Correos 177

Mittwoch, 28. Mai 2014

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Kolumbien: Wahl zwischen Pest und Cholera




José Rodríguez
(26.5.14) Letzten 25. Mai fand die erste Runde in den kolumbianischen Präsidentschaftswahlen statt.  Auf den ersten Platz kam mit mehr als 60 % die Wahlabstinenz, Ausdruck des Misstrauens gegenüber dem Regime und seinem Politpersonal. Obwohl die Abstinenz Ausdruck der Inkonformität ist, dient sie am Schluss der Machtstärkung der oligarchischen Eliten, die das Land in den Krieg und die soziale Ungleichheit von heute geführt haben. Erwartungsgemäss hat kein/e KandidatIn das absolute Mehr erreicht, so dass es zum Stichentscheid zwischen Oscar Yván Zuluaga und Juan Manuel Santos kommen wird, die 29.25 % bzw. 25.69 % gemacht haben.  Zuluaga repräsentiert den mafiösen und Grossgrundbesitzer-Sektor der Oligarchie und Santos ihre traditionelle, transnationalisierte Finanz- und Kapitalfraktion. Beide repräsentieren die neoliberale Rechte. Zuluaga, Sieger der ersten Runde, steht politisch für die extreme Rechte und Santos für die US-orientierte ultraliberale Rechte.

Äste vom gleichen Stamm
Von den fünf KandidatInnen der ersten Runde kommen vier aus der von Ex-Präsident Álvaro Uribe vertretenen polit-ideologischen Tendenz, dem "Uribimus". Santos, der heutige Präsident und Kandidat, Gründer der Partei , die Uribe an die Macht brachte, war dessen wichtigster Minister, als Verteidigungsminister verantwortlich die Sicherheitspolitik und damit für die Verletzung der Souveränität von Nachbarstaaten, die berüchtigten falsos positivos (tausendfache Ermordung von unbeteiligten Armutsjugendlichen durch die Armee, die anschliessend als gefallene Guerillas dargestellt wurden) oder die Klientelpolitik zugunsten des Narco-Paramilitarismus. Zuluaga war (mit Santos zusammen) der grosse Wirtschaftsideologe Uribes und dessen Finanzminister. Unter Uribe wurde die Sozialversicherung demontiert und die Verwaltung der öffentlichen Gesundheit kam in Privathände – über Konzessionen, die damit endeten, dass sie vom Paramilitarismus kontrolliert wurden und der Mafia Profit erbrachten. Für 70 % der Bevölkerung gibt es keine diesen Namen verdienende Gesundheitsversorgung. Gleichzeitig wurden Renten und öffentliche Erziehung den Marktregeln unterstellt, die Freihandelsverträge vorangetrieben und die von den Paramilitärs geraubten Ländereien legalisiert.
Marta Lucía Ramírez vom Partido Conservador (Grossgrundbesitz, Viehzucht, Klerus), mit 15.52 % der Stimmen auf Rang 3, war Uribes erste Verteidigungsministerin in der Zeit, als die Straffreiheit und Legalisierung der geraubten Ländereien mit dem Drogenhandel und dem Paramilitarismus paktiert wurden ("Gerechtigkeits- und Friedensgesetzes"). Enrique Peñalosa, mit 8.28 % das Schlusslicht der ersten Runde, war Kandidat für die Grüne Allianz, die irgendeinen anderen Namen hätte annehmen können, da sie weder ökologisch noch links ist. Peñalosa ist ein in der Weltbank geformter Technokrat und ehemaliger Bürgermeister Bogotás. 2011 scheiterte er als Kandidat des Uribismus beim Versuch, wiedergewählt zu werden. Er verfügt über eine treue Wahlbasis und könnte die zweite Runde entscheiden.

