Mexiko: Hinweise zum wahren "Drogenkrieg"

Sonntag, 26. Januar 2014




(zas, 25.1.14) Vor kurzem brachen die internationalen Medien ihr relatives Schweigen zum fortwährenden Gemetzel im Rahmen des sogenannten Drogenkrieges in Mexiko. Anlass für die Berichterstattung waren die Auseinandersetzungen zwischen Bürgerwehren, dem Kartell der Caballeros Templarios (Templer) und der Armee in Michoacán. Was immer es genau mit diesen Bürgerwehren auf sich hat, ihre Eigendarstellung als besorgte Bürger, die aufgrund der staatlichen Passivität zur Waffe greifen, um ihren Gliedstaat von den Kartellen zu befreien, ist so bestimmt nicht richtig. An eine deswegen fast von heute auf morgen aufgestellte, nach eigenen Angaben mindestens 10'000 Mann umfassende, gut bewaffnete Truppe zu glauben, die den brutalen Templarios Gemeinde nach Gemeinde abnehmen, heisst, die Naivität etwas sehr zu strapazieren. Doch noch wäre es zu spekulativ, die teilweise widersprüchlichen Infos und Einschätzungen zu den Bürgerwehren auf den Punkt bringen zu wollen.

Bürgerwehr und Armee. Bild: expedientenoticias.com
 Es ist immer wieder verblüffend, wie einfach letztlich der internationale Infofluss gesteuert werden kann. Seit Peña Nieto die Präsidentschaft in Mexiko angetreten hat, ist auf dem vorherigen Info- und oft auch Desinfofluss zum "Drogenkrieg" in Mexiko zeitweise ein wenig aufgeregtes Geplätscher geworden. Der Grund ist einfach: Die Regierung Peña Nieto ist auf die Privatisierung des mexikanischen Öls (u. a.) eingeschworen, das Geschäftsklima soll nicht mit Störgeräuschen von der Gemetzelfront belastet werden. Als die USA ihr Freihandelabkommen mit Mexiko vorantrieben, erhielten die Mitglieder der US-Drogenbehörde DEA die Anweisung, nichts mehr über Verbindungen des Drogenhandels und der mexikanischen PolitikerInnen zu berichten. In der Folge schlief das Thema auch in den Medien ein – bis nach Abschluss des angestrebten Werks. (s. dazu Correos 176, 16. Dezember 2013: Die Geschichte von Kiki Camerena). Nun berichten manche Medien kurzfristig über die Geschehnisse in Michoacán – und verschlafen ansonsten das Meiste.

Zwei Beispiele für "Vergessenes":

1. Die DEA und das Sinaloa-Kartell
El Universal ist nicht gerade ein obskures Boulevardblatt. Es handelt sich um eine der grössten und zudem "seriösen" Tageszeitungen Mexikos. Am 6. Januar 2014 veröffentlichte die Universal-Journalistin Doris Gómora Ergebnisse ihrer über ein Jahr dauernden Recherche über die engen Beziehungen des angeblich weltweit grössten Drogenkartells von Sinaloa und der DEA (La guerra secreta de la DEA en México). Ihr lagen eine Reihe Gerichtsdokumente mit Aussagen von DEA-Beamten aus dem Prozess in Chicago gegen Vicente Zambada Niebla vor, Sohn eines der Topbosse des Sinalao-Kartells vor. Der Logistik-Verantwortliche des Kartells wurde 2009 in Mexiko gefasst und 2010 an die USA ausgeliefert, wo sein Prozess 2011 begann. Zambada Niebla hatte wenige Stunden vor seiner Verhaftung zusammen mit dem als Anwalt des Sinaloa-Kartells agierenden Humberto Loya-Castro an einem Treffen mit DEA-Agenten in Mexiko-Stadt teilgenommen. Loya-Castro ist Recherchen der Journalistin zufolge eine der Schlüsselfiguren in der Zusammenarbeit des Kartells mit der DEA, die seit 2000, also seit dem Antritt der ersten Regierung der konservativen Partei PAN (2000-2006. Vicente Fox, 2006-2012 Felipe Calderón), angehalten hat.

