Familie in Ciudad Juarez wird verfolgt – ein Blick hinter die Fassade des „Drogenkrieges“.
Kristin Bricker

Der kommende Krieg
Im Zeichen der Verbrechensbekämpfung weiten die USA ihren Krieg von Mexiko auf Zentralamerika aus.
Ricardo Martínez Martínez

„Wir wollen kein Gold, wir wollen leben
Der Widerstand gegen den Raubbau an Naturressourcen in Mexiko radikalisiert sich. Lehren aus einem Treffen in Oaxaca.
Philipp Gerber

EL SALVADOR
Kriminelle Rechte
Die Armme erhält, bisher mit dem Segen des FMLN, zunehmend mehr Funktionen bei der Verbrechensbekämpfung. General Munguía Payés, dem  Verteidigungsminister, reicht das nicht; er fordert freie, von „garantistischen“ Gesetzen ungebremste Bahn für seine Truppen. Die Rechte ruft nach dem Ausnahmezustand und hält die Kriminalitätszustände am Kochen. Drei Beispiele.
Dieter Drüssel

Impressionen vom 30. Jahrestag der Frente
Als ich letzten Oktober in El Salvador weilte, hatte ich das Glück, an der Feier zum 30. Jahrestag der Gründung der FMLN dabei zu sein und ich möchte im Folgenden einige berührende und bleibende Eindrücke wiedergeben.
Ruth Waldvogel

StrassenverkäuferInnen in der Casa Presidencial
Ein rabiater Bürgermeister will die VerkäuferInnen „wegsäubern“. Doch die VerkäuferInnen haben einen Draht ins Präsidentenpalais, erteilen der Handelskammer eine Abfuhr und hoffen auf den FMLN.
Mela Wolf

Das Rätsel der Remesas
Die Leute erhalten real viel weniger Geld von ihren ausgewanderten Angehörigen, als offiziell angegeben. Die Narcoökonomie lässt grüssen und die Sozialerzählung stürzt ab.
Dieter Drüssel

NICARAGUA-SOLIDARITÄT
Ein Land im Notstand
Ein Reisebericht der Sekretärin von AMCA, der engagierten Tessiner Associazione di aiuto medico al Centro America. AMCA ist seit Jahren auf dem Gebiet der medizinischen Hilfe speziell in Nicaragua tätig. Die Autorin beschreibt Projekte, die eine Vorstellung von der Breite der Solidarität geben, und stellt diese in den Kontext unabdingbarer politischer Entscheidungen für eine andere Entwicklung als jene des grassierenden Konsumismus.
Manuela Cattaneo


VENEZUELA/KOLUMBIEN
Im Fadenkreuz der Neocons
Ein Geheimdienstclub in London mit einer verbrecherischen Rolle beim Lostreten des Irakkrieges veröffentlicht einen Bericht über angebliche FARC-Intimitäten von Hugo Chávez und Rafael Correa.
Francisco Domínguez

Chávez im Zwielicht
Zur Auslieferung eines kolumbianischen Flüchtlings schwedischer Nationalität an Kolumbien.
Dieter Drüssel

Venezuela – gefährlich für ausländische RevolutionärInnen?
Am 1. Juni wurde das FARC-Kader Julián Conrado, bekannt auch als der cantautor campesino dieser Guerilla, in Venezuela verhaftet. Das venezolanische KP-Organ Tribuna Popular sah sich zu einer Reisewarnung an internationale Linke genötigt.
Editorial Tribuna Popular


PERU
Das Dilemma von Ollanta
Warum die Wahl von Ollanta Humala zum peruanischen Präsidenten trotz allen Einschränkungen möglicherweise einen herben Rückschlag für die aggressive Strategie der USA in Lateinamerika bedeutet.
Atilio Borón

Botschaft der Mafia
Mit einem Börsensturz soll ein Präsident diszipliniert werden, der geostrategisch aus der Reihe tanzen könnte.
Atilio Borón


HONDURAS
Zurück in der OAS – zurück in der Normalität?
Fragen zum honduranischen Normalisierungabkommen.
Renaud Lambert

Probe für den Widerstand
Kein gutes Abkommen, aber auch kein Schlussstrich unter den Kampf.
Dieter Drüssel

Honduras: Weitere Morde an Bauern und Journalisten



(zas, 28.7.11) In den letzten zwei Wochen sind vier Mitglieder von bäuerischen Kooperativenunternehmen im Gebiet des Bajo Aguán, also des unteren Verlaufes des Flusses Aguán in der Karibikregion von Honduras, ermordet worden. Hintergrund ist auch bei diesen Morden der Konflikt zwischen bäuerischen Kooperativen und einigen Grossgrundbesitzer um Miguel Facussé um das Land. Während auch die Kooperativen Ölpalmen anpflanzen, nebst dem Anbau von Nahrungsmitteln für den Eigenbedarf, wollen sich die Agrarkapitalisten um Facussé, einen wichtigen Financier des Putsches vom Juni 2009, den ganzen fruchtbaren Boden für ihre Exportgeschäfte mit Agrosprit aneignen. Seit dem Putsch können sie mit ihren eigenen Privatarmeen und mit Unterstützung der staatlichen Sicherheitskräfte staatlich ungehindert versuchen, diesen Plan umzusetzen. Doch den Widerstand der Landbevölkerung und der Widerstandsfront FNPR konnten sie noch nicht brechen.
Im Bajo Aguán. Foto: Los Necios

Am  16. Juli 2011 wurden der Luis Alonso Ortíz (52) und Constantino Morales Enmorado (32) in der Gemeinde Trujillo (Dep. Colón) mit einer Reihe von Schüssen ermordet. Ihre KollegInnen von der Basisorganisation MUCA berichten von andauernden Einschüchterungen der BäuerInnen durch maskierte Männer, die sich in nummernlosen Fahrzeugen bewegen und mit AK-47-Gewehren Schüsse abfeuern. (Quelle: FIAN-Mitteilung, 20.7.11).
Am 23. Juli 2011 wurde in der gleichen Gegend das MUCA-Mitglied Julián Alvarenga (45), Vorstand des Kooperativunternehmens Isla Uno, ermordet. Zusammen mit Vorstandskollege Santos Dubón war er in Richtung des Städtchens Tocoa unterwegs, als sein Wagen gestoppt und er anschliessend erschossen wurde. Santos Dubón wurde schwer verletzt und schwebte in Lebensgefahr. Wilfredo Paz vom departementalen FNPR berichtete über vorausgegangen Morddrohungen gegen Julián Alvarenga: „Sie sagten, sie würden ihn umbringen, wenn er sich nicht von der Campesinaorganisation zurück ziehe. Ich kannte ihn gut. Er war ein mutiger und kampfbereiter Genosse. Sehr engagiert, nicht nur im Kampf der BäuerInnen, sondern auch im Widerstand des FNPR“. (Quelle: Rel-UITA).
Am 25. Juli starb Carlos Maradiaga, Vorstandmitglied des Kooperativunternehmens  Coapalma-Ecara im Departement Colón in der Stadt La Ceiba, wo er sich zusammen mit anderen Vorstandsmitgliedern eben anschickte, das Gebäude eines staatlichen Büros zu betreten, als zwei Individuen auf einem Motorrad heranfuhren, ihm ein Kettchen entrissen und ihn mit zwei Schüssen niederstreckten. Der FNPR schliesst jedoch einen Raubüberfall aus, da das Kettchen am Tatort gleich fort geschmissen wurde. (Quelle: Los Necios).
Die Kooperative Coapalma-Ecara. Foto: Los Necios.

