Landesweite Proteste in Guatemala

Freitag, 27. Februar 2015

Tausende gegen hohe Kosten für Grundnahrungsmittel und Strom auf der Straße. Hunger und chronische Unterernährung in Indigenen- und Bauerngemeinden
Die Proteste richteten sich auch gegen Großprojekte der Energieproduktion, von Biotreibstoffen, Monokulturen und des Bergbaus
Die Proteste richteten sich auch gegen Großprojekte der Energieproduktion, von Biotreibstoffen, Monokulturen und des Bergbaus
Quelle: facebook.com
Guatemala-Stadt. Verschiedene guatemaltekische Bauern- und Indigenenorganisationen haben Anfang der Woche landesweit friedliche Proteste durchgeführt. Organisiert von der Nationalen Koordination der Bauernorganisationen (CNOC), blockierten Tausende am Montag Straßen an mindestens 20 Hauptverkehrsknotenpunkte im ganzen Land. Sie fordern von der Regierung und der Justiz die Lösung der Probleme in den ländlichen Gebieten sowie der wachsenden Konflikte mit den transnationalen Unternehmen, die in Großprojekten der Energieproduktion, von Biotreibstoffen, Monokulturen, im Bergbau und in anderen Bereichen tätig sind.
Die Bauern- und Indigenengemeinden litten unter Hunger, chronischer Unterernährung sowie an "Lebensmittelknappheit, die durch natürliche Phänomene verursacht wurde“. Außerdem beklagen sie in dem Aufruf zur Mobilisierung die hohen Kosten für Grundnahrungsmittel und Strom, die Arbeitslosigkeit und die Umweltverschmutzung durch die Industrie sowie die Plünderung der Natur.
Die Hauptforderungen konzentrieren sich auf die Nationalisierung des Stromsektors, die Lösung des Landkonflikts, die Erhöhung des kürzlich gesenkten gesetzlichen Mindestlohns und die Beendung der Kriminalisierung und Verfolgung von Frauen und Männern, die ihre Rechte auf Leben und Territorium verteidigen.
Plakat zur Mobilisierung und Bekanntgabe der Orte für die Blockaden
Quelle: facebook.com
Die Proteste gegen die zu hohen Strompreise nahmen in den vergangenen Jahren massiv zu. Dem Stromunternehmen Energuate wird vorgeworfen, zu hohe Strompreise zu verlangen. Aktuell haben um die 20 Prozent der Strombezieher von Energuate den Stromzähler abgehängt und erklärt, sich im Widerstand zu befinden. Dieser wird vom Comité de Desarrollo Campesino (Codeca) angeführt. Im Konflikt wegen des illegalen Strombezugs wurden im vergangenen Jahr drei Aktivisten der Organisation in Haft genommen und des Landfriedenbruchs sowie Betrugs angeklagt. Nach über drei Monaten in Untersuchungshaft warten sie zurzeit im Hausarrest auf die Gerichtsverhandlung.
Die Basisorganisation Rat der Völker (CPO), die im September an den Kongresswahlen teilnehmen wird, äußert in ihrem Communiqué zur nationalen Protestkundgebung: "Die Stromnetzerweiterung Guatemalas ist eine Nationalpolitik, die von der Zuckeroligarchie kontrolliert wird … Alle diese Geschäfte haben Guatemala nichts gebracht, keine besseren Verdienstmöglichkeiten für die Bevölkerung, keine besseren Arbeitsplätze und noch weniger ein gutes Leben. In unseren Territorien bildeten sich nur neue Konflikte, und im und um den Staat wimmelt es von neu enstandenen Mafias."
Seitens der Regierung wird indes "die Behinderung der Bewegungsfreiheit" angeprangert, welche durch die Straßenblockaden verursacht wurde. Der Verband der Wirtschaftsunternehmen reichte eine Klage beim Verfassungsgericht gegen den Präsidenten Guatemalas, Otto Pérez Molina, mit der Begründung ein, er habe das Recht auf Bewegungsfreiheit nicht geschützt. Außerdem beklagt der Verband "das ökonomische Desaster": Die finanziellen Einbußen dieses Tages beliefen sich auf mehrere Millionen Euro.
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Südmexiko-Newsletter Februar 2015

Mittwoch, 18. Februar 2015

Von: Neuigkeiten zu Chiapas und Oaxaca <news@chiapas.ch>
Datum: 17. Februar 2015 um 22:04
Betreff: [Südmexico-Soli-Newsletter] Februar 2015
An: news@chiapas.ch
 
URGENT-ACTION

Zeuginnen der Ermordung von Bety und Jyri bedroht
Zwei indigene Frauen hatten im April 2010 die Tötung der Menschenrechtsaktivisten Bety Cariño und Jyri Jaakkola durch Paramilitärs beobachtet. Am 22. Januar 2015 sind sie bedroht worden, um sie von ihrer kurz bevorstehenden Aussage vor Gericht abzuhalten. Sie wurden in ihrem Heimatort im Bundestaat Oaxaca von den Verwandten des Tatverdächtigen aufgesucht und aufgefordert, ihre schriftlichen Zeugenaussagen zurückzuziehen. Die von den Behörden bereitgestellten Schutzmassnahmen für die beiden Frauen sind unzureichend.
Im Jahr 2012 wurden Haftbefehle gegen Mitglieder einer bewaffneten Gruppierung mit offensichtlicher Verbindung zu lokalen und bundesstaatlichen Behörden ausgestellt. Die Gruppierung soll für die Tötung von Bety Cariño und Jyri Jaakkola im Jahr 2010 in der Nähe der Indigenengemeinde San Juan Copala verantwortlich sein. Elf der Beschuldigten befinden sich nach wie vor auf freiem Fuss. Die verantwortlichen Behörden haben die Vollstreckung der Haftbefehle nur unzureichend vorangetrieben, offenbar aus Angst vor Vergeltung durch die Gruppierung.

