USAID wollte Opposition in Kuba stärken
Andreas Knobloch 07.08.2014
Wie AP enthüllte, schickt die US-Entwicklungsbehörde unter
dem Deckmantel ziviler Programme junge Menschen nach Kuba, um dort
Kubaner zu rekrutieren
Es ist kein gutes Jahr für die
US-Entwicklungshilfebehörde USAID. Wie nun bekannt wurde soll sie
junge Lateinamerikaner nach Kuba geschickt haben, um Dissens gegen die
kubanische Regierung zu schüren. Erst vor wenigen Monaten war ein
heimlich betriebener Kurznachrichtendienst bekannt geworden, mit dem ein
"revolutionärer Wandel" auf der Insel angestoßen werden sollte. Aber
auch in anderen Ländern regt sich Unmut über die Methoden von USAID.
Rund ein Dutzend junge Lateinamerikaner in geheimer Mission hat die staatliche Behörde für
Entwicklungszusammenarbeit USAID (United States Agency for International Development[1])
in den vergangenen Jahren nach Kuba geschickt. Dort sollten sie
"soziale Akteure bestimmen, die einen sozialen Wandel auf der Insel
fördern könnten". Das
berichtet die US-amerikanische Nachrichtenagentur Associated Press (AP)
in einer breit angelegten investigativen Reportage[2], die am Wochenende veröffentlicht wurde (Dokumente[3]).
Demnach sind junge Leute aus Venezuela, Costa Rica sowie Peru
undercover, oft als Touristen getarnt, nach Kuba gereist, um junge
Kubaner für gegen die Regierung Raúl Castro gerichtete Aktivitäten zu
rekrutieren. Als Deckmantel dienten zivile Programme, darunter ein
Workshop zur HIV-Prävention.
Die jungen Menschen, die in ihren Heimatländern zum Teil für Menschenrechtsorganisationen aktiv
waren, wurden für die Mission in Kuba von Creative Associates International[4]
angeheuert, einem in Washington D.C. ansässigen Unternehmen, das
wiederum von USAID engagiert worden war. Für die mit der Mission
beauftragten junge Leute kein ungefährliches Unterfangen: Die kaum in
Spionagetechniken geschulten "Amateur-Agenten" sollten sich alle 48
Stunden melden, kommuniziert wurde über verschlüsselte Codes wie "Ich
habe Kopfschmerzen", womit gemeint war, dass die kubanischen Behörden
aufmerksam geworden sein könnten und die Mission abgebrochen werden
sollte.
Vorher war ihnen eingebläut worden: "Obwohl es nie
vollkommene Gewissheit gibt, vertraut darauf, dass die Behörden nicht
versuchen werden, Euch körperlich zu schaden, sondern nur zu
erschrecken", zitiert AP aus den schriftlichen Handlungsanweisungen.
"Denkt daran, dass die kubanische Regierung es vorzieht, negative
Medienberichte im Ausland zu vermeiden, ein verprügelter Ausländer passt
ihnen also nicht." Im Fall einer Festnahme sollten sie Creative
Associates nicht erwähnen und sich an die jeweilige Botschaft ihres
Heimatlandes wenden. Rückendeckung sieht anders aus. Viel zu verdienen
gab es trotz des beträchtlichen Risikos auch nicht. In dem AP-Bericht
ist von 5,41 pro Stunde die Rede.
Auch unter Universitätsstudenten sollten Akteure für
mögliche regierungskritische Aktionen gesucht
werden. Rekrutierungslisten mit möglichen Führungsqualitäten wurden
erstellt. "Es gibt keine Beweise, dass die politischen Ziele jemals
realisiert wurden", heißt es in dem AP-Bericht. Vielmehr
seien die kubanischen Interviewpartner erstaunt gewesen, als sie
herausfanden, dass die Ausländer im Auftrag der US-Regierung tätig
waren. "Sie waren unsere Freunde", sagte der Kubaner Hector
Baranda, auf einer potentiellen Rekrutierungsliste ganz oben geführt.
Er glaubt, dass die Besucher das typische kubanische Meckern als Tendenz
zum Dissidententum missverstanden haben.
