Mexiko und El Salvador: Monsanto stösst auf Widerstand

Mittwoch, 21. Mai 2014



(zas, 20.5.14) Auf triplecrisis.com hat Timothy A. Wise, Ernährungswissenschaftler von der Tufts Univerity (USA), in Monsanto Meets ist Match in the Birthplace of Maize berichtet, wie der Saatgutgigant Monsanto in Mexiko kürzlich auf weitere Hindernisse traf bei seinem Unterfangen, das Land der Herkunft des Mais  mit seinem Gentech-Mais zu überziehen. Am 21. April 2014 hielt ein mexikanischer Richter ein vorläufiges Anbauverbot für gentechnisch manipulierten weissen Mais (den Menschen essen) von Oktober 2013 aufrecht.
Hintergrund: 2009 bewilligte die Regierung von Felipe Calderón das Verlangen biotechnischer Unternehmen nach der Freigabe experimenteller Maisanpflanzungen in sechs nördlichen Gliedstaaten. Zwar verbot das Biosicherheitsgesetz die Anpflanzung von Gentechsorten nahe von "Herkunftsorten" des Maises, definierte diesen Begriff aber nicht. Im Norden galt die Maisdiversität als gering. Die Regierung von Peña Nieto wollte letztes Jahr gerade grossflächige Gentechanpflanzungen von weissem Mais erlauben, als die einstweilige Verfügung von Oktober 2013 dazwischen kam. Dummerweise fand unlängst eine Studie der staatlichen Kommission für Biodiversität (CONABIO) nicht nur 65 Landsorten von Mais, viele davon bisher unbekannt, mit 22'000 verschiedenen Varietäten, sondern auch eine Vielzahl lokaler Varietäten im Norden. CONABIO mag seither sich seither nicht mehr für die Durchdringung Mexikos durch weissen Gentechmais erwärmen.
Doch das ist ein Problem für Monsanto. Bei gelbem Mais (für Agrosprit und Vieh) sind zwar die legalen Hindernisse kleiner, doch Monsanto will nur gross ins Geschäft einsteigen, wenn sie den weissen Mais kontrollieren kann. Monsanto-Kader für Lateinamerika, Jaime Mijares Noriega, meinte zu Wise: "Damit die Durchdringung mit Biotech-Crops Erfolg hat, braucht es sowohl den weissen wie den gelben Mais. Käme nur der gelbe Mais in Frage, würden wir nicht investieren."
 Monsanto und andere Gentechunternehmen setzen jetzt zusammen mit den Landwirtschafts- und Umweltministerien auf den endgültigen Entscheid im class action-Verfahren, das verschiedene staatliche und nichtstaatliche Instanzen gegen den Gentechmais angestrengt haben und dessen Urteil im Lauf der nächsten zwei Jahre erwartet wird). Wise meint: "Monsanto hat den Richter, der die einstweilige Verfügung aufrechthielt, in einem passendem Tribut an den mexikanischen Surrealismus, beschuldigt, 'nicht unparteiisch' zu sein."