Mitmachen: http://ua.amnesty.ch/urgent-actions/2015/02/030-15

Die UA direkt im Internet unterschreiben (auf Spanisch):
http://redtdt.org.mx/2015/02/acoso-contra-testigos-del-homicidio-de-un-defensor-y-una-defensora-de-los-derechos-humanos/


GUERRERO

Mexikanische Regierung erklärt die verschwundenen Studenten für «offiziell tot» und den Fall für geschlossen
Der Generalstaatsanwalt Mexikos erklärte die am 26. September 2014 verschleppten Lehramtsstudenten aus Ayotzinapa offiziell für tot – und möchte so den Fall schliessen.
Nicht so die Angehörigen und Sympathisanten der gewaltsam Verschwundenen, die der Regierung vorwerfen, selbst in den Fall verwickelt zu sein. Ihr Anwalt weist darauf hin, dass in den Ermittlungen vieles noch nicht aufgeklärt worden sei. Bis jetzt gebe es auch keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass alle der 42 noch vermissten Studenten ermordet worden seien.
Weiterlesen: https://amerika21.de/2015/01/111166/regierung-erklaert-tod


Weltweite Proteste von Mexico-City nach Davos!
Vier Monate nach dem gewaltsamen Verschwinden der 43 Studenten haben am 26. Januar 2015 in Mexico-City erneut Tausende auf den Strassen protestiert. Auch in 20 weiteren Städten Mexikos fanden Protestaktionen statt. Die Protestierenden halten die offizielle Version der Regierung für unglaubwürdig. Amnesty International forderte die Strafverfolger auf, gegen die Armee zu ermitteln.
Weiterlesen: http://www.taz.de/!153639/
https://www.jungewelt.de/2015/01-28/033.php

Die Forderung, das Massaker an den 43 Studenten aufzuklären, gelangte bis nach Davos ans WEF, zu dem auch mexikanische Regierungsvertreter angereist waren. MenschenrechtsaktivistInnen machten in einer kreativen Aktion auf das Verbrechen und die gewaltsam verschwundenen Studenten aufmerksam. Auf Twitter verbreitete sich diese Aktion im Lauffeuer.
Fotos: http://switzerland.indymedia.org/de/2015/01/94286.shtml
Tweet: https://twitter.com/valehamel/status/559513164392325120/photo/1
Video-Dankgruss für Soliaktionen: http://www.cgtchiapas.org/noticias/video-ayotzinapa-agradece-mexico-y-al-mundo-su-solidaridad-26012015
Bericht über Anti-WEF im Umbruch: https://www.jungewelt.de/2015/01-26/039.php

UNO empfing Delegation von Angehörigen der 43 Studenten in Genf
Ein aus zehn unabhängigen Experten bestehendes UN-Komitee empfing am 2. und 3. Februar 2015 eine Delegation aus Mexiko. Zum ersten Mal befasst sich dieses UN-Komitee, zuständig für die Einhaltung der Internationalen Konvention zum Schutz aller Personen vor dem gewaltsamen Verschwindenlassen, mit Mexiko – einem Land, in dem rund 25'000 Personen als «nicht lokalisierbar» gelten.
Weiterlesen: https://amerika21.de/2015/02/111489/desapareciones-mx-genf

Im Abschlussbericht der UNO heisst es, Mexiko müsse bei der Suche, Ortung und Befreiung verschwundener Personen mehr tun. Weiterlesen: http://www.focus.de/politik/ausland/menschenrechte-un-verlangen-von-mexiko-mehr-anstrengungen-gegen-polizeigewalt_id_4476432.html

Bauernaktivist in Morelos geköpft aufgefunden
Alejandro Gustavo Salgado von der linken Organisation Frente Popular Revolucionario (FPR) ist auf grausame Weise ermordet worden. Er war in der Organisation von KleinbäuerInnen und auch in den aktuellen Mobilisierungen rund um Ayotzinapa aktiv.
Weiterlesen: http://www.chiapas.eu/news.php?id=8111
NZZ vom 16.2.2015: http://www.nzz.ch/newsticker/bauernaktivist-in-mexiko-gekoepft-1.18476873


