Ana ist eine Compañera,
die das ihre zum FMLN-Wahlsieg letzten März beigetragen hat. In ihrer Gegend in
der Gemeinde Perulapán, unweit der Hauptstadt gelegen, hat sie dafür gesorgt,
dass in ihrem Bekanntenkreis alle, die noch keinen Personalausweis hatten und
Frente stimmen würden, diesen bezogen. Ana hat kein Geld für Taxis. Sie suchte
die Leute zu Fuss auf und koordinierte sich mit der Parteizentrale für deren
Transport ins Ausweiszentrum meist
abends spät, nach der Arbeit und dem Kochen für die noch bei ihr lebende
Tochter, oder an ihren Freitagen. Dank ihr gaben am 2. März mehrere Dutzend
Menschen mehr ihre Stimme für den Frente ab. Ana, die Hausangestellte, gehört zu den HeldInnen
des cambio in El Salvador, deren
Namen „logischerweise“ kaum je bekannt werden.
In Perulapán |
Auch nicht in dieser
Ehrung, da alle Namen geändert sind. Ich traf Ana nämlich am Tag nach der
Amtseinsetzung der neuen Regierung, am 2. Juni, wieder. Sie wohnte jetzt bei
ihrer Arbeitsgeberin, grundsätzlich ein unguter Zustand für jede
Hausangestellte, in diesem Fall aber dankbar begrüsst. Denn sie war jetzt auf
der Flucht. Sie hatte wenige Wochen zuvor unglücklicherweise an der gleichen
Bushaltestelle gewartet wie der Mann, den die beiden Jungs auf dem Fahrrad erschossen.
Ihr Kleid war blutgetränkt. Sie kannte die Mörder, Nachbarn, und diese kannten
sie. Es waren Leute von „Kummer“ von der Mara 18. Der leitete aus dem Gefängnis
das rentear, das Renten Besorgen, also
die Erpressung von Zahlungen, und die Überfälle, die Morde. Kurz nach dem Mord
bekam sie von „Kummer“ die Rechnung für ihre unerwünschte Anwesenheit beim
Mord: $ 80. 80 Dollars! Y cómo?! Die Verhandlungen mit den Jungs
von „Kummer“ erbrachten nur eine geringfügige Reduktion der geforderten Summe.
Mithilfe solidarischer Nachbarn brachte sie ihre Tochter anderswo unter und
floh mit etwas Habe zu ihrer Arbeitsgeberin.
In Guatemala-Stadt habe
sie Angehörige, die sie aufnehmen würden. In jenem Quartier gebe es fast keine
Maras, dafür sei die pupusa, das
typische salvadorianische Maisgericht, ein Verkaufsschlager. Dort werde sie hingehen, sobald ihre Tochter
fest woanders untergebracht sei, für eine Weile, und etwas Geld mit der pupusa machen.
Wenige Tage später ein
Moment der Sorge. Ihre Tochter war verschwunden und Ana aufgebrochen, um sie zu
suchen. Nun hatte man auch von ihr keine Spur mehr. Am nächsten Morgen
Entwarnung: Die Tochter hatte eine Freundin in einer anderen Gemeinde besucht,
ohne Ana oder sonst wen zu benachrichtigen – auch in El Salvador legen
Pubertierende Wert auf Unabhängigkeit, Mara hin, Mara her. Und Anas Handy
musste natürlich just an diesem Tag seinen Geist aufgeben.
Gestern die frohe Kunde: „Kummer“
war im Gefängnis von einem Mitgefangenen niedergestochen worden und lebte nur
noch, weil ihn der Täter für tot gehalten hatte. Zuvor hatte die Polizei mit
dem Grossteil der Struktur von „Kummer“ aufgeräumt, einige seiner Subchefs sind
von Spezialgerichten schon zu langjährigen Strafen verurteilt worden. Der Rest
von „Kummers“ Bande versucht unterzutauchen und zu flüchten. Anas Gesicht
leuchtet vor Freude. Heute kehrt sie nach Hause zurück, lebt wieder mit ihrer
Tochter, die Gefahr ist vorbei und Guatemala bleibt weit weg. Und der, der „Kummer“
niedergestochen hat? Ah, der „Glanz“, den kennt sie auch, der ist auch von der
18, aber ein Feiner, der die Leute nicht behelligt, im Gegenteil. Er schützt
die Comunidad. Und jetzt, mit unserem neuen Präsidenten, kann die Polizei
vielleicht endlich wirklich mit den schlimmen Maras aufräumen, si Dios quiere.