Monsanto oder essen
Noch gravierender ist die Diskriminierung von Monsanto in El Salvador. (Den Ausdruck gebrauchen die Unternehmerverbände im Land tatsächlich in diesem Zusammenhang.) Das kam so: Der frühere Staatspräsident Freddy Cristiani , der in seiner Präsidentschaft (19989-94) zum Beispiel die Banken privatisierte, von denen eine – die grösste im Land – in seinen Besitz kam, legte generell unternehmerischen Geist an den Tag. Er dominierte Emsig arbeitend gelang es ihm, den Import zum Beispiel von Saatgut in El Salvador, und teilweise in andere Länder Zentralamerikas. 2008 verkaufte er sein Saatgutunternehmen Semillas Cristiani Burkard an Monsanto. (Zur gleichen Zeit  – ARENA war noch an der Regierung – wurde in El Salvador die Einfuhr von Gentechsaaten legalisiert, was bisherige Geschäftspraktiken klar erleichterte.) Monsanto kontrollierte nach dem Kauf des Cristiani-Unternehmens rund 70% des zentralamerikanischen Saatgutmarktes. Doch 2009 verlor die Rechte die Wahlen in El Salvador. Die neue Regierung und das von FMLN-Gemeinden mit dem venezolanischen Ölkonzern Pdvsa zusammen aufgebaute Unternehmen Alba Petróleos begannen, die bäuerische Landwirtschaft zu unterstützen statt wie seit Kriegsende üblich zu zerschlagen. Alba Petróleos verkaufte FMLN-Gemeinden venezolanisches Öl zu Zahlungsbedingungen, bei denen mehr als die Hälfte des Preises erst in 25 Jahren bezahlt werden und in der Zwischenzeit sozial und produktiv eingesetzt werden muss. (Ein Notkonstrukt, denn auch die Ende dieses Monats abtretende Regierung Funes weigerte sich, dem zwischenstaatlichen Verbund PetroCaribe beizutreten – ein Missstand, der nächsten Juni behoben werden wird.)
Das Unheil, die Marktverzerrung, nahm ab 2009 seinen Lauf. Ein vom FMLN im Parlament durchgebrachtes provisorisches Gesetz erlaubte, die üblichen Ausschreibungsbedingungen, unter denen meist Monsanto & Co. die Vergabe von Staatsaufträgen gewannen, in den Fällen "abzukürzen", in denen das Normalverfahren sich als zu "umständlich" für die problemlose Nahrungsversorgung der Bevölkerung erweist. Ein von der Regierung ernanntes Komitee war in diesen Fällen befugt, das benötigte Saatgut ohne Ausschreibungsverfahren zu besorgen, das anschliessend zu günstigen Bedingungen an hunderttausende von LandwirtInnen weitergegeben wird. Parallel stützten die Regierung (und Alba Petróleos) mit Krediten und Forschungen für angepasstes Saatgut die nationalen SaatgutproduzentInnen, meist viele Kooperativen oder EinzelbäuerInnen, in grossem Ausmass. Das bewirkte dramatische Veränderungen. 2009, beim Antritt der Mitte/Linksregierung, deckte die nationale Produktion bei den Grundnahrungsmitteln Bohnen und Mais 15 % bzw. 30 %. Heute ist bei Bohnen die vollständige Selbstversorgung (plus Exportkapazität) erreicht, beim Mais annähernd. Doch auch bei Reis oder Gemüse sind beachtliche Fortschritte erzielt worden. Der Landwirtschaftsminister Pablo Ochoa erläuterte vergangenen März in Sachen Gemüse: "In den wichtigsten Supermarktketten ist die nationale Produktion schon für die Hälfte des Umsatzes verantwortlich. Wir haben die Einfuhr von Gemüse, das vorallem aus Guatemala und Honduras kam, verringert."
Zu allem Elend ist das nationale Saatgut dank eng mit den BäuerInnen verbundener Forschung nicht nur oft leistungsfähiger als das traditionelle von Monsanto, sondern im Schnitt um 30 % bis 50 % billiger. Zudem ist es garantiert nicht genmanipuliert. Die letzten beiden Jahre zeigte sich die neue Energie im Agrarsektor in Rekordernten bei den Grundnahrungsmitteln, was das Geschäft der üblichen Spekulationsprofis weitgehend einschränkte.  
Kurz, eine unerträgliche Marktverzerrung. Schon vor einiger Zeit reiste eine Delegation der salvadorianischen Rechten nach Washington, um mit dem US-Handelsbevollmächtigten die "kritische" Situation zu besprechen. Im Vorfeld der kürzlichen Präsidentschaftswahlen machte die US-Botschaft öffentlich, dass die Saatgutproblematik im Sinne des Freihandelsvertrages USA/Zentralamerika (CAFTA) gelöst werden müsse, damit  die USA $ 277 Mio. "Hilfsgelder" für das Projekt Fomilenio II, das die ökonomische Erschliessung vorallem der Küstenregion bezweckt, frei geben können. Voraussetzung für das 5-Jahresprojekt ist eine Reihe von Deregulierungs- und Privatisierungsreformen. Seit dem Wahlsieg des FMLN letzten Märzes macht die US-Botschaft diesbezüglich Dauerdruck, unterstützt nicht nur von den dominierenden rechten Medien, sondern auch vom "zentristischen" Wirtschaftskabinett der abtretenden Regierung Funes, die alle so tun, als ob das Heil der Nation von den 55 Millionen Fomilenio-Dollars pro Jahr abhängen würden. Letzten Samstag, dem 17. Mai 2014, etwa meinte US-Botschafterin Mari Aponte: Für die Fomilenio-"Hilfe" seien Voraussetzung "die Bedingungen, unter denen die Saatgutausschreibung mit allen Erfordernissen des Freihandelsvertrages CAFTA übereinstimmen" (El Mundo, 17.5.14).
Es ist klar, dass der FMLN in diesem Punkt zwar verhandeln, aber real nicht nachgeben wird. Die Ernährungssouveränität ist ein zentrales Ziel, das nicht für einen Pappenstiel verschenkt wird. Der Frente hat da durchaus Erfahrung. Es gelang ihm kürzlich, trotz eines massiven Ansturms der US-Botschaft, der Grossunternehmerverbände und der rechten Medien Bereiche wie die Wasserversorgung definitiv aus dem US-gepushten neuen Regelwerk zu Public Private Partnerships (faktische Privatisierungsmechanismen) herauszuhalten. Wie Monsanto und ihre Regierung in Washington in diesem Fall reagieren werden, ist offen. Wirtschaftlich ist El Salvador für das Saatgutmonster ein kleiner Nebenschauplatz, doch könnte das Beispiel ansteckend wirken.