US-Außenministerium: "Stärkung der Zivilgesellschaft"
USAID erklärte nach Bekanntwerden des AP-Berichts, der
Plan sei "weder geheim, noch verborgen, noch klandestin", sondern
vielmehr Teil der durch den Kongress der Vereinigten Staaten geförderten
Programme, um die kubanische Zivilgesellschaft zu stärken. Auch die
US-Regierung verteidigte das Programm, gab jedoch zu, dass der
HIV-Workshop einem doppelten Zweck diente. Er "ermöglichte
Unterstützung für die kubanische Zivilgesellschaft, während ein zweiter
Vorteil darin lag, den von Kubanern geäußerten Wunsch zu erfüllen,
Information und Schulung über HIV-Prävention zu erhalten", sagte
Jennifer Rene Psaki, Sprecherin des US-Außenministeriums am Montag.
"Within repressive environments such as Cuba, civil
society and development practitioners alike are often subject to abuse,
harassment, threats, verbal defamation, and unjustifiable prosecution
and imprisonment. In these environments, USAID works with our
implementing partners to ensure they are able to perform their work
safely.
Congress funds democracy programming in Cuba to empower
Cubans to access more information and strengthen civil society. USAID
makes information about its Cuba programs available publicly at
foreignassistance.gov. This work is not secret, it is not covert, nor is
it undercover. Instead, it is important to our mission to support
universal values, end extreme poverty and promote resilient, democratic
societies. Chief among those universal values are the right to speak
freely, assemble and associate without fear, and freely elect political
leaders. Sadly, the Cuban people and many others in the global community
continue to be denied these basic rights.
Statement von USAID[5].
Aber gerade die Verwendung eines Workshops zur
HIV-Prävention für andere Zwecke - in internen
Mitteilungen als "die perfekte Ausrede" für die politischen Ziele des
Programms bezeichnet - könnte künftige Bemühungen der USA, die
Gesundheit weltweit zu verbessern, untergraben und stieß auf scharfe
Kritik. Der demokratische Senator Patrick Leahy, Vorsitzender eines für
die Kontrolle der
USAID-Mittel zuständigen Senats-Unterausschusses, erklärte als Reaktion
auf die Enthüllungen: "Es mag für den USAID-Auftragnehmer ein gutes
Geschäft gewesen sein; aber es trübt die lange Erfolgsgeschichte von
USAID als Spitzenreiter bei der globalen Gesundheit."
Noch drastischer äußert sich Geoff Thale, Programmdirektor der Menschenrechtsorganisation Washington Office on Latin America[6]:
"Ich denke, sie schießen sich in den eigenen Fuß. USAID betreibe solide
Programme zu Gesundheit, Demokratieförderung und Bildung. "Aber all das
in Kuba macht die gute Arbeit zunichte."
Gestartet worden war das nun bekannt gewordene Programm
im Oktober 2009 - zu einer Zeit also, als der gerade ins Amt gekommene
Präsident Barack Obama von einem "Neubeginn" der Beziehungen zu Kuba
sprach. Die AP-Untersuchung zeigt aber auch, dass die Operation oft am
Rande der Katastrophe schwankte. Ende 2010 gab erste Anzeichen, dass die
kubanischen Behörden aufmerksam wurden. Sie wollten wissen, wer die
Reisen bezahlte. Die jungen Agenten waren auch nah dran, "potentielle
Akteure eines sozialen Wandels zu identifizieren". Das Programm
wurde schließlich abgeblasen.
Einmischung in innere Angelegenheiten
Von der US-Regierung mit Millionensummen unterstützt,
ist USAID immer wieder in Aktivitäten gegen die kubanische Regierung
verwickelt. Im April dieses Jahres hatte ebenfalls AP enthüllt[7], dass USAID einen Kurznachrichtendienst - "ZunZuneo" - für Kuba entwickelt hatte, um die dortige
Regierung zu destabilisieren (USAID: Mit Sportnachrichten Kuba unterwandern[8]).
Schon beim Aufbau dieses an Twitter angelehnten Dienstes hatte die
Behörde mit Creative Associates International zusammengearbeitet.
Angeregt durch den sogenannten Arabischen Frühling
sollte wohl auch ein "revolutionärer Wandel" mit Hilfe sozialer Medien
in Kuba angestoßen werden. Der Dienst gewann zwischenzeitlich bis zu
40.000 Nutzer, wurde im September 2012 aber eingestellt. USAID-Director
Rajiv Shah nannte das Projekt später bei einer Senats-Anhörung "dumb,
dumb, dumb".