Mit diesen Morden sind es 36 Bauern aus den Kooperativen im Bajo Aguán, die seit Januar 2010 ermordet wurden, 13 von ihnen in den letzten vier Monaten. In keinem einzigen Fall ist ein Mord aufgeklärt worden. Begründung der Behörden für ihre Untätigkeit: Die Kollegen etwa der am 16. Juli ermordeten würden die Polizei am Arbeiten hindern.
Am 14. Juli ist Geremías Orellana (26) mit einem Kopfschuss ermordet worden, als er bei der Ortschaft Candelaria, Dep. Lempira, mit dem Moto unterwegs war. Das FNPR-Mitglied Geremías Orellana leitete das Lokalradio von Candelaria nahe bei der salvadorianischen Grenze. Der Priester des Ortes, José Amilcar Lara, gab bekannt, dass auch er und er Bürgermeister die beide im Radio mitarbeiteten, Morddrohungen erhalten habe. Manuel Orellana ist der 13. seit dem Putsch ermordete Journalist im Land. (Quelle: FNPR).
Geremías Orellana
 Am 27. Juli 2011 gab das aus Medienschaffenden zusammengesetzte C-Libre (Komitee für Meinungsfreiheit) bekannt, dass der Journalist Soberto García Funez vom jesuitischen Radio Progreso, der aus der Gemeinde Arizona im Department Atlántida über illegale Staudämme berichtet hatte, seine journalistische Tätigkeit massiv einschränkt. Grund: wiederholte Morddrohungen gegen ihn und seine Familie und offensichtliche Beschattung durch Unbekannte. García war zuvor schon öffentlich und physisch vom Bürgermeister von Arizona angegriffen worden. Der Ortspriester César Espinoza berichtete dem Komitee von einem zunehmenden Klima der Gewalt,  14 Menschen seien seit Jahresbeginn ermordet worden und 24 Familien hätten wegen Einschüchterung den Wohnort gewechselt. Espinoza sagte: „Die Behörden sind korrupt und werden bestochen. Die Kriminellen sind Leute von dort, aus Angst nennen wir ihre Namen nicht, aber alle wissen, um wen es sich handelt.

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Für Kurzinfos auf deutsch s. den Bericht einer internationalen Mission im Bajo Aguán, der kürzlich auch dem Europaparlament vorglegt worden ist:

Honduras: Bericht einer internationalen Mission im Bajo Aguán

Von New Orleans nach Port-au-Prince: Profitraserei gegen die Armen

Montag, 25. Juli 2011

Räumungen
(zas, 25.7.11) Die Politik der Zwangsräumung von Vertriebenenlagern, wie sie der gestern hier publizierte Bericht von Bill Quigley und Jocelyn Brooks so eindringlich beschreibt, geht weiter. Am 21. Juli 2011 veröffentlichten das Institute für Justice & Democracy in Haiti (IJDH) aus den USA und sein haitisches Pendant Bureau des Avocats Internationaux (BAI) den Bericht „Football over Families“ über die Räumung von 514 Familien am Montag letzter Woche, die in einem Lager auf dem Parkplatz des Stadions Sylvio Cator in Port-au-Prince eine Notunterkunft gehabt hatten.  Begründung des Bürgermeisters Jean-Yves Jason: das Stadion für einen bevorstehenden Match aufzumöbeln. Staatspräsident Michel Martelly hatte das Lager zusammen mit fünf anderen auf einer Liste geführt, die in den ersten hundert Tagen seiner Amtszeit geräumt werden sollen.
Das Lager im Stadion Sylvio Cator

Einige, lang nicht alle, der betroffenen Haushalte erhielten laut IJDH/BAI 11'000 Gourdes, umgerechnet $250, um fort zu gehen. Jeena Shah von IJDH/BAI erklärte dazu: „Die Offerte von kleinen Summen Geld kommt angesichts von in die Höhe schnellenden Mieten und dem Fehlen von günstigen Wohnmöglichkeiten und von Hilfe bei der Wohnungssuche einer wirtschaftlichen Zwangsausübung gleich“.
Nun, einige wenige der aus dem Stadion Geräumten hatten eine Alternative angeboten bekommen. IJDH/BAI beschreibt die so: „Die Familien, die an der in einer besonders gefährlichen Gegend von Port-au-Prince befindlichen Umsiedlungsstelle eintraffen, fanden sie ohne Trinkwasser, Sanitäranlagen und Sicherheit vor. Dafür fanden sie ein von Müll übersätes Feld mit einer kleinen Zahl von extrem inadäquaten Zelten vor – offenbar ausgelegt auf 2-3 Personen (bei einer durchschnittlichen Familiengrösse von 5 Menschen), nicht mehr als 1.2 Meter hoch und nicht wasserdicht. In der Mitte des Feldes stand ein heruntergekommenes Haus, dessen Boden fast ein Fuss unter schmutzigem Wasser und Abfall stand, das als Nährboden für Krankheiten dienen kann“.
Die BAI-Anwältin Beatrice Lindstrom kam auf eine dramatische Dimension dieses „Angebots“ zu sprechen: „Angesichts dessen, dass sich Haiti mitten in einer wütenden Cholera-Epidemie und in einer Wirbelsturm-Saison befindet, sind diese Bedingungen nichts als unmenschlich und stellen eine eklatante Verletzung der Menschenrechte dar“.

Cholera
Die Cholera-Epidemie, von der jetzt erwiesen ist, dass sie von UNO-Truppen eingeschleppt worden ist (s. Bericht des UNO-Experten-Gremiums vom 4.5.11), nimmt seit Beginn der Regenzeit im Mai/Juni wieder dramatische Ausmasse an. Laut einer am 16. März 2011 in der Fachzeitschrift Lancet referierten Studie muss für die Zeit vom 1. März 2011 bis 30. November 2011 mit 11'100 Todesfällen und 779'000 Erkrankungen wegen Cholera gerechnet werden. Seit ihrem Ausbruch letzten Oktober sind laut dem am 11. Juli 2011 im US-Linksblatt The Nation veröffentlichten Artikel The Shelters That Clinton Built von Isabel Macdonald und Isabeau Doucet 5500 Menschen an der Cholera gestorben. Die beiden Journalistinnen geben die Aussage des Landesdirektors von Médecins sans Frontières wieder, wonach im Armutsvorort Carrefour von Port-au-Prince die Cholera-Fälle von 85 Ende April auf 820 in der ersten Juniwoche gestiegen seien.
Laut Angaben von UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon vom April 2011 waren, 15 Monate nach den Erdbeben, 80 Prozent der Trümmer nicht weggeräumt. Von menschenwürdigen, nicht zwangsweise krankmachenden Wohnstätten für die Erdbebenüberlebenden kann somit keine Rede sein.