Schmutzkampagne ohne Inhalte
Von Beginn weg war die Kampagne des Kandidaten Präsidenten und des Kandidaten von Uribe durch das Fehlen klarer Vorschläge und die Dominanz von Skandalen geprägt. Es handelte sich dabei um einen Streit ehemaliger Kumpane, die sich sehr gut kannten. Um nur die beiden wichtigsten Fälle zu nennen: Seitens der Uribe-Kampagne wurde Santos beschuldigt, über seinen wichtigsten Berater – J. J. Rendón, Wahlstratege der lateinamerikanischen Rechten, von der venezolanischen Justiz gesucht und von Washington und Bogotá beschützt – bei seiner letzten Kampagne von den Narcos $ 2 Mio. erhalten zu haben. Die Quelle dafür ist ein in den USA inhaftierter Drogenhändler. Ihrerseits beschuldigte die Santos-Kampagne, gestützt auf ein Video, Zuluaga, mithilfe eines Hackers die Kommunikation der beiden in Havanna verhandelnden Delegationen und hoher RegierungsfunktionärInnen abgehört und einen Plan zur Sabotage der Friedensverhandlungen zwischen FARC und Regierung ausgearbeitet zu haben. Mithin handelt es sich um eine aus wahltaktischen Gründen angestossene Diskussion über Formen der Korruption und der Politikausübung jener Kasten, die die beiden Kandidaten vertreten. Die jüngste Geschichte lehrt uns, dass, was sich die beiden vorwerfen – Beziehungen zum Drogenhandel und zum Paramilitarismus, illegales Abhören etc. – vom einen wie vom andern angewandt worden ist.
Das Fehlen umsetzbarer Vorschläge und Programme bewirkte überdies nicht nur die Wahlprozessen eigene Demagogie, sondern eine Polarisierung bzgl. der Friedensverhandlungen zwischen den Aufständischen und der FARC und der Regierung Santos, die seit Ende 2012 in Havanna stattfinden. So hat Santos diese Gespräche stets als Sprungbrett zu seiner Wiederwahl benutzt , während Zuluaga von Beginn weg offen gegen einen möglichen Pazifizierungsprozess konspiriert hat. Er will so seinen Meister (Uribe) kopieren, der 2002 die Präsidentschaft  mit seiner offenen Propaganda des totalen Kriegs gewonnen hat.

Die Linke übersteht ihre Spaltungen
Die Kandidatin von Izquierda Plural, Polo Democrático und Unión Patriótica, Clara López, belegte mit 15.23 % den vierten Rang, in technischem Patt mit Platz 3.  In städtischen Zentren wie Bogotá erzielte sie Resultate zwischen 22 % und 25 %. Der Polo Democrático ist ein Mix von politischen Strömungen, die von liberal-fortschrittlichen und sozialdemokratischen Tendenzen bis zu einer definitiv antisystemischen Linken reichen. Die Unión Patriótica (UP) entstand 1984 aus einem Versuch der FARC-EP, die Waffen in Stimmen umzutauschen; ihre Kader wurden nach ersten Wahlerfolgen von Staatskillern ermordet  und die Partei verboten. In den Parlamentswahlen vom letzten März trat die Linke in drei Gruppen gespalten an: der Polo mit allen seinen Tendenzen; das vom Bürgermeister von Bogotá, Gustavo Petro, angeführte Movimiento Progresista, das damals mit der Alianza Verde von Peñalosa zusammen ging; und drittens der Sektor um die UP und die KP. Nach den Parlamentswahlen wurde eine linke Einheit angestrebt, doch vergeblich. Nur zwischen Polo und UP kam es zu einer programmatischen Verständigung um Clara López als Kandidatin für die Präsidentschaft und Aída Avella von der UP als ihre Vize. Das  Movimiento Progresista von Petro spaltete sich in eine Fraktion für Peñalosa, den Kandidaten der Alianza Verde, und eine andere um Petro, der sich für die Unterstützung von Santos entschied.
Zwei Dinge sind klar: Erstens gingen die linken Stimmen an den von zwei Frauen geführten Zusammenschluss Polo/UP und zweitens missachtete die Basis von Petro dessen Gebot und wählte die KandidatInnen der Linken.
Clara López und Aída Avella