CHIAPAS

San Sebastián Bachajón: Chronik eines Widerstandes
Aktuelles Video über den Widerstand in San Sebastián Bachajón gegen die Grossprojekte der Regierung. Am 11. Januar 2015 griff die Polizei eine Blockade der AnhängerInnen der Sexta in San Sebastián Bachajón/Agua Azul, Chiapas an. Bei dem Angriff mit Gummigeschossen und scharfer Munition wurden zwei junge Männer verletzt. (mit deutschen Untertiteln, Promedios Chiapas) https://www.youtube.com/watch?v=8WMuMsCjF8o
Communiqué vom 5. Februar (Spanisch): http://komanilel.org/2015/02/05/comunicado-de-san-sebastian-bachajon-5-de-febrero/
Rückblick auf Spanisch: Cinco luces entre la niebla del conflicto en Bachajón http://www.cgtchiapas.org/noticias/cinco-luces-entre-niebla-conflicto-bachajon
Webseite La Lucha de Bachajón sigue!, auch auf Deutsch: https://vivabachajon.wordpress.com/
Mehr Infos zum Konflikt, zur aktuellen Lage und zu Solidaritätsaktionen z.B. aus Deutschland: http://www.chiapas.eu/news.php?id=8097

Interview mit Sylvia Marcos über den Kampf der zapatistischen Frauen und die Emanzipation innerhalb der zapatistischen Bewegung (auf Spanisch)
Die Anthropologin und Psychologin Sylvia Marcos geht darin auf die Rolle der zapatistischen Frauen ein, ihren Kampf, der mit dem Revolutionären Frauengesetz namentlich ihren Anfang nahm, und ihre Einschätzung heute – nach den Erfahrungen in der Escuelita. Auf Deutsch demnächst auf unserer Homepage.
Interview auf Spanisch: El gobierno autónomo zapatista le da más espacios de autoridad a las mujeres
http://www.cgtchiapas.org/noticias/entrevista-sylvia-marcos-%E2%80%9C-gobierno-autonomo-zapatista-le-da-mas-espacios-autoridad-mujeres


MEXIKO

Urteil des Ständigen Völkertribunals (TPP): Kapitel Mexiko jetzt auf Deutsch
Inzwischen liegt die deutsche Übersetzung des Urteils des Ständigen Völkertribunals (TPP) zum Kapitel Mexiko vor. Die deutsche Fassung kann unter anderem auf den Webseiten www.tppmexico.org und www.ceccam.org/de abgerufen werden. Das TPP stützt sein Urteil auf über 500 dokumentierte Fallbeispiele, die im Rahmen von sieben Themenbereichen und drei Querschnittsthemen in der vergangenen drei Jahren unter dem Obertitel «Freihandel, Gewalt, Straffreiheit und Rechte der Völker in Mexiko» zusammengetragen wurden.
http://www.npla.de/de/poonal/5012-2015-02-14-01-43-09


HINWEISE

Di, 17. Feb. 2015, 22-23 Uhr Radio Lora Sendung «La Noche de la Iguana» sobre/con la Solidaridad Directa con Chiapas y actualidades – Gespräch mit zwei Aktivistinnen der Direkten Solidarität von Chiapas (auf Spanisch)
Live oder im Lora-Archiv: http://www.lora.ch/sendungen/sendung-suchen?mode=3&terms=Iguana&list=La+noche+de+la+Iguana

Mi, 18. Feb. 2015, Veranstaltung zur Revolution in Kobanê
Volkshaus Zürich, 19 Uhr
Songül Karabulut (Sprecherin der aussenpolitischen Kommission des Kurdistan Nationalkongresses KNK) und Hassan Mohamed Ali (europäischen Vertreter der PYD) werden über den Widerstand in Kobanê und die Hintergründe der Revolution in Rojava informieren.
Wie sieht es aktuell in Kobanê aus? Wie funktioniert das politische, soziale und wirtschaftliche Leben heute in Rojava? Welche politische Perspektive steckt hinter der Selbstverwaltung fern von Nationalstaat und Patriarchat?
Organisiert durch das Rojava Solikomitee Zürich.

Sa/So, 7.-8. März 2015: Internationaler Frauen(kampf)tag «Frauen kämpfen»

Bern, Schützenmatte, 7. März, 13.00 Uhr
Grosse Demo zum Auftakt des 4. Marche mondiale des Femmes
Infos: http://www.marchemondiale.ch

Zürich, Hechtplatz, 7. März, 13.30 Uhr
Infos: http://www.frauenbuendnis-zueri.ch/

Basel, Theaterplatz, 8. März, 13.00 Uhr
Solidarität mit den Frauen von Rojava!
Infos: http://www.aufbau.org/

Ankündigung: Ende April 2015 macht eine «Delegation der 43 verschwundenen Studenten aus Ayotzinapa» auf ihrer Rundreise durch Europa Halt in der Schweiz