Wiederholt kam es auf mexikanischem Territorium zu angeblich auch nicht der mexikanischen Regierung mitgeteilten Geheimtreffen zwischen der DEA und anderen US-Diensten und mexikanischen Kartellen, vor allem jenes von Sinaloa. Loya und seine Komplizen waren für die Treffen jeweils von Sinaloa-Oberboss Chapo Guzmán autorisiert worden. 12 der unter Calderón erfolgten wichtigsten Narcoverhaftungen seien, so El Universal, auf so entstandene Tipps zurückzuführen. Weiter schreibt das Blatt: "Gerichtsakten, einschliesslich von Erklärungen der US-Agenten und -Funktionären, machen klar, dass die DEA-Agenten mehr als 50 Treffen mit hochrangigen Mitgliedern des Sinaloa-Kartells in mexikanischem Territorium hatten". Zusätzlich zu hunderten Telefongesprächen Loyas mit der DEA und E-Mails. Der Mann hatte schriftliche Arbeitsverträge mit der DEA, wie die US-Ermittler dem Gericht darlegten. Gómora schrieb: "Die vertraulichen Arbeitsabkommen, die der Zeitung vorliegen, besagen, dass Loya-Castro sich dazu verpflichtet hatte, bedingungslos zu informieren, unter Aufsicht der US-Regierung zu handeln, von seinem Kontrollermittler spezifisch autorisierte illegale Aktivitäten zu unternehmen und all das, ohne eine Gegenleistung zu erwarten." Laut dem Anwalt Fernando Gaxiola, der für die Verteidigung von Zambada Niebla arbeitete, begann Loya seine DEA-Kooperation Ende der 90er Jahre, um ein US-Verfahren gegen ihn und Sinaloa-Boss Chapo Guzmán aus dem Weg zu schaffen. Gaxiola sagte: "Der Chapo gab seine Zustimmung und Herr Loya-Castro begann die Informationen, die er vom Chapo erhielt, den Agenten zu übergeben." (Chapo ist ein Übernamen, der "Kurze"). Die Verteidigung von Zambada Niebla in Chicago resümierte: "Loya setzte seine Aktivitäten mit dem Sinaloa-Kartell mit Kenntnis der US-Regierung fort, ohne verhaftet oder prozessiert worden zu sein". Eine der Infoquellen Loyas war Zambada Niebla. Die US-Anklage gegen Loya wurde, wie in den Gerichtsakten zu lesen ist, 2008 fallen gelassen.

Zambada Niebla berief sich nach seiner Verhaftung und im Gerichtsverfahren in Chicago auf seine Kooperation mit den US-Diensten und die ihm zugesicherte Straffreiheit für seine mit der DEA abgestimmten Deals des Sinaloa-Kartells. Natürlich trafen diese "abstrusen" Behauptungen auf Hohn und Spott der U-Behörden und der Medien, so weit ich mich entsinne, auch einiger schweizerischer. Seither mussten die US-Stellen einige dieser "abstrusen" Behauptungen bestätigen: das Treffen mit Loya und Zambada Niebla kurz vor dessen Verhaftung, die Routine-"Infotreffen" mit autorisierten Vertretern des Sinaloa-Kartells, die Straffreiheit für Loya u. a.

Lambadas US-Verteidigung begann, die Herausgabe von Dokumenten der DEA und anderer US-Dienste über die Kooperation mit Loya-Castro und dem Sinaloa-Kartell zu verlangen. El Universal schrieb: "Die US-Anwälte [Zambadas] wurden, einer Erklärung des Anwaltes Gaxiola zufolge, von DEA-Agent Manuel Castañon via Loya-Castro davor gewarnt, dass, sollten sie weiter [auf der Herausgabe] beharren, 'viele Personen Risiken ausgesetzt würden und sie Loya-Castro, seiner Familie, Mayo [Zambada, Co-Boss des Sinaloa-Kartells und Vater des Angeklagten] und dem Chapo Schaden zufügen könnten und […] selbst in Gefahr gerieten.'"

Die Autorin des Universal-Artikels verortet die DEA-Kooperation (nicht nur) mit dem Sinaloa-Kartell im Rahmen der Ermittlungen gegen jeweils andere Kartelle. Das Problem mit dieser jeweils bei einschlägigen "Skandalen" als Fallschirm fungierenden Lesart ist, dass sie Dimensionen vollkommen verdreht. Eine verdeckte Ermittlung wie im Abendkrimi, bei der der Held auch mal in eine juristisch-moralische Zwickmühle gerät, ist eine völlig andere Sache als die jahrelange Ko-Organisation von Aktivitäten des Sinaloa-Kartells, das angeblich 80 % des in den USA konsumierten Kokains liefert.

Interessant in diesem Zusammenhang ist folgende Aussage der Journalistin von El Universal: "Zwischen 2000 und 2012, der Zeit der beiden Regierungsperioden des PAN, besonders aber zwischen 2006 und 2012, während der Regierung von Felipe Calderón,  schloss die US-Regierung für die Geschichte Mexikos beispiellose Kooperationsabkommen für den Kampf gegen die Drogen ab. Parallel schuf sie über ihre Agenten, die sich direkt mit Kartellmitgliedern trafen, einen Geheimkrieg in Mexiko."