Offene zweite Runde
Bezüglich der zweiten Runde ist, auch aufgrund der Nachwahlerklärungen der beiden Kandidaten,  nur klar, dass sich die Kampagne in den nächsten drei Wochen um den Frieden drehen wird. Santos wird weiter die Gefühle und das Sehnen jener ausnutzen, die wir nach 66 Jahren Krieg ein Kriegsende wollen. Zuluaga seinerseits wird seine Kampagne in Vertretung jener, die vom Krieg gelebt und daraus Profit geschlagen haben, gegen den Frieden richten. Was die sozioökonomische Politik betrifft, laufen ihre unterschiedlich ausgeschmückten Vorstellungen auf das Gleiche heraus: Neoliberalismus pur. Letztlich vertreten sie die gleichen Interessen. Es geht um einen Streit zwischen zwei Fraktionen des Establishments: der Mafia und der traditionellen, weissen und glamourösen Bourgeoisie.
Die beiden Kandidaten werden versuchen, zu Abkommen mit den unterlegenen KandidatInnen zu gelangen. Ohne Zweifel wird der Grossteil der Stimmen für die Kandidatin des Partido Conservador (Platz 3) an Zuluaga gehen. Bei der Alianza Verde werden das die disziplinierten Stimmen ihres Kandidaten machen, andere werden im Namen des Friedens Präsident Santos unterstützen. Aber zweifelsohne werden jene, die leer eingelegt oder Wahlabstinenz geübt haben, den Wahlausgang im Juni entscheiden.
An einem Scheideweg steht die Linke, für die es ethisch, moralisch und politisch UNZULÄSSIG ist, einen der beiden Kandidaten zu unterstützen. Aber gleichzeitig würde ein Aufruf zur Stimmenthaltung eine indirekte Unterstützung für den Kandidaten des Kriegs und der Mafia und die schwere Last einer weiteren Kriegsphase bedeuten. Umgekehrt könnte eine Unterstützung von Santos im Namen des Friedens, ohne dessen Ehrlichkeit in diesem Prozess einschätzen zu können, einen politischen Selbstmord bedeuten.
Ein Ereignis der jüngsten Vergangenheit könnte der Linken als Spiegel  dienen: Gustavo Petro unterstützte zwar Santos, konnte ihm aber keine Stimmen einbringen, und verlor dafür die Glaubwürdigkeit bei jenen, die ihn in seinem Kampf um die Wiedereinsetzung als Bürgermeister unterstützt haben (einem Amt, das ihm Santos weggenommen hatte).
Die Linke wird in klarer Weise die historischen, politischen und realen Gründe darlegen müssen, die uns hindern, einen der beiden Kandidaten zu unterstützen und darauf beharren, dass der Frieden ein inhärenter Grund für unser Linkssein in Kolumbien ist. Und so jeder Kolumbianerin und jedem Kolumbianer die Freiheit seiner Stimmabgabe zu lassen, denn wie jemand sagte, man hält uns an, zwischen Pest und Cholera zu wählen.  

Mexiko und El Salvador: Monsanto stösst auf Widerstand

Mittwoch, 21. Mai 2014



(zas, 20.5.14) Auf triplecrisis.com hat Timothy A. Wise, Ernährungswissenschaftler von der Tufts Univerity (USA), in Monsanto Meets ist Match in the Birthplace of Maize berichtet, wie der Saatgutgigant Monsanto in Mexiko kürzlich auf weitere Hindernisse traf bei seinem Unterfangen, das Land der Herkunft des Mais  mit seinem Gentech-Mais zu überziehen. Am 21. April 2014 hielt ein mexikanischer Richter ein vorläufiges Anbauverbot für gentechnisch manipulierten weissen Mais (den Menschen essen) von Oktober 2013 aufrecht.
Hintergrund: 2009 bewilligte die Regierung von Felipe Calderón das Verlangen biotechnischer Unternehmen nach der Freigabe experimenteller Maisanpflanzungen in sechs nördlichen Gliedstaaten. Zwar verbot das Biosicherheitsgesetz die Anpflanzung von Gentechsorten nahe von "Herkunftsorten" des Maises, definierte diesen Begriff aber nicht. Im Norden galt die Maisdiversität als gering. Die Regierung von Peña Nieto wollte letztes Jahr gerade grossflächige Gentechanpflanzungen von weissem Mais erlauben, als die einstweilige Verfügung von Oktober 2013 dazwischen kam. Dummerweise fand unlängst eine Studie der staatlichen Kommission für Biodiversität (CONABIO) nicht nur 65 Landsorten von Mais, viele davon bisher unbekannt, mit 22'000 verschiedenen Varietäten, sondern auch eine Vielzahl lokaler Varietäten im Norden. CONABIO mag seither sich seither nicht mehr für die Durchdringung Mexikos durch weissen Gentechmais erwärmen.
Doch das ist ein Problem für Monsanto. Bei gelbem Mais (für Agrosprit und Vieh) sind zwar die legalen Hindernisse kleiner, doch Monsanto will nur gross ins Geschäft einsteigen, wenn sie den weissen Mais kontrollieren kann. Monsanto-Kader für Lateinamerika, Jaime Mijares Noriega, meinte zu Wise: "Damit die Durchdringung mit Biotech-Crops Erfolg hat, braucht es sowohl den weissen wie den gelben Mais. Käme nur der gelbe Mais in Frage, würden wir nicht investieren."
 Monsanto und andere Gentechunternehmen setzen jetzt zusammen mit den Landwirtschafts- und Umweltministerien auf den endgültigen Entscheid im class action-Verfahren, das verschiedene staatliche und nichtstaatliche Instanzen gegen den Gentechmais angestrengt haben und dessen Urteil im Lauf der nächsten zwei Jahre erwartet wird). Wise meint: "Monsanto hat den Richter, der die einstweilige Verfügung aufrechthielt, in einem passendem Tribut an den mexikanischen Surrealismus, beschuldigt, 'nicht unparteiisch' zu sein."