Clintons vergiftetes Geschenk
Dies das lebensbedrohende „Umfeld“, in welches hinein der von Frankreich, Kanada und den USA eingesetzte „Wahlsieger“ Martelly, ein überzeugter Anhänger der Duvalier-Diktatur, seit seinem Amtsantritt immer mehr Familien räumen lässt (zu den „Wahlen“ s. Haiti: Wahlbetrug optimieren).  Natürlich ist die „internationale Gemeinschaft“ an diesem unerträglichen Stand der Dinge mitbeteiligt. Wir haben auf diesem Blog und im Correos mehrmals auf die kapitalterroristische Vernutzung der Erdbeben hingewiesen, wie sie seit dem Wirbelsturm Mitch 1998 in Zentralamerika „katastrophenkapitalistischer“ Usus geworden ist (für Haiti, vgl. Correos 161, April 2010: Katastrophenkapitalismus I und II).
Im erwähnten Nation-Artikel berichten Isabel Macdonald und Isabeau Doucet über ein bezeichnendes Bravourstück des Uno-Sondergesandten für Haiti und Ko-Präsidenten der „Wiederaufbau“-Kommission Interim Haiti Recovery Commission (IHRC), Bill Clinton. Seine Clinton Foundation hatte insgesamt 20 Trailer für kommunale Notunterkünfte, bzw., wie sie auf ihrer heute besuchten Homepage erklärt, als „Schulräume für Zeiten ohne Sturmrisiken“ installiert. Das klang vor dem Nation-Artikel vom 11. Juli 2011 anders, nämlich so: „…Wirbelsturm-sichere Notschutzräume, die auch als Schulen dienen können … um die Sicherheit von verletzbaren Bevölkerungen in Hochrisikozonen während der Wirbelsturm-Saison zu garantieren“ (zitiert nach dem Nation-Artikel).
Die beiden Autorinnen beschreiben, wie die zuständigen Gemeinde- und Schulbehörden aufgrund der öffentlichen Versicherungen Clintons in Haiti felsenfest davon überzeugt waren, dass die Trailer jedem Wirbelsturm widerstehen würden – perfekte Schutzräume für die Kinder. Und sie zitieren neue und alte, dem diametral widersprechende Befunde ausgewiesener Experten, etwa auch der US-Notstandsbehörde FEMA: Die Trailer sind keineswegs „Wirbelsturm“-geeicht.
Doch nicht genug damit. Die beiden Frauen fanden trotz Versteckspielen der Clinton-Stiftung heraus, von wem die Clinton-Stiftung die Trailers bezogen hatte – vom Unternehmen Clayton Homes, das dem Grossfonds Berkshire Hathaway von Warren Buffet gehört, einem Sponsor von Bill und Hillary Clinton. Seine Clayton Homes hat in den USA einen Prozess, weil sie nach dem Wirbelsturm Katrina 2005 in New Orleans mit dem Krebserreger Formaldehyd verunreinigte Trailer für die dortigen Überlebenden geliefert und damit massiven öffentlichen Protest provoziert hatte. Luftproben, welche The Nation aus 12 von Clintons Trailern in Haiti entnommen und zur Untersuchung an renommierte US-Labors geleitet hatte, ergaben in einem Fall eine Konzentration von Formaldehyd von 250 Teilen pro Milliarde. Für den Experten Randy Maddalena vom Lawrence Berkeley National Laboratory liegt die gefundene Dosierung 12-25 mal über jener für „normale“ Bauten,  „und selbst die gilt als über den regulatorischen Schwellen liegend“.  Auch die Fundquote entspreche jener von 9 Prozent in den von der FEMA nach Katrina vermittelten Trailern von Clayton Homes. Maddalenas Schlussfolgerung zu den Trailern in Haiti: „Man muss diese Kids dort rausholen“.
Die Schultrailer in Léogâne. Foto: Canadian Centre for Investigating Reporting.

Die beiden Nation-Journalistinnen sind nicht von ungefähr auf diese Zusammenhänge gestossen. Als sie die Clinton-Trailer ein halbes Jahr nach ihrer Installation besuchten, fanden sie „Schutzräume“ „mit einer Reihe von Problemen“ vor, die „von Schimmel über Bruthitze  zu schäbiger Konstruktion“ reichten. In diesen „Schulzimmern“ herrschte eine stickige Hitze von 40 Grad, Wasser- und sanitäre Anlagen fehlten – selbst bei Trailern, die abseits von Wohngegenden aufgestellt worden waren. Die Sechstklässerin Judith Seide berichtete, dass ihr „Kopf“ jeden Tag „schmerzt und ich spüre, wie sich alles dreht und ich mich nicht mehr bewegen darf, sonst würde ich fallen“.  Ihre Sicht wird dunkel, genau so wie bei ihrem  Schulkameraden Judel, der manchmal seine Augen nicht öffnen kann. Die Sechstklässerin Mondialie Cineas sagt, ihr Lehrer gebe ihr und der Klasse dreimal die Woche Schmerztabletten, um den Unterricht durchstehen zu können.
Auch Lehrpersonen, Eltern oder etwa der 41-jährige Schulabwart Innocent Sylvain werden in Mitleidenschaft gezogen, vor allem der Abwart, der auch das in die Trailer eindringende Wasser (!) entsorgen muss. Wenn er viele Stunden in den Trailers verbringen muss, brennen und beissen seine Augen. Kein Wunder: Laut dem Center for Disease Control hängt Formaldehyd nicht nur ursächlich mit seltenen Krebsarten, sondern auch mit der Verschlimmerung von Asthma und der Entstehung chronischer Lungenleiden zusammen – besonders, aber nicht nur bei Kindern.

Es war also nicht einfach die „Hitze“, wie alle lange annahmen, die Leiden verursachte. Das Nation-Team kannte die Katrina-„Vorgeschichte“, recherchierte und klärte etwa den Bürgermeister von Léogâne, Santos Alexis, über die Zusammenhänge auf.  Seine Reaktion: „Ich hoffe, es handelt sich nicht um die gleichen Trailers, die die Leute in den USA krank gemacht haben. Das wäre ein Chaos …. Es wäre sehr demütigend für uns und wir würden dies als schwarze Angelegenheit nehmen“. Damit zog er, wie die Journalistinnen erklären, „eine Parallele zwischen seiner Gemeinde in Haiti, der ersten schwarzen Republik der Welt, und der unverhältnismässigen Zahl von AfroamerikanerInnen, die vom Fehlmanagement der US-Regierung bei der Notstandsbewältigung nach dem Wirbelsturm Katrina betroffen wurden“.

„Goldrausch“
Clinton ist kein Einzelfall. In einem von Wikileaks der Zeitschrift Haiti Liberté zugänglich gemachten Kabel des US-Botschafters Kenneth Merten in Haiti  vom 1. Februar 2010 schreibt der Mann unter dem Titel: „The gold rush is on“: „Wie sich Haiti aus dem Erdbeben hervor grabt, bringen sich verschiedene Unternehmen in Position, um ihre Konzepte, Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen. Präsident Préval traf sich mit General Wesley Clark [ehemaliger NATO-Oberbefehlshaber in Europa und Chef im Balkankrieg] und erhielt eine Verkaufspräsentation eines für einkommensschwache BewohnerInnen entworfenen Hauses mit einem Schaumkern. AshBritt [ein auf „schnelle Antworten bei Katastrophen“ spezialisiertes US-Unternehmen, das nach Katrina mutmasslich korrupte Riesenaufträge herein holte], hat mit mehreren Institutionen über einen nationalen Plan für den Wiederaufbau von Regierungsgebäuden gesprochen. Andere Unternehmen schlagen ihre Wohnungslösungen vor oder ihre Planungsideen für die Landnutzung, und wieder andere Baukonzepte. Alle wetteifern um das Ohr des Präsidenten in einem veritablen Jekami“.
Zwei Anmerkungen: Mit der Aufstellung der von Clinton ko-präsidierten „Wiederaufbau“-Kommission IHRC, in der die Kolonialgemeinschaft das Sagen hat und die über den Einsatz der Hilfsgelder entscheidet, dürfte der lästige Umstand, beim haitischen Präsidenten Gehör finden zu müssen, erledigt sein. Und wo die einen „Goldrausch“ sehen, und wieder andere gleich die einzige rationale Hilfe für Haiti, sehen wir Aasgeier, die, im Gegensatz zu den Vögeln allerdings, sich nicht nur an Leichen schmausen, sondern sie auch produzieren.