Ein Gesuchter, der auch gefunden werden kann...

Es war immer wieder zu Hinweisen auf eine Kooperation mexikanischer und US-Stellen insbesondere mit dem Sinaloa-Kartell gekommen (vgl. etwa die "Fast and Furious"-Bewaffnung des Sinaloa-Kartells im Rahmen einer langjährigen Operation des US- Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms, and Explosives - USA/Mexiko: Waffen für die Kartelle -, den Artikel des ETH-Sicherheitsinstituts - Mexiko: Verhandeln mit der Narco-Elite – oder zur "laxen" Verfolgung des Chapo Guzmán durch US-Behörden USA/Mexiko: Arizona-Cops lassen Topdealer laufen).

Den "Drogenkrieg", also die US-betriebene Militarisierung in Mexiko, müssen wir im Zusammenhang der trilateralen Security and Prosperitiy Partnership (SSP) zwischen Washington, Ottawa und Mexiko situieren. Die SPP, sagte 2007 der damalige Staatssekretär für die westliche Hemisphäre, Thomas Shannon, "versteht Nordamerika als gemeinsamen Wirtschaftsraum", den es durch verbesserte "Sicherheitskooperation" zu schützen gelte. Er fügte an: "In einem gewissen Grad bewaffnen wir [das nordamerikanische Freihandelsabkommen¨NAFTA", wie Laura Carlsen vom Center for International Policy den Mann zitiert (Armoring NAFTA: The Battleground for Mexico’s Future).



2. Neue Armeemacht
Einen ironischen Hinweis hatte sich die Journalistin von El Universal nicht verkneifen können: "Zu Beginn des Sexeniums von Enrique Peña Nieto kam es wiederhol zu kritischen Befürchtungen der US-Administration, die neue PRI-Regierung könnte mit den Narco-Kartellen verhandeln, unter anderem, um der Gewalt ein Ende zu setzen. Doch die US-Regierung hatte schon mit den Kartellen verhandelt." Und eindeutig mit einem anderen Ziel. Dieses erhellt sich uns schon eher aus dem Artikel "Más poderío, dinero e impunidad para el Ejército" in der Nummer 1940 der Wochenzeitschrift Proceso vom 5. Januar 2014. Wir lesen da: "Präsident Enrique Peña Nieto und Verteidigungsminister General Salvador Cienfuegos Zepeda wollen die Mittel für die Streitkräfte verdoppeln, ihre Präsenz in Polizeioperationen verstärken und einen Rechtsrahmen schaffen, der ihren Kampf auf den Strassen gegen das organisierte Verbrechen regulieren kann. Doch die zentralen Hauptverantwortlichen für die Sicherheit im Land wollen weder auf die Militärgerichtsbarkeit verzichten noch die Streitkräfte dem Kongress gegenüber rechenschaftspflichtig machen. Die Armee will alles, ausser sich einer zivilen Kontrolle unterordnen. Das wird, lässt sich aus den neu definierten Zielen ablesen, die Tendenz im Sexenium von Peña Nieto sein … Im Gegensatz zum Präsidentendiskurs, der versprochen hat, die Militärs von der Strasse zu holen, planen der Präsident und der Chef der Sedena [Verteidigungsministerium] eine verstärkte Truppenintervention."
 
aus Proceso 1940
Diese Armeeziele sind in einem neuen, am 13. Dezember 2013 in Kraft getretenen Programa Sectorial de la Defensa Nacional (PSDN, Sektorielles Programm der Nationalen Verteidigung) enthalten, das Teil des Nationalen Entwicklungsplans ist. Der PSDN sieht den Armeeeinsatz "nach Prioritäten der inneren Sicherheit" und in Situationen, "die die öffentliche Ruhe gefährden", vor. Dafür sollen die Streitkräfte in einem im PSDN nicht genau angegebenen Ausmass aufgerüstet und mit einer neuen Rechtsgrundlage versehen werden. Vorgesehen ist die Schaffung eines Gesetzes zur inneren Sicherheit und eines Gesetzes zur Verteidigung der Nation, "um dem Vorgehen der Streitkräfte Rechtssicherheit zu geben". Ein Vorhaben, das Peña Nieto-Vorgänger Felipe Calderón nicht habe verwirklichen können, und das von einer entsprechenden Reorganisation der Teilstreitkräfte begleitet werden wird. Daneben soll auch die äussere Verteidigung gestärkt und neu eine Beteiligung an internationalen Friedensmissionen realisiert werden.

Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte hatte vor Jahren Mexiko wegen des Verschwindenlassens des Bauern Rosendo Radilla 1974 verurteilt und u. a. kritisiert, dass Morde von ZivilistInnen durch Soldaten in die Kompetenz der Militärjustiz fallen. Eine entsprechende, an sich verbindlich umzusetzende Reform steckt seit Jahren im Senat fest. Der PSDN sagt nun: "Die Einschränkung der Militärgerichtsbarkeit verstösst gegen die Armee, da ein Mangel an solider militärischer Disziplin der umfassenden Befolgung ihrer gesetzlichen Aufträge schadet und ihre Operabilität beeinträchtigen würde."

 Bezeichnenderweise betont der PSDN bei dieser Machterweiterung für die Armee ihre verstärkte menschenrechtliche Ausbildung. Wenige Tage nach Inkrafttreten des PSDN hatte im entfernten und doch so nahen Kolumbinen der dortige Präsident Juan Manuel Santos eine sehr eigentümliche Rede anlässlich der Offiziersgraduierung gehalten. Nicht nur bekräftigte er offen, dass für ihn Frieden einzig darin bestehe, dass die Guerilla sich unterwerfe, sondern er betonte auch den intimen Zusammenhang des unter US-Präsident Bill Clinton lancierten Plan Kolumbien mit einer neuen Menschenrechtsdoktrin der Armee. Die USA haben seither den Plan mit $9 Milliarden finanziert (nebst ihrem kürzlich von der Washington Post offiziös gemachten "Schwarzbudget" gegen Kolumbien). Santos gab sich bei dieser Rede vor "Eingeweihten" auch keine Mühe, den Anschein aufrecht zu halten, der Plan Kolumbien habe etwas mit dem offiziell angegebenen Motiv der Bekämpfung des Drogenhandels zu tun gehabt. 2008 hatten die USA ihren ursprünglich Plan Mérida geheissenen Militarisierungsplan für Mexiko und Zentralamerika lanciert und ihn, wie zuvor den Plan Kolumbien, als gegen den Drogenhandel gerichtet ausgegeben. Gegen jene "schwer gesuchten" Narcos, mit denen die US-Dienste eifrig Absprachen treffen.

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Für jüngste Enthüllungen über die enge Verwicklung der CIA in den mexikanischen Drogenhandel im Rahmen von Contragate und die Folterung und Ermordung eines zum Thema ermittelnden US-Drogenpolizisten s. Correos 176, 16. Dezember 2013: Die Geschichte von Kiki Camerena. Auch das ein Thema, das den Medienmainstream nicht zu interessieren brauchte, da nicht "Drogenkrieg"-förderlich.

Drogenhandelsrouten bis an ein schwarzer Loch. Bild: Stratfor.

Mexiko Soli-Newsletter Januar 2014

Samstag, 25. Januar 2014



CHIAPAS
20 Jahre zapatistischer Aufstand – Feiern, Rückblicke und Communiqués

1. Januar 2014: Fest zu 20 Jahre zapatistischem Aufstand in Zürich
Der autonome Beautysalon (ABS) in Zürich-Altstetten wurde regelrecht überrannt von den zahlreichen Gästen, die kamen, um zusammen die 20 Jahre zapatistischen Aufstands zu feiern. Im Mittelpunkt des Festes stand die Prämierung des Grafikwettbwerbs, zu dem wir aufgerufen hatten. 7 tolle Plakate wurden eingereicht. Das Gewinnerplakat wird dem Caracol in Oventic übergeben, und der Hauptpreis war eine Originalgrafik aus Oaxaca, vom Künstlerkollektiv asaro. Dazu gab es den Bücher- und Infotisch, mexikanische Vokü und verschiedene Bands, und draussen konnte man sich mit heissem Café RebelDia aufwärmen. La lucha sigue!

 
Analysen und Rückblicke
Das 20 jährige Jubiläum wurde in vielen Ländern und Orten gefeiert und schaffte es auch, in den breiteren Medien thematisiert zu werden. Hier nun einige lesenswerte Analysen und Berichte zum 20-jährigen Jahrestag des zapatistischen Widerstands:

WOZ-Dossier Chiapas: 20 Jahre Rebellion in Chiapas
Wir sind die Generation 94: Wie die Zapatisten in der Schweiz den Boden legten für den Widerstand gegen das Wef und die WTO

Die Rebellion gilt es zu feiern
Die Zapatisten bliesen vor 20 Jahren zum Aufstand und streben seitdem nach Autonomie
20 Jahre nach Beginn ihres Aufstands feierten Tausende Zapatistas in Mexiko die Erfolge ihres Kampfes für Autonomie, Demokratie und Gerechtigkeit - eine Absage an eine »Modernisierung« von oben. Artikel von Luz Kerkeling

Reflexion statt Manifestation zum Jubiläum: Zapatisten setzen auf Bildungsarbeit und langfristigen Aufbau alternativer Projekte. Artikel von Peter Clausing.