Monsanto oder essen
Noch gravierender ist die Diskriminierung von Monsanto in El Salvador. (Den Ausdruck gebrauchen die Unternehmerverbände im Land tatsächlich in diesem Zusammenhang.) Das kam so: Der frühere Staatspräsident Freddy Cristiani , der in seiner Präsidentschaft (19989-94) zum Beispiel die Banken privatisierte, von denen eine – die grösste im Land – in seinen Besitz kam, legte generell unternehmerischen Geist an den Tag. Er dominierte Emsig arbeitend gelang es ihm, den Import zum Beispiel von Saatgut in El Salvador, und teilweise in andere Länder Zentralamerikas. 2008 verkaufte er sein Saatgutunternehmen Semillas Cristiani Burkard an Monsanto. (Zur gleichen Zeit  – ARENA war noch an der Regierung – wurde in El Salvador die Einfuhr von Gentechsaaten legalisiert, was bisherige Geschäftspraktiken klar erleichterte.) Monsanto kontrollierte nach dem Kauf des Cristiani-Unternehmens rund 70% des zentralamerikanischen Saatgutmarktes. Doch 2009 verlor die Rechte die Wahlen in El Salvador. Die neue Regierung und das von FMLN-Gemeinden mit dem venezolanischen Ölkonzern Pdvsa zusammen aufgebaute Unternehmen Alba Petróleos begannen, die bäuerische Landwirtschaft zu unterstützen statt wie seit Kriegsende üblich zu zerschlagen. Alba Petróleos verkaufte FMLN-Gemeinden venezolanisches Öl zu Zahlungsbedingungen, bei denen mehr als die Hälfte des Preises erst in 25 Jahren bezahlt werden und in der Zwischenzeit sozial und produktiv eingesetzt werden muss. (Ein Notkonstrukt, denn auch die Ende dieses Monats abtretende Regierung Funes weigerte sich, dem zwischenstaatlichen Verbund PetroCaribe beizutreten – ein Missstand, der nächsten Juni behoben werden wird.)
Das Unheil, die Marktverzerrung, nahm ab 2009 seinen Lauf. Ein vom FMLN im Parlament durchgebrachtes provisorisches Gesetz erlaubte, die üblichen Ausschreibungsbedingungen, unter denen meist Monsanto & Co. die Vergabe von Staatsaufträgen gewannen, in den Fällen "abzukürzen", in denen das Normalverfahren sich als zu "umständlich" für die problemlose Nahrungsversorgung der Bevölkerung erweist. Ein von der Regierung ernanntes Komitee war in diesen Fällen befugt, das benötigte Saatgut ohne Ausschreibungsverfahren zu besorgen, das anschliessend zu günstigen Bedingungen an hunderttausende von LandwirtInnen weitergegeben wird. Parallel stützten die Regierung (und Alba Petróleos) mit Krediten und Forschungen für angepasstes Saatgut die nationalen SaatgutproduzentInnen, meist viele Kooperativen oder EinzelbäuerInnen, in grossem Ausmass. Das bewirkte dramatische Veränderungen. 2009, beim Antritt der Mitte/Linksregierung, deckte die nationale Produktion bei den Grundnahrungsmitteln Bohnen und Mais 15 % bzw. 30 %. Heute ist bei Bohnen die vollständige Selbstversorgung (plus Exportkapazität) erreicht, beim Mais annähernd. Doch auch bei Reis oder Gemüse sind beachtliche Fortschritte erzielt worden. Der Landwirtschaftsminister Pablo Ochoa erläuterte vergangenen März in Sachen Gemüse: "In den wichtigsten Supermarktketten ist die nationale Produktion schon für die Hälfte des Umsatzes verantwortlich. Wir haben die Einfuhr von Gemüse, das vorallem aus Guatemala und Honduras kam, verringert."