Frankreich und seine achtjährigen Terrorfans

Dienstag, 17. Februar 2015



(zas, 17.2.15) Said Bouamama und Saidou von der Rap-Band ZEP (Zone d’expression populaire) veröffentlichten 2010 das Buch Nique la France (auf gut deutsch: Fuck La France). Die ZEP hat die Texte anschliessend vertont. Kürzlich standen die beiden vor Gericht, nach Anzeige einer rechtsextremen Organisation wegen Diskriminierung und Aufstachelung zu Rassenhass. Der Staatsanwalt verzichtete im Verfahren auf einen Strafantrag. „Nique la France“ war eine Antwort für die Kids der Banlieues, nachdem Sarkozy die rassistische Debatte der nationalen Identität losgetreten hatte. 
Der Soziologe und Genosse Bouamama äusserte sich kürzlich in einem von Alex Anfruns geführten Interview zur Frage „Was tun angesichts der nationalen Einheit“ in der Post-Charlie-Zeit. Vor einem Monat haben wir ein Kurzzitat von ihm zur Repression gegen SchülerInnen veröffentlicht, die den Fehler machten zu sagen, „Je ne susis pas Charlie“ („Man muss jene, die nicht Charlie sind, ausfindig machen und behandeln“).  Zum gleichen Thema nochmals ein Kurzzitat von Bouamama, dieses Mal aus dem erwähnten Interview. Er diskutiert darin die „Je suis Charlie“-Instrumentalisierung der realen, aber massiv aufgeblasenen Anschlagsgefahr für weitere französische Kriege in Afrika und die Unterdrückung in Frankreich selber.
https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=c1fwYhq81wc 

 Wir müssen als erstes kurzfristig  [auf die Instrumentalisierung] antworten und dürfen die unmittelbaren Folgen dieser Situation nicht einfach hinnehmen. Diese bestanden in einer obligatorischen Schweigeminute unter dem Motto „Je suis Charlie“. Natürlich hat eine ganze Reihe von SchülerInnen, haben sehr viele SchülerInnen nicht von sich sagen können: „Je suis Charlie“. Deshalb äusserten sie ihre Meinungen, als man ihnen sagte: „Dies ist eine Diskussion, ihr könnt reden“. So haben sie also ihre Meinungen dargelegt, aber als nächstes sind auf das Polizeikommissariat vorgeladen worden und einige sind strafrechtlich verfolgt worden. Man war der Ansicht, die Tatsache, nicht Charlie zu sein, stelle eine Verherrlichung des Terrorismus dar. Achtjährige Kinder sind vorgeladen worden wegen Verherrlichung des Terrorismus!

Venezuela: Informationen zum Putschplan



Gelegentlich müssen wir Ländern den Arm umdrehen, die nicht machen würden, was wir von ihnen brauchen, gäbe es nicht unsere vielfältigen ökonomischen oder diplomatischen, und in einigen Fällen, militärischen Hebel.
Obama Barack, 9. Februar 2015, The Vox Conversations

(zas, 17.2.15) Wie schon kurz berichtet, gab der venezolanische Präsident Nicolás Maduro letzten Donnerstag, den 12. Februar 2015, die Verhaftung von sieben Offizieren der Luftwaffe bekannt. Der 12. Februar ist ein Feiertag, den  die Chavistas und die Rechten getrennt feiern. Er markierte letztes Jahr den Beginn der guarimbas, des Versuchs, die Regierung durch zunehmend gewalttätigere Strassenproteste aus dem Amt zu jagen. Für den diesjährigen 12. Februar hatte die Rechte erneut zu „Studentendemonstrationen“ aufgerufen, in deren anscheinend nicht gerade massenhaften Verlauf es vereinzelt, in einem Reichenviertel von Caracas und im Staat Táchira, wie vorausgesehen, zu militanten Angriffen auf die Guardia und verschiedene Objekte gekommen war. An diesem Tag also sollte ein Staatsstreich erfolgen, in dessen Verlauf viele Ziele in Caracas aus der Luft bombardiert werden sollten, darunter zahlreiche Ministerien, das Parlament, der Fernsehsender Telesur, der Wahlrat und die Generalstaatsanwaltschaft. Das hochrangige Regierungsmitglied Elías Jaua kommentierte: „Das Leben hunderter Männer und Frauen, die beschossen werden sollten, war in Gefahr“.  Am Fernsehen sagte der Chef der sozialistischen Regierungspartei Jorge Rodríguez: „Mehrere der Angeschuldigten, darunter ein verhafteter General – der seine Beteiligung an den Plänen zugegeben hat – und ein Oberstleutnant i. R. geben Sie, Julio Borges, als Teilnehmer an den Treffen an, in denen die taktischen Bombardierungsziele in diesem Putschversuch“ festgelegt wurden.“ Borges ist der Chef der Partei Primero Justicia. Auslöser des Putsches sollte nach amtlicher Darstellung die Veröffentlichung eines Aufrufs zum Sturz der Regierung sein. Tatsächlich wurde am 11. Februar ein Aufruf zum Sturz der Regierung veröffentlicht, gezeichnet von den drei RechtspolitikerInnen Leopoldo López, María Corina Machado und Antonio Ledezma, dem Bürgermeister von Grosscaracas. In diesem „Aufruf für eine nationale Übergangsvereinbarung“ schreiben die drei, allesamt aktiv beteiligt am 3-Tagesputsch von 2002, von einem „totalitär“ gewordenen Staat, von einer „schwer beschädigten Basis für den Frieden“, vom „unausweichlichen Zusammenbruch der Regierung“ und von den von einer Übergangsregierung zu ergreifenden Massnahmen: „Venezuela erneut in die internationalen Finanzflüsse“ integrieren, die „Autonomie“ der Zentralbank wiederherstellen, Entschädigungen für „willkürliche Enteignungen“, Neuausrichtung der staatlichen Ölpolitik, „Freilassung der politischen Gefangenen“ u. ä.
Auf die Spur der Putschvorbereitungen, so die Behörden, stiessen sie aufgrund von Hinweisen loyaler Militärs und geheimdienstlicher Untersuchungen. Interessanterweise befinden sich etwa der Putschaufrufunterschreiber Leopoldo López oder der Luftwaffengeneral Oswaldo Hernández Sánchez, der jetzt belastende Aussagen gegen führende rechte PolitkerInnen machte, eh schon in Haft; der erste wegen seiner zentralen Rolle beim Versuch letzten Jahres, die Regierung zu stürzen, der andere wegen eines ebenfalls in jener Zeit geplanten Militärcoups. Nach den vorliegenden, etwas widersprüchlichen Angaben war der Einsatz eines oder mehrerer Militärflugzeuge geplant, darunter auf jeden Fall einer Súper Tucano, die, mit venezolanischen Hoheitszeichen versehen, aus dem Ausland einfliegen sollte. Die Tucanos der Luftwaffe selbst sind wegen eines Produktionsfehlers alle nicht operativ. Präsident Maduro erklärte, wegen dieser Súper Tucano die holländische Regierung (Kolonialmacht der Venezuela vorgelagerten Inseln Aruba und Curaçao) und – vergeblich- den kolumbianischen Präsidenten Santos kontaktiert zu haben, der gerade im Flugzeug sass.  Spekulationen zufolge soll sich die fragliche Tucano im Besitz des berüchtigten US-Söldnerunternehmens Blackwater (heute Academi) befinden, die damit Einsätze in Kolumbien fliege. Es handle sich demnach um die einzige nicht an eine Regierung ausgelieferte Súper Tucano des brasilianischen Waffenmultis Embraer.
Diese Tucano sollte vom Fluginstrukteur und Oberstleutnant José Antich Zapata geflogen werden, von dem Parlamentschef Diosdado Cabello sagte, er sei „das Verbindungsglied mit der US-Botschaft“ gewesen (id.), von der er auch US-Visa für die beteiligten Putschisten im Falle eines Misserfolgs bekommen habe.
Meinungsäusserung bei den "demokratischen Protesten" letztes Jahr. Quelle: Telesur.