Haiti: Widerstand gegen Zwangsräumungen

Sonntag, 24. Juli 2011

Vertriebene Frauen verlangen Gerechtigkeit in Port-au-Prince

Bill Quigley, unter Mitarbeit von Jocelyn Brooks*

„Wir Frauen verlangen Gerechtigkeit für Marie“, skandierten mehr als hundert Stimmen. Marie, eine 25-jährige schwangere Mutter, wurde von Regierungsbeamten verletzt, als sie ihr bei einem frühmorgendlichen Einsatz in einem Lager von Erdbebenopfer in Port-au-Prince eine Holztüre in den Bauch schmetterten. Die Regierung wendet Gewalt an, um Tausende zu zwingen, die Lager zu verlassen. Die Leute, die keinen Ort haben, an den sie hingehen könnten, wehren sich.
Die Leute, die Gerechtigkeit verlangen, sind BewohnerInnen des provisorischen Lagers Camp Django im Stadtteil Delmas 16 in Port-au-Prince. Sie sind aufgebracht wegen der Verletzungen von Marie und der wiederholten Regierungsdrohung, ihr Lager werde geräumt werden. Trotz einer Temperatur von fast 40 Grad zogen über hundert BewohnerInnen, vor allem Mütter, durch die Stadt, um zu verlangen, dass die Regierung ihr Menschenrecht auf Wohnen respektiere.
Vertriebenenlager bei Port-au-Prince.

Auf ihre Einladung folgten wir ihnen dorthin, wo sie seit dem Erdbeben vom 12. Januar 2010 wohnen, das Hunderttausende obdachlos machte. Auf einem abfallenden Geländer kleiner als ein Footballfeld, leben 250 Familien in selbstgebauten Unterkünften aus grauen und blauen Zeltblachen aus Plastik, Abfallholz und nicht zusammen passenden Blechen. Auf den von anderthalb Jahren Sonnenschein gebleichten Blachen sind immer noch die Logos von USAID, World Vision, Rotary International. UNICEF, UNIFAM, Taiwan und anderen zu erkennen. Die Familien leben ein paar Zentimeter von einander getrennt. Wasser kaufen sie auswärts und schleppen es herbei. Vier oben offene Holzboxen mit Blachen sind die Duschen, wo sich die Leute wachen können, wenn sie ihr eigenes Wasser und Seife mitbringen. Loch-im-Boden-Toiletten gibt es wenige, sie sind voll und stinken penetrant in der Hitze. Bei Regen fliesst das Regenwasser in die Zelte und der Toilettendreck wird überall verteilt.
Ein Lager in Delmas, Port-au-Prince.

Eine Frau mittleren Alters sitzt unter einem Bananenbaum und verpflegt ihre offene Fusswunde von der Grösse eines Dollarscheines; eine Erdbebenverletzung, die eine Hautverpflanzung braucht, die sie nicht bezahlen kann. Im Camp gibt es 375 kleine Kinder einschliesslich 29, deren Eltern beim Erdbeben umgekommen sind.
„Wir sind Erdbebenopfer“, sagen uns die Frauen und Männer, als sie uns herumfahren. „Wir haben ein Menschenrecht darauf, wo zu wohnen. Wir wollen nicht für das Recht kämpfen, in diesem Lager zu bleiben. Hier ist es sehr heiss und mittags können wir nicht in den Zelten bleiben. Aber wir alle suchen und suchen und finden keinen anderen Platz. Bis wir eine Wohnung erhalten, sind diese Heimstätten alles, was wir haben“.
Es gibt Tausende solcher Lager in Port-au-Prince. In einigen leben Tausende, in vielen, wie in Camp Django, Hunderte. Ein Regierungsmythos besagt, dass sich die Leute nur in den Lagern versammeln, um Nahrung, Wasser und medizinische Versorgung zu erhalten. Die Wahrheit ist, dass viele, viele der Lager inklusive Cap Django kein Wasser, keine Nahrung und keine medizinische Versorgung erhalten.
Wir besuchten Marie (Name zu ihrem Schutz geändert) in ihrem Schachtel-ähnlichen Zelt. Sie liegt auf dem Bett und windet sich vor Schmerz. Sie hat sich erbrochen und geblutet. LagerbewohnerInnen wechseln sich ab, sie zu unterstützen und ihre Stirn zu kühlen. Sie erklärten uns, dass sie von Männern angegriffen wurde, die das Lager auf Befehl des Bürgermeisters von Delmas, dem Vorort von Port-au-Prince, betreten hatten.
Letzten Samstag stürmte eine teilweise mit Pistolen bewaffnete Gruppe von fünf Männern das Lager und bedrohten die bewohnerInnen. Vier von ihnen trugen die grünen T-Shirts mit der Aufschrift „Mairie de Delmas“. Die Männer des Bürgermeisters erklärten den Leuten, dass sie ihre Zelte bald zerstören würden. Sie prahlten, dass sie die Leute schlimmer „als in Carrefour Aero port“ behandeln würden, wo es vor weniger als einem Monat zu einer illegalen Räumung eines Vertriebenlagers durch den gleichen Bürgermeister und seine Polizei gekommen war. 
Die Leute des Bürgermeisters bahnten sich ihren Weg durch das Lager, nahmen die Namen und ID-Nummern der Haushaltsvorstände auf und sprayten Nummern auf die Zelte. Als die Männer auf die Holztüre in der Unterkunft hämmerten, in der Marie mit ihrem Mann lebte, versuchte sie, sie vom Eindringen abzuhalten. Marie versuchte zu erklären, dass ihr Mann nicht zuhause war. Aber der Gruppenführer JL brach die Tür mit Gewalt auf und traf damit ihren Bauch, worauf sie rücklings zu Boden stürzte.
Drei Tage später war Marie mit starken Schmerzen ans Bett gefesselt und halb verrückt vor Sorgen um ihr Kind.
Als ein Nachbar von Marie protestierte, wurde JL wütig und drohte, ihn zu ermorden. Die Leute fürchteten seine Worte, vor allem, als sie eine Pistole im Hosenbund erblickten.
Als die Regierung sich ihren Weg im Lager bahnte, riefen die BewohnerInnen MenschenrechtsanwältInnen des Bureau des Avocats Internationaux zu Hilfe. Jeena Shah, eine BAI-Anwältin, gelangte ins Camp Django, als die Regierungsbeamten noch dort waren. Jeena fragte JL, warum sie die Zelte mit Nummern markiert haben. JL war ausweichend und wiederholte dauernd, dass ihn „die Regierung“ geschickt habe. Schliesslich gab er an, der „Nationalpalast“, eine Bezeichnung für Staatspräsident Michel Martelly, habe ihn geschickt. Bei Verfassen dieses Artikels hat der Präsident die Autorisierung oder die Beteiligung an der angedrohten Räumung weder dementiert noch bestätigt.
Die BewohnerInnen von Camp Django befürchten zu Recht ein Schicksal wie das von so vielen anderen Erdbebenvertriebenen – gewaltsame Räumung, Verschärfung ihrer ohnehin schon verletzbaren Situation und Obdachlosigkeit.
Camp Django ist nur ein kleines Beispiel für das, was in Haiti geschieht. Die International Organisation on Migration schätzte, dass im April 2011 166'000 heimlose Erdbebenüberlebende unmittelbar von Räumung bedroht waren, also ein Viertel der vertriebenen Bevölkerung. Die Räumungen werden von der Regierung durchgeführt oder stillschweigend geduldet, trotz Entscheiden der Interamerikanischen Menschenrechtskommission, welche die Regierung dazu anhielt, ein Moratorium für die Räumungen zu verhängen und angemessene Massnahmen für den Schutz der vertriebenen Bevölkerung vor ungesetzlichen Zwangsräumungen zu ergreifen.
Es ist immer noch unklar, on der Bürgermeister von Delmas die spezifischen Gewaltakte gegen die BewohnerInnen von Camp Django ermutigte oder billigte, doch seine Haltung zu Zwangsräumungen ist wohl bekannt. Nachdem er sich letzten Monat in einer Reihe von ungesetzlichen Räumungen austobte, verkündete er kürzlich im haitischen Fernsehen, dass er weiterhin vertriebene Communities aus ihren Zeltlagern räumen werde, obwohl sie nirgends hingehen können.
Präsident Martelly weigerte sich, die gewalttätigen Räumungen des Bürgermeisters von Delmas öffentlich zu verurteilen und ist verantwortlich für irgendwelche Drohungen oder einen Schaden zulasten der Community von Camp Django und der tausenden anderen Vertriebenenlagern in Haiti.
Die Frauen rufen nach Freiheit. „Die Reichen“, sagen sie uns, „brauchen Gewalt gegen die Armen in Haiti“. Sie verlangen Gerechtigkeit für Marie. Und sie beharren auf Schutz für ihr Menschenrecht auf Wohnen. Sie organisieren sich. Ihre Stimmen sind stark. Ihre Leidenschaft ist rein. Ihre Sache ist gerecht. Sie inspirieren uns, uns ihnen anzuschliessen.