Zu allem Elend ist das nationale Saatgut dank eng mit den BäuerInnen verbundener Forschung nicht nur oft leistungsfähiger als das traditionelle von Monsanto, sondern im Schnitt um 30 % bis 50 % billiger. Zudem ist es garantiert nicht genmanipuliert. Die letzten beiden Jahre zeigte sich die neue Energie im Agrarsektor in Rekordernten bei den Grundnahrungsmitteln, was das Geschäft der üblichen Spekulationsprofis weitgehend einschränkte.  
Kurz, eine unerträgliche Marktverzerrung. Schon vor einiger Zeit reiste eine Delegation der salvadorianischen Rechten nach Washington, um mit dem US-Handelsbevollmächtigten die "kritische" Situation zu besprechen. Im Vorfeld der kürzlichen Präsidentschaftswahlen machte die US-Botschaft öffentlich, dass die Saatgutproblematik im Sinne des Freihandelsvertrages USA/Zentralamerika (CAFTA) gelöst werden müsse, damit  die USA $ 277 Mio. "Hilfsgelder" für das Projekt Fomilenio II, das die ökonomische Erschliessung vorallem der Küstenregion bezweckt, frei geben können. Voraussetzung für das 5-Jahresprojekt ist eine Reihe von Deregulierungs- und Privatisierungsreformen. Seit dem Wahlsieg des FMLN letzten Märzes macht die US-Botschaft diesbezüglich Dauerdruck, unterstützt nicht nur von den dominierenden rechten Medien, sondern auch vom "zentristischen" Wirtschaftskabinett der abtretenden Regierung Funes, die alle so tun, als ob das Heil der Nation von den 55 Millionen Fomilenio-Dollars pro Jahr abhängen würden. Letzten Samstag, dem 17. Mai 2014, etwa meinte US-Botschafterin Mari Aponte: Für die Fomilenio-"Hilfe" seien Voraussetzung "die Bedingungen, unter denen die Saatgutausschreibung mit allen Erfordernissen des Freihandelsvertrages CAFTA übereinstimmen" (El Mundo, 17.5.14).
Es ist klar, dass der FMLN in diesem Punkt zwar verhandeln, aber real nicht nachgeben wird. Die Ernährungssouveränität ist ein zentrales Ziel, das nicht für einen Pappenstiel verschenkt wird. Der Frente hat da durchaus Erfahrung. Es gelang ihm kürzlich, trotz eines massiven Ansturms der US-Botschaft, der Grossunternehmerverbände und der rechten Medien Bereiche wie die Wasserversorgung definitiv aus dem US-gepushten neuen Regelwerk zu Public Private Partnerships (faktische Privatisierungsmechanismen) herauszuhalten. Wie Monsanto und ihre Regierung in Washington in diesem Fall reagieren werden, ist offen. Wirtschaftlich ist El Salvador für das Saatgutmonster ein kleiner Nebenschauplatz, doch könnte das Beispiel ansteckend wirken.