20 Jahre Aufstand der Zapatistas - Bericht von Alerta Düsseldorf

NZZ: In Chiapas ist die Revolution nicht zu Ende

Desinformémonos Especial: 20 años de insurrección zapatista



Neue Communiqués von Subcomandante Marcos:
Zurückspulen I: Wenn die Toten Laut Schweigen

Zurückspulen II: Über den Tod und andere Alibis



OAXACA

Windparkprojekt gescheitert
Es sollte ein Megaprojekt im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca werden: Ein Windpark von 396 Megawatt, den das transnationale Unternehmen Mareña Renovables in der Gemeinde San Dionisio del Mar im Isthmus von Tehuantepec errichten wollte. Doch nun ist das Projekt »gestorben«, wie ein Sprecher des holländischen Pensionsfonds PGGM der niederländischen Tageszeitung De Telegraaf mitteilte. Allerdings soll das Projekt gemäss »vertraulichen Quellen« nun an zwei anderen Orten innerhalb der Region gebaut werden.



GUERRERO

Mexikanischer Geheimdienst diffamiert die Arbeit unserer Partnerorganisation CCTI (Komitee gegen Folter und Straflosigkeit) in Guerrero
Allein im Jahr 2013 seien in Guerrero 13 soziale AktivistInnen aussergerichtlich hingerichtet worden, und „mehrheitlich wurden sie vor ihrer Ermordung diffamiert“, hält das CCTI in seinem Bulletin fest und distanziert sich von den Verunglimpfungen, die in der regierungsnahen Zeitung „milenio“ publiziert worden sind. Das CCTI und auch der „Internationale Rehabilitationsrat für Folteropfer“ mit Sitz in Dänemark rufen dazu auf, die legitime Arbeit der Menschenrechtsorganisationen zu verteidigen und die Situation in Guerrero wachsam zu verfolgen.

Vier Militärs wegen Vergewaltigung in Haft -12 Jahre nach der Tat
Ein mexikanisches Zivilgericht hat vier Angehörige des Militärs in Untersuchungshaft genommen und Anklage wegen Folter und sexueller Gewalt an Valentina Rosendo und Ines Fernández erhoben. Die beiden indigenen Frauen aus dem Bundesstaat Guerrero kämpfen seit zwölf Jahren dafür, dass ihre Vergewaltiger zur Verantwortung gezogen werden. Diesem Ziel sind sie nun ein Stück näher gekommen.
Mehr dazu:



MICHOACAN

Miliz gegen Mafia gegen Militär
Die Kämpfe zwischen Bürgermilizen und der Mafia im mexikanischen Bundesstaat Michoacán haben Mitte Januar einen neuen Höhenpunkt erreicht. Autonome Selbstverteidigungsgruppen nahmen in den letzten Tagen mehrere Orte ein, die bislang vom Tempelritter-Kartell kontrolliert wurden.
Krieg zwischen Drogenmafia und policia comunitaria eskaliert: https://amerika21.de/2014/01/96475/michoacan-buergerwehren



MEXIKO
20 Jahre Freihandel in Mexiko: Weniger Jobs, weniger Kleinbauern
Es hat den Bürgern der drei Vertragspartner USA, Kanada und Mexiko kaum Vorteile, dafür aber viele Nachteile gebracht. Und genau deshalb dient es als Mahnung, welche Folgen die derzeit verhandelten transatlantischen und pazifischen Freihandelsabkommen haben können.

Der mexikanische Ausverkauf geht weiter
In Mexiko werden der Erdöl- und Gassektor modernisiert. Die Privatisierung fördert die Abhängigkeit von den USA und soziale Spannungen.
Kursvideo auf Spanisch über das Fracking, das auch in Mexiko angewendet werden soll: https://www.youtube.com/watch?v=IyV8-NvPfis



HINWEISE

1. Februar: RojiNegro-Preisjassen Zürich, Kulturmarkt, Aemtlerstr. 23. Ab 13 Uhr

22. Februar – 23. März: 40 Jahre Longomai, Shedhalle Zürich, Seestr. 395. Mit Filmen, Diskussionen, Saatgut-Tauschbörse u.a.
22. Februar – 23. März: Foto-Ausstellung zu Chiapas – u.a. zum zapatistischen Schweigemarsch vom 21. Dez. 2012 und zur zapatistischen Kaffeekooperative Yachil
21. März: Filmabend »Wenn das Land zu Ware wird«, mit Regisseur Luz Kerkeling, Shedhalle Zürich, organisiert von der Direkten Solidarität mit Chiapas