Kein Echo, dafür ein Skript
Und das transnationale Echo auf diese Enthüllungen? Echo …, warum? Da und dort, von El País über die New York Times zu den helvetischen Brillanzprodukten, eine kleine Agenturmeldung über „Anwürfe“ der venezolanischen Regierung. Möglichst noch eingeleitet mit einer eklatanten Lüge wie in der AP-Meldung vom 13. Februar, die so beginnt: „Die venezolanische Armee und OppositionspolitikerInnen haben die jüngste Bekanntmachung der Regierung [zum Putschversuch] abgetan…“. Die Armeeführung hat natürlich den Putschversuch bestätigt und scharf verurteilt, im Gegensatz zu den Rechten, die ihn zwar ins Reich der Phantasie verbannen, aber sich nie von ihm distanzieren. Die Stossrichtung ist klar: Die Regierung Maduro ist eine nicht ernst zu nehmende Quasselbande. Deshalb dominiert jetzt Schweigen in den gleichen Medien, die sich sonst nicht genug über die „entsetzliche“ Lage in Venezuela auslassen können.
Sie folgen damit dem dominanten Skript, präsentiert von State Department-Sprecherin Jen Psaki am 13. Februar 2015: „Diese jüngsten Anschuldigungen [der venezolanischen Regierung] sind, wie alle  früheren solche Anschuldigungen, lachhaft. Auf der Basis einer seit langem bestehenden Politik unterstützen die USA keine politischen Transitionen mit nicht-verfassungsmässigen Mitteln.“  Damit sorgte sie selbst im zugelassenen Medienkreis für die verwunderte (und nicht beantwortete) Frage, was denn „lange bestehend“ heisse. Psaki meinte weiter, mit solchen Manövern wolle die Regierung in Caracas von der „gravierenden Situation“ im Land ablenken. Ins gleiche Horn stösst natürlich auch die venezolanische Rechte. Damit ist die Tonlage kommender hiesiger Mainstreamkommentare erschöpfend charakterisiert.