* „Displaced Women Demand Justice in Port au Prince“, 30.6.11, Huffington Post.
Bill Quigley lehrt an der Loyola University von New Orleans und wurde bekannt als Menschenrechtsverteidiger von schwarzen Opfern von Stadtsanierung nach dem Wirbelsturm Katrina und der damit einhergehenden Repression. Er ist seit Jahren für Haiti engagiert (vgl. auch seinen Artikel zu der Rolle der USA in den Hungerrevolten von Haiti aus Correos 154, August 2008). Bill Quigley arbeitet im angesehenen Center for Constitutional Rights (CCR), mit. Jocelyn Brooks ist Fellow beim CCR und arbeitet im haitischen RechtsanwältInnenkollektiv Bureau des Avocats Internationaux.

Honduras: Priester geht wegen Morddrohungen ins Exil

Dienstag, 19. Juli 2011

(Fortaleza, 11. Juli 2011, adital-prensa latina-telesur).- Der 83-jährige
katholische Priester Fausto Milla und seine engste Mitarbeiterin Denia
Mejía gehen ins Exil. Dies gab der Geistliche im Vorfeld einer
Pressekonferenz des Komitees der Angehörigen von Verschwundenen und
Verhafteten in Honduras COFADEH (Comité de Familiares de Detenidos
Desaparecidos en Honduras) am vergangen 28. Juni bekannt.

Morddrohungen seit Dezember 2009

Seit Dezember 2009 erreichen den Pater und seine Mitarbeiterin immer wieder
Morddrohungen. Berta Oliva, Vorsitzende der COFADEH erklärte, dass das
Innenministerium nicht auf die Anzeigen von Milla reagiert habe. Milla
hatte zu Beginn der Achtziger Jahre schon einmal das Land verlassen
müssen. Damals wurde er bedroht, verhaftet, von Paramilitärs entführt
und ging schließlich ins Exil.

Die Tatenlosigkeit der Behörden habe letztlich zu der neuerlichen
Entscheidung des Priesters geführt, das Land erneut zu verlassen, so
Oliva.

Priester ist Mitglied der alternativen Wahrheitskommission

"Die Drohungen, die Fausto Milla erhalten hat, sind sehr schlimm. Es sind
SMS, E-Mails mit Todesdrohungen und zuletzt gab es eine Gruppe von
Männern, die in einem Auto mit getönten Scheiben in Copan ankamen. Sie
legten eine wenig freundliche Art an den Tag und suchten ihn in seiner
Klinik von Corquin", sagte Berta Oliva, Leiterin von COFADEH.

Pater Milla ist Mitglied der alternativen Wahrheitskommission, die aus
unabhängigen Menschenrechtsgruppen besteht. Sie wurde in Opposition zu
einer Wahrheitskommission gegründet, die von Präsident Porfirio Lobo
eingesetzt worden war und die Vorgänge vor, während und nach dem Putsch
in Honduras vom 28. Juni 2009 untersuchen sollte. Diese von der Regierung
eingesetzte Kommission hat erst vor wenigen Tagen ihren Bericht
veröffentlicht.

Verdacht gegen Großgrundbesitzer Facussé

Milla versicherte gegenüber der Presse, in den letzten Tagen habe sich der
Verdacht erhärtet, dass der Unternehmer Miguel Facussé für die Drohungen
gegen ihn und seine MitarbeiterInnen verantwortlich ist. Facussé ist
Großgrundbesitzer im Department Colón, im Norden von Honduras.

Im Zuge des seit Jahren schwelenden Landkonflikts zwischen dem
Großgrundbesitzer Miguel Facussé und Angehörigen der Bauernorganisation
von Aguan (MCA) sind bereits mehrere Bauern ums Leben gekommen. Es geht
dabei um Land, dass den Kleinbauern zwar im Zuge der Agrarreform zugewiesen
wurde, allerdings wurde die Titulierung hierfür nicht abgeschlossen.

COFADEH will den Fall vor die UNO bringen

Zudem erhebt unter anderem der zivile Rat von indigenen und lokalen
Basisorganisationen COPINH (Consejo Cívico de Organizaciones Populares e
Indígenas de Honduras) den Vorwurf, Facussé habe das Land in den
neunziger Jahren illegal von der Bezirksregierung erworben. Pater Milla ist
dafür bekannt, dass er in diesem Konflikt die Position der Kleinbauern und
-bäuerinnen in Bajo Aguan unterstützt.