Meinungsfindung (in der Schweiz)

Montag, 19. Mai 2014

Wie es kommt, dass Gesindel im Aargau dafür stimmt, dass in Kindergärten nur noch Schweizerdeutsch geredet werden darf, ist kein Geheimnis. Wen trifft es, wer kommt unter die Räder - die Antwort ist klar.

Auf eine andere Art bemerkenswert ist, wie es das Kapital mit einer Angstkampagne innert weniger Monate schaffte, die vage Stimmung zugunsten eines akzeptablen Mindesteinkommens radikal zu kippen. Die Angst der Manipulierten wird sich bei dem nun noch explodierenden Lohndruck wie gewohnt in Feigheit verwandeln: Die "Ausländer" nehmen mir den Job, den Lohn, die Luft zum Atmen weg.

- Es ist falsch, dass die Massenmedien die Köpfe der Leute beeinflussen.
- Woher weisst du das?
- Sie haben es im TV gesagt.

Das Wunder, das zu tun Johannes Paul II sich weigerte

Samstag, 10. Mai 2014



Das Wunder, das zu tun Johannes Paul II sich weigerte

Eduardo Galeano

Im Frühjahr 1979 reiste der Erzbischof von El Salvador, Óscar Arnulfo Romero, in den Vatikan. Er bat, flehte, bettelte um eine Audienz beim Papst Johannes Paul II:
- Warten Sie, bis Sie an der Reihe sind.
- Wissen wir nicht.
- Kommen Sie morgen wieder.
Schliesslich überraschte Romero, als er sich in die Reihen der auf einen Segen wartenden Gläubigen einreihte, einer wie alle andern, seine Heiligkeit und konnte ihr ein paar Minuten abringen.
Er versuchte, ihm einen umfangreichen Bericht, Fotos, Zeugnisse, zu übergeben, aber der Pabst gab es ihm zurück:
- Ich habe keine Zeit, all das zu lesen!
Und Romero stotterte, dass Tausende von Menschen in Elf Salvador von der Armee gefoltert und ermordet wurden, darunter viele Katholiken und fünf Priester, und dass erst gerade gestern am Vorabend dieser Audienz, das Militär 25 Menschen vor den Türen der Kathedrale niedergeschossen hat.
Der Kirchenchef unterbrach ihn scharf:
-Übertreiben Sie  nicht, Herr Erzbischof!
Nur noch kurz war das Treffen.
Der Erbe von St. Petrus verlangte, verordnete, befahl:
- Sie müssen sich mit der Regierung verständigen! Ein guter Christ schafft der Obrigkeit keine Probleme! Die Kirche sucht Frieden und Harmonie.
Zehn Monate später fiel Erzbischof Romero in einer Kirche von San Salvador tot zu Boden. Die Kugel schleuderte ihn um, als er die Hostie erhob.
In Rom verurteilte der Pontifex Maximus das Verbrechen.  
Er vergass, die Verbrecher zu verurteilen.
Jahre später erinnert eine unendlich lange Mauer im Parque Cuscatlán an die zivilen Opfer des Bürgerkriegs. Abertausende von Namen sind in weiss in den schwarzen Marmor eingraviert. Der Name des Erzbischofs Romero ist der einzige, der abgenutzt ist.
Abgenutzt von den Fingern der Leute.

San Salvador, 30. März 1980: An der Beerdigung Romeros vor der Kathedrale.
Wenn sie ihn umlegen, wen dann nicht…?
Die Beerdigungsfeier endete, bevor sie begann: Die Armee erschoss mehrere mehrere Dutzend Menschen vor der Kathedrale.


El milagro que Juan Pablo II se negó hacer.

Por Eduardo Galeano
En la primavera de 1979, el arzobispo de El Salvador, Óscar Arnulfo Romero, viajó al Vaticano. Pidió, rogó, mendigó una audiencia con el papa Juan Pablo II:
-Espere su turno.
-No se sabe
-Vuelva mañana.
Por fin, poniéndose en la fila de los fieles que esperaban la bendición, uno más entre todos, Romero sorprendió a Su Santidad y pudo robarle unos minutos.
Intentó entregarle un voluminoso informe, fotos, testimonios, pero el Papa se lo devolvió:
-¡Yo no tengo tiempo para leer tanta cosa!
Y Romero balbuceó que miles de salvadoreños habían sido torturados y asesinados por el poder militar, entre ellos muchos católicos y cinco sacerdotes, y que ayer nomás, en vísperas de esta audiencia, el ejército había acribillado a veinticinco ante las puertas de la catedral.
El jefe de la Iglesia lo paró en seco:
-¡No exagere, señor arzobispo!
Poco más duró el encuentro.
El heredero de san Pedro exigió, mandó, ordenó:
-¡Ustedes deben entenderse con el gobierno! ¡Un buen cristiano no crea problemas a la autoridad! ¡La iglesia quiere paz y armonía!
Diez meses después, el arzobispo Romero cayó fulminado en una parroquia de San Salvador. La bala lo volteó en plena misa, cuando estaba alzando la hostia.
Desde Roma, el Sumo Pontífice condenó el crimen.
Se olvidó de condenar a los criminales.
Años después, en el parque Cuscatlán, un muro infinitamente largo recuerda a las víctimas civiles de la guerra. Son miles y miles de nombres grabados, en blanco, sobre el mármol negro. El nombre del arzobispo Romero es el único que está gastadito.
Gastadito por los dedos de la gente.

Drogenkrieg II: Beispiel Mexiko

Mittwoch, 7. Mai 2014

Drei mexikanische Farmarbeiter in den USA. Sie leben unter einer in den Bäumen aufgehängten Zeltplache und haben jeweils nur für wenige Tage einen Job.