Die Schaffung internationaler Putschbedingungen
Immerhin gäbe es mehr als reichlich Anlass, in Sachen imperialer Putschorchestrierung nachzuhaken. Da wären schon einmal die aktuellen Informationen aus Caracas. Was etwa wollte Nancy Birbeck, für die Royal Canadian Mounted Police in der kanadischen Botschaft in Caracas, in Erfahrung bringen, als sie sich am Montag, dem 9. Februar 2015, auf dem Flughafen Michelena nach dessen Kapazitäten in „Notfällen“ erkundigte? Was für „besonderen Situationen“ galt ihre Recherche, fragte sich Parlamentspräsident Cabello. Zum Fall des mit der Besorgung von US-Visa beauftragten venezolanischen Leutnants meinte Cabello: „Dies ist keine Sache von Leutnants, es gibt eine Koordination mit der US-Botschaft, wir kennen den Namen“ der dort mit der Visabeschaffung betrauten Person (id.). Warum riet der Geschäftsträger der deutschen Botschaft den in Venezuela lebenden Deutschen am 3. Februar 2015, sich angesichts eines in den kommenden zwei Wochen möglichen Staatsstreichs mit Grundbedarfartikeln, Medikamenten etc. einzudecken? Warum reichte sie ihre Kenntnisse nicht an die venezolanischen Behörden weiter? Warum diskutierte die EU-„Diplomatie“ offenbar die Entsendung von europäischen Friedenstruppen nach Venezuela?
In „Regime change humanitär“ in der aktuellen Correosnummer wird die Entwicklung in der zweiten Hälfte des letzten Jahres nachgezeichnet, die sich immer schneller drehende Spirale von Verschärfungen der US-Sanktionen gegen venezolanische „MenschenrechtsverletzerInnen“, die Instrumentalisierung von Menschenrechtsapparaten gegen den Chavismus, rechte Aktivierungen in der EU etc. Gepaart mit der sich steigernden Medienhetze über die völlig verlogen dargestellten Versorgungsprobleme in Venezuela deutete all dies auf die Forcierung eines regime change hin. Anfang Februar 2015 drehten die USA erneut an der Sanktionenschraube. Am 3. Februar 2015 meinte Vincent R. Stewart, Direktor der Defense Intelligence Agency der US-Streitkräfte, im Rahmen einer „Globalen Bedrohungseinschätzung“ vor dem Kongress: „Wir prognostizieren, dass studentische Organisationen und die politische Opposition weitere Proteste … veranstalten werden“. Schwer dürfte diese Voraussage dem US-Militär nicht gefallen sein. Wikileaks publizierte ein Kabel der US-Botschaft in Caracas vom 27. August 2009, in dem der für die Unterwanderung in Venezuela zuständige US-Funktionär bezüglich gerade aktueller Strassentumulte sagt: "Die Strassen sind heiss" und "alle diese [die Tumulte organisierenden] Leute sind unsere Stipendiaten". Allein für 2015 haben das State Department und die National Endowment for Democracy öffentlich $ 6.2 Mio. für solche „Stipendien“ bereit gestellt, wie Eva Golinger berichtet. Ebenfalls Anfang Februar veröffentlichte das Weisse Haus seine National Security Strategy 2015, in dem Venezuela als Bedrohung der nationalen US-Sicherheit  bezeichnet wird. Am Caribbean Energy Security Summit in Washington Ende Januar 2015 schlug US-Vizepräsident Joe Biden den Karibikstaaten eine auf US-Privatinvestitionen und Weltbankmanagement beruhende „Energiesicherheit“ vor. Im nichtöffentlichen Teil der Veranstaltung rief Biden die karibischen Staatschefs auf, die Gunst der Stunde – billige Ölpreise – zu nutzen und aus Petrocaribe auszutreten. Die Tage der chavistischen Regierung seien eh gezählt. Maduro protestierte, worauf Jen Psaki vom State Department am 2. Februar meinte, Maduros Anschuldigungen seien „ohne Basis und falsch“ und dienten einzig der Ablenkung von den „berechtigten Anliegen der Bevölkerung“.
Dies sind Elemente, die die AussenministerInnen der südamerikanischen Staatengruppe Unasur schon vor Bekanntwerden der Putschplanung veranlasst hat, die Destabilisierung der venezolanischen Regierung erneut zu kritisieren. Dass sich alles Richtung Putsch verdichtete, pfiffen die Spatzen von den Dächern. Dass allerdings der deutsche Geschäftsträger so nett sein würde, das Datum im Voraus auszuplaudern und damit – im Falle eines Misserfolgs - Berlin in Verlegenheit zu bringen, erstaunt etwas. Die Aussage von Maduro, die grosse Mehrheit der rechten OppositionsführerInnen seien über die Putschvorbereitungen  auf dem Laufenden gewesen, erstaunt dagegen nicht.
Die offene Frage ist, ob mit der Verhaftung dieser Gruppe von Luftwaffenoffizieren (und der Flucht weiterer Beteiligter) die militärische Komponente der Destabilisierungsstrategie genügend geschwächt worden ist oder nicht. Anlass zur Genugtuung bildet sie auf jeden Fall.

Venezuela: Putschversuch verhindert (fürs Erste)

Freitag, 13. Februar 2015

(zas, 13.2.15) Wie gestern Donnerstag Nicolás Maduro bekannt gab, wurde eine aus Miami finanzierte Gruppe von Offizieren der Luftwaffe verhaftet. Geplant war, ein Video mit einem verhafteten putschistischen General zu veröffentlichen und heute oder gestern mit einem Tucano-Flieger den Präsidentenpalast oder den Ort, an dem sich Maduro befinden würde, zu bombardieren. Auch Telesur und das Verteidigungsministerium gehörten zu den Angriffsobjekten. Militärs und Zivilpersonen wurden gestern verhaftet, dabei wurden laut dem staatlichen Sender VTV Unterlagen einer „Übergangsregierung“ beschlagnahmt.
Maduro betonte erneut, dass die Armee befugt sei, einen „13. April“ präventiv durchzuführen. Am 13. April 2002 scheiterte der dreitägige Putsch gegen Hugo Chávez.