Alternativer Lebens- und Wohnraum in Zürich:
Aktueller Stand von Labitzke und ABS auf www.labitzke-areal.ch
   

Kissinger und der schmutzige Krieg in Argentinien

amerika21.de

24. Jan 2014

Neues Dokument über Treffen Kissingers mit Außenminister Guzzetti im Juni 1976. Argentinien solle "Terrorismusproblem" bis Jahresende beseitigen

Ein Rätsel der Demokratie

Donnerstag, 23. Januar 2014




Ernst Baltensberger leitet das Studienzentrum Gerzensee der Schweizerischen Nationalbank. Der Professor veröffentlicht Bücher in gehobenen Verlagen, so etwa 2012 "Der Schweizer Franken – eine Erfolgsgeschichte" bei der NZZ. Er ist ein mustergültiger Repräsentant des Schweizer Establishments und erklimmt als solcher furiose Höhen der Kritik. So fällt ihm zum Raubgold im sicheren Schweizer Hafen sogar auf, dass die Nazis einen "zweifelhaften Rechtsanspruch" darauf hatten (S. 192). Bei so einem lasst uns lauschen, wenn es um den Zusammenhang zwischen Wirtschaftskrieg gegen unten und Rassismuskampagnen geht.

1973, 1. Ölkrise. Die Nationalbank fährt einen stark rezessiven Geldkurs (um das, was sie "Preisstabilität" nennen, ihr Sanctum Sanctorum, angesichts des verteuerten Öls aufrecht zu halten). Resultat: Das BIP bricht dramatisch ein, allein 1975 um 7.4%. Die Schweizer Arbeitslosenquote bleibt dennoch gering, oh Wunder! "Wegen der grossen Mobilität von Arbeitskräften über die Landesgrenzen hinweg", nämlich (S. 229). Von 1973 bis 1978 vertrieb die Schweiz 220'000 ausländische Arbeiter (Saisonniers, GrenzgängerInnen). "Wegen der Krise….", sagt man, "die sie eingesetzt haben", sagen wir.

Nicht doch, nicht doch! Wegen Demokratieglück! Weil "die 'Redimensionierung" der ausländischen Arbeitsbevölkerung […] einem damals weit verbreiteten Wunsch in der schweizerischen Bevölkerung entsprach" (s. 230).

Wie klug gewoben das gesellschaftliche Netz, dass  solche Einsichten in Büchern für die Herrschenden zwar augenzwinkernd platziert werden, aber den Weg in die mediale Öffentlichkeit kaum je finden.

Damals setzte die neoliberale Konterrevolution langsam ein. Heute tobt sie neuen Höhen entgegen. Die Herrschenden streiten sich über Vor- und Nachteile von "Freizügigikeit" (s. die erwähnte "Mobilität") oder Lagerhaltung. Und kein Tag vergeht, an dem wir nicht mit dieser Hetze beleidigt werden.

Correos 176, 16. Dezember 2013 - Inhaltsverzeichnis

Mittwoch, 15. Januar 2014

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Agrarkonterreform und Kampfperspektiven: Brasilien an einer anderen Schwelle

Samstag, 4. Januar 2014




 (zas, 4.1.14) Die brasilianische Position gegen den westlichen Putschismus in Lateinamamerika, gegen anvisierte "neue Kriege" (Syrien, Iran, China…), für die Stärkung der lateinamerikanischen Unabhängigkeit usw. wecken Sympathien. Und etwas gar vorschnell werden soziale Besserungen im Land – für Millionen von Menschen – in linken Kreisen als reiner Assistenzialismus abgehandelt. Doch wir wissen auch um die gesellschaftliche Realität im Land. Dazu vermittelt uns ein Interview mit João Paulo Rodrigues von der Nationalen Koordination der Landlosenbewegung MST wichtige Elemente. Auf Portugiesisch ist das Interview am 18. Dezember 2013 erschienen auf der MST-Seite ("2013 é o pior ano da Reforma Agrária", diz João Paulo Rodrigues), auf Spanisch heute in Alainet.org (2013 fue el peor año para la Reforma Agraria).

Rodrigues hält zur Regierung von Dilma Roussef fest: "Bis jetzt, sind im ganzen Land nur 159 [landlose] Familien angesiedelt worden. Die Regierung von Dilma hat ganze 10 Ländereien enteignet. Schlechter als in der letzten Militärregierung von General Figueiredo, als es zur Enteignung von 152 Ländereien kam."
Quelle: MST
Zudem betreibt die Regierung Roussef unter dem Titel "Emanzipation der Siedlungen" eine Individualisierung der Landfrage. Diese Siedlungen entstanden aus grossen Landbesetzungen des MST, die teilweise von den Regierungen legalisiert worden waren. Rodrigues zu dieser "Emanzipation": "[Die Regierung] erteilt den Angesiedelten Landtitel. In der Praxis entledigt das den Staat der Verantwortung für die Familien. Aber das Schlimmste ist, dass damit eine Agrarkontereform geschaffen wird, denn die Grossgrundbesitzer werden die Angesiedelten zum Verkauf ihres Landes drängen und so die Landkonzentration noch verstärken."