USAID wurde im September 1961 durch eine Verordnung vom
damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy ins Leben gerufen. Dass im
selben Jahr - 1961 - die USA die diplomatischen Beziehungen zu Kuba
abgebrochen haben, mit verdeckter Unterstützung der CIA Exilkubaner in
der Schweinebucht eine Invasion versuchten, die im Debakel endete und im
Februar 1962 die USA ihre bis heute andauernde absurde Blockade gegen
die sozialistische Karibikinsel begannen, ist wohl eher Zufall.
USAID arbeite daran, die extreme weltweite Armut zu beenden und es
robusten, demokratischen Gesellschaften zu ermöglichen, ihr Potenzial zu
erkennen, heißt es auf der Webseite der Behörde. USAID agiert zwar
selbstverantwortlich, unterliegt aber den Weisungen des
US-Außenministeriums.
Zuletzt haben die Regierungen verschiedener Staaten
USAID die Einmischung in die inneren
Angelegenheiten von Ländern, in denen sie Hilfsprojekte betreibt,
vorgeworfen. Kuba ist also nicht der einzige dunkle Fleck auf der Weste
der Entwicklungshilfebehörde. Im Jahr 2012 ließ USAID auf Wunsch Moskaus
seine milliardenschweren Hilfsprogramme für Russland auslaufen. Die
russische Regierung erhob schwere Vorwürfe gegen die Behörde. Sie habe
versucht, Einfluss auf die Innenpolitik und den Ausgang von Wahlen zu
nehmen und sich in den Krisenregionen im Kaukasus eingemischt[9].
Im vergangenen Jahr verwies[10]
Boliviens Präsident Evo Morales USAID des Landes. Er beschuldigte die
US-Amerikaner der Einmischung und sprach von einer "Verschwörung" gegen
seine Regierung. Und auch ihre
Entwicklungshilfsprogramme in Ecuador hat USAID wegen langanhaltender
Streitigkeiten mit der Regierung Rafael Correa eingestellt[11].
Gerade in Lateinamerika wird das Klima für USAID also
frostiger. Und dann ist da ja noch der Fall Alan Gross. Der
USAID-Mitarbeiter war im Dezember 2009 in Havanna festgenommen worden.
Er soll satellitengestütztes technisches Equipment nach Kuba gebracht
haben; wegen Spionage wurde er zu 15 Jahren Haft verurteilt. In einem
Ende Mai veröffentlichten Interview bezeichnete US-Vizepräsident Joe
Biden die Inhaftierung des US-Bürgers Alan Gross auf Kuba als "wichtiges
Hindernis" für eine Verbesserung der Beziehungen. Kuba fordert im
Gegenzug die Freilassung der drei noch in den USA einsitzenden
sogenannten "Cuban Five", kubanischer Agenten, die im Auftrag der
Regierung in
Südflorida Informationen über exilkubanische Gruppen gesammelt hatten,
um Terroranschläge auf der Insel zu verhindern. Die USA haben einen
Gefangenenaustausch zuletzt aber wiederholt abgelehnt.
Nachdem Gross festgenommen worden, teilte USAID seinen
Auftragnehmern inoffiziell mit, dass sie darüber nachdenken sollten,
Reisen nach Kuba auszusetzen. AP verweist auf entsprechende Emails. "Wir
legen Wert auf ihre Sicherheit", schrieb ein leitender USAID-Beamter in
einer Email - weniger als eine Woche nach der Inhaftierung von Gross.
"Die Anleitung gilt für ALLE auf die Insel Reisenden, nicht nur
US-amerikanische Bürger", so ein anderer USAID-Mitarbeiter. Die jungen
Lateinamerikaner in geheimer Mission wurden aber weiter nach Havanna
geschickt.
Anhang
Links
[1]
http://www.usaid.gov
http://apne.ws/1v2xBLO
http://apne.ws/UxJ05x
http://www.creativeassociatesinternational.com
http://www.usaid.gov/news-information/press-releases/aug-4-2014-statement-usaid-spokesperson-matt-herrick-cuba-civil-society-story
http://www.wola.org
http://bigstory.ap.org/article/us-secretly-created-cuban-twitter-stir-unrest
http://www.heise.de/tp/artikel/41/41427/
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/usaid-muss-russland-verlassen-moskau-wirft-washington-einmischung-vor-11896307.html
http://www.bbc.com/news/world-latin-america-22371275
http://www.reuters.com/article/2013/12/15/us-ecuador-usa-idUSBRE9BE0HV20131215