Venezuela: Aufwärmen für einen Putsch der „neuen Art“

Sonntag, 8. Februar 2015



(zas, 8.2.15) Die Nachfolger des Versagers Chávez in Caracas toppen ihr Idol. Eine derart schreckliche Wirtschaftskrise ist die Folge, dass ein baldiges Ende der chavistischen Regierung unausweichlich ist. So der mediale Dauerbeschuss.
Beispiel: Gestern machte sich einer von der NZZ wieder mal verhalten lustig über den Begriff „Wirtschaftskrieg“, den die Grossmäuler in Venezuela so gerne gebrauchen. Ein Begriff aus dem Katechismus der Unfähigen, wie NZZ-Brühwiller zu meinen vorgibt: „Schuld an den Warteschlangen und am wachsenden Unmut in der Bevölkerung seien die Detailhändler, glaubt Präsident Nicolás Maduro. Sie steckten mit der Opposition und den Imperialisten unter einer Decke und führten einen «Wirtschaftskrieg» gegen seine Regierung….  Der Diskurs vom Wirtschaftskrieg wird ... weitergehen, denn er hilft der Regierung, vom eigenen Versagen abzulenken.“ Statt in sich zu kehren, geht die Regierung auf die „Detailhändler“ los. Etwa auf „die populärste Apotheken-Kette Venezuelas, Farmatodo  … Bei einer Kontrolle sei festgestellt worden, dass trotz den langen Schlangen vor den Geschäften nur ein Teil der Kassen in Betrieb gewesen sei, lautet die Begründung. Zudem seien Unregelmässigkeiten beim Vertrieb der Produkte festgestellt worden. 
Bei der Bildung von Volkskommandos gegen den Wirtschaftskrieg in Táchira. Quelle: vicepresidencia.gob.ve
 „Unregelmässigkeiten“, Nichtigkeiten als Anlass für Unternehmerrepression! Wo doch nur, wie Präsident Nicolás Maduro erklärte und Brühwiller nicht, lange Warteschlangen vor den 150 Verkaufsstätten von Farmatodo, gleichzeitig einer der wichtigsten Pharmaimporteure des Landes, beobachtet wurden, was die Behörden zur Kontrolle bewegten. Bei Farmatodo mangelt es oft an Medikamenten – vom Novalgin bis zum Krebsmittel. Das heisst, bei Farmatodo in Venezuela mangelt es oft daran. Bei den Farmatodo-Filialen in Kolumbien, wo alles ein Vielfaches kostet, sind die Regale stets gefüllt. Zufälle oder halt die unsichtbare Hand des Marktes, der die mit staatlich zur Verfügung gestellten Billigstdollars erworbenen Medikamente in sichere kolumbianische Gefilde leitet. Zurück zu den Warteschlangen, die die Herzen der LateinamerikakorrespondentInnen sich zusammenkrampfen lassen. Brühwiller hat es geschafft, etwas richtig mitzuschneiden: „…nur ein Teil der Kassen in Betrieb“. Wie Maduro festhielt, landesweit. Von 10 Kassen waren etwa nur 3 in Betrieb: angesichts der wartenden Kundschaft betriebswirtschaftlich eigentlich nicht wirklich einleuchtend. Die Farmatodo-Bosse wussten im Verhör eine einleuchtende Antwort, die Maduro so zusammenfasst: „Sie sagten, schuld seien die Angestellten … Feiglinge, Parasiten!“ (s.o.).
Zehntausende von Tonnen an Gütern des Alltagsbedarfs, importiert dank staatlichen Billigdollars (aus der Ölrente), werden auf kapillaren Wegen nach Kolumbien geschmuggelt oder in unregulierten Geschäftsketten zum exorbitanten Schwarzmarktkurs tröpfchenweise angeboten. Enorme Mengen an Artikeln aller Art, vorallem aber des Grundbedarfs, werden von den Behörden in Geheimlagern entdeckt. Doch Schuld trägt die Regierung, die aufgrund ihrer ideologischen Verblendung an der Devisenkontrolle festhält und deshalb den fleissigen Unternehmern nicht genug Dollars zur Verfügung stellt. Tatsächlich dürften Korruption und Bürokratie bei der staatlichen Devisenzuteilung ein Faktor bei der Unterversorgung sein. Aber bei weitem nicht der wichtigste. (Die oft mit fingierten oder manipulierten Importgeschäften gedeckte Kapitalflucht sorgte etwa 2012 nach Angaben der Zentralbankpräsidentin dafür, dass von den staatlicherseits günstig zur privaten Verfügung, insbesondere für den Import, gestellten $36 Mrd. mindestens $ 20 Mrd. illegal in Steuerparadiese flossen.) Ein Grossteil des Phänomens geht auf einen realen Wirtschaftskrieg zurück (bei der Pharma etwa auch auf den Fakt, dass grosse Multis Venezuela mit einem faktischen Lieferboykott belegen).
Sehr vieles erinnert heute in Venezuela an die Situation Chiles vor dem Putsch 1973. Auch die Unidad Popular der Reformregierung Allende galt den Mainstreammedien als „unfähig“, die Versorgung der Bevölkerung mit Alltagsgütern sicher zu stellen. Diese Medien jubelten nach dem Putsch. Bis in die 80er Jahre feierte etwa die NZZ den Jahrestag des Putsches. Erst, als der massive Volkswiderstand Pinochets Auspressungsregime ins Stocken brachte, änderte sich die Tonlage der damaligen Hechelmeute. Wie dieser Wirtschaftskrieg geführt wurde – von den Sabotageblockaden der Camionneure über die internationalen Blockaden (auch durch Nestlé, die Allende nicht verzieh, dass alle Schulkinder ein Glas Milch erhielten, an ihren Profitkassen vorbei) und die CIA-gesponserte Medienhetze im In- und Ausland bis zur Organisierung der militärischen Putschkräfte unter US-Kommando – ist belegt. Natürlich wissen die Mainstreammedien so gut wie nichts davon. Parallelen könnten ins Auge springen.
Vor zwei Tagen brachte amerika21.de einen Artikel über die massiv zirkulierenden Putschgerüchte in Venezuela (s. dazu auch den Post auf diesem Blog). Darin steht:

„Nach Angaben eines westlichen Diplomaten gehen Außenpolitiker in Brüssel inzwischen von der Möglichkeit eines Putsches mit Beteiligung des Militärs aus. In diesem Fall würde Präsident Maduro womöglich nach Kuba ins Exil gehen, die Lage im Land bliebe instabil. Im Bereich des Möglichen sieht man bei der EU offenbar auch einen anhaltenden Bürgerkrieg. In diesem Fall könnte eine internationale Friedenstruppe nach Venezuela entsandt werden, eventuell auch mit Beteiligung von EU-Staaten, hieß es in Brüssel.“
„In einem Interview mit der regierungskritischen Tageszeitung "El Nacional" schloss auch der Vorsitzende des oppositionellen Parteienbündnisses Tisch der Demokratischen Einheit (MUD), Jesús Torrealba, einen Umsturzversuch nicht mehr aus. "Wir glauben, dass die Krise in Venezuela in ihre Endphase eingetreten ist", sagte der Politiker, der auf Einladung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung unlängst auch in Deutschland zu Besuch war. Angesichts der schwierigen Situation der staatlichen Institutionen könnte es zu einem Putschversuch kommen, so Torrealba in dem Interview. Das MUD-Bündnis habe für diese Situation "ein Protokoll über sein Vorgehen" in der Schublade: "Wir würden sofort zu freien Neuwahlen aufrufen." Man wolle "weder diese noch eine andere Diktatur".

„Brillant“ die Façon der Rechten: ein Staatsstreich, der sofort Neuwahlen bedinge, um ein demokratischer zu sein. (Bis zu den Parlamentswahlen später im Jahr will man offenbar nicht warten. Warum bloss?) Tatsächlich, beim modernen Putsch des Imperiums ist die Armee nur soweit gerufen wie „nötig“. Danach bitte möglichst zivile Köpfe. Und erfreuen wir uns doch der Vision einer Wahldemokratie in einem von „Friedenstruppen“ besetzten Venezuela.
Allerdings sind heute die Verhältnisse nicht mehr wie 1973. Am heutigen Tag treffen sich die AussenministerInnen des südamerikanischen Staatenbündnisses Unasur, um die akute Destabilisierungsoffensive gegen Venezuela zu bekämpfen. In Venezuela scheint die Regierung entschlossen, gegen die staatsstreichelnden AkteurInnen des Wirtschaftskriegs vorzugehen. Und es gibt dazu eine reale Mobilisierung an der Basis (s. dazu den parallel reproduzierten Artikel "Volkskommandos gegen Wirtschaftskrieg" in Venezuela“, und auf spanisch den Mobilisierungsaufruf der Comunas, der Zusammenschlüsse der Nachbarschaftsräte:  Jornada comunera de distribución de alimentos contra la Guerra Económica). Ein Krieg in Venezuela hätte kontinental unvorhersehbare Auswirkungen.
Soweit ist es noch nicht. Zwar haben die USA haben vor wenigen Tagen erneut ihre Sanktionen ausgeweitet, möglichereise werden „angesehene“ Menschenrechtsapparate die venezolanische Regierung der Verletzung des Rechts der Leute auf Nahrung beschuldigen oder die Freiheit der verhafteten UnternehmerInnen (politische Gefangene) verlangen usw. Doch es scheint noch an der für einen Staatsstreich eigentlich wünschenswerten realen Mobilisierung relevanter Bevölkerungssegmente zu fehlen. Als kürzlich Oppositionsführer Capriles zu Grosskundgebungen und zum Generalstreik gegen das „Hungerregime“ von Maduro aufrief, war das Ergebnis für diese Kräfte niederschmetternd. Möglicherweise haben auch die bewaffneten Destabilisierungsoperationen der Rechten in der ersten Hälfte des letzten Jahres demobilisierend gewirkt. Sie fanden ausnahmslos in besser gestellten und reichen Zonen statt, trafen damit auch die eigene potenzielle Basis und spalteten das rechte Lager nicht unbedeutend. Und trotz aller Unkenrufe und medialer Weissagungen ist es der Rechten bis heute nicht gelungen, den Frust wegen der Versorgungslage in den Unterklassen für sich zu vereinnahmen. Könnte sein, dass die jetzt laufende Mobilisierung gegen die AkteurInnen des Wirtschaftskrieges gar zum allgemeinen Motto der Unterklassen wird.