Laut Berta Oliva sind seit dem Putsch im Jahr 2009 mehr als 200
HonduranerInnen ins Exil gegangen. Angesichts der Schwere des Falls werde
man die Drohungen gegen Pater Milla vor den Vereinten Nationen anzeigen,
erklärte Oliva. --

Kafka in Kloten: Video von augenauf

Mittwoch, 13. Juli 2011


Dieser Blog beschäftigt sich hauptsächlich mit Lateinamerika.
Da herrschen ja oft auch Zustände!
Gönnen wir uns zwischendurch eine Erholung in heimatlichen Gefilden!
Die Gruppe augenauf versuchte, aufgrund von Aussagen Angegriffener eine möglichst realitätsnahe Rekonstruktion der Prozedur bei einer sog. Ausschaffung zu verfilmen. Ein unübersehbar kafkaeskes Moment in ihrem Video ist der Realität geschuldet, wie sie von den hiesigen Machtgruppen gegen auszugrenzende Menschen hergestellt wird.
Im März 2010 starb Joseph Chiakwa beim Versuch, ihn nach Nigeria zu deportieren. Joseph starb foltergefesslt, wie im augenauf-Film dargestellt. Gerade liessen sich die Behörden via ein zweites Gefälligkeitsgutachten einen Persilschein für weitere Todesfälle bei solcher unmenschlicher „Auschaffungs“-Realität ausstellen.
Anderswo nennt man das impunidad, Straflosigkeit.  

Hier der Link zum 10m-Video: http://www.youtube.com/watch?v=16He1I274Xk


 Und hier noch aus einer Mittelung von augenauf:
Die Menschrechtsgruppe augenauf Zürich hat einen Film produziert, welcher die präzise Rekonstruktion einer Fesselung und Zwangsausschaffung aus der Schweiz zeigt. Der Ablauf basiert auf Aussagen von Betroffenen und auf internen Ausbildungsunterlagen der Polizei.
Wir möchten mit diesem Film das erste Mal einer breiten Öffentlichkeit zeigen, wie konkret bei Zwangsausschaffungen vorgegangen wird. Da Medienleuten noch nie erlaubt wurde, diese Vorbereitungen zu beobachten, kann der Vorgang nur durch eine filmische Rekonstruktion gezeigt werden.
Wir bitten euch alle, helft mit diesen eindrücklichen Film zu verbreiten. Schickt den Link an interessierten Gruppen und an Einzelpersonen weiter und teilt ihn auch in sozialen Netzwerken wie facebook, Twitter usw. mit.
Der Link dazu ist: http://www.youtube.com/watch?v=16He1I274Xk
Für Hintergrundinformationen zum Film: http://www.augenauf.ch/index.php?option=com_content&task=view&id=123&Itemid=30

Südmexico-Soli-Newsletter Juli 2011

Dienstag, 12. Juli 2011

JULI NEWSLETTER 2011


CHIAPAS: Der kritische und unabhängige Journalismus ist bedroht
Bei verschiedenen unabhängigen Medien herrscht Besorgnis über die Situation in Chiapas. Gouverneur Sabines setzt alles daran, Kritiker jeglicher Art ausser Gefecht zu setzen: JournalistInnen werden verfolgt und bedroht. Auch wird ihnen der Zugang zur offiziellen Regierungsinformation verwehrt, bei öffentlichen Veranstaltungen werden sie ausgeschlossen und Interviews werden ihnen verweigert. Dies alles, um die Berichterstattung zu kontrollieren. Doch es bleibt nicht nur bei dieser Zensur. Den JournalistInnen, welche die Lokalregierung kritisieren, werden beliebige Delikte angehängt. Isaín Mendujano, Korrespondent für den «Proceso» beispielsweise wird für Körperverletzung an Jacobo Elnecavé Luttmann angeklagt. Elnecavé ist Berichterstatter für die chiapanekische Regierung und wurde in der Nacht auf den Sonntag, 19.6. in einer Bar mit einem Schlagstock angegriffen.
Chiapas: En riesgo el periodismo crítico e independiente: http://www.rnw.nl/espanol/article/chiapas-en-riesgo-el-periodismo-cr%C3%ADtico-e-independiente


GUERRERO: Morde an der Familie Ayala

Am 3. Juli wurden Isabel und Reyna Ayala Nava erschossen. Danach wurden ihnen von den Tätern die Mobiltelefone entwendet. Isabel war in den siebziger Jahren Mitglied in der Aufständischen Organisation «Partido de los Pobres» (Partei der Armen). Sie war zwischen 1974 und 1976 im Militärcamp gefangen und Folter ausgesetzt. Dies zusammen mit ihrer frisch geborenen Tochter und anderen Familienangehörigen. Danach mussten sie wegen anhaltenden Drohungen für mehrere Jahre das Land verlassen und kehrten erst 2008 nach Guerrero zurück. Anfang 2011 wurden die beiden Brüder von Isabel und Reyna ermordet. Seit die Familie die Aufklärung der Tat fordert, erhält sie anonyme Morddrohungen.
Micaela, die Tochter von Isabel erhielt am Tag nach dem Mord vom Telefon ihrer Mutter aus ein Droh-SMS. Micaela ist Mitglied in der zivilen Vereinigung «Nacidos en la Tempestad»  und hat sich dafür ausgesprochen, den Kampf für die Verschwundenen und Inhaftierten des schmutzigen Krieges der 70er Jahre wieder aufzunehmen.
Weder die willkürlichen Verhaftungen und Folter in den 70er Jahren noch die jüngsten Ermordungen in der Familie wurden aufgeklärt. Mit der Urgent Action sollen die Behörden dazu aufgerufen werden, die Morde aufzuklären. Für Micaela Cabañas Ayala und ihre Angehörigen müssen Sicherheitsmassnahmen getroffen werden.
Urgent Action auf Spanisch : http://cencos.org/node/27173


Willkürliche Festnahme und Drohungen gegenüber Menschenrechtler

In Ayutla wurde am 5. Juli der indigene Menschenrechtsverteidiger Rafael Rodríguez Dircio, Aktivist der OPIM (Organisation der Indigenen Völker Me?phaa), festgenommen. Er wurde aufgrund konstruierter Anklagen eingesperrt. Raúl Hernández, ebenfalls von der OPIM, verbrachte über zwei Jahre wegen konstruierter Delikte im Gefängnis. Amnesty International betrachtete ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen, und er wurde schließlich am 30. August 2010 freigelassen. Mit ihm gemeinsam waren vier andere AktivistInnen über eine Dauer von elf Monaten inhaftiert. Im Februar 2009 wurden die beiden Indigenen Manuel Ponce Rosas und Raúl Lucas Lucia, die sich in Ayutla für die Menschenrechte engagierten, verschleppt, gefoltert und getötet. Die Verantwortlichen sind bislang nicht vor Gericht gestellt worden.
Obtilia Eugenio Manuel und Cuauhtémoc Ramírez erhielten erneut einen Drohbrief. Eine Woche zuvor waren die Vorsitzende und der Sprecher der Menschenrechtsorganisation OPIM und andere OPIM-Mitglieder von Angehörigen der mexikanischen Armee in aggressiver und einschüchternder Art und Weise durchsucht worden. Als Gründerin und Leiterin von OPIM wird Obtilia Eugenio Manuel immer wieder bedroht, eingeschüchtert und drangsaliert.
Hintergrundinfos und Urgent Action unter: http://www.chiapas.eu/ua2.php?id=95
Artikel auf Spanisch: Fue detendido en Ayutla el defensor indígena Rafael Rodríguez Dircio, integrante de la OPIM: http://cencos.org/node/27165