(zas, 7.5.14) Der jüngste Nacla-Report of the Americas vom Frühling 2014 hat den Schwerpunkt Mexiko. In verschiedenen Berichten werden zentrale Elemente der laufenden neoliberalen Offensive wie etwa die beschleunigte Privatisierung des Öls oder die massive rechtliche und faktische Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der Lohnabhängigen (Leiharbeit, Outsourcing, Limitierung der Gewerkschaftsfreiheit etc.) beleuchtet. Mehrere AutorInnen aus Mexiko, USA und Kanada betonen die Notwendigkeit einer internationalen gemeinsamen ArbeiterInnenbewegung, die sich aus schon existierenden Momenten binationaler US-mexikanischer Kampferfahrungen entwickeln muss. Beispiele dafür sind etwa Arbeitskämpfe mit aktiver Unterstützung aus den USA oder die binationale Kampagne migrantischer ArbeiterInnen für das Recht zu bleiben und das Recht auszuwandern, also das Recht auf die Wahl zwischen würdigen Lebensbedingungen zuhause und einem würdigen Leben anderswo.

  Die extrem schwierigen Lebens- und Organisierungsbedingungen in Mexiko sind geprägt durch den am 1. Januar 1994, dem Tag der zapatistischen Offensive, in Kraft getretenen Freihandelsvertrag NAFTA (USA, Mexiko, Kanada) und dessen 2005 lancierte Verschärfung, der Security and Prosperity Partnership (SPP). Der Ökonom Alejandro Álavarez Béjar von der Universität UNAM schreibt dazu in seinem Heftbeitrag Energy, Integration, and Colonialism:

Die vor allem Energiefragen betreffende SPP "machte die nationalen Sicherheitsinteressen der USA zur Toppriorität der Beziehungen. Die SPP vertieft über Regierungsabkommen die Schemata des Freihandels, der Deregulierung und der Privatisierung und erlaubt den drei NAFTA-Ländern die Durchsetzung einer gemeinsamen Politik ohne Ratifizierung der jeweiligen Legislative."
Ausgedienter Demowagen an eienr Kundgebung der kämpferischen Gewerkschaft SME im Stromsektor. Das grosse staatliche Stromunternehmen Luz y Fuerza wurde 2009 im Zeichen militärisch besetzt, um die Gewerkschaft zu zerschlagen.

In ihrem Einführungstext ins Heft (Introduction: Mexican Workers in the Continental Crucible) nennen Richard Roman und Edur Velasco, emeritierter Soziologe von der University of Toronto der eine, ehemaliger Generalsekretär der mexikanischen Gewerkschaft der Uniangestellten SITUAM der andere, eine weitere Dimension der Verschärfung der Lebensbedingungen der Menschen:

"Die Güter, deren öffentlicher Besitz im revolutionären mexikanischen Prozess errungen wurde (Naturressourcen, vor allem Minen und Energie) werden in die Hände der Reichen und Mächtigen transferiert. Und der Drogenkrieg, ein realer Konflikt zwischen rivalisierenden Fraktionen des Staats-/Drogenkartell-Komplexes wird genau in den Gebieten der neuen Industrialisierung ausgetragen wie dem Grenzgebiet im Norden und in den Schlüsselregionen des Transports globalisierter commodities wie dem Staat Michoacán. Der brutale Drogenkrieg ist eine mächtige, wenn auch nicht beabsichtigte Einschüchterungskraft gegen Versuche der kollektiven Organisierung und des öffentlichen Protests".

Protest nach der Beerdigung von Bernardo Vázquez, des 2012 in Oacaxa ermordeten Anführers eines Kampfes gegen eine Mine.

 Zu den "Gebieten der neuen Industrialisierung" erläutern Roman und Velasco:

"Die neoliberale Reorganisation der mexikanischen Wirtschaft und ihre Integration in ein kontinentales Produktionssystem haben eine massive geographische Verlegung der Industrie und eine Restrukturierung des Arbeitsmarktes und der Arbeitsprozesse mit sich gebracht. So wie in den USA in den 1980er und frühen 1990er Jahren Fabriken den mittleren Westen und den Nordosten in Richtung des antigewerkschaftlichen Südens und Südostens verliessen, zogen Fabriken von Zentralmexiko in die nördliche Grenzregion, sowohl um aus Gebieten mit starker Gewerkschaftstradition zu flüchten wie auch um sich an der Kontinentalisierung der der nordamerikanischen Produktion zu beteiligen. Da der Norden wenig bevölkert war, wurden neue ArbeiterInnen aus einer Vielzahl von Regionen und mit unterschiedlichen Hintergründen für den damals sich ausweitenden, als maquila oder maquiladora bekannten Montagesektor rekrutiert."