Zwei wichtige Gründe sieht Rodrigues hinter dieser Regierungspolitik. "Der erste ist die Tatsache, dass die ruralistische Fraktion, mit 162 Abgeordneten und 11 Senatoren die grösste im Parlament, die Regierung in Geiselhaft genommen hat." Diese "Fraktion" samt MitläuferInnen hat bisher u. a. Folgendes erreicht: "Das absolute Abwürgen des Waldgesetzes, die Modifizierung des Gesetzes zur Sklavereiarbeit, den Rückschritt im Gesetz über die Abgrenzungen von indigenem Land, die Schaffung einer Sonderkommission zwecks Förderung neuer Agrargifte und die Freisetzung von neuen Gentechsaaten." Den anderen Grund macht der Genosse an der "Illusion der Regierung bezüglich des Agrobusiness" fest. Dessen Exporte verhelfen zu einem Budgetüberschuss vor Schuldendienst, der damit ermöglicht wird.

Nichtsdestotrotz gibt es auch positive Aspekte der staatlichen Agrarpolitik, die auf Kämpfe der Sozialbewegungen zurückgehen: "Wir kämpften für den Kauf von Nahrungsmitteln und erreichten das Nationale Schulessenprogramm (PNAE) und das Nahrungskaufprogramm PAA. Wir kämpften für Bildung auf dem Land und erreichten das Nationale Erziehungsprogramm der Agrarreform (Pronera). Wir kämpften für die Agroindustrialisierung unserer Produktion und errangen das Programa Terra Forte. Wir kämpften für ein anderes Landwirtschaftsmodell und errangen den Nationalen Agroökologieplan Brasil Agroécologico. Dies nur als Beispiele."

Doch …

"diese Massnahmen […] stehen in keinem Verhältnis zu den Investitionen in das Agrobusiness. Der Ernteplan 2013/14 für die familiäre Landwirtschaft stellt ungefähr 20 Prozent dessen dar, was ins Agrobusiness geht."

Zwei Modelle stehen sich antagonistisch gegenüber; das der bäuerlichen Landwirtschaft und das des Agrobusiness. " In den letzten zwanzig Jahren hat das Agrobusiness mehr als 6 Millionen Menschen vom Land vertrieben – in die Armutsquartiere der Städte. Das Agrobusiness schafft keine Arbeitsplätze, mehr als 70 Prozent der landwirtschaftlich Beschäftigten arbeiten in der Familienlandwirtschaft."

"Auch im Bereich der brasilianischen Grundnahrungsmittelproduktion ist die Lage für die Bevölkerung sehr gravierend. Von 1990 bis 2011 ging die Anbaufläche für Grundnahrungsmittel wie Reis, Bohnen, Yuca und Getreide zwischen 20 und 35 Prozent zurück, während die Edelprodukte des Agrobusiness wie Zuckerrohr und Soja um 122 bzw. 107 Prozent zunahmen. Und alles für den Export. Wir werden Reis und Bohnen aus China importieren müssen. Das ist alarmierend."

Nächsten Februar wird das MST seinen 6. Nationalkongress abhalten. Dabei "werden wir unseren Vorschlag für eine Agrarreform des Volkes konsolidieren. Die Agrarreform ist mehr denn je nötig. Aber jetzt geht es um eine Agrarreform neuen Typus, die wir als eine des Volkes (popular) bezeichnen. Die Agrarreform ist nicht mehr nur eine nationale Politik für die Landbevölkerung, sondern nötig für die Gesellschaft als ganze."
MST-Zeitschrift: Auf dem Weg zum 6. Nationalkongress des MST

Entweder vergiftete und gentechnisch manipulierte Nahrung, Verschärfung der Klimakrise, Landvertreibungen, Anschwellen der Slums und der Armut oder ökologisches Produktionsmodell, gesunde Nahrung, Beendigung der Armutsspirale. Das " müssen wir für die ganze Gesellschaft aufzeigen, damit die Gesamtheit der ArbeiterInnenklasse bei der Verwirklichung der Agrarreform des Volkes mitmacht."