OAXACA: Neue Massenentführung von Migranten im Süden von Mexiko

Auf dem Weg von Oaxaca nach Veracruz wurde in der Nacht auf den 25. Juni ein Zug mit 250 Migrantinnen und Migranten von Bewaffneten, die der Mafiaorganisation Los Zetas angehören, überfallen. Mehrere Dutzend Personen, darunter auch Frauen und Kinder, werden seither vermisst. Gemäß dem Bischof Raúl Vera López bringen die jährlich weit über 10?000 Entführungen von Migrantinnen und Migranten den Mafiastrukturen umgerechnet rund 50 Millionen US-Dollar ein.
http://amerika21.de/meldung/2011/06/35289/mexiko-entfuehrung-migranten


MEXIKO: Ciudad Juárez
Wir haben in den letzten Newslettern über die Situation der AktivistInnen berichtet, die in Ciudad Juárez gegen die brutalen Frauenmorde kämpfen. Nun ist ein Hintergrundartikel in der WOZ erschienen:
«Wenn es heiss ist, dann ist es richtig heiss» ein Bericht der WOZ von Toni Keppeler. Die mexikanische Grenzstadt Ciudad Juárez gilt als Welthauptstadt des Verbrechens. Hier herrscht nicht nur ein Krieg zwischen Drogenkartellen und Sicherheitskräften, sondern eine Ordnung, in der das Recht des Stärkeren brutal und schrankenlos durchgesetzt wird.
Weiterlesen: http://www.woz.ch/artikel/rss/20876.html

Für ihre unerschrockene Berichterstattung sind die beiden Journalistinnen Rocío Idalia Gallegos Rodríguez und Sandra Rodríguez Nieto von der Tageszeitung «El Diario de Juárez» mit dem «Knight International Journalism Award 201» ausgezeichnet worden. Sie berichten in der Lokalzeitung über die Folgen von Korruption und Drogenhandel an der Nordgrenze Mexikos: http://www.chiapas.eu/news.php?id=6011

Am 5. Juni durchsuchten Angehörige der mexikanischen Bundespolizei im nordmexikanischen Bundesstaat Chihuahua ohne rechtliche Grundlage die Büroräume einer Menschenrechtsorganisation. Die MitarbeiterInnen der Organisation sind nach Einschätzung von Amnesty International in grosser Gefahr. Die Organisation Paso del Norte spielt eine wichtige Rolle beim Aufbau der nationalen Bewegung gegen den Drogenkrieg.
Urgent Action unterschreiben unter: http://www.chiapas.eu/ua2.php?id=94

Weitere Berichte zu Mexiko:

Feminizid ist neuer Straftatbestand in Mexiko-Stadt:
http://www.npla.de/de/poonal/3393-feminizid-ist-neuer-straftatbestand-in-mexiko-stadt-

Journalisten leben immer gefährlicher. Vier Journalisten innerhalb von drei Wochen ermordet. Behörden wird Untätigkeit und Verstrickung vorgeworfen: http://amerika21.de/nachrichten/2011/06/34757/journalisten-mexiko

Undurchsichtige Justiz - Mexiko: Verhaftet, freigelassen und wieder verhaftet. Der Fall Jorge Hank Rhon: http://www.jungewelt.de/2011/06-17/028.php

Hintergrundinformationen im neuen Desinformemonos: http://www.chiapas.eu/news.php?id=6013


VERANSTALTUNGEN

Mi, 20. Juli, G8 Genua 2001: Vor 10 Jahren wurde Carlo Giuliano ermordet. Infoveranstaltung mit Film, Dorfplatz Veltheim, Winterthur

Sa, 3. September. 100 Jahre Mexikanische Revolution im N-S-Haus Winterthur, 20 Uhr

Menschenrechtsbeobachtung (PWS): Freiwillige für Friedenseinsätze gesucht, Infoveranstaltungen: Bern: Sa, 27. August, Zürich: Sa, 10. September 2011
http://www.peacewatch.ch/public/frameset.aspx?cat=1&lang=DE


http://www.chiapas.ch

Madrid: Warum die Polizei den sans papier nicht abführen konnte

Samstag, 9. Juli 2011

Man muss nicht Spanisch verstehen, um sich von diesem Kurzvideo anturnen zu lassen:
http://www.rebelion.org/noticia.php?id=131779&titular=lavapi%E9s-echa-a-la-polic%EDa-del-barrio-

Mitten in Madrid, im Barrio Lavapiés, muss die Polizei darauf verzichten, einen, der wie ein sans papier aussieht, abzuführen. Er soll schwarz mit der Metro gefahren sein, ein Verbrechen, das in der Krise sehr verbreitet ist, bei solchen mit und bei solchen ohne spanischen Pass. Die Leute im traditionellen Einwanderungsquartier (erst MigrantInnen aus anderen Gegenden Spaniens, danach aus dem Ausland, heute vor allem aus Afrika und Lateinamerika) mit starker Präsenz der „Empörten“ solidarisieren sich und – die Bullen müssen sich zurückziehen – unter den Rufen „el pueblo unido, jamás será vencido“, „kein Mensch ist illegal“ und „eso es dignidad“. Wunderschön.

Faschos greifen Infobüro Nicaragua in Wuppertal an

Donnerstag, 7. Juli 2011

Anschlag auf Informationsbüro Nicaragua: Einschüsse und Einschläge in der Fensterfront

Am vergangenen Wochenende wurde unser Büro Ziel eines Anschlags:
einschuesse3Vermutlich mit einem Luftgewehr abgeschossen, durchschlugen mehrere Geschosse die Außenfenster unserer Büroräume, zudem wurden Stahlgeschosse in die Fenster und auf die Hausfront geschleudert.
Dieser Angriff reiht sich ein in eine Serie von faschistischen Sprühereien, Aufklebern und Plakaten der 'Nationalen Sozialisten' (wie Hakenkreuz, Aufrufe zu Naziaufmärschen und feindliche Äußerungen gegen vermeintlich Nicht-Deutsche), mit denen seit September letzten Jahres immer wieder die Fassade und die Fenster des Informationsbüros beschädigt wurden.
einschuss2
einschlag
Zwar hinterließen die Täter*innen diesmal keine inhaltliche Botschaft; der faschistische Hintergrund ist aber zu vermuten. Das Informationsbüro Nicaragua äußert und engagiert sich seit jeher öffentlich gegen Faschismus und Diskriminierungen. Die vergangenen Angriffe mit Sprühereien und Klebereien richteten sich jedes Mal eindeutig gegen diese klaren Positionierungen des Büros v.a. gegen Nazis, ihre Aufmärsche, Rassismus und das europäische Grenzregime.

Der Angriff geschieht außerdem in einer Zeit, in der zunehmend Linke von Nazis in Wuppertal auf der Straße mit Waffen angegriffen werden. Faschistische Äußerungen können in dieser Gesellschaft immer öfter unwidersprochen geäußert werden.
Nie wieder Faschismus -- nie wieder Krieg!

 

Der Pakt mit dem Panda - was uns der WWF verschweigt

Leute, nehmt euch ¾-Stunde Zeit und schaut euch die ARD-Dok von Wilfried Huismann über die kriminellen Umtriebe des WWF im Trikont an. Wir haben im Correos schon mehrmals kritisch über den WWF in Südamerika berichtet, doch die Recherche von Huismann hat uns Neues gebracht – und schockiert. Etwa die Parteinahme des WWF für Gentech in der Landwirtschaft, wie er sie in den USA bekundet – im Gegensatz zu Europa, wo eine WWF-Sprecherin im Film eine Stellungsnahme verweigert. Der WWF hat schon vor der Ausstrahlung des Filmes am 22. Juni 2011 souverän reagiert – nein, nicht mit offener Diskussion, sondern mit einer angedrohten Strafanzeige gegen den Regisseur, falls die Dok „Unwahres“ enthalte.
Es wird wirklich Zeit, dass die Leute, die aus gutem Glauben beim WWF mitmachen, ihren corporate bosses auf die Pelle rücken!