"In der ersten Welle der Maquilas – Elektronik und Textilien – wurden vor allem junge Frauen für die Fabriken angeheuert. Aber in späteren Wellen der Maquila-Entwicklung wurden, vor allem im Bereich Autoersatzteile, hauptsächlich Männer rekrutiert. Der junge Charakter der Grenzgebietmigration und die extrem repressive Politik von Unternehmen und Staat machten kollektive Organisierung und Widerstand sehr schwierig."

In ihrem Heft-Beitrag Criminal Violence and Social Control geht die Assistenzprofessorin an der University of New Brunswick, Hepzibah Muñoz Martínez, auf die laut offiziellen Angaben 26'121 Fälle von Verschwundenen in Mexiko von 2006 bis 2012 ein, von denen "die grosse Mehrheit aus urbanen ArbeiterInnen- oder Mittelklassen oder aus der Landarmut" stammt. Sie beschreibt, wie Unterklassenangehörige von Verschwundenen praktisch keine Chancen haben, jemals vom Staat über das Los ihrer verschwundenen Nächsten aufgeklärt zu werden, im Gegensatz zu den Fällen, in denen es um reiche Verschwundene geht, wo es dann auch zu Verhaftungen von Polizeimitgliedern kommt. Dann sagt sie:

"In der Zwischenzeit ist die durch die Fälle von Verschwindenlassen hervorgerufene Angst eine Form der sozialen Kontrolle geworden, um Opposition gegen den militarisierten Neoliberalismus zum Schweigen zu bringen. Ein Grossteil der Gewalt findet in Regionen intensiver und kürzlicher Industrialisierung statt und hat somit eine enorme Auswirkung auf die aus verzweifelter Arbeitsnot in die Städte gekommenen ArbeiterInnen. Die Kombination von organisierter Gewalt des Staates und der Kartelle schafft ein Klima des Terrors, das wiederum die staatliche Repression gegen Organisierungsversuche der ArbeiterInnen in den Regionen der für den Export produzierenden Maquilas verschärft. Die Gewalt in ihren verschiedenen Ausprägungen macht, absichtlich oder nicht, individuellen oder kollektiven Widerstand gegen Ausbeutung extrem schweirig und riskant."

"Neoliberale Reformen haben die Politik der Austerität und der Privatisierung von Gemeinschaftsland vorangetrieben und viele BäuerInnen zur Migration in die Maquila-Regionen gezwungen, die zu den wenigen Quellen beständiger Arbeit gehören. Maquila-Gebiete wie die von Ciudad Juárez sind zu den gewalttätigsten Zonen des Landes geworden. ArbeiterInnen müssen sich nicht nur mit Arbeitsunsicherheit und Tieflöhnen auseinandersetzen, sondern auch mit der täglichen Drohung von Gewalt, Folter und Verschwindenlassen. In den 90er Jahren waren in den Maquilas arbeitende Frauen das Hauptziel von Gewalt und Verschwindenlassen. Seit 2006 kommen jedoch zunehmend junge Männer, Kinder und Betagte zu den Opfern von Verschwindenlassen hinzu."
 
Maquila-Arbeiterin in Tijuana

"Die Wirtschaftskrise und die allgemeine Unsicherheit haben die möglichen Strategien für Verhandlungen mit den Unternehmern und dem Staat und für Proteste gegen die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen weiter reduziert. VerteidigerInnen von Arbeitsrechten wurden gekidnapped und erhielten Drohungen. So wurde beispielsweise 2012 ein Anwalt des ArbeiterInnen-Hilfezentrums im Staat Puebla auf seinem Weg zu einer Verhandlungsrunde in einem Prozess gegen ArbeiterInnen der Bekleidungsindustrie entführt. Dies zwang das Zentrum zur Schliessung seines Büros und zur Beendigung seiner Arbeit mit den Maquila-ArbeiterInnen in Puebla. Der Gewerkschaftsbund in der nördlichen Stadt Matamoros in Tamaulipas, einer der ältesten Maquilaregionen des Landes, hat wegen der Gewalt seit 2009 die 1. Mai-Demonstrationen suspendiert." 


An einer Demo der Gewerkschaften SME und CNTC (LehrerInnen) wird ein Bild des 1974 gefallenen Guerillaanführers Lucio Cabañas mitgetragen.
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Alle Fotos aus NACLA-Report Spring 2014