(zas, 22.6.14) Ich dachte, mich trifft der Schlag. Gestern jubelten
die rechten Medien über die begeisternden "Reformvorschläge" des
Grossunternehmerverbandes ANEP, die dieser an seiner kommenden ENADE-Jahrestagung
der FMLN-Regierung unterbreiten will. Da weht ein herrlich frischer Wind: KMUs an
die Börse, Investmentfonds "für" das Rentensystem etc. pp. Doch die
Krönung stellt ohne Zweifel der medial besonders hervor gestrichene Vorschlag,
sogenannte Modellstädte oder Charter Cities
in El Salvador einzuführen, unter explizitem Verweis auf die entsprechende Anstrengung
zur "Anlockung von Investitionen" in Honduras. Diese werden dort,
ursprünglich vom erzreaktionären US-Wachstumsökonomen Paul Romer propagiert,
seit Anfang 2011 mit ungewissem Schicksal gepusht. Solche Modellstädte haben, so
die Jubelmedien, aus Singapur, Hongkong oder Shenzen Zentren der explodierenden
Entwicklung gemacht. (Gerne wird auch auf angebliche solche Versuche in Ecuador
und Kuba verwiesen, auf die "Wissensstadt" in Ecuador und die Wirtschaftssonderzone
Mariel in Kuba. Auch wenn diese beiden Beispiele mit Bestimmtheit nicht dem angestrebten
Bild der "Modellstadt" entsprechen, ist es nötig, sich dazu besser
kundig zu machen.)
Die "Modellstädte" sind wie im honduranischen
Modell, real extraterritoriale Zonen, ausserhalb der nationalen Verfassung und
Gesetze, insbesondere des Arbeitsrechts, der persönlichen Freiheiten etc. Wie
ANEP-Präsident Jorge Daboub meinte:
"Ohne
die nötige Gesetzgebung nützen eine demokratische Stabilität oder zum
Vorwärtsschreiten entschlossene Unternehmer nichts". (Eine
demokratische Stabilität, in der der FMLN Wahlen gewinnt, schadet natürlich.) Aber
auch die klassischen "Freien Produktionsszonen" taugen nur noch wenig,
wie die ANEP weiss:
"Eine Zone zu entwerfen, wo sich
alles nur auf die Wirtschaftspolitik konzentriert, ohne die anderen Elemente
einzubeziehen, heisst, eine unausgeglichene Sonderwirtschaftszone zu
schaffen". Die ANEP meint unter Berufung auf Singapur-Diktator Lee
Kwan Yen weiter: "Um Investoren
anzuziehen, ist die Herrschaft des Rechtes ebenso oder noch wichtiger als die
finanziellen Anreize". Das Oligarchieblatt El Diario de Hoy fasst zusammen,
wie das gemeint ist: In den "Modellstädten" "stützen die Operateure ihre Geschäfte auf eine
juristische, ökonomische, administrative und politische Sondergesetzgebung …
Die Charter-Städte werden von Dritten
regiert, seien dies eine ausländische Regierung oder mehrere Regierungen von
Ländern, die für ihre Wirtschaftserfolge Anerkennung finden". In
Honduras sollen diese Städte von einem "aus
nationalen und ausländischen Personen zusammengesetzten 'Komitee für die
Anwendung der best practice' regiert" werden.
Espléndido! José
Escobar, Präsident der Vereinigung der Textil- und Konfektionsindustrie, hilft
uns beim Verstehen der Zielsetzung: "Wenn
es eine gut analysierte und koordinierte Verständigung zwischen Regierung und
Privatunternehmen gibt, kann" die "Modellstadt" "ein gutes Modell nicht nur für eine
Zone, sondern für ganz El Salvador sein".
Glaubt man der Propaganda, sollen in Honduras ab
übernächstem Jahr 12 solche "Modellstädte" existieren. Nach meinem
Wissensstand ist dies aber noch offen; möglicherweise hat aber sich ein Kreis
potenter Investoren – im Gegensatz zu einigen zu Beginn besungenen eher skurrilen
Figuren aus dem ultrarechts-"libertären" US-Spektrum- - diskret gebildet.
Während die Putschregimes in Honduras die Mär von komplett neuen, in "unbesiedelten",
"jungfräulichen" (also von indigenen und Garífuna-Comunidades bewohnten)
Gebieten zu errichtenden Städten verbreiten, dürfte dies im dicht bevölkerten
El Salvador von vornherein wegfallen. Man darf gespannt sein, welche Gebiete
nach Kommando der Kapitalkräftigen unter ihre Sonderjustiz fallen sollen.
Zwei Bemerkungen noch: Solange der FMLN regiert, hat dieser
"Vorschlag" keine Realisierungschance. Was also steckt hinter dem
Manöver?
Zum anderen ist bemerkenswert, wie offen kapitalistische
Kräfte wieder zu faschistischen "Lösungen" tendieren. Auch in
Zentralamerika. Die Zeiten keynesiansicher Reformvorstellungen, wie mörderisch
auch immer sie in der Praxis waren, sind vorbei.
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Zu den "Modellstädten" in Honduras und zum Gedankengut
hinter diesen Vorschlägen s. "Städte der Angst" in Correos 165, März
2011, oder hier.