Das ist keine illusionäre Perspektive. 2013 war ein Jahr des Rückschritts, aber auch massiver Landkämpfe. Neben vielen regionalen Mobilisierungen gab es 2013 auch die folgenden nationalen Kampfzyklen:
1. Dreimonatiges Camp in Brasilia ab März mit Demos, Besetzungen von Ministerien und politischen Veranstaltungen.
2. Ebenfalls im März landesweite Mobilisierung von 10'000 Landfrauen für die Ansiedlung von 150'000 Familien mit Besetzungen von Ländereien, Agrochemie- und öffentlichen Gebäuden, Demos und Strassenblockierungen.
3. Im April Mobilisierung der sim terra in 19 Gliedstaaten mit zahlreichen Strassenblockaden und Besetzungen von Ländereien, öffentlichen Gebäuden und Gemeindeverwaltungen, Veranstaltungen etc.
4. Massive Beteiligung an den grossen sozialen Protesten von Juni und Juli und der Grossmobilisierung der Gewerkschaften von Ende August mit Streiks, Strassenblockaden auf dem Land und Lahmlegung des Verkehrs in den Städten.
5. Im Oktober Einheitlicher Kampfzyklus für die Ernährungssouveränität in 12 Gliedstaaten wieder mit Demos, Besetzungen von Ländereien und öffentlichen Einrichtungen und Veranstaltungen.

"In der letzten Zeit haben wir die Einheit aller sozialen Landbewegungen aufgebaut und verstärkt, mit Blick auf ein Agrarprogramm, das das brasilianische Volk wirklich interessiere. Und das tendiert jedes Mal dazu, sich zu verstärken. […] Zudem haben die sozialen Organisationen als Resultat der grossen Kämpfe von 2013 das Volksplebiszit für eine tiefe Politreform 2014 aufgebaut, was das aktuelle Panorama grundlegend verändern wird."

Infame Diktatur: Kindersterblichkeit auf Kuba so niedrig wie noch nie

http://www.jungewelt.de/2014/01-04/025.php



04.01.2014 / Ausland / Seite 2

Rekordtief zum Jahrestag

Kindersterblichkeit auf Kuba so niedrig wie noch nie

Als »echtes Geschenk an unser Volk zum 55. Jahrestag der Revolution« bewertete der Chef der Mutter-Kind-Abteilung im kubanischen Gesundheitsministerium, Roberto Álvarez Fumero, am Freitag in der Tageszeitung Granma die zum Jahresbeginn von seinem Ministerium vorgestellten Zahlen über die Kindersterblichkeit auf der Insel. Mit 4,2 Todesfällen auf 1000 Lebendgeburten hat Kuba demnach den tiefsten Stand seiner Geschichte erreicht und steht besser da als alle anderen Länder der Region – auch besser als Kanada und die USA.

»Dieser Wert erlaubt es, die Qualität zu erkennen, mit der eine Gesellschaft für ihre Kinder, deren Gesundheit und Wohlbefinden sorgt und sie beschützt«, kommentierte das Internetportal Cubadebate. »Im Falle Kubas zeigt sich zudem, wie eine Insel mit wenig mehr als elf Millionen Einwohnern, die seit mehr als einem halben Jahrhundert von den Vereinigten Staaten haßerfüllt blockiert wird, in der Lage ist, einen solch bedeutenden Erfolg zu erzielen.«

Acht Provinzen Kubas blieben sogar noch unter den Rekordwerten. Die Isla de la Juventud (Insel der Jugend) erreichte einen Wert von 2,0. In Sancti Spíritus und Granma lag der Wert bei 3,2, in Holguín bei 3,3. Die Hauptstadt Havanna und Ciego de Ávila erreichten 3,4. In Pinar del Río und Villa Clara nennt die Statistik 3,9 und in Las Tunas 4,0 auf je 1000 Lebendgeburten. In 22 der 168 Bezirken der Insel wurde kein einziger Säuglingstod verzeichnet.

1960 hatte die Kindersterblichkeit auf Kuba noch bei 37,3 gelegen. 1993 – inmitten der durch den Wegfall der sozialistischen Partner in Europa verursachten Wirtschaftskrise – sank die Zahl mit 9,4 erstmals unter die Zehner-Marke, seit 2008 lag sie immer unter fünf.

Insgesamt wurden in Kuba im vergangenen Jahr den Angaben des Gesundheitsministeriums zufolge 125830 Kinder geboren, 156 mehr als im Vorjahr. Es gelang demnach auch, den Schutz der werdenden Mütter weiter zu verbessern. Im vergangenen Jahr wurden landesweit nur 26 Todesfälle registriert, die in direktem Zusammenhang mit Komplikationen während der Schwangerschaft oder Geburt standen. Mit 20,7 auf 100 000 Lebendgeburten ist auch dies der geringste Wert in der kubanischen Geschichte.