Hier die Links zum Film
„Der Pakt mit dem Panda - was uns der WWF verschweigt“
http://mediathek.daserste.de/sendungen_a-z/799280_reportage---dokumentation/7495082_der-pakt-mit-dem-panda--was-uns-der-wwf-verschweigt?type=null
oder bei Youtube in zwei Teilen
teil 1
http://www.youtube.com/watch?v=Jnqg12v4qJQ&feature=player_embedded
teil 2
http://www.youtube.com/watch?v=lHV22gYiXME&feature=related

Zur WWF-Komplizenschaft mit dem Putschfinancier und Agrospritgrosskapitalisten Facussé in Honduras s. Honduras/WWF: Komplizenschaften oder „Rettet die Pandabären“.
Und für eine allgemeinere Auseinandersetzung mit dem WWF in Lateinamerika s. den Artikel
„WWF im Dienst des globalisierten Agrobusiness“ von Javiera Rulli aus Correos 160 (Dezember 2009), online in unserem damaligen Hungerdossier.

USA/Mexiko: Arizona-Cops lassen Topdealer laufen

Mittwoch, 6. Juli 2011



(zas, 6.7.11) Chapo Guzmán – so heisst der Boss des mexikanischen, mutmasslich grössten Drogenkartells von Sinaloa. Es gibt zahlreiche Indizien dafür, dass dieses Kartell von den Behörden protegiert wird (s. Mexiko: Verhandeln mit der Narco-Elite), während gleichzeitig dem sogenannte Drogenkrieg in Mexiko schon über 40'000 Menschen zum Opfer gefallen sind.
Nun hat die in letzter Zeit wiederholt für Aufsehen sorgenden Hackergruppe LulzSec (ungefähr: Spass beim Sicherheit verarschen) auf dem schwedischen Portal der Piratenpartei rund 700 Dokumente veröffentlicht, die sie sich aus den Computern der Sicherheitskräfte von Arizona beschafft hat. Als Antwort, wie die Gruppe sagt, auf das in diesem an Mexiko angrenzenden US-Staat geltende extrem rassistische Gesetz gegen die MigrantInnen. Die Dokumente sind deshalb unter dem Titel „Chinga La Migra“ (ungefähr: Verarscht die Migrationsbullen) zu finden.
Unter den Dokumenten befindet sich auch das File „Intel Chapo Guzman 01-26-2009.doc“ einer Polizeistelle der Stadt Ajo in Arizona vom 27. Januar 2009. Darin werden aufgrund von Angaben eines Informanten genaue Angaben zum Aufenthaltsort von Chapo Guzmán gemacht: Er halte sich „derzeit auf einer Ranch nahe Sonoita, Sonora, Mexiko …. Die Informationsquelle sagte, sie sei in den letzten 48 Stunden zusammen mit einer grossen Entourage seines Kartells angekommen. Sie hatten ein Meeting/Party auf der ‚Ranch Jalisco’ östlich von Sonoita, Mexiko“. An dem Treffen gehe es um neue Kartell-interne Massnahmen und den Einsatz von Granaten und schwerer Waffen gegen die Sicherheitskräfte in den USA.
„El Chapo Guzmán“ ist angeblich der meistgesuchte Narco Mexikos. Das bewegte die Arizona-Cops in keiner Weise, ihre Infos auch an die mexikanischen Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten. Wozu auch? Lieber inszenieren die US-Dienste und -Militärs einen furchtbaren „Krieg gegen die Drogen“ in Mexiko, den sie aktuell auch auf Zentralamerika ausweiten.
In Mexiko ist dieser Vorfall in den Medien kommentiert worden (s. Excelsior und Proceso). In den USA scheint sich die Berichterstattung auf den Fakt des Hackens zu konzentrieren. Stellen wir uns doch mal das Dauergeschrei vor, wenn es statt einer US-Polizei eine venezolanische gewesen wäre, die den angeblichen globalen Topdealer ungestört laufen gelassen hätte!

Kolumbien: Zehntausende Menschen verschwunden

Montag, 4. Juli 2011

Menschenrechtsorganisationen beklagen Verschleppung und Morde. UNO-Vertreter weist auf Verpflichtungen der Regierung hin

Fortaleza, Brasilien. Im Rahmen einer internationalen Aktionswoche gegen das gewaltsame Verschwindenlassen von Menschen in Kolumbien haben Menschenrechtsorganisationen und Angehörige von Opfern über das schwerwiegende Problem debattiert. Die Zahl der vermissten Personen in Kolumbien übersteige bereits jene aus den Diktaturzeiten in Chile und Argentinien. Allein in den letzten drei Jahren seien in Kolumbien mehr als 38.200 Menschen spurlos verschwunden, hieß es auf den Treffen.
Die Aktivisten waren sich einig, dass das gewaltsame Verschwindenlassen von Menschen als Staatsverbrechen anzusehen ist. Schließlich sei es untrennbar von Bedrohung, Verfolgung und außergerichtlichen Hinrichtungen. Zivilgesellschaftliche Organisationen beklagen zudem die staatlich gewährte Straflosigkeit für Täter.
Bereits am 23. Mai hatte sich der Vertreter des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte in Kolumbien, Christian Salazar, bei einer Konferenz zum Thema in Bogotá geäußert. Er erklärte das Verschwindenlassen von Menschen zu einem der “schwersten Menschenrechtsverbrechen”. Kolumbien sei “eines der Länder mit der höchsten Zahl an Verschwundenen weltweit”.
Nach Salazars Angaben ist ein Großteil der Delikte auf “staatliche Akteure und mit ihnen kooperierende paramilitärische Kräfte” zurückzuführen. “Seit Jahrzehnten”, so fügte er hinzu, “werden Angehörige der Sicherheitskräfte für eine Vielzahl von schwersten Verbrechen verantwortlich gemacht, darunter außergerichtliche Exekutionen, die in vielen Fällen mit dem gewaltsamen Verschwindenlassen im Zusammenhang stehen.”
Der UN-Menschenrechtsvertreter beklagte ferner, dass Verpflichtungen zu Fortschritten im Kampf gegen die Straflosigkeit durch Regierung und Sicherheitskräfte noch immer nicht umgesetzt worden seien. In diesem Zusammenhang erinnerte Salazar auch an die Ratifizierung des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs aus dem Jahr 2000. Mit der Unterzeichnung des Abkommens stimmte Kolumbien einer Bestrafung in Fällen von Verschwindenlassen zu. 2002 wurde auf Basis des Statuts der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) gegründet. 2005 unterschrieb Kolumbien zudem die Interamerikanische Konvention über das Verschwindenlassen.
Salazar zufolge sind in den letzten 30 Jahren in Kolumbien mehr als 57.200 Menschen verschwunden, von denen nur 15.600 auf offiziellen Opferlisten auftauchten. Der Hochkommissar betonte, dass die Generalstaatsanwaltschaft wahrscheinlich sogar über mehr als 26.500 Fälle von Verschwundenen informiert worden sei. Landesweite Spitzenreiter bei den Verschwundenenzahlen sind die Städte Medellín und Villavicencio.