Ein Rätsel der Demokratie

Donnerstag, 23. Januar 2014




Ernst Baltensberger leitet das Studienzentrum Gerzensee der Schweizerischen Nationalbank. Der Professor veröffentlicht Bücher in gehobenen Verlagen, so etwa 2012 "Der Schweizer Franken – eine Erfolgsgeschichte" bei der NZZ. Er ist ein mustergültiger Repräsentant des Schweizer Establishments und erklimmt als solcher furiose Höhen der Kritik. So fällt ihm zum Raubgold im sicheren Schweizer Hafen sogar auf, dass die Nazis einen "zweifelhaften Rechtsanspruch" darauf hatten (S. 192). Bei so einem lasst uns lauschen, wenn es um den Zusammenhang zwischen Wirtschaftskrieg gegen unten und Rassismuskampagnen geht.

1973, 1. Ölkrise. Die Nationalbank fährt einen stark rezessiven Geldkurs (um das, was sie "Preisstabilität" nennen, ihr Sanctum Sanctorum, angesichts des verteuerten Öls aufrecht zu halten). Resultat: Das BIP bricht dramatisch ein, allein 1975 um 7.4%. Die Schweizer Arbeitslosenquote bleibt dennoch gering, oh Wunder! "Wegen der grossen Mobilität von Arbeitskräften über die Landesgrenzen hinweg", nämlich (S. 229). Von 1973 bis 1978 vertrieb die Schweiz 220'000 ausländische Arbeiter (Saisonniers, GrenzgängerInnen). "Wegen der Krise….", sagt man, "die sie eingesetzt haben", sagen wir.

Nicht doch, nicht doch! Wegen Demokratieglück! Weil "die 'Redimensionierung" der ausländischen Arbeitsbevölkerung […] einem damals weit verbreiteten Wunsch in der schweizerischen Bevölkerung entsprach" (s. 230).

Wie klug gewoben das gesellschaftliche Netz, dass  solche Einsichten in Büchern für die Herrschenden zwar augenzwinkernd platziert werden, aber den Weg in die mediale Öffentlichkeit kaum je finden.

Damals setzte die neoliberale Konterrevolution langsam ein. Heute tobt sie neuen Höhen entgegen. Die Herrschenden streiten sich über Vor- und Nachteile von "Freizügigikeit" (s. die erwähnte "Mobilität") oder Lagerhaltung. Und kein Tag vergeht, an dem wir nicht mit dieser Hetze beleidigt werden.